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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.03.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 977/04
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 23
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 977/04

Verkündet am: 04.03.2005

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28.10.2004 - 2 Ca 1120/04 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers.

Die Klägerin wurde seit 01.07.2001 von dem Beklagten als Krankenpflegehelferin mit schriftlichem Arbeitsvertrag beschäftigt. Ihre Vergütung betrug zuletzt 1.278,- EUR brutto.

Mit Schreiben vom 01.06.2004 sprach der Beklagte der Klägerin gegenüber eine ordentliche Kündigung zum 15.06.2004 aus. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beschäftigte der Beklagte fünf Pflegekräfte, eine Sekretärin sowie eine Büroleiterin.

Mit ihrer am 17.06.2004 bei dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung gewandt und diese für sozial ungerechtfertigt gehalten.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten nicht durch die Kündigung vom 01.06.2004 zum 15.06.2004 beendet wird.

Der Beklagte hat erstinstanzlich,

Klageabweisung

beantragt und erwidert,

das Kündigungsschutzgesetz fände keine Anwendung. Alle übrigen Arbeitsverhältnisse seien mit Aufhebungsvertrag zum 31.08.2004 beendet worden. Mit Wirkung zum 31.08.2004 habe der Beklagte den ambulanten Pflegedienst an Frau G K veräußert. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei somit weggefallen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat im angefochtenen Urteil vom 28.10.2004 - 2 Ca 1120/04 - der Kündigungsschutzklage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, das Kündigungsschutzgesetz fände aufgrund der Betriebsgröße Anwendung. Würde wegen Betriebsstilllegung gekündigt, so käme nur ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke in Frage. Gleiches gelte für eine Betriebseinschränkung. Eine solche führe nur dazu, dass künftig eine andere, regelmäßige Arbeitnehmerzahl gegeben sein solle. Im Kündigungszeitpunkt sei jedoch für den Betrieb noch die bisherige Beschäftigtenzahl kennzeichnend, da nicht absehbar sei, ob die Unternehmerentscheidung, die der Kündigungsabsicht zugrunde läge, sich auf tatsächlich verwirklichen lasse. Der Beklagte habe keine erheblichen Kündigungsgründe vorgetragen, insbesondere für eine beabsichtigte Stilllegung nicht dargelegt, dass diese zum Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen gehabt habe. Eine Kündigung wegen Betriebsübergangs sei rechtlich nicht möglich. Ein - unterstellter - Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin zum 01.09.2004 sei erst nach Zugang der Kündigung erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das vorbezeichnete Urteil (Bl. 43-44 d. A.) verwiesen.

Gegen das dem Beklagten am 09.11.2004 zugestellte Urteil, richtet sich die am 03.12.2004 eingelegte und am 07.01.2005 begründete Berufung des Beklagten.

Der Beklagte trägt zweitinstanzlich weiter vor, die Klägerin sei ihrer Darlegungs- und Beweislast zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht nachgekommen. Das Merkmal "in der Regel" des § 23 KSchG müsse auch den zukünftigen Zustand berücksichtigen. Der Pflegedienst sei mit Wirkung vom 01.09.2004 auf Frau G K übergegangen. Die Klägerin, die vom Betriebsübergang gewusst habe, habe auch nie widersprochen. Aus vorgenannten Gründen bestünde das Arbeitsverhältnis ab 01.09.2004 mit der Zeugin K die ihrerseits eine Kündigung zum 31.12.2004 ausgesprochen habe. Der Klägerin sei zudem vorsorglich zum 28.02.2005 gekündigt.

Der Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28.10.2004, Az.: 2 Ca 1120/04, wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

Zurückweisung der Berufung

und erwidert,

zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe der Beklagte fünf Pflegekräfte, eine Sekretärin und eine Büroleiterein beschäftigt. Die zukünftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses müsse getrennt von der vorliegenden, isoliert zu bewertenden, Kündigung gesehen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 07.01.2005 (Bl. 63-64 d. A.), bzgl. der Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz der Klägerin vom 24.01.2005 (Bl. 79-81 d. A.) Bezug genommen. Im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, sämtlich vorgelegte Unterlagen und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 04.03.2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung des Beklagten ist gem. § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.

Sie ist somit zulässig.

II.

Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 01.06.2004 zum 15.06.2004 nicht beendet worden ist.

Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt die Kammer gem. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 540 ZPO auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt es fest und sieht unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darstellung ab.

