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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.04.2009
Aktenzeichen: 8 Sa 670/08
Rechtsgebiete: BAT, TVöD, ArbGG, BGB


Vorschriften:

BAT § 5 Satz 1 erster Halbsatz
BAT § 5 Satz 2
BAT § 25
BAT § 46
TVöD § 25
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 23.10.2008, Az.: 6 Ca 334/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Zusatzversorgung zu verschaffen. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.06.1995 als Fluglotse beschäftigt. Der zwischen den Parteien geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag vom 31.05.1995 enthält u.a. folgende Regelungen: "§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich grundsätzlich in analoger Anwendung nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung mit Ausnahme folgender Regelungen:" Der Angestellte erhält ab 01.06.1995 eine monatliche Vergütung aus der Grundvergütung der Vergütungsgruppe IV b Stufe 6 des jeweiligen Vergütungstarifvertrages zum BAT für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Nach je zwei Jahren erhält der Angestellte bis zum Erreichen der Endgrundvergütung (letzte Stufe) die Grundvergütung der nächsthöheren Stufe seiner Vergütungsgruppe. Außerdem erhält der Angestellte den entsprechenden Ortszuschlag und die Stellenzulage gemäß Tarifvertrag. Die Vergütung wird, soweit zwingende gesetzliche Vorschriften nichts anderes vorschreiben, nur für angeordnete und tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt. Die für den Arbeitgeber jeweils geltenden Tarifverträge über Sonderzuwendung und Urlaubsgeld finden Anwendung. Der Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen findet keine Anwendung. Außerdem erhält der Angestellte steuerfreie Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,70 DM pro Entfernungskilometer, jedoch maximal 400 DM pro Monat. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden. Der Erholungsurlaub des Angestellten beträgt 25 Arbeitstage. Die Vorschriften über Arbeitszeitverkürzung durch freie Tage sowie Arbeitsbefreiung finden keine Anwendung. "§ 3

