Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.02.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 927/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, BRTV-Bau, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 lit. (b)
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569 Abs. 2
BRTV-Bau § 3 Nr. 1.2
BGB § 296
BGB § 611
BGB § 615
BGB § 623
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 927/05

Entscheidung vom 24.02.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Anerkenntnisurteil und Endurteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 30.06.2005 - 6 Ca 21/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über erstinstanzlich anerkannte Lohnzahlungsansprüche hinausgehende Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug, des weiteren über Urlaubsabgeltung, die Erteilung von Lohnabrechnungen und die Herausgabe der Arbeitspapiere.

Der bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldete Kläger wurde aufgrund einer Stellenanzeige an die Beklagte vermittelt. Die Stelle war für einen Eisenverlegerhelfer als Vollzeittätigkeit von 07.00 Uhr bis 17.00 Uhr zu einem Stundenlohn in Höhe von 10,50 € ausgeschrieben. Der Kläger nahm am Donnerstag, den 04.11.2004 die Tätigkeit bei der Beklagten auf. Er arbeitete am 05.11.2004 und 06.11.2004 sowie- am 08.11.2004 bzw. - so der Vortrag der Beklagten - am 09.11.2004. Der Geschäftsführer der Beklagten teilte dem Kläger mit, dass er nicht mehr beschäftigt werden könne.

Eine schriftliche Kündigung erfolgte zum 15.03.2005.

Die Beklagte hat einen Teil der Forderung für den Monat November 2004 in Höhe von 1.186,50 € brutto anerkannt und darüber hinaus Herrn C., C-Straße, C-Stadt als Insolvenzverwalter über den Nachlass nach Herrn A. den Streit verkündet.

Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - und die erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß §§ 69 Abs. 2 ArbGG, 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - die Beklagte zur Zahlung der Vergütung bis zum Wirksamwerden der Kündigung der Beklagten, zur Erteilung von Lohnabrechnungen und zum Ausfüllen und Herausgabe der Arbeitspapiere verurteilt. Der Vortrag zur regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Stunden sei nicht substantiiert und widersprüchlich, weil die Beklagte für den 09.11.2004 (wohl 08.11.2004) neun Stunden eingeräumt habe, auf der anderen Seite aber behaupte, acht Stunden seien niemals überschritten worden. Für den Annahmeverzug sei ein tatsächliches Angebot des Klägers nicht erforderlich gewesen, weil es der Arbeitgeber versäumt habe, dem Arbeitnehmer einen funktionsgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Das sei nicht der Fall, da der Kläger vom Polier zum Mitnehmen seiner Arbeitstasche aufgefordert worden sei und der Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt habe, dass der Kläger nicht mehr beschäftigt werden könne. Der Kläger sei entsprechend leistungsfähig und -willig gewesen. Die Beklagte habe sich bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 15.03.2005 in Annahmeverzug befunden. Für November 2004 ergebe sich ein Gesamtlohnanspruch in Höhe von 1.827,00 €, wobei der Kläger lediglich 1.701,00 € geltend gemacht habe, von der Beklagte 1.186,50 € anerkannt und 304,50 € gezahlt worden seien. Für September 2004 seien 231 Arbeitsstunden und eine Vergütung von insgesamt 2.425,50 €, für Januar 2005 ergäben sich bei 219 Arbeitsstunden ein Bruttomonatslohn 2.299,50 €. Der Kläger habe jedoch nur 2.136,50 € geltend gemacht, wobei 423,95 € netto aufgrund der Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit in Abzug zu bringen seien. Für Februar 2005 ergäbe sich ein Anspruch in Höhe von 2.142,00 € abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit gezahlter 578,12 € netto. Zugrunde lägen 204 Stunden. Für März sei ein Anspruch in Höhe von 1.165,50 € abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit gezahlter 292,37 € netto gegeben. Zugrundezulegen seien 111 Arbeitsstunden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch belaufe sich auf 714,00 € brutto. Im Übrigen habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ausfüllung der genannten Arbeitspapiere aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht.

Gegen das der Beklagten am 21.10.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.11.2005 eingelegte und am 30.11.2005 begründete Berufung.

