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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.02.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 628/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
ZPO § 138
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.7.2007, Az: 1 Ca 476/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.07.2007 (dort: Seite 2 bis 11 = Bl. 199 - 208 d.A.).

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 16.02.2007 nicht aufgelöst ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme, hinsichtlich deren Gegenstand und Ergebnis auf die Sitzungsniederschrift vom 26.07.2007 (Bl. 179 ff d.A.) verwiesen wird, die Klage mit Urteil vom 26.07.2007 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei als sog. Verdachtskündigung wirksam. Gegen den Kläger bestehe nämlich der dringende Verdacht, vorsätzlich Vermögensinteressen der Beklagten verletzt zu haben, um sich hierdurch selbst zu bereichern. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen und unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles könne der Beklagten eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt worden. Letztlich habe die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört. Etwaige Mängel bei der Willensbildung des Betriebsrats oder im Zusammenhang mit dessen Beschlussfassung stünden der Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens nicht entgegen. Zur Darstellung der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf die Seiten 11 - 25 des Urteils vom 26.07.2007 (= Bl. 208 - 222 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 28.08.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.09.2007 Berufung eingelegt und diese am 26.10.2007 begründet.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe vor Kündigungsausspruch keine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats stattgefunden. Die von der Beklagten erstinstanzlich vorgelegte Anlage B 9 sei nicht zur Information des Betriebsrats sondern vielmehr für die Ermittlungsbehörden gefertigt worden. Es erscheine daher zweifelhaft, ob diese Anlage anlässlich der Unterrichtung des Betriebsrats am 13.02.2007 tatsächlich sämtlichen Betriebsratsmitgliedern übergeben worden sei. Das von der Beklagten als Anlage B 11 vorgelegte Schriftstück enthalte keine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats. Er - der Kläger - bleibe auch dabei, dass ihm das Kündigungsschreiben bereits vor Hinzuziehung des Betriebsratsvorsitzenden ausgehändigt worden sei. In diesem Zusammenhang habe es das Arbeitsgericht versäumt, auch noch die von ihm als Zeugen benannten Betriebsratsmitglieder G und H zu vernehmen. So habe er - der Kläger - erstinstanzlich ausgeführt, dass das Kündigungsschreiben bereits vorgelegen habe, als er zu den gegenüber ihm erhobenen Vorwürfen angehört worden sei. Es bleibe auch bestritten, dass sich der Betriebsratsvorsitzende gegenüber der Zeugin T dahingehend geäußert habe, das am 16.02.2006 verfasste Schriftstück (Bl. 141 d.A.) enthalte die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats. Der Beklagten sei auch bekannt gewesen, dass es sich um keine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats als Gremium handeln konnte. Er - der Kläger - verbleibe dabei, dass ihm die Kündigung

übergeben worden sei, bevor sich der Betriebsrat endgültig geäußert habe. Der Betriebsrat sei darüber hinaus auch bereits deshalb nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, weil ihm weder Familienstand noch Unterhaltsverpflichtungen mitgeteilt worden seien. Zu Unrecht gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass auch ohne Berücksichtigung der Aussage des Zeugen G eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass er vorsätzlich zum Nachteil der Beklagten gehandelt habe. In diesem Zusammenhang könne ihm nicht vorgehalten werden, er habe die von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen nicht hinreichend bestritten. So habe er insbesondere auch zulässigerweise mit bloßem Nichtwissen bestreiten können, dass die bestellen Geräte nicht eingebaut worden seien. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass eine Kontrolle im System der Beklagten, ob bestellte Geräte tatsächlich eingebaut worden seien oder ob für die Bestellungen auch Montageaufträge vorlägen, nicht vorgesehen sei. Das Arbeitsgericht sei bei seiner Entscheidung offensichtlich davon ausgegangen, er habe Geräte für Wohnungen bestellt, die bereits auf Fernwärme umgestellt gewesen seien. Wenn aber nun beispielsweise im Juni 2006 eine Gastherme irreparabel defekt gewesen sei und noch nicht einmal festgestanden habe, wann die Umstellung auf Fernwärme erfolge, so habe er - der Kläger - zwingend handeln müssen, um nicht die Mieter im Kalten und mit kaltem Wasser sitzen zu lassen. Die Beschuldigungen, die der Zeuge G ihm gegenüber erhoben habe, seien unzutreffend. Es entspreche auch nicht den Tatsachen, dass Geräte bei ihm zu Hause angeliefert worden seien.

Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 16.02.2007 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht darüber hinaus geltend, der gegen den Kläger bestehende dringende Verdacht der Untreue sei zwischenzeitlich weiter erhärtet worden. So seien im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen in der Wohnung es Klägers ein PC sowie ein Notebook sichergestellt worden. Bei der Sichtung dieser Geräte habe sich ergeben, dass der Kläger bzw. dessen Ehefrau mehrere Heizthermen im Internet versteigert hätten. Darüber hinaus sei von den Ermittlungsbeamten ein weiterer Zeuge vernommen worden, durch dessen Aussage der Kläger belastet werde.

Zur Darstellung der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.

II. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitgegenständliche fristlose Kündigung aufgelöst worden.

Das Berufungsgericht folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Klarstellungen:

1. Die Kündigung erweist sich nicht wegen Fehlens eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB als unwirksam.

Ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d.h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

Es ist allgemein anerkannt, dass der Verdacht, der Arbeitnehmer könne eine strafbare Handlung zu Lasten des Arbeitgebers oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben, geeignet sein kann, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung zu bilden. Entscheidend ist, dass es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Der Verdacht muss objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss darüber hinaus dringend sein, d.h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat oder die Pflichtverletzung begangen hat. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Er ist insbesondere verpflichtet, den verdächtigen Arbeitnehmer anzuhören, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Das Arbeitsgericht ist unter Würdigung des Vorbringens der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass gegen den Kläger der dringende Verdacht besteht, in einer Vielzahl von Fällen Heizthermen im Namen und auf Rechnung der Beklagten bestellt und sich diese selbst zugeeignet zu haben. Dieser Verdacht resultiert, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, u.a. insbesondere aus dem Umstand, dass der Kläger diese Geräte für solche Wohnungen bestellt hat, in denen im Hinblick auf eine vorgesehene Umstellung auf Fernwärme der Einbau und Einsatz von Heizthermen nicht mehr angebracht war. Sowohl der Zeuge N als auch der Zeuge F haben bei ihrer Vernehmung bekundet, dass der Kläger im Jahr 2006 Thermen für Wohnungen bestellt habe, obwohl die betreffenden Wohnungen seinerzeit gerade auf Fernwärme umgestellt wurden. Darüber hinaus hat der Zeuge N ausgesagt, dass dem Kläger aufgrund einer internen Mitteilung die Umstellung auf Fernwärme in der E-Siedlung bekannt gewesen sei, er jedoch gleichwohl noch am 07.06.2006 Gasthermen für die dort gelegenen Wohneinheiten bestellt habe. Hinzu kommt, dass - so die Aussage des Zeugen F - es sich bei den alten Geräten in den betreffenden Wohnungen um auf dem Boden stehende Kessel handelte, so dass zur Installation von Gasthermen, die an der Wand anzubringen sind, die gesamten Anbindungsleitungen hätten neu verlegt werden müssen. Angesichts des substantiierten Vorbringens der Beklagten bezüglich der insgesamt 132 fehlenden Geräte und der betreffenden Wohnobjekte ist das Arbeitsgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass das bloße Bestreiten mit Nichtwissen seitens des Klägers nach Maßgabe der Vorschriften des § 138 ZPO unzureichend ist. Insoweit sowie hinsichtlich der sonstigen, den dringenden Verdacht gegen den Kläger begründenden Indizien ist den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils nichts hinzuzufügen. Soweit der Kläger allgemein darauf verweist, dass er habe handeln müssen, wenn ein Handwerker oder Mieter gemeldet habe, in einer Wohnung fehle heißes Wasser, so ist dieses pauschale Vorbringen ebenfalls nicht geeignet, den gegen ihn bestehenden Verdacht in irgendeiner Weise zu entkräften. Es wäre insoweit Sache des Klägers gewesen, konkret vorzutragen, wann und wo ein solcher Handlungsbedarf bestanden hat; zumindest wäre vom Kläger insoweit die Nennung bzw. Schilderung von Beispielfällen zu erwarten gewesen. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger bereits aufgrund seiner eigenen Tätigkeit sowie in Ansehung der von der Beklagten vorgelegten Auflistung Kenntnis davon haben muss, für welche Wohnungen er Heizthermen bestellt hat und was der Grund der jeweiligen Bestellung war. Darüber hinaus macht die Beklagte in diesem Zusammenhang zu Recht geltend, dass der Einwand des Kläger, er habe die Mieter nicht ohne Warmwasserversorgung belassen können, schon deshalb nicht durchgreift, weil, falls tatsächlich im Einzelfall ein Defekt an einer Therme vorhanden war, er die Montage eines Umlauferhitzers hätte vorziehen müssen. Dies deshalb, weil über die Thermen sowohl die Warmwasserversorgung als auch die Heizung lief, im Zuge der Umstellung auf Fernwärme die Thermen abgebaut wurden, so dass für das Warmwasser lediglich noch ein Umlauferhitzer hätte installiert werden müssen. Letztlich hat der Kläger nicht einen eigenen konkreten Fall vorgetragen, bei dem aufgrund einer Beanstandung die Bestellung einer neuen Heiztherme notwendig war. Soweit der Kläger pauschal mit Nichtwissen bestritten hat, dass die betreffenden Geräte tatsächlich nicht eingebaut worden seien, so erweist sich dieses Bestreiten auch bereits deshalb letztlich als unzureichend, weil sich aus den von der Beklagten in drei Beispielfällen vorgelegten Schornsteinfegerbescheinigungen ergibt, dass es sich bei den jeweiligen Geräten in den Wohnungen um ältere Geräte gehandelt hat, also kein Einbau neu bestellter Gasthermen erfolgt ist. Die Richtigkeit des Inhalts der vorgelegten Schornsteinfegerbescheinigungen hat der Kläger nicht in Abrede gestellt.

