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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 31.05.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 128/07
Rechtsgebiete: TVG, DRK-TV, BAT, Rahmen-TV, BGB, Übergangs-TV, ArbGG


Vorschriften:

TVG § 3
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 4
DRK-TV § 2
DRK-TV § 3 der Anlage 9
DRK-TV § 3 der Anlage 8
DRK-TV § 14 Abs. 2
DRK-TV § 67
DRK-TV § 67 Abs. 3
DRK-TV § 67 Abs. 6
BAT § 15 Abs. 2
Rahmen-TV § 3 Abs. 2
BGB § 307
Übergangs-TV § 1
Übergangs-TV § 1 Ziff. 2
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 128/07

Entscheidung vom 31.05.2007

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 10.01.2007, Aktenzeichen 1 Ca 1230/06 abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 832,-- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 sowie weitere 165,81 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2006 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin Ansprüche auf eine Zuwendung für das Jahr 2005 nach Maßgabe der Anlage 9 "Sonderregelungen für Zahlung einer Zuwendung" zum "Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes" (im folgenden: DRK-TV) und auf Zahlung von Urlaubsgeld nach Maßgabe der Anlage 8 "Sonderregelungen für die Zahlung von Urlaubsgeld" des DRK-TV zustehen. Wegen des genauen Wortlauts der genannten Anlagen wird auf Bl. 18 ff. bzw. 56 d. A. Bezug genommen. Die Klägerin ist bei dem Beklagten seit dem 01.05.2005 als halbtags beschäftigte Altenpflegehelferin tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 22.03.2005. Dieser regelt in seinem Par.2:

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem DRK-TV in der jeweils geltenden Fassung. Die gekündigten Tarifverträge über eine Zuwendung, über ein Urlaubsgeld und über die Gewährung von Beihilfen finden keine Anwendung."

Wegen der Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Regelungen im Übrigen wird auf Bl. 5 ff. d. A. verwiesen.

Beide Parteien sind kraft jeweiliger Verbands- bzw. Gewerkschaftszugehörigkeit nach § 3 TVG tarifgebunden.

Der DRK-TV regelt die Arbeitsbedingungen in weiten Teilen in Anlehnung an die tariflichen Bestimmungen des BAT. Die tarifvertraglichen Bestimmungen der Anlagen 8 und 9 entsprechen inhaltlich den entsprechenden Regelungen des BAT. Am 31.01.1984 hatten die Tarifpartner (Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, Gewerkschaften ÖTV und DGB, heute Ver.di) eine Vereinbarung (im folgenden: RahmenV) abgeschlossen, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"Vereinbarung

über Rahmenbedingungen für den Abschluss von Tarifverträgen

Zwischen der

Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, Bonn,

einerseits, und der

Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Trans und Verkehr

- Hauptvorstand-, Stuttgart,

andererseits, wird unter Berücksichtigung der internationalen und nationalen Stellung und Aufgabenstellung des Deutschen Roten Kreuzes folgende Vereinbarung geschlossen:

Teil I

§ 1

(1) Die Vertragsparteien gehen davon aus, dass gleichzeitig mit dieser Vereinbarung ein Tarifvertrag zwischen ihnen abgeschlossen wird.

(2) Die Vertragsparteien gehen davon aus, dass der Tarifvertrag nach Abs. 2 die Arbeitsbedingungen des DRK darstellt. Die Arbeitsbedingungen enthalten dabei Bestandteile, welche mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch oder im wesentlichen identisch sind (Katalog A), und solche Bestandteile, welche besondere Regelungen für den Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK enthalten (Katalog B).

§ 2

Übereinstimmendes Ziel der Vertragsparteien ist es, Arbeitskämpfe im Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK nach § 3 Abs. 1 zu vermeiden.

§ 3

(1) Die Vertragsparteien führen Vertragsverhandlungen über die Materien, die im Katalog B zu regeln sind.

(2) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch sind (Katalog A), werden zwischen den Vertragspartnern keine Verhandlungen geführt. Die Möglichkeit, im beiderseitigen Einvernehmen Verhandlungen zu führen, bleibt unberührt.

§ 4

(1) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit dem BAT inhaltlich nicht identisch sind, verpflichten sich die Vertragsparteien, im Fall der Nichteinigung bei den Tarifverhandlungen alles zu unternehmen, um einen Arbeitskampf zu verhindern.

(2) Kommt zwischen den Vertragsparteien eine Einigung nicht zustande, so findet das Verfahren nach §§ 5 ff. dieser Vereinbarung Anwendung.

