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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 30.03.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 26/05
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 7
KSchG § 4 Satz 1
ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO §§ 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 26/05

Verkündet am: 30.03.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied -, Az.: 11 Ca 1184/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist seit dem 08.04.1980 bei der Beklagten, die mit cirka 800 Arbeitnehmern Spezialmaschinen für die Produktion von Briefumschlägen und Hygieneartikeln herstellt, als technischer Angestellter auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02.07.1990 gegen Zahlung einer monatlichen Arbeitsvergütung in Höhe von 3.415,87 EUR brutto beschäftigt.

Mit Schreiben vom 29.03.2004 (Bl. 5 ff. d.A.) kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.09.2004. Der Zeitpunkt, zu dem das Kündigungsschreiben dem Kläger zuging, ist zwischen den Parteien streitig. Die Zustellung von Briefen durch die Post erfolgt in der Straße, in welcher der Kläger wohnt, zwischen 11.30 Uhr und 12.30 Uhr.

Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - einen Kündigungsrechtsstreit unter dem Aktenzeichen 11 Ca 2617/03 geführt; in diesem Verfahren hat der Kläger am 21.04.2004 die Klage erweitert und damit die Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 29.03.2004 geltend gemacht.

Der Kläger hat ausgeführt,

das Kündigungsschreiben sei ihm erst am 31.03.2004 zugegangen. Die ordentliche Kündigung vom 29.03.2004 sei, mangels sozialer Rechtfertigung, rechtsunwirksam; außerdem sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 29.03.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat dargelegt, das Kündigungsschreiben sei dem Kläger am 30.03.2004 um 09.35 Uhr zugegangen, da zu diesem Zeitpunkt ein Bote das Schreiben in den Briefkasten des Klägers gelegt habe.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat entsprechend seinen Beweisbeschlüssen vom 03.11.2004 (Bl. 94 und 95 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X. und W.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 03.11.2004 (Bl. 94 ff. d.A.) verwiesen.

Sodann hat das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - mit Urteil vom 03.11.2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung gelte nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, da der Kläger die Klagefrist im Sinne von § 4 Satz 1 KSchG versäumt habe. Nach Durchführung der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass das Kündigungsschreiben den Kläger bereits am 30.03.2004 zugegangen sei. Der Zeuge X. habe nämlich glaubhaft ausgesagt, ihm sei von Herrn W. ein Brief übergeben worden mit der Bitte, diesen zu dem Kläger zu bringen. Herr W. habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass Inhalt des Briefes eine Kündigung sei. In A. habe er mehrmals an der Wohnung des Klägers geklingelt, ohne dass ihm geöffnet worden sei. Daraufhin habe er die Beklagte angerufen und Frau V. habe ihn gebeten, den Brief in den Briefkasten des Klägers einzuwerfen. Dies habe er dann um 09.25 Uhr getan und hierüber eine handschriftliche Notiz angefertigt. An dem Briefkasten, in welchen er das Kündigungsschreiben eingeworfen habe, habe der Name des Klägers gestanden.

Der des Weiteren vernommene Zeuge W. habe bekundet, dass es sich bei dem Brief, der dem Zeugen X. übergeben worden sei, um das an den Kläger gerichtete Kündigungsschreiben vom 29.03.2004 gehandelt habe. Daneben habe er den Zeugen X. einen, zwei oder auch drei weitere Umschläge zum Zustellen übergeben.

Aufgrund der in sich widerspruchsfreien Bekundungen der beiden vernommenen Zeugen, welche dem Arbeitsgericht glaubhaft erscheinen würden, sei davon auszugehen, dass dem Kläger das Kündigungsschreiben am 30.03.2004 um 09.25 Uhr zugegangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 5 ff. des Urteils vom 03.11.2004 (Bl. 106 ff. d.A.) verwiesen.

Der Kläger, dem das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - am 08.12.2004 zugestellt worden ist, hat gegen diese Entscheidung am 10.01.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 04.02.2005 sein Rechtsmittel begründet.

Der Kläger macht geltend, angesichts der Aussage des Zeugen X.. bestünden erhebliche Zweifel, ob sich der Zeuge tatsächlich konkret an das Datum 30.03.2004 erinnern könne. Er habe auf Frage des Arbeitsgerichts hierzu lediglich ausgeführt, erstens könne man sich an den 30.03.2004 erinnern und zweitens habe er mehrere Umschläge in der Zeit eingeworfen und außerdem mache er sich handschriftliche Notizen. Hierbei handele es sich um völlig nichtssagende Leerformeln. Unklar sei auch in welcher Zeit der Kläger mehrere Umschläge eingeworfen haben wolle, was er mit mehreren Umschlägen meine und wo diese Umschläge eingeworfen worden seien.