Im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung, deren der Kläger dringend verdächtig ist, steht auch das Ergebnis der im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB durchzuführenden umfassenden Interessenabwägung nicht der Wirksamkeit der Kündigung entgegen. Den diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil ist nichts hinzuzufügen. Auch bezüglich der Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB besteht keine Veranlassung zu weiteren (ergänzenden) Ausführungen seitens des Berufungsgerichts.

2. Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam. Die Beklagten hat den Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört.

Nach dem vom Arbeitsgericht zutreffend gewürdigten Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Beklagte die Betriebsratsanhörung am 13.02.2007 eingeleitet hat. Sowohl der Betriebsratsvorsitzende, der Zeuge S als auch die Zeugin T haben bei ihrer Vernehmung bekundet, dass der gesamte Betriebsrat am 13.02.2007 über die von der Beklagten beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Klägers unterrichtet wurde unter Vorlage der unter dem Datum vom 13.02. 2007 gefertigten schriftlichen Zusammenfassung des maßgeblichen Kündigungssachverhaltes. In der betreffenden schriftlichen Sachverhaltszusammenfassung (Anlage B 9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 18.07.2007, Bl. 132 - 139 d.A.) hat die Beklagte die für ihren Kündigungsentschluss maßgebenden Gründe im Einzelnen dargestellt und dabei auch ausdrücklich auf den gegenüber dem Kläger bestehenden Verdacht der Untreue abgestellt. Darüber hinaus wurde der Betriebsrat im weiteren Verlauf des Anhörungsverfahren auch über das Ergebnis der am 16.02.2007 erfolgten Anhörung des Klägers dadurch unterrichtet, dass in Absprache mit dem Betriebsrat zwei Betriebsratsmitglieder an dem betreffenden Gespräch teilnahmen und im Anschluss daran den Betriebsratsvorsitzenden über das Ergebnis der Anhörung des Klägers unterrichteten. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, die schriftliche Sachverhaltszusammenfassung vom 13.02.2007 sei zugleich auch in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte enthalten und daher offensichtlich für die Ermittlungsbehörden gefertigt worden, so ergibt sich hieraus nichts, was der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung entgegenstehen könnte. Es ist nämlich ohne Belang, ob das betreffende Schriftstück auch zum Zwecke der Vorlage bei den Ermittlungsbehörden erstellt worden ist. Entscheidend ist diesbezüglich vielmehr allein der Umstand, dass die Beklagte - wie die Beweisaufnahme ergeben hat - das die Kündigungsgründe beinhaltende Schriftstück dem Betriebsrat am 13.02.2007 vorgelegt hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers erweist sich die Betriebsratsanhörung nicht deswegen als unwirksam, weil in der dem Betriebsrat am 13.02.2007 übergebenen, die Kündigungsgründe beinhaltenden Sachverhaltsschilderung keine Angaben über die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers enthalten ist. Zwar darf der Arbeitgeber nach Sinn und Zweck der Anhörung dem Betriebsrat keine persönlichen Umstände des Arbeitnehmers vorenthalten, die sich im Rahmen der Interessenabwägung entscheidend zu seinen Gunsten auswirken können (BAG v. 21.06.2006 - 2 AZR 30/00 - EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 7). Der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung steht die fehlende Mitteilung der genauen Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers jedoch dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber wegen der Schwere der Kündigungsvorwürfe auf die genauen Daten ersichtlich nicht ankommt. Im Streitfall kam es der Beklagten angesichts der Schwere der Kündigungsvorwürfe ersichtlich nicht auf den Umfang etwaiger Unterhaltsverpflichtungen des Klägers an. Im Übrigen sind die sonstigen maßgeblichen Sozialdaten des Klägers, nämlich dessen Alter und die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit in der dem Betriebsrat übergebenen Sachverhaltsschilderung enthalten.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils ausgeführt, dass der Betriebsratsvorsitzende gegenüber der Beklagten mit Übergabe der Gesprächsnotiz vom 16.02.2006 (Bl. 141 d.A.) eine abschließende, das Anhörungsverfahren beendende Erklärung abgegeben hat. Der Betriebsratsvorsitzende S hat bei seiner Vernehmung ausgesagt, dass er dieses Schriftstück an dem betreffenden Tag der Zeugin T übergeben und dabei erklärt habe, dass die Stellungnahme des Betriebsrats nunmehr abschließend sei. Des Weiteren hat die Zeugin T bekundet, dass der Betriebsratsvorsitzende bei Übergabe des Schriftstücks gesagt habe: "Hier, das ist unser Votum". Der Betriebsratsvorsitzende hat daher - nach Maßgabe dieser glaubhaften Zeugenaussagen - klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich hiermit abschließend zu der beabsichtigten Kündigung äußere. Zwar hat der Kläger im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 04.02.2008 (dort S. 4 = Bl. 329 d.A.) bestritten, dass der Betriebsratsvorsitzende sich dahingehend geäußert habe, dies sei "das Votum". Der Kläger hat jedoch bezüglich der Abgabe dieser konkreten Erklärung keinen Gegenbeweis angetreten. Soweit der Kläger im Übrigen in zweiter Instanz vorgetragen hat, er bleibe dabei, dass der Betriebsrat keine abschließende Erklärung abgegeben bzw. sich nicht "endgültig" geäußert habe und für diese Behauptung Beweis (Zeugen G und H) angeboten hat, so stellt sich dieses Vorbringen lediglich als eine - von der zutreffenden Ansicht des Arbeitsgerichts abweichende - eigene rechtliche Bewertung der erstinstanzlich bewiesenen Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden dar.

