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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 119/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG, BGB, ZPO, KschG


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
BGB § 134
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
ZPO §§ 512 ff.
KSchG § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 119/05

Entscheidung vom 25.05.2005

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.12.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24.03.2004 nicht fristlos, sondern fristgemäß zum 30.09.2004 aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.400,00 € festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Auch die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen sowie einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung.

Von einer erneuten Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.12.2004 (dort S. 2 bis 5 = Bl. 43 bis 46 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass durch die von der Beklagtenseite am 24.03.2004 ausgesprochene Kündigung - der Klägerin zugegangen nicht vor dem 29.03.2004 - das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat entsprechend seinem Beschluss vom 02.09.2004 (Bl. 26 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen W und V sowie der Zeugen U und T; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 02.12.2004 (Bl. 34 ff. d.A.) verwiesen.

Sodann hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 02.12.2004 (Bl. 42 ff. d.A.) die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung sei weder nach § 102 BetrVG noch unter Berücksichtigung von § 626 Abs. 1 und 2 BGB rechtsunwirksam. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB sei im vorliegenden Fall gegeben, da die Klägerin die Zeugin W ohne Anlass bzw. aus nichtigem Anlass am 16.03.2004 dahingehend bedroht habe, sie werde sie umbringen. Das Vorliegen dieser Drohung stehe nach Durchführung der Beweisaufnahme, aufgrund der glaubhaften Aussagen der beiden Zeuginnen sowie der beiden Zeugen, fest. Die durchzuführenden Interessenabwägung gehe zu Lasten der Klägerin, da zu ihren Gunsten lediglich habe berücksichtigt werden können, dass sie seit 1990 und mithin 14 Jahre bereits bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei. Für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses spreche aber, dass die Bedrohung des Lebens anderer Mitarbeiter eine sehr massive Störung des Betriebsfriedens darstelle und es sich vorliegend um einen Wiederholungsfall handele.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 5 ff. des Urteils vom 02.12.2004 (Bl. 46 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 13.01.2005 zugestellt worden ist, hat am 14.02.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 11.04.2005 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.04.2005 verlängert worden war.

Die Klägerin macht geltend,

die Aussage von Frau W vom 15.03.2004, ihre, also der Klägerin Unordnung am Arbeitsplatz sei der Grund dafür, dass sich ihr Ehemann von ihr getrennt habe, habe sie tief getroffen. Diese Aussage sei gemacht worden, um sie zu beleidigen und zu beschämen. Ihre Arbeitskolleginnen hätte eine sehr viel schärfere Zunge als sie selbst, so dass sie sich nicht anders zu helfen gewusst habe, als eine so sinnlose Äußerung wie die vorgebliche Morddrohung zu machen. Aufgabe der Beklagten wäre es gewesen, bei der vorliegenden Situation eine Besserung des Betriebsfriedens dadurch anzustreben, dass der Betriebsarzt eingeschaltet wird, der auch für psychosoziale Problemsituationen am Arbeitsplatz zuständig sei.

Im Übrigen sei die Klägerin zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Vorfälle überlastet gewesen, da seit Juli 2003 ihr Ehescheidungsverfahren anhängig gewesen sei; im Januar 2005 sei es dann zur Scheidung gekommen. Bei der Morddrohung handele es sich um eine rhetorische Entgleisung; eine ernsthafte Absicht habe nicht dahinter gestanden, zumal die Drohung völlig sinnlos gewesen sei.

Schließlich hätte die Beklagte im Übrigen schon bei der ersten vorgeblichen Morddrohung, welche zu einer Abmahnung geführt habe, die Polizei oder das Gesundheitsamt einschalten müssen, um prüfen zu lassen, ob eine behandlungsbedürftige psychische Störung vorliege, die fachärztliche Behandlung erforderlich mache.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 11.04.2005 (Bl. 81 ff. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass durch die von der Beklagten am 24.03.2004 ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nichtaufgelöst ist, sondern fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus,

soweit die Klägerin nunmehr auf eine Provokation durch die Zeugin W vom 15.03.2004 abstelle, sei zu beachten, dass sie das entsprechende Gespräch erstinstanzlich noch als völlig belanglos bezeichnet habe. Der zweitinstanzliche Vortrag der Klägerin erschöpfe sich im Wesentlichen in einer Darstellung ihrer schwierigen persönlichen Situation und in der nicht nachvollziehbaren Behauptung, es sei völlig überzogen, ihre Morddrohung als solche zu verstehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 06.05.2005 (Bl. 90 f. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPOP zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel teilweise begründet, da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 24.03.2004 nicht aufgelöst (A.), aber durch die gleichzeitig hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung rechtswirksam zum 30.09.2004 beendet worden ist (B.).

A.

Die fristlose Kündigung vom 24.03.2004 ist nach §§ 626 Abs. 1, 134 BGB nicht rechtswirksam geworden. Ein im Zusammenhang mit § 626 Abs. 1 BGB generell als wichtiger Grund geeigneter Sachverhalt liegt zwar vor, da die Klägerin ihrer Arbeitskollegin, Frau W am 16.03.2004 angedroht hat, sie werde sie umbringen.

Unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände sowie unter Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen war der Beklagten aber die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Ablauf der fünfmonatigen Kündigungsfrist zumutbar. Hierbei hat die Berufungskammer zu Gunsten eines sofortigen Beendigungsinteresses der Beklagten folgendes in Erwägung gezogen: Eine Bedrohung mit dem Tode ist im Rahmen der deutschen Rechtsordnung, die im vorliegenden Zusammenhang allein maßgeblich ist, eine massive Pflichtverletzung. Dies gilt um so mehr, als im vorliegenden Fall die Drohung am Arbeitsplatz gegenüber einer Arbeitskollegin erklärt wurde, zumal hierdurch auch die betriebliche Ordnung und Disziplin beeinträchtigt wurden und mithin ein Interesse eines Dritten, nämlich des Arbeitgebers betroffen ist. Die Drohung vom 15.03.2004 hat auch Wirkung bei der Betroffenen gezeigt, zumal nach Durchführung der Beweisaufnahme feststeht, dass Frau W nach der Bedrohung zitterte "wie Espenlaub".

In den Vorfall wurden auch weitere Arbeitnehmer der Beklagten hineingezogen, zumal Frau W berechtigterweise ihren Vorarbeiter T hierüber informierte; anschließend kam es zu Gesprächen, an denen die Klägerin, Frau W, Herr U, das Betriebsratsmitglied Frau V und der Betriebsratsvorsitzende Herr T teilnahmen. Da das Fehlverhalten der Klägerin mithin zumindest in einem Teil des Betriebes öffentlich wurde, war die Beklagte gezwungen, hierauf mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen zu reagieren; ansonsten hätte die betriebliche Disziplin Schaden genommen.

Für das sofortige Beendigungsinteresse der Beklagten spricht weiter, dass der Klägerin klar sein musste, dass eine Todesdrohung gegenüber einer Arbeitskollegin von der Beklagten nicht als Spaß aufgefasst würde und eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zur Folge haben konnte. Dies musste der Klägerin spätestens seit der schriftlichen Abmahnung vom 13.02.2003 bewusst sein, zumal hier die Beklagte gerügt hatte, dass die Klägerin am 29.01.2003 ihre Arbeitskollegin Frau S mit dem Tode bedroht hatte und für den Wiederholungsfall eine Kündigung in Aussicht stellte.

Für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - allerdings auch nur für diese begrenzte Zeit und nicht darüber hinaus - waren folgende Umstände zu berücksichtigen: Die Klägerin ist allein erziehende Mutter von drei minderjährigen Kindern. Da nur die Kinder von dem geschiedenen Ehemann Unterhaltsleistungen beziehen, nicht aber die Klägerin, ist sie auf die Einkünfte aus ihrem Arbeitsverhältnis im besonderen Maße angewiesen. Sie war im Übrigen zum Kündigungszeitpunkt über 13 Jahre bei der Beklagten beschäftigt; mit Ausnahme der beiden Drohungen gegenüber Arbeitskolleginnen sind keine Pflichtverletzungen während dieser Zeit ersichtlich. Nach der Todesdrohung vom 16.03.2004 hat sich die Klägerin in Anwesenheit des Betriebsratsmitgliedes Frau V bei Frau W entschuldigt. Darüber hinaus ist der Todesdrohung durch die Klägerin unstreitig die sinngemäße Erklärung von Frau W unter Hinweis auf Unordnung am Arbeitsplatz der Klägerin vorausgegangen, ihr, also der Klägerin Mann habe sich "wohl deshalb" von ihr scheiden lassen. Hierauf am nächsten Tag mit einer Todesdrohung zu reagieren, ist zwar absolut nicht angemessen, jedoch im Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Vorwurf von Frau W zu bewerten. Hingegen ist es im vorliegenden Fall abwegig, von der Beklagten zu verlangen, sie hätte den Betriebsarzt oder das Gesundheitsamt einschalten müssen.

Angesichts dieser Gesamtumstände war es nach Überzeugung der Berufungskammer im Kündigungszeitpunkt angemessen, die Klägerin nicht von heute auf morgen in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, sondern ihr eine gleitenden Übergang durch eine Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses für die Dauer der Kündigungsfrist zuzugestehen.

B.

Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 03.03.2004 hat das Beschäftigungsverhältnis zum 30.09.2004 - zu diesem Zeitpunkt ist diese Kündigung unter Einhaltung der fünfmonatigen Kündigungsfrist tatsächlich ausgesprochen worden - beendet.

Die ordentliche Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam, da der Betriebsrat auch zur ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß mit Schreiben der Beklagten vom 17.03.2004 (Bl. 17 ff. d.A.) angehört worden ist.

Darüber hinaus ist die ordentliche Kündigung nicht nach § 1 Abs. 1 des vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes rechtsunwirksam, da verhaltensbedingte Gründe die Kündigung sozial rechtfertigen. Die Todesdrohung vom 16.03.2004 war ein Fehlverhalten der Klägerin, das die Beklagte berechtigte, das Arbeitsverhältnis, nach der vorausgegangenen einschlägigen Abmahnung vom 13.02.2003, unter Einhaltung der Kündigungsfrist zu beenden. Hinsichtlich der Interessenabwägung gelten die Ausführungen zur Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Dauer der Kündigungsfrist unter Buchstabe A. dieser Entscheidungsgründe entsprechend.

Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und im Übrigen die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben; für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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