Die Probezeit nach § 5 Satz 1 erster Halbsatz BAT beträgt sechs Monate. § 5 Satz 2 BAT bleibt unberührt." Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, aufgrund der arbeitsvertraglich getroffenen Vereinbarung sei die Beklagte verpflichtet, ihm Versorgungsleistungen entsprechend den einschlägigen Bestimmungen des BAT bzw. des TVöD zu verschaffen. Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn so zu stellen, wie er stünde, wenn er seit dem 01.06.1995 nach Maßgabe des § 46 BAT (alt) bzw. nach § 25 TVöD entsprechend dem einschlägigen Tarifvertrag versichert gewesen wäre. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Anwendung der Tarifverträge über die Altersversorgung der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst sei arbeitsvertraglich nicht vereinbart worden. Zur Darstellung aller Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 23.10.2008 (Bl. 33 - 36 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 23.10.2008 stattgegeben. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 - 8 dieses Urteils (= Bl. 36 - 39 d.A.) verwiesen. Gegen das ihr am 11.12.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte bereits am 05.11.2008 Berufung eingelegt und diese am 11.02.2009 begründet. Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe die vertraglichen Vereinbarungen fehlerhaft ausgelegt. So sei beispielsweise das in § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages enthaltene Wort "grundsätzlich" außer acht gelassen worden. Durch die entsprechende Formulierung sei von den Arbeitsvertragsparteien nämlich unzweideutig zum Ausdruck gebracht worden, dass das Regelwerk des BAT gerade nicht vollständig zur Anwendung gebracht werden solle. Darüber hinaus sei im Arbeitsvertrag auch lediglich eine "analoge" Anwendung der Bestimmungen des BAT vereinbart worden, womit klargestellt sei, dass keine vollständige Gleichstellung erfolge. Folgerichtig ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag in zweifacher Hinsicht, dass gerade nicht das gesamte BAT-Regelwerk zur Anwendung komme, sondern im Hinblick auf ihre privatrechtliche Organisation nur diejenigen Regelungen, die überhaupt umgesetzt werden könnten. Da sie jedoch nicht Mitglied in einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung werden können, sei klar gewesen, dass auch die entsprechenden tariflichen Bestimmungen innerhalb des Individualvertrages nicht gelten sollten. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts enthalte § 2 des Arbeitsvertrages auch keine abschließende Aufzählung derjenigen Bestimmungen des BAT, die auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden seien. Ansonsten hätte es der im Eingangssatz des § 2 des Arbeitsvertrages verwendeten Formulierung "grundsätzlich in analoger Anwendung" nicht bedurft. Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 11.02.2009 (Bl. 66 - 68 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen aller Einzelheiten seines Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 03.03.2009 (Bl. 77 - 79 d.A.) Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung stattgegeben. II. Die zulässige Klage ist begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger so zu stellen, wie er stünde, wenn er seit Beginn des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe des § 46 BAT bzw. nach Inkrafttreten des TVöD nach Maßgabe des § 25 TVöD entsprechend den einschlägigen Versorgungstarifverträgen versichert gewesen wäre. Der diesbezügliche Verschaffungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien. Die Parteien haben in § 2 des Arbeitsvertrages weitestgehend die Bestimmungen des BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Die Vereinbarung umfasst auch die Vorschrift des § 46 BAT bzw. § 25 des den BAT ersetzenden TVöD, wonach der Arbeitnehmer Anspruch hat auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe eines besonderen Tarifvertrages. Die Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages vom 31.05.1995 erstreckt sich nach der weit gefassten Formulierung auf die tariflich geregelte Zusatzversorgung. Dabei spielt es keine Rolle, dass § 46 BAT bzw. § 25 TVöD lediglich ein "ausfüllungsbedürftiges Blankett" enthalten und ohne die Regelung der betreffenden Versorgungstarifverträge die vorgeschriebene Versicherung nicht durchführbar ist. Denn auch die entsprechende Anwendung dieser ergänzenden Tarifverträge ist durch die im Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahme übernommen worden, wie sich aus der Formulierung "ergänzende ... Tarifverträge" ergibt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich bei der nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung des Arbeitsvertrages nicht, dass die Regelungen des § 46 BAT bzw. 25 TVöD sowie die diese Bestimmungen ergänzenden Versorgungstarifverträge nicht von der Verweisungsklausel erfasst sind. Für eine diesbezüglich einschränkende Auslegung des Vertrages bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Parteien haben nämlich in § 2 des Arbeitsvertrages ausdrücklich vereinbart, welche tariflichen Regelungen des BAT auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden, d.h. von der ansonsten weitgehenden Verweisungsvereinbarung ausgenommen sein sollen. So findet nach § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages der Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen keine Anwendung. In den Absätzen 4 und 5 des § 2 haben die Parteien sowohl bezüglich der wöchentlichen Arbeitszeit als auch der Urlaubsdauer Vereinbarungen getroffen, die von den tariflichen Vorschriften abweichen. Wie sich aus der im Eingangssatz des § 2 enthaltenen Formulierung "mit Ausnahme folgender Regelungen:" ergibt, soll der BAT nur insoweit keine Anwendung auf das Arbeitsverhältnis finden, als dies im Einzelnen im Vertrag festgelegt ist. Die Parteien haben somit lediglich punktuell bestimmte Regelungen des BAT von der Bezugnahme ausgenommen. Die arbeitsvertragliche Regelung stellt damit eindeutig klar, dass nur gewisse Bestimmungen des BAT nicht Gegenstand des Arbeitsverhältnisses werden sollten. Die im Streitfall maßgeblichen tariflichen Bestimmungen über die Zusatzversorgung werden im Arbeitsvertrag, soweit dieser die Herausnahme aus der weitgehenden Bezugnahmeklausel regelt, nicht aufgeführt. Hätten die Parteien jedoch gewollt, dass auch diese Bestimmungen von der Bezugnahme nicht erfasst werden, so hätte es nahegelegen, dies im Arbeitsvertrag - so wie bezüglich anderer tariflicher Regelungen geschehen zum Ausdruck zu bringen. Nichts anderes ergibt sich auch - entgegen der Ansicht der Beklagten - aus der Verwendung des Wortes "grundsätzlich" im Eingangssatz des § 2 des Arbeitsvertrages. Die betreffende Formulierung beschreibt lediglich, dass im nachfolgenden Vertragstext im Einzelnen vereinbarte Regel-Ausnahme-Verhältnis. Auch die Formulierung "in analoger Anwendung" spricht nicht für die Rechtsansicht der Beklagten. Zwar trifft es zu, dass der Verwendung des Wortes "analog" als Synonym für "entsprechend" im Einzelfall entnommen werden kann, dass keine vollständige Gleichstellung erfolgen soll. Hiervon kann jedoch vorliegend keinesfalls ausgegangen werden. Die vertragliche Vereinbarung tariflicher Vorschriften ergäbe nämlich keinen Sinn, wenn damit nicht zugleich auch deren Anwendbarkeit gewollt wäre. Eine bezüglich der Zusatzversorgung einschränkende Auslegung des Arbeitsvertrages lässt sich auch nicht darauf stützen, dass die Parteien vor Anfertigung des Vertragestextes über die Zusatzversorgung möglicherweise nicht sprachen. Fragen, die nicht Gegenstand von Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag waren, können dennoch später in diesem geregelt sein, denn vor Abschluss eines Vertrages werden üblicherweise nur die strittigen Punkte diskutiert (BAG v. 12.12.2006 - 3 AZR 288/05 - AP Nr. 67 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen). Eine einschränkende Auslegung des Arbeitsvertrages lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Kläger - unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten - nicht bei der tarifvertraglich vorgesehenen Zusatzversorgungseinrichtung versichert werden konnte. Ein vertraglich vereinbarter Versorgungsanspruch entfällt nicht dadurch, dass der tariflich an sich vorgesehene Durchführungsweg nicht eingehalten werden kann. In diesem Fall hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine gleichwertige Altersversorgung auf einem anderen Weg zu verschaffen (BAG v. 12.12.2006 - 3 AZR 388/05 - a.a.O.). Das getroffene Auslegungsergebnis lässt sich auch damit begründen, dass die von der Beklagten aufgestellten arbeitsvertraglichen Bestimmungen jedenfalls nicht mit der erforderlichen Klarheit die betriebliche Altersversorgung ausgeklammert haben. Wer eine Regelung geschaffen hat, muss bei Unklarheiten die für ihn ungünstige Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Die sog. Unklarheitenregelung (jetzt § 305 c Abs. 2 BGB) galt bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Da dem Kläger eine Zusatzversorgung entsprechend den Bestimmungen des BAT bzw. des TVöD zugesagt wurde, steht ihm der geltend gemachte Verschaffungsanspruch zu. Dabei handelt es sich um einen Erfüllungsanspruch aus dem arbeitsvertraglichen Versorgungsverhältnis. Offen bleiben kann, ob die Beklagte dem Kläger schadensersatzpflichtig ist und ihm daher (auch) im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) die verlangte Zusatzversorgung verschaffen muss. III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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