§ 5

(1) Sind zwischen den Vertragsparteien die Verhandlungen gescheitert, oder verweigert eine Vertragspartei Aufnahme oder Fortsetzung von Verhandlungen, dann kann jede der Vertragsparteien die Schlichtungsstelle anrufen.

(2) Das Nähere regelt die gleichzeitig abgeschlossene Schlichtungsvereinbarung."

§ 67 des DRK-TV bestimmt:

"§ 67

Inkrafttreten, Laufzeit

(1) Der Tarifvertrag tritt am 01. Januar 1984 in Kraft.

(2) Dieser Tarifvertrag kann mit einer Frist von drei Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres, frühestens zum 31. Dezember 1994, schriftlich gekündigt werden.

(3) Soweit Regelungen gemäß § 3 der Rahmenbedingungen (Katalog A) zwischen den Tarifvertragsparteien nicht zu verhandeln sind, bedarf es keiner formalen Kündigung des Tarifvertrages, um die geänderten Vorschriften für den öffentlichen Dienst als Tarifrecht für das DRK zu übernehmen.

(4) § 7, § 9 Abs. 1 und 2, § 14 Abs. 7, §Q 18 Abs. 1 und 3, § 20, § 21 Abs. 2 und 3, § 24 Abs. 1 und 5, § 29 Abs. 5, 6 und 7, § 33 Abs. 1, § 39 Abs. 5, 6 und 7, § 40 Abs. 2, § 43 Abs. 2, § 48 Abs. 4, § 50 Abs. 4, § 51, § 63 Abs. 1 sowie Anlagen 10a Verg.-Gruppe IV a Nr. 16 bis 18 ....weichen von den Regelungen des BAT ab. Sie sind nach dem 31. Dezember 1992 mit den in § 67 Abs. 2 vorgesehenen Fristen jederzeit kündbar.

(5) § 4 der Anlage 2 gilt als Bestandteil des Katalogs A im Sinne und mit den Rechtsfolgen des § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über die Rahmenbedingungen.

..................................

(6) Die Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 in der Anlage 2 zum DRK-Tarifvertrag gilt als Bestandteil des Katalogs A im Sinne und mit den Rechtsfolgen des § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluss von Tarifverträgen. Sofern künftig Arbeitszeitverkürzungen für § 15 Abs. 2 BAT vereinbart werden, werden diese im Rahmen der Tarifautomatik (§ 1 Abs. 2 i.V.M. § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Rahmenbedingungen über den Abschluss von Tarifverträgen) für den DRK-Tarifvertrag wirksam, wenn diese Arbeitszeitverkürzungen prozentual über das hinausgehen, was in der Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 DRK-Tarifvertrag in Anlage 2 vereinbart ist."

Die Gegenstände, die in Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV geregelt sind, zählen gemäß § 3 Abs. 2 der Rahmen-TV zum Katalog A.

Die Bundesrepublik Deutschland hat ihrerseits die tariflichen Sonderregelungen für den öffentlichen Dienst für die Zahlung einer Zuwendung und über die Zahlung von Urlaubsgeld zum 30.06. bzw. 31.07.2003 gekündigt. Eine Kündigung der entsprechenden tariflichen Bestimmungen für den Bereich des DRK ist nicht erfolgt.

Mit Übergangstarifvertrag vom 10.03.2005, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 16 f. d. A. verwiesen wird, haben die Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und die Gewerkschaft ver.di vereinbart, dass die Zuwendung für das Jahr 2005 abweichend von § 3 der Anlage 9 zum DRK-TV in der Fassung des 24. Änderungstarifvertrages vom 29.12.2004 80 % beträgt.

Mit Schreiben vom 03.04.2006 hat die Klägerin über die Gewerkschaft ver.di Ansprüche auf Urlaubsgeld sowie eine Zuwendung für das Jahr 2005 geltend gemacht. Mit Schreiben vom 16.05.2006 lehnte die Beklagte die Forderungen der Klägerin ab. Mit ihrer am 14.08.2006 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Klage forderte die Klägerin die Zahlung einer Zuwendung für das Jahr 2005 in Höhe von 832,- € brutto nebst Zinsen. Mit Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 07.11.2006 begehrte sie darüber hinaus die Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 2006 in Höhe von € 165,81 brutto nebst Zinsen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht:

