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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 8 TaBV 51/07
Rechtsgebiete: TV, BGB, BetrVG, EStG


Vorschriften:

TV § 13
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BetrVG § 23
BetrVG § 103 Abs. 2 S. 1
EStG § 8 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.6.2007 - 8 BV 15/07 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die antragstellende Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3.

Die Arbeitgeberin ist ein bundesweit tätiges Warenhausunternehmen, das unter anderem in Kaiserslautern eine Filiale unterhält. Der Antragsgegner ist der in dieser Filiale gebildete Betriebsrat. Dessen Vorsitzender ist der am 29.12.1948 geborene und seit dem 21.07.1977 bei der Antragstellerin beschäftigte Beteiligte zu 3.

Am 14.10.2004 schloss die Arbeitgeberin mit der Gewerkschaft E einen Tarifvertrag zur Sanierung und zur Beschäftigungssicherung. Nach § 13 dieses Tarifvertrages, der u.a. auch Bestimmungen über Wegfall und Reduzierung tariflicher Leistungen (Urlaubsgeld, Sonderzuwendung) enthält, wird jedem Vollzeitbeschäftigten in den Jahren 2005 - 2007 ein jährlicher Sachbezug im Wert von 1.000,00 Euro gewährt. Die Einzelheiten zur Sachbezugsgewährung regelt eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28.04.2005, die u.a. folgende Regelungen enthält:

1. Fälligkeit

Der Sachbezug wird als Gutschrift per 15.11. auf dem MK-Konto gebucht.

Der Sachbezug kann nur mit Käufen in der G Warenhaus AG verrechnet werden. Eine Barauszahlung ist in jedem Fall ausgeschlossen.

...

Da es sich steuerlich um einen Sachbezug handelt, wird der steuerrelevante Rabattzähler in voller Höhe des Sachbezugs zuzüglich der üblichen Personalrabatte in Höhe von 13 % bzw. 9 % (nach Vorwegabzug von 4 %) belastet. Dies erfolgt allerdings noch nicht mit der Gutschrift des Sachbezugs auf das MK-Konto, sondern erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ware gekauft wird. Bei Aushändigung einer Wunschkarte wird der Rabattzähler bereits zum Zeitpunkt der Einbuchung belastet.

5. Sonstiges

Da die Barauszahlung des Sachbezugs bzw. der Wunschkarte

steuerrechtlich nicht möglich ist, verfällt ein bei Austritt evtl. noch bestehendes Guthaben bzw. ein Wert auf der Wunschkarte ersatzlos.

Über die Handhabung der Sachbezugsregelungen, auch im Zusammenhang mit dabei auftauchenden steuerlichen Problemen bzw. Fragen wurden die in der Filiale Kaiserslautern beschäftigten Arbeitnehmer vom Betriebsrat, insbesondere vom Beteiligten zu 3. beraten.

In den Warenhäusern der Arbeitgeberin können von Kunden, aber auch von den Beschäftigten sog. "Wunschkarten" käuflich erworben werden. Hierbei handelt es sich um eine Art von Geschenkgutschein in der Größe einer Scheckkarte, auf der ein Guthaben elektronisch gespeichert wird und die wieder aufgeladen werden kann. Diesbezüglich ist zwischen den Beteiligten jedoch streitig, ob das Aufladen der Wunschkarten in der Filiale Kaiserslautern möglich ist.

Im April 2006 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis eines in ihrer Filiale Kaiserslautern beschäftigten Arbeitnehmers fristlos und begründete diese Maßnahme u.a. damit, dass der betreffende Arbeitnehmer im Januar 2006 unter Inanspruchnahme seiner Sachbezugsgutschrift einen Artikel zum Verkaufspreis von 499,00 Euro erworben hatte, diesen jedoch noch am selben Tag gegen Rückzahlung des betreffenden Betrages wieder umtauschte. Die Arbeitgeberin sah in diesem Verhalten einen erheblichen Verstoß gegen das in der Gesamtbetriebsvereinbarung über die Gewährung eines Sachbezugs festgeschriebene Barauszahlungsverbot. Im darauf folgenden Kündigungsschutzprozess wurde der Beteiligte zu 3. vom Landesarbeitsgericht als Zeuge vernommen. Bei seiner Vernehmung hat er u.a. ausgesagt, er bzw. der Betriebsrat habe den Mitarbeitern die Möglichkeit aufgezeigt, Ware unter Inanspruchnahme des auf dem Mitarbeiterkonto gebuchten Sachbezugswertes zu kaufen unter gleichzeitiger Rückgängigmachung des Kaufvorganges und Auszahlung des Barbetrages. Diese Vorgehensweise sei eine von verschiedenen Möglichkeiten gewesen, zu verhindern, dass ein gutgeschriebener Sachbezug nicht in steuerlicher Hinsicht auf das Folgejahr übertragen werde mit der damit verbundenen Gefahr der Überschreitung des steuerfreien Betrages. Das Prozedere sei sogar auf Betriebsversammlungen in Anwesenheit der Geschäftsleitung dargestellt worden.

