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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 02.01.2006
Aktenzeichen: 8 Ta 283/05
Rechtsgebiete: BetrVG, RVG, ArbGG, ZPO, BRAGO, GKG


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 99 Abs. 4
BetrVG § 100
BetrVG § 100 Abs. 2
RVG § 23 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3
ArbGG § 78 Abs. 1
ZPO § 3
ZPO §§ 567 ff.
BRAGO § 8 Abs. 2
GKG § 42 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Ta 283/05

Entscheidung vom 02.01.2006

Tenor:

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellenden Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 09.11.2005 - 9 BV 10/05 wie folgt abgeändert:

Tenor:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates wird auf 10.665,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über den Wert des Streitgegenstandes eines Beschlussverfahrens wegen zeitlich befristeter und vorläufiger Einstellung von drei Leiharbeitnehmern nach §§ 99, 100 BetrVG.

Mit dem am 07.06.2005 eingeleiteten Beschlussverfahren wurde die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung eines Leiharbeiters für Elektrotätigkeiten, sowie zwei Leiharbeitern für Installationsarbeiten gefordert und zugleich die Feststellung beantragt, dass die vorläufige Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Betriebsrates auf 12.000,00 EUR festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 01.12.2005 nicht abgeholfen hat. Auf die Begründung der Nichtabhilfeentscheidung wird Bezug genommen (s. Bl. 78 d. A.). In der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingeholten Stellungnahme der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 13.12.2005 wurde die Auffassung vertreten, dass im vorliegenden Fall nur vom einfachen Regelstreitwert wegen der gleichgelagerten Sachverhalte auszugehen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens wird auf den gesamten Akteninhalt des Verfahrens 9 BV 10/05 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG, 78 Abs. 1 ArbGG, § 567 ff. ZPO statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und übersteigt den Beschwerdewert von 200,00 EUR.

In der Sache selbst hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist der Streitwert für die vorliegenden Verfahren insgesamt auf 10.659,00 EUR festzusetzen. Dieser Wert ergibt sich aus 4.000,00 EUR für das Verfahren nach § 99 BetrVG betreffend den Einstellungsantrag für einen Leiharbeiter für Elektrotätigkeiten und zusätzlich nochmals jeweils 2.000,00 EUR für die weiteren Anträge zu den Leiharbeitnehmern für Installationsarbeiten. Zu diesen Werten ist jeweils der Betrag von 1.133,00 EUR und zweimal 660,00 EUR, insgesamt 2.659,00 EUR, für die das Vorläufigkeitsverfahren betreffende Anträge nach § 100 BetrVG hinzuaddieren.

Der Gegenstandswert im Beschlussverfahren ist - wie das Arbeitsgericht im Ausgangspunkt auch zutreffend sieht - auf der Basis von § 23 Abs. 3 S. 2 RVG - früher § 8 Abs. 2 BRAGO - zu bestimmen. Diese Streitwertgrundnorm stellt u. a. darauf ab, ob ein nichtvermögensrechtlicher Gegenstand betroffen ist; dies ist der Fall, wenn nicht das Vermögen oder Einkommen der Beteiligten in Rede steht, sondern Rechtsgüter berührt werden, die für die Beteiligten ideelle Werte darstellen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 22.07.2005 - 8 Ta 133/05 - m.w.N. auf Riedel/Sußbauer BRAGO, 6. Auflage, § 8 Rz. 51).

Hierzu gehören sowohl das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG als auch das Vorläufigkeitsverfahren nach § 100 Abs. 2 BetrVG; denn das in diesen Normen vorgesehene Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrates ist vornehmlich auf die Wahrnehmung kollektiver Interessen gerichtet und stellt den maßgeblichen Bezugspunkt dar (Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, Betriebsverfassungsrecht, 21. Auflage, § 99 Rz. 320).

