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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.12.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 234/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach -, Az.: 7 Ca 2281/05 teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.12.2005 nicht aufgelöst worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen bestehende Arbeitsverhältnis infolge der von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung vom 12.12.2005 fristlos bzw. in Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.01.2006 seine Beendigung gefunden hat.

Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen streitigen erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 13.02.2007, Az.: 7 Ca 2281/05.

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12.12.2005 nicht fristlos, sondern unter Berücksichtigung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.01.2006 sein Ende gefunden hat. Im Übrigen, d. h. hinsichtlich des vom Kläger erstinstanzlich gestellten Antrags festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbestehe, hat das Arbeitsgericht mit dem genannten Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen und zusammengefasst aufgeführt, wobei wegen der Einzelheiten auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird:

Dem allgemeinen Feststellungsantrag fehle das Feststellungsinteresse. Ein Grund, der die Beklagte zur außerordentlichen Kündigung berechtige, bestehe nicht. Soweit die Beklagte die Kündigung auf die private Nutzung des betrieblichen Internetsystems in Form von Speicherung und ggf. Weiterleitung von Dateien stütze, habe der Kläger zwar gegen ein entsprechendes betriebliches Verbot verstoßen, ohne dass sich allerdings ein pornografischer Inhalt der gespeicherten Dateien feststellen ließe. Dieser Pflichtverstoß rechtfertige aber ohne vorherige Abmahnung weder eine außerordentliche, noch eine ordentliche Kündigung, da es sich noch um ein sozial adäquates Verhalten gehandelt habe sich auch eine exzessive private Nutzung des betrieblichen Internetsystems nicht vorliege.

Gerechtfertigt sei jedoch eine ordentliche Kündigung. Nachdem unstreitig sei, dass der Kläger sich ein technisches Gutachten von seiner privaten Internetadresse an seine Internetadresse im Betrieb der Beklagten gemailt habe, um an diesem arbeiten zu können, habe sich nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen lassen, dass es dem Kläger ausdrücklich erlaubt gewesen sei, eine Nebentätigkeit auch im Betrieb auszuüben. Zwar lasse sich nicht feststellen, ob der Kläger tatsächlich an dem Gutachten gearbeitet habe. Der Kläger habe jedoch hierüber eine falsche Behauptung aufgestellt und seinen Sachvortrag im Prozess jeweils auf das ausgerichtet, was ihm jeweils nachzuweisen gewesen sei. Diese Umstände reichten aus, das Vertrauen der Beklagten derartig zu erschüttern, dass nicht mehr von einer Wiederherstellung des Vertrauens ausgegangen werden könne, so dass auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Dies gelte auch, weil der Kläger als Schichtleiter eine Vorbildfunktion wahrnehme. Eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles und der Interessen beider Vertragsteile ergebe, dass jedenfalls eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sei. Jedenfalls ergebe eine einheitliche Betrachtungsweise, dass die einzelnen Kündigungssachverhalte in ihrer Gesamtheit die ordentliche Kündigung rechtfertigen würden.

Das genannte Urteil ist beiden Parteien am 23.03.2007 zugestellt worden. Der Kläger hat mit einem am 12.04.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 22.05.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 25.06.2007 begründet. Die Beklagte hat ihrerseits am 23.04.2007 Berufung eingelegt und diese am 23.05.2007 begründet. Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung das Begehren, auch die Unwirksamkeit der vom Arbeitsgericht angenommenen ordentlichen Kündigung festzustellen. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Berufung eine Abweisung der Klage insgesamt.

Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger nach Maßgabe seiner Berufungsbegründung vom 25.06.2007, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 312 ff. d. A.) im Wesentlichen aus:

Bei seiner Einstellung sei abgesprochen gewesen, dass er eine Nebentätigkeit ausüben könne. Er habe insoweit auch keine falschen Behauptungen im Laufe des Prozesses aufgestellt. Das Arbeitsgericht habe diesbezüglich die angebotenen Beweise nicht vollständig erhoben. Er habe auch nicht an dem Gutachten gearbeitet. Ebenso sei der Vorwurf eines wechselnden, sich den jeweiligen Verhältnissen anpassenden Prozessvortrages nicht berechtigt. Durch eine dementsprechende Rückfrage hätte der Hintergrund der Zusendung des Gutachtens von seiner privaten E-Mail-Adresse in den Betrieb so wie nunmehr in der Berufungsbegründung geschildert aufgeklärt werden können. Schließlich lägen die Voraussetzungen einer Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung nicht vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 13.02.2007, Az.: 7 Ca 2281/05 teilweise abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12.12.2005 auch nicht unter Berücksichtigung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.01.2006 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen;

2. unter Abänderung des genannten Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 13.02.2007, Az.: 7 Ca 2281/05, die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte - zusammengefasst - nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründung vom 23.05.2007 (Bl. 308 ff. d. A.) geltend: Zutreffend habe das Arbeitsgericht Pflichtverletzungen des Klägers festgestellt. Jedenfalls eine vorzunehmende Gesamtschau der der Kündigung zu Grunde liegenden Kündigungssachverhalte (Internetnutzung zur privaten Zwecken sowie Nutzung des Arbeitsplatzes für eine unerlaubte Nebentätigkeit - Gutachtenerstellung) hätte im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung dazu führen müssen, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar sei.

Zur Erwiderung auf die Berufung des Klägers führt die Beklagte nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 18.07.2007, auf den Bezug genommen wird (Bl. 337 ff. d. A.) im Wesentlichen aus, die Aussage des erstinstanzlichen Zeugen S. habe ergeben, dass es dem Kläger nicht erlaubt gewesen sei, während der Arbeitszeit und innerhalb des Betriebs seiner Nebentätigkeit nachzugehen. Die Behauptung des Klägers, er habe nicht an dem Gutachten innerhalb des Betriebs gearbeitet, sei lebensfremd. Zutreffend sei das Arbeitsgericht von einer Erschütterung des arbeitgeberseitigen Vertrauens ausgegangen. Die Voraussetzungen einer Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung seien erfüllt.

Der Kläger tritt seinerseits der Berufung der Beklagten nach Maßgabe seiner Berufungsbeantwortung vom 02.07.2007 (Bl. 323 ff. d. A.) entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil als rechtlich und tatsächlich zutreffend, soweit dieses die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung festgestellt hat.

Auch im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Sachvortrags auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren und den Inhalt des Protokolls der Sitzung vom 26.10.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Die Rechtsmittel sind an sich statthaft und wurden jeweils form- und fristgerecht eingereicht und begründet.

II.

In der Sache hat nur die Berufung des Klägers Erfolg. Sie führt zu der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.12.2005 nicht, und zwar auch nicht im Wege ordentlicher Kündigung aufgelöst worden ist. Aus diesem Grund hat auch die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.

1.

Die Beklagte stützt die streitgegenständliche Kündigung auf mehrere Gründe, nämlich zum einen die unberechtigte Nutzung des betrieblichen Internetsystems, zum anderen auf den Vorwurf, der Kläger habe im Betrieb und während der Arbeitszeit an einem Gutachten gearbeitet. Bei einer Kündigung, die auf mehrere Gründe gestützt wird, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 17.06.1998 - 2 AZR 599/97 -, n. v.; Urt. v. 22.07.1982 - 2 AZR 30/81 -, EZA § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung Nr. 10; vgl. auch KR-KSchG/Griebeling, 8. Aufl., § 1 KSchG, Rdz. 257 ff.) zunächst zu prüfen, ob jeder Sachverhalt für sich allein geeignet ist, die Kündigung zu begründen. Wenn die isolierte Betrachtungsweise nicht bereits zur Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung führt, ist im Wege einer einheitlichen Betrachtungsweise zu prüfen, ob die einzelnen Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit die Kündigung rechtfertigen. Vorliegend führt weder die Einzelbetrachtung, noch die demnach erforderliche einheitliche Betrachtungsweise zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten erklärte Kündigung rechtswirksam ist.