Unabhängig hiervon bestehe ein Widerspruch hinsichtlich des Zustellungszeitpunktes, den die Beklagte mit 09.35 Uhr angegeben habe, während der Zeuge X. ausgesagt habe, es sei exakt 09.25 Uhr gewesen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge X. am 30.03.2004 um 09.35 Uhr irgendwo einen Umschlag eingeworfen habe, jedoch nicht in den Briefkasten des Klägers.

Bei der Beweiswürdigung müsse im Übrigen auch berücksichtigt werden, dass der Zeuge X. bei der Beklagten beschäftigt sei und daher nicht unbefangen habe aussagen können.

Soweit der Zeuge auf eine handschriftliche Notiz hingewiesen habe, ergebe sich aus dieser Notiz nicht, dass das unten rechts vermerkte Datum "30.03.04" sich tatsächlich auf den Kläger beziehe. In den darüberstehenden Zeilen habe der Zeuge X. zwei bis vier Namen aufgelistet, wobei er das Zustellungsdatum über diesen Namen aufgeführt habe. Von dieser Systematik sei er nun plötzlich beim Kläger abgewichen. Es sei auch auffällig, dass der Zeuge X. die angeblich persönliche Notiz unterschrieben habe. Es müsse bezweifelt werden, ob er diese Notiz tatsächlich am 30.03.2004 geschrieben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 03.02.2005 (Bl. 122 ff. d.A.) und 21.03.2005 (Bl. 142 f. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das am 03.11.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - 11 Ca 1184/04 - abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 29.03.2004 nicht aufgelöst wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die erstinstanzliche Beweiswürdigung sei nicht angreifbar. Der handschriftlichen Notiz des Zeugen X. sei klar zu entnehmen, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit er das Kündigungsschreiben dem Kläger zugestellt habe. Die Diskrepanz der von der Beklagten vorgetragenen Zustellzeit 09.35 Uhr zu der vom Zeugen bekundeten Zeit 09.25 Uhr folge daraus, dass aufgrund eines Fehlers beim Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Zustellung mit 09.35 Uhr vorgetragen worden sei. Auf diesen Fehler habe aber der Personalleiter der Beklagten den Prozessbevollmächtigten zweimal telefonisch vor der Beweisaufnahme hingewiesen; dieser habe aber eine Klarstellung nicht für erforderlich gehalten und es als ausreichend angesehen, wenn im Termin vom Zeugen die korrekte Zustellzeit angegeben werde.

Der Zeuge X. habe nach Einwurf des Kündigungsschreibens mit Frau V., einer Mitarbeiterin der Beklagten telefoniert und diese habe daraufhin auf der Durchschrift des Kündigungsschreibens (Bl. 141 d.A.) einen entsprechenden Telefonvermerk angebracht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 08.03.2005 (Bl. 137 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat die zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, da die ordentliche Kündigung vom 29.03.2004 als von Anfang an rechtswirksam gilt. Gemäß § 7 KSchG gilt eine Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, wenn deren Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6) wird. Nach § 4 Satz 1 KSchG muss ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigungsklage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, wenn er geltendmachen will, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

Im vorliegenden Fall greift die gesetzliche Rechtsfolge aus § 7 KSchG ein, da der Kläger die dreiwöchige Klagefrist versäumt hat. Seine Kündigungsschutzklage ging nämlich als Klageerweiterung in dem zwischen den Parteien bereits beim Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - anhängigen Kündigungsrechtsstreit mit dem Az.: 11 Ca 2617/03 am Mittwoch, den 21.04.2004 ein. Die Klagefrist endete aber bereits am Dienstag, den 20.04.2004 und wurde vom Kläger mithin versäumt, da ihm das Kündigungsschreiben bereits am Dienstag, den 30.03.2004 zugegangen ist.

Dieser Zugangszeitpunkt steht nach Durchführung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme auch zur Überzeugung der Berufungskammer fest. Die erkennende Kammer macht sich die Beweiswürdigung auf S. 5 bis 7 des Urteils des Arbeitsgerichts vom 03.11.2004 (= Bl. 106 bis 108 d.A.) zu eigen und sieht von einer wiederholenden Darstellung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab.

Die im Berufungsverfahren vom Kläger gegen diese Beweiswürdigung vorgebrachten Einwände sind nicht gerechtfertigt.

1.