Liegt eine Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, kommt - entgegen der Auffassung der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates - weder eine Anknüpfung an die Streitwertberechnungsregel des § 42 Abs. 4 GKG noch an die Regelungen in § 3 ZPO in Betracht. Zutreffend ist auch die in der Literatur vertretene Auffassung, dass in den Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG regelmäßig eine Vorfrage zur potentiellen Rechtsstreitigkeit entschieden wird, die ihrerseits unter die Streitwertvorschrift des § 42 Abs. 4 GKG fallen würde (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 4. Auflage, § 12 Rz. 135).

Für den Zustimmungsersetzungsantrag ist bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen der Gegenstandswert mit 4.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen.

Dies hat im vorliegenden Fall zur Konsequenz, dass für den einen Leiharbeiter für Elektrotätigkeiten betroffenen Antrag und bei dem nach der Aktenlage die Dauer der beabsichtigten Beschäftigung nicht deutlich erkennbar ist, der Auffangstreitwert von 4.000,00 EUR in Betracht kommt. Für die beiden weiteren Anträge bezogen auf Leiharbeitnehmer für Installationsarbeiten, die bis zur 30. Kalenderwoche, mithin für 2 Monate eingestellt werden sollen, ist zwar ein zusätzlicher jedoch geringerer Gegenstandswert als der vorgenannte aus § 23 Abs. 3 RVG abzuleitende Wert anzunehmen.

Die Beschwerdekammer vertritt die Auffassung, dass bei befristeten Einstellungen vom Regelwert des § 23 Abs. 3 RVG Abschläge in Betracht kommen; hier spielt die Zeitdauer der beabsichtigten Einstellung der beabsichtigten Einstellung und die Gleichartigkeit der Verfahren auf die die Beschwerde abstellt, eine wertmindernde Rolle. Das vom Betriebsrat favorisierte Abstellen auf Bestimmungen des § 42 Abs. 4 GKG berücksichtigt nicht, dass es in den vorliegenden Verfahren um die ideelle Teilhabe des Betriebsrates an betriebsverfassungsrechtlichen Positionen geht. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Streitwert für die weiteren Zustimmungsersetzungsbegehren auf je 2.000,00 EUR zu reduzieren ist.

Für das zugleich geltend gemachte Vorläufigkeitsbegehren nach § 100 BetrVG, welches Ausnahmecharakter hat (vgl. Lahusen NZA 1981, 869) und das grundsätzliche Zustimmungserfordernis für personelle Maßnahmen nach § 99 BetrVG für die Fälle abmildert, in denen sachliche Gründe eine vorläufige Durchführung der Maßnahmen dringend gebieten, stellt ebenfalls eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit dar und ist mit einem zusätzlichen Wert in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht zu berücksichtigen. Der Zwang zur schnellen Reaktion des Arbeitgebers im Falle des vorliegend gegebenen Bestreitens der Dringlichkeit durch den Betriebsrat nach § 100 Abs. 2 BetrVG verleiht dem Verfahren den Charakter einer einstweiligen Verfügung, sodass das diesbezügliche Sicherstellungsinteresse - wie grundsätzlich bei einstweiligen Verfügungen - mit einem weiteren Bruchteil des für das Hauptsachverfahren vorgesehenen Wertes zu berechnen ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 22.07.2005, aaO). Die Beschwerdekammer geht hierbei jeweils von einem zusätzlichen Wert von einem Drittel des Hauptsachestreitswertes aus. Dies ergibt beim Erstantrag und dem Hauptsachewert bei 4.000,00 EUR den Wert von 1.333,00 EUR und jeweils ein Drittel aus 2.000,00 EUR, was 666,00 EUR entspricht. Da auch hier zwei Vorläufigkeitsmaßnahmen im Hinblick auf die Anträge zu Leiharbeitern für Installationsarbeiten betroffen sind, ist dieser Wert doppelt in Ansatz zu bringen, so dass sich insgesamt für die Anträge zum Vorläufigkeitsverfahren 2.665,00 EUR ergeben, die zu den Werten für das Hauptsacheverfahren von insgesamt 8.000 EUR hinzuaddieren sind.

Die Zulassung einer weiteren Beschwerde ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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