Bereits Ende des Jahres 2006, also vor der vom Beteiligten zu 3. am 22.01.2007 getätigten Zeugenaussage, begann die Revision der Arbeitgeberin in der Filiale Kaiserslautern zu ermitteln, ob weitere Fälle vorlagen, in denen sich Mitarbeiter unter dem Einsatz von Wunschkarten ihren Sachbezug in bar auszahlen ließen. Hierbei wurden 16 Beschäftigte der Filiale ermittelt, über deren persönliches Mitarbeiterkonto in den Jahren 2005 und 2006 Barauszahlungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Wunschkarten erfolgt waren. Die betreffenden Mitarbeiter hatten zu Lasten ihres Mitarbeiterkontos und dem dort gutgeschriebenen Anspruch auf Sachbezug Wunschkarten erworben und diese zum Kauf von Ware eingesetzt. Die Ware wurde jedoch unmittelbar darauf oder am darauf folgenden Tag wieder zurückgegeben, wobei sich der Mitarbeiter den von der Wunschkarte abgebuchten Kaufpreis in bar auszahlen ließ. Das Ermittlungsergebnis wurde der Personalleitung der Arbeitgeberin am 02.02.2007 übergeben. Am 09.02.2007 wurde der Beteiligte zu 3. von Seiten der Arbeitgeberin mit dem Ermittlungsergebnis konfrontiert. Dabei gab er u.a. an, er habe den Arbeitnehmern in Einzelgesprächen die betreffende Vorgehensweise (Barauszahlung des Sachbezuges unter Einsatz einer Wunschkarte) zur Vermeidung steuerlicher Nachteile empfohlen.

Mit Schreiben vom 20.02.2007, hinsichtlich dessen Inhalts auf die Anlage A 39 des Anlagenordners Bezug genommen wird, beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3. Am 23.02.2007 teilte der Betriebsrat mit, dass er dem Antrag nicht zustimme.

Mit ihrer am 23.02.2007 beim Arbeitsgericht eingereichten Antragsschrift begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzliche im Wesentlichen vorgetragen, die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3. sei wegen Anstiftung zum Verstoß gegen das in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28.04.2005 festgeschriebene Barauszahlungsverbot, wegen Anstiftung zum Verstoß gegen steuer- und sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen sowie wegen Anstiftung zur Manipulation (Scheingeschäfte, Umtausch) gerechtfertigt. Es treffe nicht zu, dass der Filialleitung die Beratungspraxis des Beteiligten zu 3. sowie das Vorgehen der Mitarbeiter im Zusammenhang mit dem Einsatz von Wunschkarten bekannt gewesen sei. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3. zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte 3. haben erstinstanzlich übereinstimmend im Wesentlichen vorgetragen, für das Finanzamt, d.h. in steuerrechtlicher Hinsicht sei mit der Ausstellung der Wunschkarte der Sachbezug eingetreten und damit erledigt. Was danach mit der Wunschkarte passiere, sei unerheblich. Mit der Wunschkarte könne der Arbeitnehmer, ebenso wie jeder Kunde, machen was er wolle. Hierzu gehöre auch der Umtausch von Waren. Die Handhabung des Sachbezugs in Verbindung mit dem Einsatz von Wunschkarten sei der Filialleitung bekannt gewesen und von dieser auch geduldet worden. Im Übrigen habe der Betriebsratsvorsitzende nie ausdrücklich dahingehend beraten, eine Wunschkarte zu kaufen und die mit dieser gekaufte Ware wieder umzutauschen, um Bargeld zu erhalten. Er habe lediglich augenzwinkernd klargestellt, dass Arbeitnehmer die gekaufte Ware - wie jeder Kunde - natürlich auch umtauschen könnten. Die Frist zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Die betreffende Vorgehensweise sei jahrelang geduldet worden. Der Betriebsrat habe dies bei Betriebsversammlungen, auch in Anwesenheit der Geschäftsleitung, angesprochen. Auch mit der Filialleitung habe man über die Problematik geredet. Die Filialleitung habe jedoch keinen Handlungsbedarf gesehen.

Zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.06.2007 (dort Seiten 2 - 6 = Bl. 131 - 135 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Antragstellerin (Arbeitgeberin) mit Beschluss vom 27.06.2007 zurückgewiesen. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 - 8 dieses Beschlusses (= Bl. 135 ) verwiesen.

Gegen den ihr am 18.07.2007 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am Montag, dem 20.08.2007, Beschwerde eingelegt und diese am 17.09.2007 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 14.09.2007 (Bl. 170 - 174 d.A.) Bezug genommen. Die Arbeitgeberin macht dort insbesondere geltend, dass entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ein wichtiger Grund für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung gegeben sei. Bereits die Annahme des Arbeitsgerichts, es sprächen viele Argumente dafür, dass bereits mit dem Erwerb einer Wunschkarte in steuerlicher Hinsicht für das Finanzamt der Sachbezug abgeschlossen sei, sei fehlerhaft. Es treffe auch nicht zu, dass dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28.04.2005 in irgendeiner Weise ein Beratungsmandat erteilt worden sei. Schließlich könne auch nicht das Argument verfangen, dass sie - die Arbeitgeberin - denjenigen Mitarbeiter, welche die Umtäusche und damit die Umgehungsgeschäfte getätigt hätten, nur mit einer Abmahnung sanktioniert habe. Diesbezüglich sei nämlich zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 3. als Betriebsratsvorsitzender einen wesentlich gewichtigeren Tatbeitrag geleistet habe als die betreffenden Mitarbeiter selbst. Einer außerordentlichen Kündigung stehe auch nicht die lange Betriebszugehörigkeit des Beteiligten zu 3. entgegen. Dieser habe durch seine eigenmächtige und unverantwortliche Beratung vorsätzlich sie - die Arbeitgeberin - erheblich geschädigt. Die Wiederholungsgefahr sei evident.

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.06.2007 - 8 BV 15/07 - dem Antrag stattzugeben.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 3. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3. verteidigen den Beschluss des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Beschwerdebeantwortungen vom 12.11.2007 (Beteiligter zu 3: Bl. 211 - 214 d.A.; Betriebsrat: Bl. 217 f. d.A.). Hierauf wird jeweils Bezug genommen.

II. 1. Die statthafte Beschwerde ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

2. Der Zustimmungsersetzungsantrag erweist sich als unbegründet. Die von der Arbeitgeberin beabsichtigte außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung aller Umstände nicht im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB und des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG gerechtfertigt.

Ein wichtiger, den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigender Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d.h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

Bei der beabsichtigten Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes ist zunächst danach zu differenzieren, ob diesem eine reine Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorgeworfen wird oder ob die Pflichtverletzung im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied besteht. Wird einem Betriebsratsmitglied lediglich die Verletzung einer Amtspflicht zum Vorwurf gemacht, ist die Kündigung unzulässig und nur ein Ausschlussverfahren nach § 23 BetrVG möglich. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur dann in Betracht, wenn zugleich eine schwere Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt, wobei an die Berechtigung der fristlosen Kündigung ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als bei einem Arbeitnehmer, der den Betriebsrat nicht angehört (BAG v. 16.10.1986 - 2 ABR 71/85, AP Nr. 95 zu § 626 BGB). Im Übrigen ist bei der nach § 626 Abs. 1 BGB im Wege einer Interessenabwägung vorzunehmenden Zumutbarkeitsprüfung eine fiktive Kündigungsfrist zugrundezulegen, nämlich die, die gelten würde, wenn dem Funktionsträger ordentlich gekündigt werden könnte. Fristlos kann ein Betriebsratmitglied daher nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren, Nichtbetriebsratsmitglied dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre (BAG v. 27.09.2001 - 2 AZR 487/00, EzA § 15 KSchG Nr. 54).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der Zustimmungsersetzungsantrag als unbegründet.