Kraft beiderseitiger Tarifbindung fänden die tariflichen Bestimmungen des DRK-TV und des Übergangstarifvertrages vom 10.03.2005 Anwendung. Hieran ändere auch die Kündigung der tariflichen Regelungen über die Zahlung einer Zuwendung und von Urlaubsgeld im Bereich des BAT durch die Bundesrepublik Deutschland nichts. Eine Kündigung sei keine "geänderte" Vorschrift im Sinne des § 67 Abs. 3 DRK-TV. Es sei nicht im Sinne der Tarifvertragsparteien, dass einseitige Entscheidungen von Tarifpartnern im öffentlichen Dienst Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen beim Deutschen Roten Kreuz hätten. Hätte die Bundestarifgemeinschaft des DRK im Jahr 2003 das gleiche Ziel wie die Bundesrepublik verfolgt, hätte für die Bundestarifgemeinschaft Rheinland-Pfalz die Möglichkeit der Kündigung bestanden. Eine solche sei aber nicht erfolgt. Außerdem gelten die genannten Tarifverträge kraft Nachwirkung weiter.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 832,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 165,81 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die von der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochene Kündigungen der Sonderregelungen über die Zahlung einer Zuwendung und von Urlaubsgeld auch für das DRK bindend seien, da diese eine "Katalog A-Norm" betroffen habe und somit vom DRK 1:1 zu übernehmen sei. Da das DRK dem so genannten Besserstellungsverbotes unterliege, sei es gehalten, seine eigenen Mitarbeiter nicht besser zu stellen, als die eines öffentlichen Arbeitgebers. Die für den Bereich des öffentlichen Dienstes ausgesprochene Kündigung sei daher vom DRK zeitgleich umgesetzt worden mit der Folge, dass die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse nicht mehr zuwendungsberechtigt seien. Soweit bezüglich einer Zuwendung am 10.03.2005 ein Übergangstarifvertrag abgeschlossen worden sei, gelte dieser nur für diejenigen Mitarbeiter, für die die Nachwirkung des Tarifvertrages gelte, also diejenigen Mitarbeiter, die vor dem 30.06.2003 beim DRK beschäftigt gewesen seien.

Das Arbeitsgericht Trier hat mit Urteil vom 10.01.2007, Az: 1 Ca 1230/06, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es - zusammengefasst - ausgeführt, die Ansprüche der Klägerin seien nach § 2 des Arbeitsvertrages ausgeschlossen. Diese vertragliche Vereinbarung verstoße nicht gegen § 4 Abs.3 TVG, denn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages hätten die Sonderregelungen über die Zahlung einer Zuwendung und von Urlaubsgeld im Bereich der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes nur noch kraft Nachwirkung gegolten. Die Kündigung der Tarifverträge über die Zahlung einer Zuwendung und von Urlaubsgeld im Bereich des öffentlichen Dienstes durch die Bundesrepublik Deutschland habe kraft Tarifautomatik auch die entsprechenden Regelungen im Bereich der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes erfasst. Dies ergebe sich aus § 67 Abs. 3 DRK-TV. Auch eine Kündigung sei eine Änderung tariflicher Vorschriften im Sinne des § 67 Abs. 3 DRK-TV.

Hinsichtlich der Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidungsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils (Bl. 80 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 29.01.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 21.02.2007 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 13.03.2007 begründet.

Zur Begründung macht die Klägerin im Wesentlichen und zusammengefasst geltend: Bereits nach dem Wortlaut des Par.2 des Arbeitsvertrages sei Voraussetzung für die Nichtanwendung der dort genannten tariflichen Bestimmungen eine Kündigung der betreffenden Tarifverträge. Jedenfalls sei diese Vereinbarung wegen Tarifwidrigkeit unzulässig. Da der Arbeitsvertrag auf die Kündigung des Zuwendungstarifvertrages verweise und diese damit Voraussetzung für eine Nichtzahlungspflicht des Beklagten sei, stelle im Falle des Nichtvorliegens einer wirksamen Kündigung die vertragliche Regelung einen Verstoß gegen zwingend vereinbarte Tarifvertragsnormen dar. Hierbei handele es sich um eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB durch die formularmäßige arbeitsvertragliche Bestimmung.