Die Beklagte bringt zweitinstanzlich weiter vor, der Kläger habe am Donnerstag, den 04.11.2004 sechs Stunden, am Freitag, den 05.11.2004 acht Stunden und am Samstag, den 06.11.2004 sechs Stunden auf einer Baustelle in der Air Base V.-Stadt gearbeitet, nachdem er in einem von der Beklagten gestellten Firmenbus an einer vereinbarten Stelle in F-Stadt abgeholt und abends zurückgebracht worden sei. Am Montag, den 08.11.2004 sei der Kläger nicht an der vereinbarten Stelle erschienen. Am 09.11.2004 habe er neun Stunden gearbeitet. Am Ende des Arbeitstages habe der Polier dem Kläger mitgeteilt, dass die Tätigkeit wegen mangelnder Arbeitsleistung nicht fortgeführt werden könne. Der Geschäftsführer der Beklagten habe diese Entscheidung in einem Telefongespräch bestätigt. Der Kläger sei einsichtig und einverstanden gewesen (Beweis: U.). Weder am 10.11.2004 noch irgendwann später habe er seine Arbeitsleistung angeboten. Erst mit Schreiben seiner späteren Prozessbevollmächtigten vom 20.12.2004 habe sich der Kläger gemeldet und mitgeteilt, dass er arbeitswillig sei. Sie - die Beklagte - habe mit Schreiben vom 22.12.2004 (Bl. 13 d. A.), das vom Geschäftsführer unterzeichnet worden sei, mitgeteilt, dass der Kläger bei der Beklagten nicht mehr beschäftigt werden könne. Sie habe sich in der Zeit vom 10.11.2004 bis zum Zugang des Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.12.2004 nicht in Annahmeverzug befunden. Hierzu hätte das tatsächliche Anbieten der Arbeitsleistung gehört. Insoweit habe beim Kläger ein entsprechender Leistungswille gefehlt. Im Übrigen enthielte das Ablehnungsschreiben des Geschäftsführers vom 22.12.2004 eine Kündigungserklärung, sodass das Arbeitsverhältnis entsprechend der Kündigungsfristen im BRTV-Bau zum 29.12.2004 geendet habe. Im Übrigen würden die tariflichen Arbeitszeiten eingehalten. Diese hätten nach § 3 Nr. 1.2 BRTV-Bau, 37,5 Wochenstunden mit Ausgleichsmöglichkeiten betragen. Insofern hätten für den restlichen November 112,5 Stunden, für Dezember 2004 172,2 Stunden, für Januar 2005 157,5 Stunden, für Februar 150 Stunden und für März 82,5 Stunden zugrunde gelegt werden müssen.

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 30.06.2005 - Az.: 6 Ca 21/05 - abzuändern und die Klage, soweit ein höherer Arbeitslohn als 1.186,50 € brutto begehrt wird, abzuweisen.

Der Kläger hat

Zurückweisung der Berufung

beantragt und erwidert,

aufgrund der klaren Erklärungen, dass die Arbeitsleistung nicht mehr entgegen genommen würde, sei kein tatsächliches Angebot mehr nötig geworden. Er - der Kläger - sei auch am Montag, den 08.11.2004 am vereinbarten Ort gewesen und nicht mehr abgeholt worden. Dem Schreiben der Beklagten vom 22.12.2004 sie auch keine Kündigung zu entnehmen. Der Vortrag zum Umfang der Arbeitszeit sei nicht substantiiert bestritten. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten gäben die Stundenkarten keine exakte Abbildung der an den jeweiligen Tagen geleisteten Arbeitsstunden wieder. Zur Urlaubsabgeltung und zur Ausfüllung sowie Herausgabe der Arbeitspapiere läge im Übrigen keine Berufungsbegründung vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsschrift der Beklagten vom 29.11.2005 (Bl. 84 bis 88 d. A.) nebst sämtlichen vorgelegten Unterlagen, hinsichtlich der Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz des Klägers vom 09.01.2006 (Bl. 124 bis 129 d. A.) sowie auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 24.02.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 lit. (b) ArbGG statthaft. Sie ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Sie ist insgesamt zulässig.

II.

In der Sache selbst bleibt die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist im Ergebnis und in der Begründung zu Recht zur Auffassung gelangt, dass die Beklagte zur Zahlung der Bruttovergütung nebst Zinsen bis zum Wirksamwerden der Kündigung zum 15.03.2005, zur Erteilung von Lohnabrechnungen für die Monate November 2004 bis März 2005 und zur Herausgabe der ordnungsgemäß ausgefüllten Arbeitspapiere des Klägers verpflichtet ist.

Die Kammer nimmt gemäß §§ 569 Abs. 2, 540 ZPO Bezug auf begründenden Teil im angefochtenen Urteil, stellt dies fest und sieht hier, unter Übernahme der Entscheidungsgründe, von einer weiteren Darstellung ab.

Lediglich wegen der Angriffe der Berufung besteht Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

1.

