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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.07.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 265/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, SGB IX


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO §§ 512 ff.
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 3
SGB IX § 85
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 265/05

Entscheidung vom 06.07.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.02.2005, Az.: 8 Ca 2824/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung während des Rechtsstreits.

Die am 21.03.1967 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 08.06.1988 bei der Beklagten, die in X mit über 600 Arbeitnehmern Wasserzähler, Wärmezähler und Kunststoffteile produziert sowie Dienstleistungen erbringt, als Prüferin in der Abteilung "Fertigung Wasserzähler" gegen eine monatliche Arbeitsvergütung in Höhe von 2.364,66 EUR brutto beschäftigt.

Am 23.06.2004 unterzeichneten die Beklagte und der bei ihr errichtete Betriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 40 ff.), wonach unter anderem Zug um Zug die bisher in X durchgeführte Produktion von Ringkolbenzählern nach W (V) ausgelagert und die Produktion von Ringkolbenzählern, welche die Beklagte bisher in U betrieb, nach X verlagert werden sollten. Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile für ausscheidende Mitarbeiter vereinbarten die Parteien den Sozialplan vom 23.06.2004 (Bl. 49 ff. d.A.).

Mit Schreiben vom 17.09.2004 (Bl. 73 d.A.) teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristgerecht zu kündigen. Der Betriebsrat gab hierzu am 27.09.2004 eine schriftliche Stellungnahme (Bl. 74 d.A.) ab.

Sodann kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.09.2004 (Bl. 10 d.A.) zum 31.03.2005.

Mit ihrer am 18.10.2004 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereichten Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt.

Von einer erneuten Darstellung des erstinstanzlichen Sachvortrages wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.02.2005 (dort S. 3 f. = Bl. 103 f. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.09.2004 nicht beendet wird,

2. im Falle des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Arbeiterin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 08.02.2005 (Bl. 101 ff. d.A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.09.2004 nicht beendet wird; des Weiteren hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Arbeiterin weiterzubeschäftigen.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung sei rechtsunwirksam, da die Beklagte bei der Auswahl der Klägerin soziale Gesichtspunkte im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG nicht ausreichend berücksichtigt habe. So habe die Beklagte schwerbehinderte Menschen von vornherein aus der Sozialauswahl ausgenommen, allein um das nach § 85 SGB IX erforderliche Verwaltungsverfahren zu vermeiden. Des Weiteren entspreche das von der Beklagten der Sozialauswahl zugrundegelegte Punkteschema nicht dem verfassungsrechtlich geforderten Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), da es nicht als "sozial" angesehen werden könne, wenn ein Kind mit vier Punkten lediglich soviel "wert" sei wie zwei Jahre Berufstätigkeit.

Im Übrigen sei die Klägerin, der 54 Sozialpunkte zuerkannt worden seien, sozial schutzwürdiger als der nicht gekündigte Arbeitskollege T, der lediglich 47 Sozialpunkte aufweise. Berechtigte betriebliche Interessen für die Herausnahme des Herrn T aus der Sozialauswahl habe die Beklagte nicht in nachvollziehbarer Weise darzulegen vermocht. Weshalb die Klägerin nicht in der Lage sein solle, trotz ihrer bisherigen Tätigkeit als Prüferin, mechanische Messungen bei der Wareneingangskontrolle durchzuführen, sei nämlich nicht ersichtlich. Für die Bearbeitung von Speditions- und Frachtpapieren sei sie ebenfalls geeignet, da sie gelernte Bürokauffrau sei. Auch Buchungen im SAP System habe die Klägerin nach ihren Angaben bereits vorgenommen und einen Staplerführerschein könne sie an einem Tage erwerben. Weshalb die Klägerin auf dem Arbeitsplatz des Herrn T nicht innerhalb eines Zeitraumes von bis zu drei Monaten eingearbeitet werden könne, sei nicht nachvollziehbar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 4 ff. des Urteils vom 08.02.2005 (= Bl. 104 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 25.02.2005 zugestellt worden ist, hat am 23.03.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 22.04.2005 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte macht geltend, die Herausnahme von schwerbehinderten Menschen aus der Sozialauswahl sei rechtlich nicht zu beanstanden, da es im Ermessen des Arbeitgebers stehe, ob er einen Antrag auf Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes stelle oder ob er den Sonderkündigungsschutz akzeptiere.

Bei der Bewertung des von der Beklagten verwendeten Punktesystems berücksichtigte das Arbeitsgericht nicht hinreichend, dass bei dem Kriterium Unterhaltsverpflichtungen neben den Kindern auch der Ehegatte eine Rolle spiele. Da der Ehegatte mit acht Punkten berücksichtigt werde, sei dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes von Ehe und Familie hinreichend Rechnung getragen.