Die Beklagte hat die Kündigung auch nicht bereits vor Abschluss des Anhörungsverfahrens, d.h. vor Erhalt der das Anhörungsverfahren beendenden Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden ("das ist unser Votum") ausgesprochen. Den diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils (dort S. 22, 2. Abs. = Bl. 219 d.A.) und der darin enthaltenen Beweiswürdigung ist an sich nichts hinzuzufügen. Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründungsschrift vom 25.10.2007 (dort S. 4 unten = Bl. 269 d.A.) geltend gemacht hat, das Kündigungsschreiben habe "bereits vorgelegen", so bezieht sich dieses Vorbringen erkennbar auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag, wonach das Kündigungsschreiben zum Zeitpunkt des Gesprächs, bei welchem er zu den gegenüber ihm erhobenen Vorwürfen angehört wurde, "schon geschrieben" gewesen sei (Schriftsatz des Klägers vom 28.06.2007, dort S. 10 = Bl. 106 d.A.) bzw. "bereits auf dem Tisch" gelegen habe (Schriftsatz des Klägers vom 23.07.2007, dort S. 2 = Bl. 176 d.A.). Es ist indessen ohne Belang, ob das Kündigungsschreiben bereits vor Abschluss der Betriebsratsanhörung verfasst war. Entscheidend ist diesbezüglich vielmehr allein der Umstand, dass das Kündigungsschreiben dem Kläger - wie vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt - erst nach der abschließenden Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden ausgehändigt wurde.

Letztlich haben auch die vom Kläger behaupteten Mängel bei der Beschlussfassung des Betriebsrats keine Auswirkungen auf die Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 BetrVG. Fehler bei der Willensbildung des Betriebsrats berühren das Anhörungsverfahren grundsätzlich nicht. Sie führen insbesondere nicht zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung weiß oder erkennenden kann, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat. Solche Fehler gehen schon deshalb nicht zu Lasten des Arbeitgebers, weil er keine wirksamen rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Beschlussfassung des Betriebsrats hat (BAG v. 24.06.2004 - 2 AZR 461/03 - NzA 2004, 1330).

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber den Fehler der Willensbildung des Betriebsrats durch unsachgemäßes Verhalten selbst veranlasst bzw. beeinflusst hat. Hierfür sind jedoch im Streitfall keine Anhaltspunkte gegeben. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte durch unsachgemäßes Verhalten zu einer fehlerhaften Beschlussfassung des Betriebsrats beigetragen hat. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte den Betriebsrat zu einer besonders schnellen oder gar übereilten Stellungnahme gedrängt hat.

III. Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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