Soweit die Beklagte der Auffassung ist, sie habe sich in der Zeit vom 10.11.2004 bis zum Zugang des Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.12.2004 nicht in Annahmeverzug befunden, weil kein tatsächliches Anbieten der Arbeitsleistung erfolgt und insoweit von einem fehlenden Leistungswillen des Klägers auszugehen sei, kann dem auch bei an dieser Stelle als richtig unterstellten Berufungsvorbringen nicht gefolgt werden. Zutreffend ist zwar, dass ein ernsthafter Leistungswille Mitvoraussetzung für die Zuerkennung von Vergütungsansprüchen aus Annahmeverzug gemäß §§ 611, 615 BGB ist. Ein fehlender Leistungswillen schließt den Annahmeverzug jedoch nicht aus, wenn der Arbeitgeber zuvor auf die Arbeitsleistung verzichtet hat (vgl. Ascheid/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar, 5. Auflage, BGB 230, § 615 Rz. 47). Dieser Verzicht ist nach dem eigenen Vortrag der Beklagten darin zu sehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Entscheidung des Poliers, die Tätigkeit des Klägers nicht mehr anzunehmen, in einem Telefonat bestätigt hat. Ein eventuelles Einverständnis des Klägers, das die Beklagte durch den Zeugen U. unter Beweis gestellt hat, ist irrelevant, weil für die Annahme eines eventuell darin liegenden Auflösungsangebotes die zwingende Schriftform des § 623 BGB vorgesehen ist. Im Übrigen ist unstreitig, dass der Kläger nicht mehr an der vereinbarten Stelle zur Mitnahme an den Arbeitsort bei der Air Base in V.-Stadt abgeholt wurde. Insofern hat die Beklagte eine rechtlich gebotene Mitwirkungshandlung unterlassen. Deshalb sind die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Verzug der Beklagten richtig, wonach der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, ihm ferner Arbeit zuzuweisen und somit eine nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung gemäß § 296 BGB vorzunehmen hat. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung ermöglichen. Erst durch die Wahrnehmung seines Leistungsbestimmungsrechts konkretisiert der Arbeitgeber die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers im Zuge der Arbeitssteuerung und schafft so die Grundlagen für den Leistungserfüllungsvorgang. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne das es eines weiteren Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.10.2005 - 11 Sa 796/04 - m.w.N. auf BAG, Urteil vom 19.01.1999 - 9 AZR 679/97 - = NZA 1999, 925 und BAG, Urteil vom 21.01.1993 - 2 AZR 309/92 = NZA 1993, 550).

2.

Auch soweit sich die Beklagte darauf bezieht, dass das Schreiben vom 22.12.2004.(Bl. 13. d. A.) eine Kündigungserklärung enthielte und dies zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29.12.2004 entsprechend den Kündigungsfristen im Bundesrahmentarifvertrages des Baugewerbes geführt habe, trifft dies nicht zu. In der dort enthaltenen Formulierung: "Zwischen mir und ihrem Mandanten besteht kein Arbeitsverhältnis." liegt lediglich die Wiedergabe einer - fehlerhaften - Rechtsauffassung. Das Schreiben der Beklagten ist als bloße Reaktion auf das des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20.12.2004 (Bl. 10 d. A.) aufzufassen. Eine eigenständige schriftliche Gestaltungserklärung gegenüber dem Kläger kann ihm - insoweit in Übereinstimmung mit der Ansicht des Klägers - nicht entnommen werden (zur Auslegung: Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 29.09.2005 - 1 Sa 283/05 - m.w.N. auf Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Auflage, § 133, Rz. 15 m.w.N.).

Eine Beendigung des Annahmeverzuges zum 29.12.2004 kann mit vorgenannten Gründen nicht angenommen werden.

3.

Auch soweit die Berufung die Höhe der vom Arbeitsgericht angenommen Arbeitsstunden im Hinblick auf die im BRTV-Bau enthaltenen tarifliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden beanstandet, führt ihr Vorbringen zu keiner vom Arbeitsgericht abweichenden Beurteilung.

Neben den zutreffenden Feststellungen des Arbeitsgerichts zur tatsächlichen Tätigkeit des Klägers und der Ausschreibung der Stelle bei der Bundesagentur für Arbeit, wird von der Beklagten übersehen, dass zur Einhaltung der tariflichen Arbeitszeit mit den Ausgleichsmöglichkeiten bei nichtbestehendem Betriebsrat eine einzelvertragliche Vereinbarung gemäß § 3 Ziffer 1.41 erforderlich ist. Hierzu waren der Berufungskammer keine Feststellungen möglich. Darüber hinaus stellen die zu den Akten gereichten Stundenkarten von Arbeitnehmern der Beklagten nach dem eigenen Vortrag keine exakten Abbildungen der an den jeweiligen Tagen geleisteten Arbeitsstunden dar. Sie sind daher nicht geeignet, die in der Berufungsbegründung angenommene - geringere - Stundenzahl zu belegen.

4.

Zum zuerkannten Urlaubsabgeltungsanspruch, dem Ausfüllen und der Herausgabe der Arbeitspapiere fehlen Angriffe der Berufung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Von der Zulassung der Revision wurde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgesehen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbstständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 Abs. 2 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück