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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.02.2004
Aktenzeichen: 9 Sa 2037/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO §§ 512 ff.
BGB § 134
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 2037/03

Verkündet am: 25.02.2004

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 12.08.2003, Az.: 1 Ca 1009/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen sowie einer hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung und um die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Rechtsstreits.

Von der Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf S. 3 bis 9 des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 12.08.2003 (= Bl. 120 bis 126 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 07.03.2003 - zugegangen am gleichen Tage - ausgesprochene fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.04.2003 nicht aufgelöst worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Chemiefacharbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 12.08.2003 der Klage in vollem Umfange stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche wie auch die ordentliche Kündigung seien selbst dann rechtsunwirksam, wenn man die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe als zutreffend unterstelle. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßígkeitsgrundsatzes sei nämlich auch in diesem Fall als Reaktion auf das unterstellte Fehlverhalten des Klägers eine Abmahnung ausreichend gewesen. Ein Arbeitnehmer müsse im Falle eines gegen einen Kollegen gerichteten Vermögensdeliktes zwar wissen, dass der Arbeitgeber ein derartiges Verhalten missbilligen werde. Im vorliegenden Fall sei aber damit zu rechnen gewesen, dass die Abmahnung zu einem vertragsgemäßen Verhalten des Arbeitnehmers in der Zukunft führen werde und zum anderen sei das Arbeitsverhältnis durch den Vorfall noch nicht zu stark belastet worden. Als der Schichtführer den Vorfall angesprochen habe, habe sich der Kläger unverzüglich gemeldet und so eine mögliche Verwicklung in die Verwendung der PIN-Nummer des Kollegen eingeräumt. Des Weiteren habe er sich unmittelbar an den betroffenen Arbeitnehmer X gewandt und Ausgleich eines durch ihn entstandenen Schadens angeboten. Hierdurch habe der Kläger jedenfalls dokumentiert, dass er an der Aufklärung der Angelegenheit mitwirken wolle und von ihm verursachte Telefonkosten bezahlen werde.

Unabhängig hiervon sei die außerordentliche Kündigung auch im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung nicht als gerechtfertigt anzusehen. Der verursachte Schaden in Höhe von 2,20 EUR sei sehr gering und eine Störung des Betriebsfriedens sei durch das unterstellte Fehlverhalten des Klägers nicht verursacht worden. Nachdem der Kläger dem Arbeitskollegen X den Schadensausgleich angeboten habe, habe dieser beim Ermittlungsdienst angegeben, dass die Sache mit einer Erstattung des Schadens für ihn und auch den Betriebsleiter erledigt gewesen wäre. Herr X habe also nicht auf arbeitsrechtlichen Schritten gegen den Kläger bestanden und sich eine gütliche Einigung vorstellen können. Zudem seien zu Gunsten des Klägers die achtjährige Betriebszugehörigkeit und das bisher vertragstreue Verhalten zu berücksichtigen gewesen.

Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei aus den gleichen Gründen rechtsunwirksam.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes habe mithin der Kläger auch einen Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf S. 10 ff. des Urteils vom 12.08.2003 (Bl. 127 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte, der das Urteil des Arbeitsgerichts am 29.10.2003 zugestellt worden ist, hat gegen diese Entscheidung am 27.11.2003 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 29.12.2003 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte macht geltend,

die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei rechtswirksam erfolgt, da das betrügerische Verhalten des Klägers das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört habe. Eine Abmahnung des Fehlverhaltens des Klägers sei nicht erforderlich gewesen, da - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - nicht damit habe gerechnet werden müssen, dass sich der Kläger nach einer Abmahnung künftig vertragstreu verhalten werde. Der Kläger habe keinerlei Unrechtsbewusstsein oder Reue gezeigt und sei im Übrigen bei der Aufklärung des Sachverhaltes nicht von sich aus aktiv geworden. Erst nachdem er Kenntnis von Verdachtsmomenten gegen ihn erlangt habe, habe er sich als Schadensverursacher gemeldet. Den Umfang der von ihm getätigten Telefonate habe er erst nach entsprechendem Vorhalt und auch dann nur teilweise eingeräumt. Bis zuletzt habe er seine Verantwortung für die Schadensverursachung abgestritten und sich auf einen angeblichen technischen Defekt berufen. Dass sich der Kläger nach Aufdeckung des Vorfalls an den geschädigten Kollegen gewandt und ihm Ausgleich des entstandenen Schadens angeboten habe, entlaste ihn nicht. Auch der reuige Dieb suche regelmäßig, seinen Kopf durch Rückgabe des Diebesgutes aus der Schlinge zu ziehen.