a) In Ansehung des unstreitigen Vorbringens der Beteiligten steht zur Überzeugung des Beschwerdegerichts fest, dass der Beteiligte zu 3. in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender Mitarbeitern der Filiale Kaiserslautern den Rat erteilt hat, unter Inanspruchnahme des auf dem Mitarbeiterkonto gebuchten Sachbezuges eine Wunschkarte zu erwerben, unter Einsatz dieser Wunschkarte Ware zu kaufen und diese Ware jedoch sodann gegen Barauszahlung des Kaufpreises wieder umzutauschen bzw. zurückzugeben. Zwar hat der Beteiligte zu 3. im vorliegenden Beschlussverfahren vorgetragen, er habe gegenüber Mitarbeitern lediglich "augenzwinkernd klargestellt", dass Arbeitnehmer - wie jeder Kunde - auch umtauschen könnten. Diese Einlassung steht jedoch in Widerspruch zu der Aussage, die der Beteiligte zu 3. in einem Kündigungsschutzverfahren als Zeuge getätigt hat. Im Rahmen dieser Aussage hat er ausdrücklich bekundet, Mitarbeitern die Möglichkeit des Kaufes von Ware und späterer Rückgängigmachung des Kaufvorganges zur Erlangung von Bargeld aufgezeigt zu haben. Darüber hinaus hat der Beteiligte zu 3 das Vorbringen der Antragstellerin nicht bestritten, wonach er diese Beratungspraxis im Rahmen seiner Anhörung am 09.02.2007 eingeräumt hat.

Das Verhalten des Beteiligten zu 3. berührt zwar auch dessen Betriebsratstätigkeit, stellt jedoch zugleich zweifellos einen erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar. Ebenso wie jeder andere Arbeitnehmer verletzt ein Betriebsratsmitglied seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber, wenn er anderen Arbeitnehmern dazu rät, gegen Vorschriften einer Betriebsvereinbarung zu verstoßen. Die vom Beteiligten zu 3. den Mitarbeitern vorgeschlagene Vorgehensweise verletzt das in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28.04.2005 bezüglich des Sachbezuges festgeschriebene Barauszahlungsverbot, da auf diese Weise im Ergebnis gerade keine Ware vom Arbeitgeber käuflich erworben, sondern vielmehr der Erhalt eines Geldbetrages herbeigeführt wird. Darüber hinaus beinhaltet das Verhalten vom Beteiligten zu 3. vorgeschlagene Prozedere nach Ansicht des Beschwerdegerichts zugleich auch eine Umgehung der in § 8 Abs. 3 EStG bezüglich der steuerlichen Behandlung eines Sachbezuges enthaltenen Vorschriften. Die systematische Umgehung steuerlicher Vorschriften durch Arbeitnehmer birgt auch für den Arbeitgeber die Gefahr, dessen Ansehen bei den Finanzbehörden und damit in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.

Insgesamt ist das Fehlverhalten des Beteiligten zu 3. auch bei Anlegung eines besonders strengen Maßstabes durchaus geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vom Beteiligten zu 3. initiierte Vorgehensweise (Erhalt von Bargeld unter Einsatz einer im Wege des Sachbezugs erworbenen Wunschkarte) nicht - wie sowohl von ihm als auch vom Betriebsrat behauptet - von Seiten der Filialleitung stillschweigend geduldet worden ist.

b) Die durchzuführende Interessenabwägung führt jedoch zu dem Ergebnis, dass der Ausspruch der beabsichtigten außerordentlichen, fristlosen Kündigung nicht gerechtfertigt ist, womit sich der Zustimmungsersetzungsantrag als unbegründet erweist. Es wäre der Arbeitgeberin nämlich nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3. noch jedenfalls bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist von 7 Monaten zum Monatsende (§ 622 Abs. 2 BGB) fortzusetzen.