Ein Anspruch ergebe sich im Übrigen unmittelbar auch aus § 1 des Übergangstarifvertrages vom 10.03.2005. Diesem sei weder zu entnehmen, dass er sich auf die etwaige Kündigung des BAT-Tarifvertrages beziehe, noch sich hinsichtlich des Einstellungsdatums auf diejenigen Mitarbeiter des DRK beschränke, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Kündigung des BAT-Tarifvertrages bereits beschäftigt gewesen seien. Im Übrigen schließe der Übergangstarifvertrag die Tarifautomatik ausdrücklich aus. Die Klägerin stützt ihre Berufung ferner auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.06.2006, Az: 4 AZR 272/05 (AP Nr. 37 zu § 1 TVG). Danach sei davon auszugehen, dass eine Tarifautomatik nicht bestehe.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird ergänzend auf den Schriftsatz der Klägerin mit Datum vom 08.03.2007 (Bl. 99 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 10.01.2007, 1 Ca 1230/06, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 833,-- € brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 sowie weitere 165,81 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2006 zu zahlen.

Der Beklagte verteidigt nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung gemäß Schriftsatz vom 04.05.2007 (Bl. 123 f. d. A.) das angefochtene Urteil als rechtlich zutreffend. Die Kündigung der Sonderzuwendung des Urlaubsgeldes des öffentlichen Dienstes erfasse in Vollzug der aus § 67 Abs. 3 DRK-TV folgenden Tarifautomatik auch die entsprechenden Regelungen im Bereich des DRK. In gleicher Weise sei auch in der Vergangenheit zum Beispiel bei der Kündigung von Beihilfevorschriften verfahren worden. Das DRK habe daher darauf vertrauen können, dass aufgrund einer Kündigung von inhaltsgleichen Vorschriften im BAT diese auch im Bereich des DRK kraft Tarifautomatik wirksam seien. Im Übrigen habe eine Verpflichtung bestanden, die Kündigung dieser Vorschriften direkt umzusetzen, da aufgrund des Besserstellungsverbotes die Mitarbeiter des DRK keine zusätzlichen Gehaltsbestandteile gezahlt bekommen dürfen, als vergleichbare Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes.

Der Ausschluss der Geltung der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV ergebe sich klar und eindeutig aus dem Arbeitsvertrag. Hierauf sei im Übrigen auch bei dem Einstellungsgespräch hingewiesen worden.

Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Übergangstarifvertrag. In diesem sei hinreichend deutlich gemacht, dass sich die dort normierte Änderung auf den tariflichen Normenstand vom 29.12.2004 beziehe, einen Zeitpunkt also, zu dem die entsprechenden Vorschriften des öffentlichen Dienstes bereits gekündigt waren und sich nur noch in Nachwirkung befunden hätten. Die Tarifautomatik sei im Übrigen nur für den Zeitraum für den 01.02. bis 31.12.2005 ausgeschlossen worden. Die bereits vorher erfolgte Kündigung sei durch die befristete Aufgabe der Tarifautomatik nicht aufgehoben worden. Der Übergangstarifvertrag habe auch nicht für alle Mitarbeiter des DRK gelten sollen. Dies folge bereits aus dem Charakter als "Übergangstarifvertrag". Hierfür spreche auch, dass im gleichen Zeitraum "echte" Tarifverträge zwischen der Gewerkschaft ver.di und der Bundestarifgemeinschaft ausgehandelt worden seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde frist- und formgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Klägerin hat auch Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung der Zuwendung für das Jahr 2005 nach § 4 Abs. 1 TVG i.V.m. §§ 2, 3 der Anlage 9 zum DRK-TV und § 1 Ziff. 2 des Übergangstarifvertrages vom 10.3.2005 zu. Ebenso besteht ein Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld nach § 4 Abs. 1 TVG i.V.m. § 3 der Anlage 8 zum DRK-TV.

Die Parteien sind kraft jeweiliger Verbandszugehörigkeit tarifgebunden, § 3 Abs. 1 TVG, so dass nach § 4 Abs. 1 TVG die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend gelten. Soweit es um die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin geht, waren die diese begründenden tarifvertraglichen Regelungen der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV zum Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Ansprüche zwingendes und nicht nur kraft Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) geltendes Tarifrecht. Par. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages der Parteien konnte daher wegen der zwingenden Wirkung keine anspruchsauschließende rechtliche Wirkung entfalten (§ 4 Abs. 1 TVG). Die Voraussetzungen, unter denen eine vom Tarifvertrag abweichende Vereinbarung nach § 4 Abs. 3 TVG getroffen werden kann, liegen erkennbar nicht vor.