Soweit das Arbeitsgericht im Rahmen der Interessenabwägung darauf hingewiesen habe, dass der vom Kläger verursachte Schaden gering gewesen sei, könne dies - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Kündigung wegen der Entwendung geringwertiger Sachen - nicht entscheidend zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden. Ausschlaggebend sei insoweit, dass er sich eine betrügerische Handlung zum Nachteil eines Kollegen habe zuschulden kommen lassen. Bei der Prüfung, ob eine Störung des Betriebsfriedens eingetreten sei, könne nicht allein auf das Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem abgestellt werden. Im Rahmen der Ermittlung seien alle Mitarbeiter der Schicht C angesprochen worden; diese hätten sich zwangsläufig dem Verdacht ausgesetzt gefühlt, für die Schädigung des Arbeitskollegen X verantwortliche zu sein. Des Weiteren habe die Kenntnis anderer Mitarbeiter von dem Vorfall zu einer Unruhe im Betrieb geführt, da aus deren Sicht die Sicherheit des Führens privater Telefonate im Betrieb nicht mehr gewährleistet gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 23.12.2003 (Bl. 144 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 12.08.2003, Az.: 1 Ca 1009/03, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus,

er bestreite nach wie vor, für die ihm angelasteten 10 Telefonate verantwortlich zu sein. Soweit die Beklagte auf die fehlende Reue beim Kläger hinweise, könne von ihm nicht erwartet werden, dass er Sachverhalte als zutreffend bestätige, die aus seiner Sicht nicht stimmen würden. Die Behauptung der Beklagten, nur dem jeweils berechtigten Mitarbeiter persönlich könne die PIN-Nummer für private Telefongespräche bekannt sein, sei unzutreffend. Ein Missbrauch durch Unbefugte sei jederzeit möglich, da durch einfaches Drücken der Wahlwiederholungstaste die jeweils zuvor eingetippte PIN-Nummer auf dem Display sichtbar gemacht werden könne. Die Anrufempfänger/Anschlussinhaber aus den zehn dem Kläger angelasteten Telefonaten seien diesem teilweise völlig unbekannt (z.B. W); er habe mit diesen zu den angegebenen Zeitpunkten überhaupt nicht telefoniert. Es sei nicht die Absicht des Klägers gewesen, unter missbräuchlicher Nutzung einer anderen PIN-Nummer sich irgendwelche Vorteile zu Lasten eines Arbeitskollegen zu erschleichen. Der Kläger habe sich bei seinem Schichtführer gemeldet, als dieser ganz allgemein vor der gesamten Schicht den Vorfall angesprochen habe, ohne einen konkreten Verdacht zu äußern. Dabei habe der Kläger lediglich eine mögliche Verwicklung eingeräumt, sich aber nicht als "Schadensverursacher" bezeichnet. Die Angaben vor dem Ermittlungsdienst der Beklagten habe er freiwillig gemacht und so zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen. Das gegenüber dem Arbeitskollegen X gemachte Angebot zum Schadensausgleich sei nicht als Schuldeingeständnis zu verstehen gewesen, da sich der Kläger keiner Schuld bewusst gewesen sei.

Der Betriebsfrieden sei durch ihn nicht gestört worden, zumal die von dem Schichtführer angesprochenen Mitarbeiter der Schicht C die "Schuld" für die Ermittlungen nicht beim Kläger gesucht hätten. Die Ermittlungen der Beklagten seien allerdings nicht weit genug gegangen, da nicht einmal sämtliche Inhaber der betreffenden Anschlüsse zu ihren damaligen Gesprächspartner befragt worden seien. Sowohl Herr X als auch der zuständige Betriebsleiter hätten die Sache auf sich beruhen lassen wollen, lediglich auf Veranlassung der Beklagten seien die Ermittlungen fortgesetzt worden.

Im Übrigen werde auf das erstinstanzliche Vorbringen, insbesondere auf den Schriftsatz vom 15.07.2003 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 02.02.2004 (Bl. 170 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Die Berufung hat keinen Erfolg, da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 07.03.2004 weder fristlos (I.) noch ordentlich (II.) beendet worden ist und dem Kläger auch der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch zusteht (III.).

I.

Die fristlose Kündigung vom 07.03.2004 hat das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet, da sie gemäß §§ 626 Abs. 1, 134 BGB nichtig ist. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ob ein wichtiger Grund im Sinne dieser gesetzlichen Regelung vorliegt, ist in zwei Stufen zu prüfen: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung generell zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. DLW/Dörner, D, Rdnr. 662 m.w.N.).