Es fehle im Übrigen nach wie vor an der Vergleichbarkeit der Klägerin mit Herrn T. Im Rahmen von dessen Arbeitstätigkeit seien gerade die technischen Anforderungen der Wareneingangskontrolle von Bedeutung. So müssten angelieferte Teile in ihrer technischen Beschaffenheit mit den Anforderungen, die sich aus den technischen Zeichnungen ergeben, verglichen werden und bei Abweichungen müsse nach dem AcceptableQuality Level (AQL) reagiert werden. Die Erfahrungswerte der Klägerin würden hier auch bei einer Einarbeitung von drei Monaten nicht ausreichen. Im Übrigen werde auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 22.04.2005 (Bl. 127 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.02.2005 (Az.: 8 Ca 2824/04) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin führt aus, die Herausnahme von schwerbehinderten Menschen aus der Sozialauswahl sei rechtlich nicht gerechtfertigt, da sich aus der Neufassung von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht ableiten lasse, dass schwerbehinderte Menschen nie in die Sozialauswahl einzubeziehen seien. Vielmehr seien die Kriterien für die Sozialauswahl in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannt; diese Kriterien hätte die Beklagte auch auf schwerbehinderte Menschen anwenden müssen.

Soweit die Beklagte vorgetragen habe, ihr Punkteschema sei sozial ausgewogen, da Ehegatten mit acht Punkten bewertet würden, berücksichtige sie nicht hinreichend, dass hierbei alleinerziehende Arbeitnehmer benachteiligt würden.

Die Herausnahme des Herrn T aus der Sozialauswahl sei ebenfalls nicht gerechtfertigt, da Herr T wie die Klägerin in die von der Beklagten gebildete Gruppe C eingeordnet worden sei. Damit sei er von der Tätigkeit her aus Sicht der Beklagten also grundsätzlich mit der Klägerin vergleichbar gewesen. Im Übrigen sei sie, die Klägerin, in der Lage, zumindest innerhalb einer Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten die erforderlichen Tätigkeiten bei der Wareneingangskontrolle, welche Herr T ausübe, auszuführen. Aufgrund der mit Zwischenzeugnis der Beklagten vom 02.12.2004 bescheinigten schnellen Auffassungsgabe, sei sie auch befähigt, sich umfassend und zügig in das Lesen von technischen Zeichnungen einzuarbeiten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 30.05.2005 (Bl. 147 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die ordentliche Kündigung vom 27.09.2004 nicht beendet (1.); der Klägerin steht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Kündigungsrechtsstreites zu (2.).

1.

Die ordentliche Kündigung vom 27.09.2004 ist nach § 1 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 des vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes rechtsunwirksam.

Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Nach § 1 Abs. 3 KSchG ist eine Kündigung, auch wenn dem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Abs. 2 gekündigt worden ist, trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

Im vorliegenden Fall bedarf es nicht der Prüfung, ob aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG gekündigt wurde. Selbst wenn dies unterstellt wird, ist die vorliegende Kündigung sozial ungerechtfertigt, da die Sozialauswahl der Beklagten nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Dahingestellt bleiben kann dabei auch, ob - wie vom Arbeitsgericht angenommen - die generelle Nichteinbeziehung von schwerbehinderten Menschen und das Verhältnis der für einzelne Auswahlkriterien vorgesehenen Sozialpunkte zur Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung führen. Selbst wenn man auch insoweit die Auffassung der Beklagten noch teilt, ist festzustellen, dass bei fehlerfreier Sozialauswahl das Arbeitsverhältnis des Herrn T anstelle jenes der Klägerin hätte gekündigt werden müssen. Zum einen ist die Klägerin im Vergleich zu Herrn T auch nach dem Punktsystem der Beklagten sozial schutzwürdiger, da Herr T 47 und die Klägerin 54 Sozialpunkte aufweisen können; nach dem von der Beklagten angewandten System ist derjenige Arbeitnehmer sozial schutzwürdiger, der über die höhere Punktzahl verfügt. Zum anderen ist, insbesondere unter Berücksichtigung des gesamten Parteivorbringens der Beklagten, davon auszugehen, dass die Klägerin mit Herrn T im Rahmen der Sozialauswahl vergleichbar war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen (vgl. BAG, Urt. v. 23.11.2004 - 2 AZR 38/04 = AP Nr. 70 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG trifft den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die eine Kündigung wegen nicht ausreichender Sozialauswahl als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen.

Die Klägerin hat im vorliegenden Kündigungsrechtsstreit vorgetragen, dass sie mit Herrn T vergleichbar ist. Dies hat die Beklagte nicht in erheblicher Weise bestritten, zumal ihre schriftsätzlichen Ausführungen in diesem Zusammenhang widersprüchlich sind.