2.

Soweit die Beklagte die Kündigung auf Pflichtverletzungen des Klägers im Zusammenhang mit der Nutzung des dienstlichen PCŽs stützt, steht insoweit fest, dass der Kläger im Zeitraum vom 29.10.2004 bis zum 02.07.2005 20 Dateien mit nicht dienstlichem Inhalt gespeichert hat und bei drei Gelegenheiten, nämlich am 01.07.2005, 25.06.2005 und 28.06.2005 Dateien an andere Mitarbeiter im Betrieb weitergeleitet hat. Ferner steht fest, dass der Kläger am 17.05.2004 die Vorlage eines Gutachtens von zu Hause aus an seine betriebliche E-Mail-Adresse gesendet hat.

a)

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (31.05.2007 - 2 AZR 200/06 -, NZA 2007, 922 ff.; 07.07.2005 - 2 AZR 581/04, EZA § 626 BGB 2002 Nr. 10; 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 -, EZA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 11) kommt als kündigungsrelevante Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten bei einer privaten Nutzung des Internets oder des Dienst-PCŽs u. a. in Betracht:

- Das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme ("unbefugter Download"), insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des betrieblichen Systems verbunden sein können oder andererseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, bspw. weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden;

- die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber möglicherweise - zusätzliche Kosten - entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel - unberechtigter Weise - in Anspruch genommen hat;

- die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets oder anderer Arbeitsmittel während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet oder einer intensiven Betrachtung von Videofilmen oder - Spielen zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seiner Arbeitspflicht nicht nachkommt und sie verletzt.

Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger eine erhebliche Datenmenge aus dem Internet heruntergeladen hat. Selbst wenn man unterstellt, dass alle Dateien die in dem entsprechenden Verzeichnis aufgefunden wurden, durch den Kläger gespeichert wurden, handelt es sich nicht um eine erhebliche Datenmenge. Es handelt sich um maximal 20 Dateien, wobei zu berücksichtigen ist, dass in dem entsprechenden Verzeichnis Dateien teilweise doppelt gespeichert wurden, worauf der Kläger in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 31.01.2007 (Bl. 224 ff. d. A.) zu Recht hingewiesen hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahr einer möglichen Vireninfizierung oder anderer Störungen des betrieblichen Systems bestanden haben könnte, sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass es zu einer Rufschädigung der Beklagten hätte kommen können. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, haben die Dateien zwar zum Teil einen sexistischen und anstößigen, nicht aber einen pornografischen oder strafbaren Inhalt. Der Kläger hat zudem nicht sämtliche Dateien aus dem Internet heruntergeladen; zahlreiche Dateien wurden - wie der Kläger in seinem Schriftsatz vom 31.01.2007 im Einzelnen ausgeführt und belegt hat - vielmehr von Dritten (z. B. von P. und B.) an den Kläger gemailt.

Nach dem Inhalt der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht im Übrigen auch nicht hinsichtlich sämtlicher Dateien zweifelsfrei fest, ob der Kläger deren Speicherung vorgenommen hat. Wie sich aus der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen T. ergibt, war das Passwort des Klägers für seinen persönlichen Speicherbereich identisch mit dem Passwort für die Benutzung von Outlook. Der (sachverständige) Zeuge hat erklärt, dass es durchaus möglich sei, dass dann, wenn der Kläger durch Eingabe seines Passwortes in seinen Speicherbereich gekommen ist oder in Outlook und er den Raum verlassen habe, eine dritte Person auf den persönlichen Speicherbereich des Klägers habe Dateien speichern können, ohne das erkennbar sei, wer diese Datei tatsächlich gespeichert hat. Die Beklagte hat jedoch erstinstanzlich eingeräumt (vgl. Schriftsatz vom 09.05.2006, S. 5), dass Outlook über die meiste Zeit hinweg geöffnet war. Damit bestand aber auch für Dritte die Möglichkeit, die Zugriffsberechtigung des Klägers zu nutzen.

Ebenso wenig ist ersichtlich, dass durch die Speicherung von Dateien der Beklagten zusätzliche Kosten entstanden wären.

Vorzuwerfen ist dem Kläger allerdings die private Nutzung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten PCŽs während der Arbeitszeit und die damit einhergehende Verletzung der Arbeitspflicht. Deren Umfang lässt sich allerdings nicht genau feststellen. Eine unberechtigte Nutzung liegt für sich genommen noch nicht darin, dass ein Arbeitnehmer eingehende E-Mails, die erkennbar keinen dienstlichen Bezug haben, nicht umgehend löscht. Welche der 20 Dateien der Kläger mit welchem zeitlichen Aufwand ggf. betrachtet hat, lässt sich nicht feststellen. In Betracht kommt insoweit allerdings nach dem Sachvortrag der Beklagten maximal das Betrachten von 20 Dateien und die dreimalige Weiterleitung von Dateien. Selbst wenn zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird, dass der Kläger tatsächlich alle Dateien gespeichert und neben der dreimaligen Weiterleitung auch betrachtet hat und auch die Übersendung der Gutachtenvorlage an die betriebliche Mail-Adresse eine unberechtigte Inanspruchnahme von Betriebsmitteln darstellt, rechtfertigt dies ohne vorherige Abmahnung nicht eine fristlose oder auch nur ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung.

Mit dem Erfordernis einer einschlägigen Abmahnung vor Kündigungsausspruch soll vor allem dem Einwand des Arbeitnehmers begegnet werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkennen bzw. nicht damit rechnen können, der Arbeitgeber werde sein vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansehen, dass dieses eine Kündigung nach sich zieht (vgl. etwa BAG 07.07.2005 - 3 AZR 581/04 -, EZA § 626 BGB 2002 Nr. 10). Im Falle einer privaten Nutzung des Internets kann eine Abmahnung deshalb etwa entbehrlich sein, wenn ein Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit das Internet in erheblichem zeitlichen Umfang, ausschweifend privat nutzt oder umfangreiche pornografische Dateien heruntergeladen werden. Bei einer derart exzessiven Nutzung des Internets während seiner Arbeitszeit muss es jedem Arbeitnehmer klar sein, dass er seine arbeitsvertragliche Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt.

Eine exzessive Nutzung des Internets bzw. des dienstlichen PCŽs in diesem Sinne lässt sich nicht feststellen. Es handelt sich maximal um 20 Dateien, die nach den Angaben der Beklagten im Zeitraum von Ende Oktober 2004 bis Anfang Juli 2005 gespeichert wurden. Von diesen Dateien wurden zwei Dateien bei drei Anlässen durch den Kläger weitergeleitet. Hinzu kommt die Übermittlung der Gutachtenvorlage an die betriebliche E-Mail-Adresse. Eine exzessive Nutzung liegt hierin nicht. Hinzu kommt, dass die Dateien teilweise vor Aushang der betrieblichen Mitteilung vom 17.12.2004, die erstmals ausdrücklich die Nutzung des betrieblichen Internets zu privaten Zwecken untersagte, erfolgte. Der genannte betriebliche Aushang vom 17.12.2004 weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Nutzung des betrieblichen Internetsystems "mit Abmahnungen und je nach Schwere und Dauer auch zum Anlass für eine verhaltensbedingte Kündigung genommen" werden. Die Beklagte hat damit selbst durch den betrieblichen Aushang ein abgestuftes System von Sanktionen vorgegeben, so dass der Kläger angesichts des maximal in Betracht kommenden Umfangs der privaten Nutzung nicht mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern allenfalls mit einer Abmahnung hat rechnen müssen.

3.

Auch im Zusammenhang mit der Übermittlung der Gutachtenvorlage durch den Kläger an seine betriebliche E-Mail-Adresse lässt sich ein kündigungsrechtlich relevantes Fehlverhalten des Klägers nicht feststellen. Eine ungenehmigte Nebentätigkeit lag nicht vor. Wie die mündliche Verhandlung vor der Berufungskammer vom 26.10.2007 ergeben hat, enthält § 1 des für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgeblichen Arbeitsvertrages vom 09.04.2003 u. a. folgende Regelung:

"Herr A. hat das Zugeständnis, eine Nebentätigkeit als Kfz-Sachverständiger auszuüben, solange diese nicht die Regelarbeitszeit bei H. stört."

Soweit dem Kläger vorgeworfen wird, er habe während der betrieblichen Arbeitszeit und unter Benutzung betrieblicher Mittel (PC) an dem Gutachten gearbeitet, läge hierin zwar eine unberechtigte Nutzung betrieblicher Mittel unter gleichzeitiger Verletzung der Arbeitspflicht, wenn der Kläger an dem Gutachten während der Regelarbeitszeit gearbeitet hätte. Dass der Kläger tatsächlich in dieser Weise an dem Gutachten gearbeitet hat, ist nicht ersichtlich und von der Beklagten weder näher dargelegt, noch unter Beweis gestellt worden. Hiervon ist auch das Arbeitsgericht nicht ausgegangen. Eine Verletzung der Arbeitspflicht lässt sich damit nicht konstatieren. Dass der Kläger jedenfalls beabsichtigte, im Betrieb an dem Gutachten zu arbeiten, wobei offen bleibt, ob er dies während der Arbeitszeit oder während der Pausen tun wollte, rechtfertigt eine Kündigung weder als außerordentliche noch als ordentliche Kündigung. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob die bloße Absicht eines vertragswidrigen Verhaltens überhaupt ausreicht, eine Kündigung zu rechtfertigen. Immerhin ist innerer Grund einer auf den Vorwurf eines Fehlverhaltens gestützten Kündigung die tatsächliche Verletzung vertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten. Andererseits ist es denkbar, dass es Fallkonstellationen geben mag, in denen der Arbeitgeber angesichts der Art einer nur beabsichtigten Vertragsverletzung nicht abwarten muss, dass die entsprechende Absicht auch in die Tat umgesetzt wird. Erforderlich ist aber zumindest, dass die Absicht eines vertragswidrigen Verhaltens geäußert wird, wie z. B. im Falle einer Ankündigung von Arbeitsunfähigkeit trotz nicht bestehender gesundheitlicher Beschwerden (vgl. BAG 17.06.2003 - 2 AZR 123/07, EZA § 626 BGB 2002 Nr. 4), weil durch eine derartige Äußerung zumindest eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht anzunehmen sein kann. Eine derartige Ankündigung vertragswidrigen Verhaltens ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Nach dem zitierten Inhalt des Arbeitsvertrages ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass sich der vertraglichen Regelung kein eindeutiges Verbot der Durchführung von Arbeiten im Zusammenhang mit der erlaubten Nebentätigkeit im Betrieb ergibt. Soweit § 1 des Arbeitsvertrages darauf abstellt, dass die Nebentätigkeit erlaubt ist, so lange diese nicht die Regelarbeitszeit störe, legt diese vertragliche Formulierung vielmehr nahe, dass z. B. Arbeiten im Zusammenhang mit der Nebentätigkeit während Arbeitspausen innerhalb der Regelarbeitszeit zulässig sind.

Rechtlich relevant verbleibt damit lediglich der Vorwurf, dass der Kläger die Gutachtenvorlage an seine betriebliche E-Mail-Adresse übermittelt hat. Zu berücksichtigen ist aber, dass dies zu einem Zeitpunkt geschah, zu welchem die Anweisung vom 17.12.2004, jede private Nutzung des betrieblichen Internetsystems untersagte, noch nicht existent war und jegliche tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, ob und in welchem zeitlichen Umfang der Kläger ggf. unter Inanspruchnahme des dienstlichen PCŽs an dem Gutachten gearbeitet hat, fehlen.

Unter Berücksichtigung dessen musste der Kläger nicht davon ausgehen, dass die demnach allein feststehende Übermittlung der Gutachtenvorlage an seine dienstliche Mail-Adresse von der Beklagten als so gravierend angesehen werden würde, dass hierdurch der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

4.

Soweit das Arbeitsgericht ergänzend darauf abgestellt hat, der Kläger habe eine falsche Behauptung hinsichtlich seiner Berechtigung, am Arbeitsplatz am Gutachten arbeiten zu dürfen, aufgestellt, erscheint es bereits fraglich, ob angesichts des erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu Tage getretenen Inhalts des Arbeitsvertrages an einem derartigen Vorwurf überhaupt festgehalten werden kann. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass zur Rechtfertigung einer Kündigung grundsätzlich nur solche Gründe herangezogen werden können, die bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden waren (vgl. nur KR-KschG/Griebeling, § 1, Rdz. 243, 235, 236 m. w. N.). Der Kläger hat die vom Arbeitsgericht insoweit herangezogenen Behauptungen erst nach Ausspruch der Kündigung im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens getätigt, so dass es sich um Gründe handelt, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht vorlagen. Die von der Beklagten als kündigungsbegründend herangezogenen Tatsachen erhalten durch das Verhalten des Klägers im Prozess auch kein anderes Gewicht.

5.

Reichen die geltend gemachten Gründe für sich genommen weder zur Rechtfertigung einer außerordentlichen, noch ordentlichen Kündigung aus, ergibt auch eine Gesamtwürdigung nicht, dass Umstände vorliegen, die eine Kündigung rechtfertigen könnten. Es handelt sich auch in ihrer Summe nicht um Verfehlungen, von denen der Kläger annehmen musste, dass durch diese Verhaltensweisen der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Dem steht zunächst schon der Inhalt des betrieblichen Aushangs vom 17.12.2004 entgegen, wonach die Beklagte selbst von einem abgestuften Sanktionssystem (Abmahnung, Kündigung) ausgeht. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich die ggf. in die Gesamtwürdigung einzubeziehenden Pflichtverletzungen des Klägers auf einen längeren Zeitraum verteilen (Zusendung des Gutachtens 17.05.2004; Speicherungsdatum der zuletzt gespeicherten Datei Anfang Juli 2005). Es liegt damit keine quantitative oder zeitliche Ballung von Pflichtverletzungen vor, die eine vorherige Abmahnung als entbehrlich erscheinen lässt.

6.

Die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten hat daher das Arbeitsverhältnis weder fristlos noch unter Wahrung einer Kündigungsfrist beendet, da ein Grund, der für die Beklagte die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist i. S. d. § 626 BGB unzumutbar machen würde nicht vorliegt und eine in der Kündigungserklärung ggf. im Wege der Umdeutung anzunehmende ordentliche Kündigung nach § 1 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findenden Kündigungsschutzgesetzes mangels sozialer Rechtfertigung jedenfalls rechtunwirksam wäre. Ob die Voraussetzungen einer Umdeutung im vorliegenden Fall erfüllt waren, bedurfte daher keiner abschließenden Entscheidung. Die Berufungskammer hat deshalb den Tenor der angefochtenen Entscheidung zur Klarstellung insgesamt neu gefasst. Das angefochtene Urteil war hinsichtlich der Klageabweisung im Übrigen, die sich auf die Abweisung des allgemeinen Feststellungsantrags bezieht, aufrecht zu erhalten. Insoweit hat der Kläger auch keine Abänderung des angefochtenen Urteils beantragt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 ZPO. Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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