Ein generell zur außerordentlichen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geeigneter Grund ist unter anderem auch ein betrügerisches Verhalten eines Arbeitnehmers zu Lasten eines Arbeitskollegen. Dabei kann sich der Kündigungsgrund aus dem Vorliegen des betrügerischen Verhaltens ergeben oder auch aus dem bloßen Verdacht eines solchen Verhaltens. Die Darlegungs- und Beweislast für einen derartigen Sachverhalt trägt der Kündigende.

Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze ergab sich im vorliegenden Fall, dass die Beklagte einen generell zur Kündigung geeigneten Sachverhalt nicht in schlüssiger Weise vorzutragen vermochte. Soweit sie sich darauf beruft, der Kläger habe in betrügerischer Weise während der Zeit vom 07.12.2002 bis 19.01.2003 insgesamt zehn private Telefongespräche im Betrieb des Beklagten unter Benutzung der PIN-Nummer und zu Lasten des Arbeitskollegen X geführt hat, konnte eine entsprechende gerichtliche Feststellung nicht getroffen werden. Die zehn Telefonate wurden zwar unstreitig von Herrn X, der zu den jeweiligen Zeitpunkten der Telefongespräche im Betrieb nicht anwesend war, nicht geführt und trotzdem auf dessen Gebührenabrechnung in Ansatz gebracht. Das Berufungsgericht vermochte aber nicht festzustellen, dass dieser unstreitige Sachverhalt auf ein Fehlverhalten des Klägers zurückzuführen ist. Zwar ist des Weiteren davon auszugehen, dass der Kläger zumindest einen Teil dieser Anrufe selbst getätigt hat, zumal er dies gegenüber dem Ermittlungsdienst ausdrücklich bestätigt hat; in dem Protokoll des Ermittlungsdienstes vom 12.02.2003 wird der Kläger nämlich wie folgt wiedergegeben: "... abschließend kann ich noch sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie die Anrufe, die teilweise zweifelsfrei von mir geführt wurden auf der Abrechnung von Herrn X erscheinen konnten".

Dem Sachvortrag der darlegungspflichtigen Beklagten ist aber nicht in substantiierter Weise zu entnehmen, dass nicht ein technischer Fehler zu der Abrechnung von Telefongesprächen des Klägers auf der Gebührenrechnung des Herrn X führte. Hierauf hat sich der Kläger sowohl während des erstinstanzlichen Verfahrens als auch - durch eine Verweisung in der Berufungserwiderungsschrift auf dieses erstinstanzliche Vorbringen - im zweitinstanzlichen Verfahren berufen. Die Beklagte hat hierzu im Wesentlichen vorgetragen, dass kein technischer Fehler bei der Abrechnung vorgelegen habe; eine Überprüfung aller beteiligten Systeme habe ergeben, dass keine Fehler festgestellt worden seien. Auch die Überprüfung der Gebühren und Gebührenrohdateien habe keine Fehler gezeigt. Ebenso habe die Identifizierung und Zuordnung im "Privat-Gesprächssystem" zu keinen Hinweisen auf eine Fehlerfunktion geführt. Aus diesem Sachvortrag ergibt sich nicht in nachvollziehbarer Weise, dass ein technischer Fehler wirklich ausgeschlossen ist. Zum einen bleibt unklar was mit den "beteiligten Systemen", die überprüft worden sein sollen, konkret gemeint ist. Zum anderen ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, dass durch eine Überprüfung der Gebühren- und Gebührenrohdateien sowie eines "Privat-Gesprächssystems" zwingend ein technischer Fehler ausgeschlossen werden kann. Hierauf hat das Berufungsgericht die Beklagte während der letzten mündlichen Verhandlung hingewiesen und klargestellt, dass die Vernehmung des hierzu benannten Zeugen zu einem Ausforschungsbeweis führen würde. Der in der mündlichen Berufungsverhandlung die persönlich geladene Beklagte vertretende Mitarbeiter vermochte den bisherigen Sachvortrag der Beklagten zum Ausschluss eines technischen Fehlers während der Verhandlung nicht zu Das Berufungsgericht sah keinen hinreichenden Anlass für eine Vertagung des Rechtsstreites, um Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag zu geben, zumal die Fehlerfreiheit der beteiligten Systeme von dem Kläger in dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 15.07.2003, S. 5 (= Bl. 83 d.A.) ausdrücklich bestritten worden war und der Klägervertreter auf diesen Schriftsatz in der Berufungserwiderungsschrift vom 17.11.2003, S. 3 (= Bl. 172 d.A.) unter anderem auch hierauf Bezug genommen hatte.

