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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 18/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 287
ZPO § 520 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 18/07

Entscheidung vom 14.08.2007

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 23.11.2006, Az.: 7 Ca 858/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen des Berufungsverfahrens darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger Arbeitsvergütung für den Monat Februar 2006 in Höhe von 1.800 EUR brutto nebst Zinsen sowie 69,49 EUR nebst Zinsen als weiteren Verzugsschaden zu zahlen. Im Wege der Widerklage verfolgt die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 6.000,-- EUR nebst Zinsen wegen nach ihren Behauptungen unberechtigter Privatfahrten des als LKW-Fahrer beschäftigten Klägers mit einem firmeneigenen LKW im Zeitraum Oktober 2005 bis Januar 2006.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 23.11.2006, Az.: 7 Ca 858/06 (Bl. 83 ff. d. A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht das eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.800 EUR brutto nebst Zinsen beinhaltende Versäumnisurteil vom 15.08.2006 aufrechterhalten, die Beklagte weiter verurteilt, an den Kläger als weiteren Verzugsschaden 69,49 EUR nebst Zinsen zu zahlen sowie die Widerklage der Beklagten abgewiesen.

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidungsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils Bezug genommen (Bl. 89 ff. d. A.).

Gegen dieses ihr am 06.02.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 08.01.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 04.04.2007 bis zum 04.05.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 04.05.2007 begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen und zusammengefasst geltend, das Arbeitsgericht habe es pflichtwidrig unterlassen, über die von ihr zur Begründung der Widerklageforderung vorgetragenen Tatsachen Beweis durch Vernehmung des Zeugen Z. zu erheben, der in der Lage sei, sowohl die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zu bekunden, als auch im einzelnen darzulegen, an welchen der Arbeitstage im Vertragszeitraum der Kläger den LKW vertragswidrig dazu benutzt habe, vom vertraglich vereinbarten Abstellort des LKW im Y. zu seinem Wohnsitz in A-Stadt zu gelangen. Der Zeuge sei über den Einsatz jeden einzelnen Mitarbeiters, die Verwendung jeden einzelnen LKW und insbesondere darüber informiert, welche werktäglichen Transporte durchzuführen seien. Da die Beklagte ihre tatsächlichen Anhaltspunkt und Erkenntnisquellen in Gestalt von Fahrtenbüchern, Tachoscheiben und eines Routenplaners offen gelegt habe, stelle die Vernehmung des Zeugen auch keinen sog. Ausforschungsbeweis dar.

Hilfsweise berufe sich die Beklagte darauf, dass es das Arbeitsgericht pflichtwidrig unterlassen habe, eine Beweisaufnahme zu den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, die die Grundlage für die Schadensersatzforderung bildeten, durchzuführen und sodann aufgrund der konkreten Angaben der Beklagten zur Schadenshöhe eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO durchzuführen. § 287 ZPO sei insbesondere deshalb anwendbar, weil eine Beweiserhebung über die Schadenshöhe einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeute. Ein Abgleich zwischen Tachoscheiben und Frachtbrief für jeden Arbeitstag würde mindestens mehrere Tage in Anspruch nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 04.05.2007 (Bl. 137 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 23.11.2006, Az.: 7 Ca 858/06 abzuändern und unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 15.8.2006, Az.: 7 Ca 858/06, die Klage abzuweisen und den Kläger auf die Widerklage hin zu verurteilen, an die Beklagte 6.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung gem. Schriftsatz vom 14.06.2007 (Bl. 155 ff. d. A.), auf den ergänzend Bezug genommen wird, als rechtlich zutreffend. Da die Beklagte trotz von ihr selbst eingeräumter tatsächlicher Möglichkeit hierzu ihre tatsächlichen Anhaltspunkte für den von ihr behaupteten Schaden nicht dargelegt habe, stelle sich eine Vernehmung des Zeugen Z. als Ausforschungsbeweis dar. Die Voraussetzung einer Schadensschätzung lägen deshalb ebenfalls nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen ergänzend auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zum Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.

I. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, soweit die sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 1.800 EUR brutto (Lohn Februar 2006) nebst Zinsen und zur Zahlung eines weiteren Verzugsschadens in Höhe von 69,49 EUR nebst Zinsen richtet.

Insoweit fehlt es an einer ausreichenden Berufungsbegründung. Gem. § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 Abs. 3 ZPO muss die Berufungsbegründung u. a. die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dies erfordert eine argumentative Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen (z.B. BAG 16.8.1991 -2 AZR 241/90- AP Nr. 2 zu § 15 SchwbG 1986). Bei einer Mehrheit mit der Berufung verfolgter Ansprüche ist eine ausreichende Begründung für jeden der Ansprüche nötig (vgl. nur A./Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl., § 520 Rz. 27).

Das Arbeitsgericht hat ausführlich und sorgfältig begründet, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung des Februarlohnes nebst Zinsen und auf Ersatz des weitergehenden Verzugschadens nebst Zinsen zusteht. Hiermit setzt sich die Berufung nicht auseinander. Ebenfalls hat das Arbeitsgericht dargelegt, dass im Hinblick auf die vollständige Geltendmachung des von der Beklagten verfolgten Schadensersatzanspruchs im Wege der Widerklage nicht davon auszugehen ist, dass die Beklagte den Schadensersatzanspruch teilweise der Klageforderung im Wege der Aufrechnung entgegensetzt. Dem entspricht es, dass die Beklagte in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 13.9.2006 auch ausdrücklich von einer Aufrechnung Abstand genommen hat und zur Widerklage übergegangen ist. Auch im Rahmen des Berufungsbegehrens wird die Schadensersatzforderung ungeschmälert im Wege der Widerklage verfolgt und nicht etwa nunmehr die (teilweise) Aufrechnung erklärt. Da sich die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung aber ausschließlich auf die Ablehnung eines Schadensersatzanspruchs beziehen, fehlt es hinsichtlich der erfolgten Verurteilung zur Zahlung des Februarlohnes und des weitergehenden Verzugschadens an einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Berufungsbegründung.

Im Übrigen, d.h. soweit mit der Berufung eine Abänderung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der abgewiesenen Schadensersatzforderung wegen unberechtigter Privatnutzung des LKW begehrt wird, ist die Berufung zulässig. Das rechtsmittel ist an sich statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und insoweit auch ausreichend begründet.

II. Soweit die Berufung zulässig ist, hat das Rechtsmittel in der Sache aber keinen Erfolg. Die Berufungskammer folgt zunächst der rechtlich zutreffenden Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit nach § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens sind ergänzend lediglich die folgenden Ausführungen veranlasst:

Das Arbeitsgericht hat zu Recht von einer Beweisaufnahme abgesehen. Eine solche ist auch nicht aufgrund des Berufungsvorbringens im jetzigen Berufungsverfahren veranlasst oder nach § 287 ZPO entbehrlich.

Die Beklagte stützt ihren Schadensersatzanspruch darauf, dass der Kläger absprachewidrig den Firmen-LKW zu Fahrten zu seinem Wohnort und wieder zurück zur Arbeitsstätte benutzt habe und beziffert ihren Schaden sodann im Wege einer Schätzung ausgehend von 20 Arbeitstagen im Monat und 100 Kilometer Strecke für 4 Monate auf 8.000 Mehrkilometer à einem Kilometerpreis von 0,75 EUR.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagte selbst davon ausgeht, dass der von ihr benannte Zeuge Z. in der Lage sei, die einzelnen Fahrten nachzuvollziehen. Hiervon geht die Beklagte auch im Berufungsverfahren aus. Die Beklagte hat es allerdings -auch im Berufungsverfahren- verabsäumt, im einzelnen darzulegen, an welchen Tagen im Einzelnen der Kläger den LKW überhaupt für Fahrten zwischen Wohnung und Y. verwendet haben soll, so dass es auch dem Kläger nicht oblag, hierauf seinerseits substantiiert zu erwidern. Die Vernehmung des Zeugen Z. würde dazu führen, dass durch entsprechende Fragen des Gerichts die fraglichen Tatsachen (an welchen Tagen genau hat der Kläger den LKW für Heimfahrten bzw. Fahrten zum Y. benutzt?) erst hätten ermittelt werden müssen. Die Beklagte hat noch nicht einmal exemplarisch bezüglich einzelner Tage die Durchführung behaupteter Privatfahrten dargelegt, noch im Einzelnen die von ihr behaupteten und -allerdings nur pauschal- in Bezug genommenen Erkenntnisquellen (Tachoscheiben, Routenplaner, Fahrtenbücher) offen gelegt. Es lässt sich ihrem Sachvortrag nicht entnehmen, wie viele und welche Arbeitstage von der Beklagten bzw. dem von ihr benannten Zeugen Z. überhaupt einem solchen Abgleich unterzogen wurden. Damit ist aber z.B. auch nicht ersichtlich, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte die Beklagte davon ausgeht, der Kläger habe das Fahrzeug regelmäßig, nämlich arbeitstäglich für Privatfahrten benutzt.