1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine (Teil-)Kündigung des DRK-TV in den hier maßgeblichen Teilen (Anlagen 8 und 9) von keiner der Tarifvertragsparteien des DRK-TV erklärt wurde. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten und des Arbeitsgerichts führte aber auch die Kündigung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes über eine Zuwendung zum 30.6.2003 und über ein Urlaubsgeld zum 31.7.2003 durch die Bundesrepublik Deutschland nicht zu einem Ablauf der zwingenden Geltung der Anlagen 8 und 9 zum DRK-Tarifvertrag.

a) Eine derartige Wirkung der Kündigung der entsprechenden Regelungen des öffentlichen Dienstes auf die tariflichen Regelungen der Anlagen 8 und 9 zum DRK-TV folgt nicht aus § 67 Abs. 3 DRK-TV.

Die Berufungskammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 7.6.2006 (4 AZR 272/06, AP Nr. 37 zu § 1 TVG, B II 2 b) cc) der Gründe). Danach stellt § 67 Abs. 3 DRK-TV -auch nicht in einer Zusammenschau mit § 3 Abs. 2 RahmenV- keine konstitutive "Übernahme"-Regelung dar, die eine Inkorporierung der BAT-Normen in den DRK-Bereich bewirken könnte. § 67 Abs. 3 DRK-TV weist nur dann einen Regelungsinhalt auf, wenn die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass bzgl. der Frage der Kündigung des Tarifvertrages sowohl die Möglichkeit als auch der Bedarf bestand, hier eine Regelung zu treffen. Dies setzt aber voraus, dass die Tarifvertragsparteien von der Notwendigkeit einer Kündigung des eigenen, zwischen ihnen geschlossenen Tarifvertrages ausgingen, wenn die fraglichen BAT-Regelungen sich ändern sollten. Eine solche Notwendigkeit hätte bei einer "automatischen" Inkorporierung der BAT-Regeln in das DRK-Tarifwerk jedoch nicht bestanden. Auch die konkrete Verwendung des Begriffs der "Übernahme" spricht für die Erforderlichkeit eines aktiven Handelns der Tarifvertragsparteien. Die Satzkonstruktion "... bedarf es keiner formalen Kündigung ..., um die ... Vorschriften ... zu übernehmen", verweist auf etwas Prozesshaftes und zeitlich aufeinander folgende Vorgänge. Die Regelung besagt damit, dass es - entgegen der von den Tarifvertragsparteien vorausgesetzten Rechtslage, die ohne diese Regelung bestanden hätte - einer bestimmten, an sich vor der "Übernahme" erforderlichen Voraussetzung nichtbedarf.

§ 67 Abs. 3 DRK-TV enthält damit nicht eine generelle Regelung dahingehend, dass sich jede Änderung des einen Tarifvertrages wirkungsgleich auf den anderen Tarifvertrag auswirken soll, sondern dispensiert nur von der Erforderlichkeit einer formalen (form- und fristgerechten) Kündigung, um geänderte Vorschriften für den öffentlichen Dienstes als Tarifrecht für das DRK zu übernehmen. Der Verzicht auf eine formale Kündigung besagt damit nicht, dass eine Kündigung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes zugleich auch die Wirkungen einer Kündigung der ggfs. inhaltsgleichen tariflichen Regelungen des DRK entfaltet. Eine formale Kündigung ist lediglich keine Voraussetzung für die Übernahme geänderter Vorschriften für den öffentlichen Dienst. § 67 Abs. 3 DRK-TV bezieht sich zudem auf die Entbehrlichkeit einer formalen Kündigung bei einer beabsichtigten Übernahme. Der Begriff Übernahme spricht für die Erforderlichkeit eines aktiven Handelns der Tarifvertragsparteien, d.h. den Abschluss eines eigenen Tarifvertrages (vgl. dazu BAG 7.6.2006, aaO.). Nur wenn ein solches aktives Handeln beabsichtigt ist, soll § 67 Abs. 3 DRK-TV als verfahrensgestaltende Regelung zwischen den Tarifvertragsparteien von der von ihnen als Voraussetzung einer Übernahme in Betracht gezogenen Kündigung abgesehen werden. Dafür, dass es sich bei § 67 Abs. 3 DRK-TV nicht um eine Inhaltsnorm des Tarifvertrages, sondern um eine Verfahrensregelung zwischen den Tarifvertragsparteien handelt, spricht auch, dass § 67 DRK-TV insgesamt formale, dem schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages zurechenbare Regelungen (Inkrafttreten, Laufzeit, Kündigung) beinhaltet.