Des Weiteren führt auch der Vortrag der Beklagten nicht weiter, die persönliche Gebührenabrechnung des Klägers habe an den Tagen, währendderen Gespräche auf Kosten des Herrn X geführt worden seien, auch (andere) Privatgespräche des Klägers ausgewiesen, so dass kein technischer Fehler vorgelegen haben könne. Dass ein Teil der Privatgespräche an diesem Tag ordnungsgemäß abgerechnet wurde, lässt nämlich nicht mit hinreichender Gewissheit den Rückschluss zu, dass dies dann auch bei allen Privatgesprächen so war. Ebenso wenig ist der von der Beklagten vorgetragene Umstand, dass es in der Vergangenheit nicht zu Fehlschaltungen bei der Benutzung der PIN-Nummer gekommen sei, geeignet, die Fehlerfreiheit des Systems an den vorliegend maßgeblichen Tagen zu belegen.

Wenn die Beklagte schließlich rügt, der Kläger habe nicht vorgetragen, welcher Fehler an welchem System aufgetreten sei, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass sie als kündigungserklärende Partei die Darlegungslast für das fehlerfreie Funktionieren ihres Telefon- und Abrechnungssystems zumindest dann trägt, wenn der in diesem Zusammenhang Gekündigte zuvor geltend macht, es müsse ein technischer Fehler aufgetreten sein. Im Rahmen dieser abgestuften Darlegungslast hat sie nicht zuletzt auch wegen der größeren Sachnähe dann konkret auszuführen, welche technische Fehler aufgrund welcher Überprüfungen auszuschließen sind. Erst danach ist es Sache des Klägers, sich hierauf ebenso konkret einzulassen. Vorliegend fehlt es aber an nachvollziehbaren Angaben der Beklagten zur technischen Fehlerfreiheit ihres Telefon- und Abrechnungssystems an den maßgeblichen Tagen.

Da mithin der Ausschluss eines technischen Fehlers nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, scheidet auch der Verdacht eines betrügerischen Handelns des Klägers zu Lasten des Arbeitskollegen X als generell geeigneter Kündigungsgrund aus. Der Verdacht eines solchen Verhaltens ist nämlich nur dann ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand, wenn er dringend ist. Dies bedeutet, dass eine große, zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass der Arbeitnehmer die ihm vorgeworfene Tat begangen hat, obwohl der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung unternommen hat (vgl. BAG, urt. v. 11.04.1985 = EzA § 102 BetrVG 1972, Nr. 62; Urt. v. 02.04.1987 = EzA § 102 BetrVG 1972, Nr. 63). Da im vorliegenden Fall die Beklagte nicht konkret und nachvollziehbar vorgetragen hat, dass kein technischer Fehler zu der Abrechnung von Privatgesprächen des Klägers auf der Gebührenabrechnung des Herrn X geführt hat, ist auch nicht feststellbar, dass die Beklagte alle zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung unternommen hat. Denn nur eine nachvollziehbare und im Prozess im Einzelnen darzulegende Feststellung der Fehlerfreiheit aller Systeme, die am Führen und Abrechnen von Privatgesprächen der Arbeitnehmer beteiligten sind, hätte im Fall der Fehlerfreiheit der Systeme den Rückschluss erlaubt, dass ein dringender Verdacht gegen den Kläger vorliegt.

II.

Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 07.03.2003 hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.04.2003 beendet, da diese Kündigung nach § 1 Abs. 1 des vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes, mangels einer sozialen Rechtfertigung, rechtsunwirksam ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung unter anderem auch dann, wenn sie nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Auch ein Kündigungsgrund in diesem Zusammenhang kann sich aus einem betrügerischen Verhalten eines Arbeitnehmers zu Lasten eines Arbeitskollegen oder aus einem entsprechenden Verdacht ergeben. Da aber - wie oben bereits im Einzelnen ausgeführt - weder das betrügerische Verhalten selbst noch ein entsprechender Verdacht gegenüber dem Kläger feststellbar ist, fehlt es auch an einem verhaltensbedingten Grund für eine ordentliche Kündigung.

III.

Die Beklagte ist verpflichtet den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Chemiefacharbeiter weiterzubeschäftigen. Das Arbeitsgericht hat dies unter Buchstabe A Ziffer II. seiner Entscheidungsgründe (= Bl. 131 d.A.) rechtlich zutreffend begründet. Die Berufungskammer macht sich diese Ausführungen zu Eigen und sieht von einer erneuten Darstellung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision fehlt es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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