Soweit der Kläger bezweifelt, dass das Kündigungsschreiben von dem Zeugen X. tatsächlich am 30.03.2004 und nicht an einem anderen Tag in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden ist, sind diese Zweifel nicht berechtigt. Der Zeuge X. hat widerspruchsfrei ausgesagt, dass er am 30.03.2004 als Bote das Kündigungsschreiben in den Briefkasten des Klägers um 09.25 Uhr eingeworfen hat. Diese Aussage ist glaubhaft, zumal sie mit der handschriftlichen Notiz (vgl. Bl. 100 d.A.), welche er über den Zustellzeitpunkt anfertigt hat, übereinstimmt. Datum und Uhrzeit aus dieser Notiz sind eindeutig dem des Weiteren angegebenen Namen des Klägers zuordenbar. Dass diese Notiz vom Zeugen unterzeichnet wurde, kann damit zusammenhängen, dass er sich der Wichtigkeit dieser schriftlichen Unterlage für ein unter Umständen nachfolgendes Kündigungsschutzverfahren bewusst war. Dass diese Notiz letztlich keine durchgehende Systematik hinsichtlich der Anordnung von Zustelldaten, Uhrzeiten und Zustelladressaten enthält, hängt damit zusammen, dass es sich hier nicht um ein formales Schreiben handelt, sonder lediglich um eine Notiz, welche die Erinnerung an die Zustellvorgänge erleichtern soll. Diesem Zweck werden die Aufzeichnungen des Zeugen X. aber vollumfänglich gerecht. Selbst wenn er das Zustelldatum - in Abweichung von den darüberstehenden Daten - beim Kläger eine Zeile tiefer angebracht hat, sind keine Zweifel berechtigt, dass dieses Datum dem Kläger zuzuordnen ist, zumal darunter keine weiteren Zustelladressaten folgen.

Für die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen X. spricht des Weiteren, dass er angegeben hat, während des Zustellvorgangs mit Frau V., einer Mitarbeiterin der Beklagten telefoniert zu haben. Diese Angabe stimmt mit der Telefonnotiz von Frau V-, welche sie auf einer Fotokopie des Kündigungsschreibens (vgl. Bl. 141 d.A.) angebracht hat, überein. Dieser Telefonvermerk lautet:

"Briefkasten 30.03.04, 09.25 Uhr

durch Herrn X.

Anruf von Herrn

X. 30.03.04 v."

Hieraus ergibt sich noch einmal klar und deutlich, wann der Zeuge X. das Kündigungsschreiben zugestellt hat.

2.

Auf die Frage, ob das Kündigungsschreiben - so wie der Zeuge X. ausgesagt hat - exakt um 09.25 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen wurde oder - so wie es die Beklagte vorgetragen hat - um 09.35 Uhr, kommt es nicht an. In beiden Fällen ist von einer Zustellung am 30.03.2004 auszugehen, zumal die Beklagte erwarten konnte, dass der Kläger seinen Briefkasten täglich leer, nachdem die Post üblicherweise in seiner Straße eingeworfen worden ist. Der entsprechende Posteinwurf erfolgt unstreitig zwischen 11.30 Uhr und 12.30 Uhr.

3.

Soweit der Kläger pauschal bezweifelt, dass der Zeuge X. die vorgelegte Gedankennotiz tatsächlich am 30.03.2004 geschrieben und unterschrieben hat, kann dahinstehen, ob diese Zweifel berechtigt sind. Letztlich kommt es lediglich auf die inhaltliche Richtigkeit der Notiz in Kombination mit der Aussage des Zeugen X. und dem Telefonvermerk von Frau V. an. Da diese drei Parameter übereinstimmen, besteht kein berechtigter Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Zeugen X..

4.

Der Einwand des Klägers, der Zeuge X. sei nicht glaubwürdig, da er bei der Beklagten beschäftigt sei, ist ebenfalls nicht gerechtfertigt. Es besteht kein Anlass pauschal davon auszugehen, dass jeder Arbeitnehmer zu Gunsten seines Arbeitgebers - nur wegen des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses unrichtig aussagt. Insoweit müssen weitere Anhaltspunkte vorliegen, die zur Unglaubwürdigkeit des Zeugen führen. An solchen Anhaltspunkten fehlt es. Auch in diesem Zusammenhang ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Aussage des Zeugen mit jener des Zeugen W. und mit dem Telefonvermerk der Zeugin V. übereinstimmen. Es ist unwahrscheinlich, dass drei Arbeitnehmer, die mehr oder weniger zufällig an einem Kündigungsvorgang beteiligt sind, wahrheitswidrige Angaben machen.

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung findet eine Revision nicht statt, da es für die Zulassung der Revision unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass fehlt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision kann von dem Kläger nach Maßgabe des § 72 a AbGG Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.

Ende der Entscheidung

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