Zu Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens bestand zunächst kein Streit darüber, dass der Arbeitsplatz der Klägerin und jener des Herrn T miteinander vergleichbar sind. Die Beklagte führte hierzu in ihrem Schriftsatz vom 16.12.2004 (dort S. 8 = Bl. 26 d.A.) noch aus, die betriebsweite Sozialauswahl sei tätigkeitsbezogen erfolgt, wobei die horizontale Vergleichbarkeit an den Anforderungen der Tätigkeiten ausgerichtet in insgesamt fünf Stufen untergliedert worden sei. Die fünf gebildeten Gruppen stellten sich wie folgt dar:

Gruppe A: Hilfsarbeiter (ohne SAP)

Gruppe B: Monteur/-in, Maschinenbediener/-in, Personal in der Materialwirtschaft mit SAP

Gruppe C: Prüfer/-in, Anlagenführer/-in, Controlleur/-in, Reparateur/-in

Gruppe D Maschineneinrichter/-in, Maschinenprogrammierer/-in, Monteur/-in im Außendienst

Gruppe E: Werkzeugmacher/-in, Konstrukteur/-in, Personalverantwortung

Aus der Sozialauswahl im Rahmen der Gruppe C sei eine Reihe von Arbeitnehmern herausgenommen worden, da deren Weiterbeschäftigung im berichtigten betrieblichen Interesse der Beklagten liege. Sodann folgt in dem Schriftsatz eine Liste, in der Herr T der Gruppe C zugeordnet wird und das berechtigte betriebliche Interesse für seine Herausnahme aus der Sozialauswahl wie folgt beschrieben wird: "Fachliche Gründe, zuverlässig; kann alle anfallende Tätigkeiten abbilden, universal, entspricht dem zukünftigen Profil".

Die Klägerin rügte sodann mit Schriftsatz vom 05.01.2005 die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl, wobei sie aber auch eine Zuordnung ihres Arbeitsplatzes in die Gruppe C - wie von der Beklagten vorgetragen - zugrundelegte. Nachdem sie des Weiteren auf die fehlenden berechtigten betrieblichen Interessen für die Herausnahme des Herrn T aus der Sozialauswahl hingewiesen hatte, ließ die Beklagte erst- und später auch zweitinstanzlich vortragen, die Klägerin sei mit Herrn T nicht vergleichbar, weil sie nicht in der Lage sei, auch nach einer angemessenen Einarbeitungszeit, die Tätigkeit als Lagerarbeiter auszuführen. Mit dieser Argumentation stellt die Beklagte aber nicht nur die Grundlage der gesamten Sozialauswahl - nämlich eine zutreffende Gruppenbildung für die (horizontale) Vergleichbarkeit - in Frage. Sie bestreitet vielmehr auch den Sachvortrag der Klägerin in unerheblicher Weise, da sie selbst widersprüchlich - beide Arbeitnehmer in Gruppe C, aber nicht vergleichbare Arbeitstätigkeit - vorträgt. Die Darlegung der Klägerin in der Berufungserwiderung, sie sei in der Lage innerhalb einer kurzen Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten die Tätigkeit des Herrn T zu übernehmen, war daher als unbestritten zu behandeln. Der entgegengesetzte Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung, die Erfahrungswerte der Klägerin würden nicht ausreichen, die technischen Anforderungen in der Wareneingangskontrolle des Lagers zu erfüllen, ist nicht mit der des Weiteren vorgetragenen Zuordnung der Klägerin und des Herrn T in die Gruppe C vereinbar.

Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung neben der Vergleichbarkeit auch ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Weiterbeschäftigung des Herrn T im Zusammenhang mit den Arbeitsanforderungen bei der Wareneingangskontrolle andeutet, ist dieses nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt. Insoweit ist die Beklagte die darlegungspflichtige Partei und hätte die konkreten Anforderungen in der Wareneingangskontrolle im Einzelnen darstellen und darüber hinaus auch erläutern müssen, über welche konkreten Erfahrungswerte die Klägerin aus ihrer Sicht verfügt. Eine Beweiserhebung auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten auf S. 7 der Berufungsbegründung (= Bl. 133 d.A.) hätte zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis geführt.

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch darauf, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses gemäß den vereinbarten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterbeschäftigt zu werden. Dieser Weiterbeschäftigungsanspruch besteht nach dem in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG, Beschl. v. 27.02.1985 - GS 1 / 84 = NJW 1985 / 2968), wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Dabei überwiegt allerdings grundsätzlich ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dies gilt allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht, sodann überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers. Dementsprechend war im gegebenen Fall die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers für die Dauer des Kündigungsprozesses zu verurteilen, zumal - wie oben unter Ziffer 1. dargelegt - die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung festzustellen war.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben; für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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