Zwar ist zugunsten der Arbeitgeberin zu berücksichtigen, dass sie es schlechthin nicht dulden kann, dass ein Arbeitnehmer andere Mitarbeiter zum Verstoß gegen Vorschriften einer Betriebsvereinbarung sowie zur Umgehung steuerrechtlicher Vorschriften verleitet. Auch ist nicht zu verkennen, dass durch das Fehlverhalten des Beteiligten zu 3. das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist. Die Uneinsichtigkeit des Beteiligten zu 3 kann ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben. So hat er auch noch im Laufe des vorliegenden Beschlussverfahrens die Auffassung vertreten, seine Beratungspraxis bzw. die von ihm den Arbeitnehmern vorgeschlagene Vorgehensweise sei korrekt. Darüber hinaus hat er - nach Behauptung der Arbeitgeberin - im Rahmen seiner Anhörung am 09.02.2007 eingeräumt, die betreffende Beratungspraxis auch dann noch fortgeführt zu haben, nachdem ihm bereits bekannt war, dass einem Arbeitnehmer u.a. wegen des beanstandeten Verhaltens im Zusammenhang mit dem Umtausch einer im Wege des Sachbezugs erworbenen Ware gekündigt worden war. Allerdings hat der Beteiligte zu 3. im Anhörungstermin vom 12.12.2007 erklärt, ab dem Zeitpunkt des Ausspruchs der betreffenden Kündigung habe man die bisherige Beratungspraxis bezüglich des Umtauschs eines Sachbezugs völlig eingestellt. Eine Fortführung dieser Beratungspraxis auch nach dem Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Mitarbeiter H kann seitens des Beschwerdegerichts nicht festgestellt werden. Diesbezüglich fehlt es an einem konkreten Sachvortrag der Arbeitgeberin; auch aus den vorgelegten Unterlagen lässt sich hierzu nichts entnehmen. Demgegenüber sprechen zugunsten des Beteiligten zu 3. dessen immens lange Betriebszugehörigkeit von nahezu 30 Jahren im Zeitpunkt der Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens sowie dessen fortgeschrittenes Lebensalter von seinerzeit 58 Jahren. Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch die dem Fehlverhalten des Beteiligten zu 3. zugrunde liegende Motivation. Der Beteiligte zu 3. wollte sich in keiner Weise selbst bereichern; auch stand nicht ansatzweise bei seinem Fehlverhalten der Gedanke im Vordergrund, die Arbeitgeberin zu schädigen. Seine Beratungspraxis war vielmehr erkennbar vom Engagement für die finanziellen Interessen anderer Mitarbeiter getragen. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin kann auch nicht von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Diesbezüglich bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Hinsichtlich des Umtauschs der über den Sachbezug erworbenen Ware gegen Rückzahlung des Geldbetrages bestehen für die Arbeitgeberin ohne Weiteres ausreichende Möglichkeiten - etwa durch den Erlass eindeutiger Anweisungen - dies zu unterbinden. Insoweit hat die Arbeitgeberin, soweit ersichtlich, erstmals im Wege eines Schreibens an alle Abteilungsleitungen vom 09.10.2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Barauszahlung des Sachbezuges "in jedem Fall, auch bei Warenrückgabe" ausgeschlossen ist. Dass es auch nach diesem Schreiben zu entsprechenden Barauszahlungen gekommen ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Mit Rundschreiben vom 22.01.2007 (Anlagenordner Anlage A 10) hat die Arbeitgeberin verfügt, dass im Falle der Rückgabe einer im Wege des Sachbezugs erworbenen Ware ausnahmslos nur noch eine Gutschrift erfolgen kann. Letztlich hat der Filialgeschäftsführer der Filiale Kaiserslautern in einem an die Abteilungsleitungen gerichteten Schreiben vom 26.01.2007 bestimmt, dass Wunschkarten für Mitarbeiter unter Inanspruchnahme des Mitarbeiterkontos nur noch mit Genehmigung der Geschäftsleitung ausgestellt werden dürfen. All dies zeigt, dass der Arbeitgeberin zumutbare und ausreichende Mittel zur Verfügung standen und stehen, die Umgehung des Barauszahlungsverbotes zu unterbinden und dass sie die hierzu notwendigen Maßnahmen auch bereits ergriffen hat. Eine Wiederholungsgefahr ist daher nicht ersichtlich. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeitgeberin befürchten muss, der Beteiligte zu 3. werde bereits während des Laufs einer fiktiven Kündigungsfrist von 7 Monaten in anderer oder ähnlicher Weise gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen.

Unter Berücksichtigung all dieser für die Interessenabwägung maßgeblichen Umstände sowie unter Zugrundelegung einer fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist von 7 Monaten überwiegt (noch) das Interesse des Beteiligten zu 3. an der Einhaltung dieser (fiktiven) Kündigungsfrist gegenüber dem Interesse der Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden.

3. Die Beschwerde der Arbeitgeberin war daher zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 92 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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