Hinzu kommt, dass § 67 Abs. 3 DRK-TV erkennbar die Konstellation betreffen soll, dass es im Bereich der tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes zu einer inhaltlichen Änderung der jeweiligen Regelung kommt. Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 67 Abs. 3 DRK-TV, der von einer Übernahme geänderter Vorschriften spricht. Die Verwendung des Begriffs Vorschriften weist darauf hin, dass es sich um zwingende Regelungen handeln soll. Im Falle einer Kündigung (nach Ablauf eventueller Kündigungsfristen) wirken tarifliche Bestimmungen jedoch lediglich nach Maßgabe des § 4 Abs. 4 TVG nach und beanspruchen keine zwingende Wirkung mehr. Für dieses Verständnis spricht weiter auch eine Zusammenschau mit der in § 67 Abs. 3 DRK-TV in Bezug genommenen Regelung des § 3 Abs. 2 RahmenV: Diese bezweckt ersichtlich den Ausschluss einer Verhandlungspflicht (und damit den Ausschluss der Möglichkeit eines auf die Aufnahme von Verhandlungen gerichteten oder verhandlungsbegleitend geführten Arbeitskampfes, vgl. auch § 4 RahmenV), soweit eine Materie inhaltsgleich mit den Regelungen des BAT ist. Da dies im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Abschluss eines Tarifvertrages (vgl. § 1 Abs. 1 RahmenV) geregelt ist, ist davon auszugehen, dass eine Verhandlungspflicht nur ausgeschlossen sein sollte, wenn zum einen eine tarifliche Regelung getroffen wird und diese zum anderen mit den Regelungen des BAT "inhaltlich identisch" ist, also eine originär nach § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend geltende Regelung existiert.

b) Auch aus § 3 Abs. 2 RahmenV folgt keine "Tarifautomatik" dahingehend, dass eine Kündigung inhaltlich identischer Regelungen des BAT gleichartige Rechtswirkungen, hier Geltung nur noch Kraft Nachwirkung, bezüglich der entsprechenden Regelungen des DRK-TV bewirkt. Wie das Bundesarbeitsgericht im genannten, beiden Parteien bekannten Urteil vom 7.6.2006 (aaO., B II 2 b) bb) und B II 2 b) cc) (3) der Gründe) ausführlich dargelegt hat, handelt es sich bei der RahmenV nicht um einen normativ wirkenden Tarifvertrag, so dass auch die Verwendung des Begriffs der "Tarifautomatik" in § 67 Abs. 6 DRK-TV und in späteren Änderungstarifverträgen nicht zu einer wirkungsgleichen Folge der Kündigung der entsprechenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes für die hier fraglichen Regelungen des DRK-TV führt. Die Berufungskammer macht sich die diesbezügliche Begründung des Bundesarbeitsgerichts zu Eigen und sieht von einer Wiederholung dieser Begründung ab.

2. Da damit Anlage 8 und 9 DRK-TV, Anlage 9 in der Fassung des Übergangstarifvertrages 10.3.2005, zum Zeitpunkt der Fälligkeit der geltend gemachten Ansprüche zwingend wirkendes Tarifrecht im Sinne des § 4 Abs. 1 TVG waren, konnte hiervon durch die arbeitsvertragliche Vereinbarung in Par 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages nicht wirksam abgewichen werden. Die Ansprüche wurden durch das Schreiben der Gewerkschaft ver.di auch rechtzeitig und wirksam in Vertretung der Klägerin geltend gemacht. Die Ansprüche sind unter Berücksichtigung von § 1 Ziff. 2 des Übergangstarifvertrages und des Eintritts der Klägerin in das Arbeitsverhältnis erst ab 1.5.2005 in rechnerischer Höhe unstreitig. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzugs (§§ 288, 286 BGB).

III. Auf die Berufung der Klägerin war daher das angefochtene Urteil so wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern. Als unterlegene Partei hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Kammer hat die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Die Rechtsfrage, ob eine Kündigung paralleler tariflicher Vorschriften des öffentlichen Dienstes dazu führt, dass die entsprechenden Bestimmungen des DRK-TV, soweit sie unter den sog. Katalog A fallen, ebenfalls nur noch kraft Nachwirkung gelten, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden und ausweislich der Ausführungen des Beklagten in seiner Berufungserwiderung auch für andere Regelungskomplexe (z.B. Beihilfe) von Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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