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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 08.08.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 155/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 166
BGB § 195
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.02.2008, Az.: 7 Ca 1762/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob die Beklagte zur Rückgewähr unberechtigt gezahlter vermögenswirksamer Leistungen verpflichtet ist. Die Beklagte war bei der Klägerin bis einschließlich Februar 2000 beschäftigt. Trotzdem überwies die Klägerin bis Oktober 2007 weiterhin auf einen von der Beklagten genannten Bausparvertrag vermögenswirksame Leistungen in Höhe von monatlich 39,88 EUR. Die vermögenswirksamen Leistungen des Zeitraums Mai bis Oktober 2007 wurden an die Klägerin rückabgewickelt. Grund der Überzahlung war, dass die Klägerin ursprünglich zwei Daueraufträge für die vermögenswirksamen Leistungen der Beklagten eingerichtet hatte. Bei einem der Daueraufträge hatte sie neben der Vertragsnummer auch den Namen der Beklagten aufgeführt, bei dem anderen Dauerauftrag allerdings nur die Vertragsnummer ohne Angabe des Namens der Beklagten. Nach dem Ausscheiden der Beklagten hatte die Klägerin lediglich den Dauerauftrag mit Namensangabe gekündigt, den anderen jedoch nicht. Im Hinblick darauf, dass der Name der Beklagten nicht auf den Kontoauszügen erschien, erkannte sie über die ganzen Jahre nicht, dass sie monatlich ohne Rechtsgrund Zahlungen an die Beklagte weiter leistete. Tatsächliche Kenntnis erhielt sie erst, nachdem der Ehemann der Beklagten nach Kündigung des Bausparvertrages sich an die Klägerin wandte und im Oktober 2007 auf die Überzahlung hinwies. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachvortrags und des streitigen erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 04.02.2008, Az.: 7 Ca 1762/07 (Bl. 52 ff. d.A.). Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.595,20 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt: Ein Rückzahlungsanspruch bestehe nur für die im Zeitraum 01.02.2004 bis einschließlich April 2007 gezahlten vermögenswirksamen Leistungen. Die von der Klägerin geltend gemachten Beträge für die Jahre 2000 bis 2003 seien gemäß § 195 BGB verjährt. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin positive Kenntnis von der Überzahlung erst im Oktober 2007 erlangt habe, sei davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund grober Fahrlässigkeit von ihren Bereicherungsansprüchen keine Kenntnis erlangt habe. Es sei grob fehlerhaft, dass sie verabsäumt habe, über Jahre hinweg ihre Kontoauszüge hinsichtlich der getätigten Zahlungen zu überprüfen und zu kontrollieren. Spätestens mit der Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 2000 hätten die unberechtigten Zahlungen auffallen müssen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidungsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern Bezug genommen. Gegen dieses ihr am 29.02.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 19.03.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 29.04.2008 begründet. Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zur Rückerstattung auch derjenigen vermögenswirksamen Leistungen, hinsichtlich derer das Arbeitsgericht von einer Verjährung der Ansprüche ausgegangen ist. Zur Begründung ihrer Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 28.04.2008, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 82 ff. d.A.) im Wesentlichen geltend: Von einem grob fahrlässigen Verhalten bzw. einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin könne nicht ausgegangen werden. Zur Überzahlung sei es deshalb gekommen, weil schon der Doppelanlage der Daueraufträge ein unentdeckt gebliebener Irrtum zugrunde gelegen habe. Die Zahlungen seien dann im Zahlungssystem so angelegt worden, dass sie automatisiert fortliefen. Dieser Irrtum habe sich bei Kündigung nur eines der Daueraufträge fortgesetzt. Sie habe sich darauf verlassen, dass alle Zahlungen mit Ende des Beschäftigungsverhältnisses beendet worden seien und hierfür alles notwendige veranlasst gewesen sei. Sie habe auch entsprechende Weisung gegeben. Da der Name der Beklagten nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nirgends mehr aufgetaucht sei, habe sie keine Veranlassung gehabt, weitergehende Überprüfungen anzustellen. Mit Schriftsatz vom 17.06.2008 nimmt die Klägerin ergänzend Bezug auf ein Schreiben ihres Steuerberaters vom 06.05.2008 (Bl. 99 d.A.). Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.02.2008, Az.: 7 Ca 1762/07 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie über den bereits ausgeurteilten Betrag in Höhe von 1.595,20 EUR hinaus weitere 1.874,36 EUR zuzüglich 5 Prozent Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung gemäß Schriftsatz vom 09.06.2008, auf den Bezug genommen wird, als rechtlich zutreffend. Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel der Berufung ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet und ist damit insgesamt zulässig. II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht ist zu Recht und mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass infolge der Erhebung der Verjährungseinrede der Klägerin weitergehende Ansprüche als die erstinstanzlich ausgeurteilten nicht zustehen. Die Berufungskammer folgt zunächst der zutreffenden Begründung der angefochtenen Entscheidung und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Die Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren veranlassen lediglich folgende ergänzende Ausführungen: 1. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass zu Lasten der Klägerin im Hinblick auf den Beginn der hier einschlägigen regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren im Sinne des § 195 BGB eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegt. Da keine Sorgfaltspflicht des Gläubigers zur Anspruchsverfolgung besteht, ist bei § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf einen Obliegenheitsverstoß bei der Anspruchsverfolgung in eigenen Angelegenheiten abzustellen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (Erfurter Kommentar/Preis, 8. Aufl., § 194 bis 218 BGB, Rdnr. 11). Die Berufungskammer teilt in vollem Umfang die vom Arbeitsgericht gegebene Begründung für das Vorliegen einer grob fahrlässigen Unkenntnis in diesem Sinne: Die Klägerin hat aufgrund des von ihr gewählten Überweisungsverfahrens zunächst selbst die Gefahr derartiger irrtümlicher Zahlungen gesetzt und dazu beigetragen, dass aufgrund der fehlenden namentlichen Kennzeichnung des Dauerauftrags eine leichte und schnelle Überprüfung der getätigten Zahlungen anhand der Kontoauszüge nicht möglich war. Zutreffend stellt das Arbeitsgericht auch darauf ab, dass spätestens mit der Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 2000, bei der die geleistete Zahlung als betrieblicher Aufwand in die Steuererklärung eingebracht worden ist, die unberechtigten Zahlungen hätten auffallen müssen. Die Klägerin hat insoweit auch nach Auffassung der Berufungskammer grob fahrlässig die von ihr getätigten Ausgaben, die sie dem Steuerberater zur Erstellung der Steuererklärung gemeldet hat, nicht überprüft. Offensichtlich haben diesbezüglich keinerlei Kontrollmechanismen bestanden, da die demnach in der Sache unberechtigten Ausgaben bei zumindest vier Steuererklärungen nicht aufgefallen sind. 2. Hinzuweisen ist auf folgenden, ergänzenden Gesichtspunkt: Nach dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben ihres Steuerberaters (Bl. 99 f. d.A.) bestätigt dieser, dass es für die Klägerin sehr schwierig gewesen sei, die Zuverlässigkeit der eingeführten Dauerauftragslösung für die vermögenswirksamen Leistungen zu kontrollieren. Ein internes Kontrollsystem bestehe insoweit nicht. Auch aus dieser Bestätigung wird deutlich, dass das von der Klägerin gewählte System per se die Gefahr von Fehlern in sich birgt, so dass eine erhöhte Sorgfalt bei der Kontrolle von Zahlungen zu erwarten gewesen wäre. Der Steuerberater führt weiter aus, dass jährlich bei der Erstellung des Jahresabschlusses bei den durchgeführten Plausibilitätskontrollen keine größeren Abweichungen festgestellt worden seien, so dass auf Einzelkontrollen verzichtet worden sei. Hieraus wird deutlich, dass Abweichungen festgestellt wurden, wenn auch keine größeren, so dass auf eine Aufklärung dieser Abweichungen im Einzelnen bewusst verzichtet worden sei. Die im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer anwesende Vertreterin der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Verbuchung von Zahlungsvorgängen über den Steuerberater erfolgte. Nachdem dem Steuerberater Abweichungen - wenn auch kleineren Ausmaßes - aufgefallen sind, dann aber bewusst von Einzelkontrollen abgesehen wurde, stellt sich diese Entscheidung der Klägerin ebenfalls als grob fahrlässige Unkenntnis im genannten Sinne dar. Die Klägerin hat es damit versäumt, eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnismöglichkeit durch Durchführung entsprechender Einzelkontrollen wahrzunehmen. Sofern der Steuerberater in eigener Entscheidung trotz festgestellter Differenzen auf Einzelkontrollen verzichtet haben sollte, muss sich dies die Klägerin in entsprechender Anwendung des § 166 BGB zurechnen lassen: Hat der Gläubiger einen bestimmten Aufgabenkreis, wie zum Beispiel die Verwaltung eines Vermögenskomplexes, in umfassender Weise zur selbständigen Wahrnehmung auf einen Dritten übertragen, so kommt es auf die subjektive Situation dieses Dritten an (Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., 2006, § 199 BGB Rdnr. 33). III. Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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