Lediglich wegen der Angriffe der Berufung und der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer sind folgende Ergänzungen veranlasst:

1.

Soweit die Berufung die Auffassung vertritt, das Kündigungsschutzgesetz käme nicht zur Anwendung, weil die Klägerin ihrer diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen sei, sieht sie im Ansatz richtig, dass ein Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes einen Sachverhalt vorzutragen hat, der den Schluss auf das Vorliegen der gesetzlich geforderten Arbeitnehmerzahl im Sinne von § 23 KSchG zulässt, der Arbeitgeber jedoch nach § 138 Abs. 2 ZPO insbesondere auch wegen des Prinzips der Sachnähe substantiiert erläutern muss, welche Umstände gegen das Überschreiten der Schwellenzahl sprechen (vgl. APS-Moll, Großkommentar zum Kündigungsrecht, § 23 KSchG Rz 48; Ramroth NZA 1997, 1399 ff.). Nach den erstinstanzlich gegebenen Feststellungen sowie dem hierzu wiederholten Vortrag in der Berufungsbeantwortung, hat die Klägerin den Anforderungen genügt, indem sie auf fünf beschäftigte Pflegekräfte, eine Sekretärin und eine Büroleiterin hingewiesen hat. Soweit die Berufung im weiteren Zusammenhang die Auffassung vertritt, das Merkmal "in der Regel" des § 23 KSchG müsse auch den künftigen Zustand berücksichtigen, steht dem die vom Arbeitsgericht bereits angeführte Rechtsprechung des BAG vom 22.01.2004 - 2 AZR 237/03 - entgegen, an der auch für den vorliegenden Fall festzuhalten ist. Es würde dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 23 KSchG eklatant widersprechen, wenn sich der Arbeitgeber durch den bloßen Entschluss, wegen Betriebseinschränkung bzw. Betriebsstilllegung einzelnen oder allen Arbeitnehmern zu kündigen, der Überprüfung der entsprechenden Kündigungen am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes entziehen könnte. Bei einer Betriebsstilllegung und Betriebseinschränkung kommt nur der Rückblick auf die bisherige Beschäftigtenzahl zur Berechnung des Schwellenwertes infrage. Im Kündigungszeitpunkt ist für den Betrieb noch die bisherige Beschäftigtenzahl kennzeichnend, da nicht absehbar ist, ob die Unternehmerentscheidung, die der Kündigungsabsicht zugrunde liegt, sich tatsächlich auch verwirklichen lässt, insbesondere beabsichtigte Kündigungen wirklich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. BAG, Urteil vom 08.07.1989, 2 AZR 624/88 = AP Kündigungsschutzgesetz 1969, § 17 Nr. 6 sowie KR-Weigand, Kommentar zum Kündigungsschutzgesetz und sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 6. Auflage, § 17 KSchG Rn 28 a).

2.

Soweit die Berufung die Auffassung vertritt, dass wegen eines unterlassenen Widerspruchs der Klägerin hinsichtlich eines Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis mit der Zeugin K begründet worden sei, wird übersehen, dass es im Rahmen der erhobenen Kündigungsschutzklage allein auf die Sozialgemäßheit der Kündigung vom 01.06.2004 ankommt. Durch die Regelung in § 4 KSchG wird erreicht, dass jede Kündigung einzeln im Hinblick darauf überprüft wird, ob sie das Arbeitsverhältnis zum Kündigungstermin beendet hat (sogenannter punktueller Streitgegenstandsbegriff - vgl. hierzu: APS-Ascheid, aaO, § 4 KSchG Rz 136). Auf eine mögliche spätere Änderung des bestehenden Arbeitsverhältnisses kommt es daher nicht an.

3.

Mit dem Arbeitsgericht sind ausreichende Gründe für die streitgegenständliche Kündigung nicht auszumachen. Insoweit fehlt es an einem substantiierten Vortrag, der erkennen lässt, dass dringende betriebliche Gründe die Entlassung der Klägerin zum ausgesprochenen Zeitpunkt zu rechtfertigen vermögen.

4.

Im Hinblick auf die Ausführungen unter 2. zum punktuellen Streitgegenstandsbegriff kommt es auf die mögliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehung zur Zeugin K ebenso wenig an, wie auf eine von dieser ausgesprochenen Kündigung zum 31.12.2004.

III.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Notwendigkeit.

Auf die Möglichkeit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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