Ein sog. unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt aber dann vor, wenn es sich um einen Beweisantritt handelt, der nicht dem Beweis konkret behaupteter Tatsachen dient, sondern es erst ermöglichen soll, solche bestimmten Tatsachen überhaupt erst in das Verfahren einzuführen (vgl. etwa nur Greger, in: A./ZPO, 26. Aufl., Vor § 284 Rz. 5 mwN.).

Ausgehend von ihrem eigenen Sachvortrag wäre es der Beklagten aber möglich gewesen, zumindest exemplarisch zu einzelnen Tagen hinsichtlich der behaupteten Privatfahrten vorzutragen, etwa für einzelne Wochen auch darzulegen, dass der Kläger -wie von der Beklagten im Rahmen ihrer Berechnung unterstellt- arbeitstäglich den LKW für derartige Privatfahrten genutzt hat. Zu derartigen Bekundungen soll ja der von ihr benannte Zeuge in der Lage sein, bei dem es sich um einen Angestellten der Beklagten handelt.

Auch die Voraussetzungen einer richterlichen Schätzung nach § 287 ZPO liegen nicht vor. Zunächst ist schon darauf hinzuweisen, dass eine Schätzung unzulässig ist, wenn ausreichende, greifbare Anhaltspunkte, die von der klagenden (hier widerklagenden) Partei vorzutragen sind, fehlen (BAG 16.11.1995, 8 AZR 983/94, EzA § 630 BGB Nr 20ž BGH 26. 11. 1986 - VIII ZR 260/85, NJW 1987, 909, 910; vgl. nur A., aaO., § 287 Rz. 4). Steht z.B. fest, dass ein Schaden in einem der Höhe nach nicht bestimmbaren, aber jedenfalls erheblichen Ausmaß entstanden ist, dann wird sich in der Regel aus den Umständen, die die Annahme eines erheblichen Schadens begründen, eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung eines gewissen (Mindest) Schadens gewinnen lassen (BGH aaO.).

Derartige ausreichende Anhaltspunkte für eine richterliche Schätzung sind nicht dargelegt. Zunächst fehlt es an konkretem Sachvortrag dazu, ob und wann genau der Kläger überhaupt Privatfahrten unternommen hat. Hierbei handelt es sich um die Darlegung des konkreten Haftungsgrundes selbst, für den eine Schätzung nach § 287 ZPO ausgeschlossen ist (A. aaO., Rz. 3). Insbesondere aber fehlt es an konkreten Anhaltspunkten, die eine Schätzung dahingehend zulassen, der Kläger habe den LKW jeden Arbeitstag für Privatfahrten benutzt. Wie ausgeführt hat die Beklagte noch nicht einmal exemplarisch derartige Privatfahrten für einzelne Tage oder einzelne Zeiträume, die den Rückschluss auf ein regelmäßiges Verhalten des Klägers im Wege einer richterlichen Schätzung zuließen, aufgezeigt. Wenn die Beklagte von einer solchen arbeitstäglichen Nutzung ausgeht, hätte es ihr oblegen, die tatsächlichen Grundlagen, die dieser Annahme als plausibel erscheinen lassen, vorzutragen.

III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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