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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.08.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 379/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, KSchG


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 64 Abs. 2
ZPO §§ 513 ff.
BGB § 123
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 123 Abs. 1 2. Alt.
BGB § 142
KSchG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 379/06

Entscheidung vom 23.08.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 23.02.2006, Az. 2 Ca 2670/05, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Rechtswirksamkeit eines Aufhebungsvertrages sowie um einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 64 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die zusammenfassende Darstellung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 23.02.2006 (S. 2 - 5 = Bl. 84 - 87 d. A.) mit folgender Maßgabe Bezug genommen: Laut dem erstinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten hat deren Warenhausleiter, Herr X., während des Gespräches, dass er am 30.08.2005 mit dem Kläger führte, dem Kläger lediglich aufgezeigt, dass er entweder eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist abschließen könne oder aber mit dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, aufgrund von dauerhaften Leistungsmängeln rechnen müsse. Mithin hat die Beklagte nicht vorgetragen, dem Kläger sei bei dem oben genannten Gespräch mitgeteilt worden, er müsse mit dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.04.2006 hinaus fortbesteht,

2. die Beklagte zu verpflichten, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 30.04.2006 hinaus als Hilfsarbeiter im Wareneingang in der Niederlassung in W-Stadt weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat in seinem Urteil vom 23.02.2006 (Bl. 83 ff. d. A.) der Klage voll umfänglich stattgegeben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Aufhebungsvertrag vom 31.08.2005 sei, aufgrund der Anfechtung des Klägers, nach §§ 123 Abs. 1, 142 BGB rechtsunwirksam. Ein Anfechtungsgrund nach dieser gesetzlichen Regelung sei gegeben, da die Beklagte dem Kläger während des Gespräches vom 31.08.2005 widerrechtlich eine verhaltensbedingte Kündigung für den Fall angedroht habe, dass er nicht bereit sei, eine einvernehmliche Beendigung zu akzeptieren. Die Drohung sei widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine Kündigung nicht ernsthaft hätte in Erwägung ziehen dürfen. Im vorliegenden Fall wäre eine von der Beklagten ausgesprochene Kündigung nicht aus verhaltensbedingten Gründen wirksam gewesen, weil für die Zeit nach der letzten Abmahnung nicht von einem weiteren Fehlverhalten des Klägers ausgegangen werden könne. Die darlegungsbelastete Beklagte habe lediglich pauschal auf die "schlecht erbrachte Arbeitsleistung des Klägers" verwiesen; diese Behauptung sei so wenig konkret, dass sie einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich sei.

Unabhängig hiervon wäre eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne von § 1 KSchG auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen gewesen. Denn die Beklagte hätte, angesichts des von ihr erhobenen Vorwurfes der Schlechtleistung des Klägers, diesen zunächst einmal abmahnen müssen. Die Abmahnung aus dem Jahr 2003, wonach sich der Kläger geweigert habe, Paletten zu entladen, sei insoweit nicht einschlägig, da die Beklagte im Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund nicht mehr von einer Weigerung ausgehe, sondern lediglich davon, dass der Kläger stets eine Arbeitsaufforderung bedürfe. Mithin wäre eine Kündigung auch, mangels Vorliegens einer einschlägigen Abmahnung, nicht rechtswirksam geworden.

Auch dem Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichtes (Beschluss vom 27.02.1985 = NZA 1985, 702) stattzugeben gewesen, da zuvor festgestellt worden sei, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.04.2006 hinaus fortbestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 5 ff. des Urteils vom 23.02.2006 (Bl. 87 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 07.04.2006 zugestellt worden ist, hat am 08.05.2006 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 30.06.2006 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 30.06.2006 verlängert worden war.

Die Beklagte macht geltend, es sei hervorzuheben, dass in dem Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn X. vom 31.08.2005 lediglich über die Möglichkeit einer ordentlichen, nicht aber über jene einer außerordentlichen Kündigung gesprochen worden sei. Eine Anfechtung nach § 123 BGB scheide schon deshalb aus, weil es an einer konkreten Drohung durch die Beklagte fehle. In dem Gespräch mit dem Kläger habe Herr X. als Alternative zu der angesprochenen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und Zahlung einer Abfindung die Erklärung einer ordentlichen Kündigung, aufgrund von dauerhaften Leistungsmängeln, angesprochen. Darüber hinaus habe er den Kläger darauf hingewiesen, dass bei Ausspruch einer Kündigung auch der Betriebsrat beteiligt werden müsse. Mithin seinen lediglich Alternativen angesprochen worden, ohne dass es zu einer konkreten Drohung gekommen sei. Nach der einschlägigen Rechtsliteratur fehle ein Anfechtungsgrund auch dann, wenn der Arbeitgeber lediglich erkläre, dass er mit dem Betriebsrat eine Kündigung erörtern müsse.

Unabhängig hiervon habe das Arbeitsgericht auch die im Falle einer Drohung zu prüfende Zweck-Mittel-Relation nicht zutreffend gewertet. In dem ruhigen Gespräch, währenddessen Herr X. dem Kläger lediglich den Verfahrensablauf erläutert habe, sei der Kläger nicht vor die Wahl zwischen zwei schlechten Alternativen gestellt worden.

Zumindest fehle es aber an der widerrechtlichen Form der gemäß § 123 BGB notwendigen Drohung. Die Beklagte habe als verständige Arbeitgeberin die Umstände des Einzelfalles geprüft und habe aus dieser Sicht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der mangelhaften Arbeit des Klägers und dessen Pflichtverletzungen für notwendig erachtet. Soweit das Arbeitsgericht den vollen Nachweis eines Erfolges im Kündigungsschutzprozess verlange, gehe dies zu weit.

Außerdem habe die Beklagte dargelegt, dass die Leistung des Klägers und die Erfüllung der von ihm geschuldeten Tätigkeit nicht dem geforderten Standard entsprochen habe. Mithin habe sie sich auch darauf berufen, dass einer personenbedingte Rechtfertigung für eine ordentliche Kündigung des Klägers wegen dessen fehlender Eignung vorliege. Auf ein Verschulden des Klägers komme es hierbei nicht an, es reiche vielmehr eine Schlechterfüllung aus, welche zu einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führe.

Schließlich dürfe im vorliegenden Fall die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Frage der fristlosen Kündigung als Alternative zu einem Aufhebungsvertrag nicht herangezogen werden, da die Beklagte nicht nur lediglich eine ordentliche Kündigung in den Raum gestellt habe, sondern darüber hinaus dem Kläger während des Aufhebungsgespräches eine Bedenkzeit eingeräumt, anschließend ihn nach Unterzeichnung von der Arbeit freigestellt und schließlich ihm auch eine hohe Abfindung gezahlt habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 30.06.2006 (Bl. 136 ff. d. A.) und 23.08.2006 (Bl. 176 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 23.02.2006 - 2 Ca 2670/05 -abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, es sei zwar zutreffend, dass gegenüber dem Kläger in dem Aufhebungsgespräch lediglich von einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung gesprochen worden sei. Der Kläger, der schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mit einem GdB von 50 als schwerbehinderter Mensch anerkannt gewesen sei, habe die Beklagte über seine Behinderung zu Beginn des Arbeitsverhältnisses informiert. Gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers habe der Warenhausleiter Herr X. fernmündlich am 04.10.2005 bestätigt, dass ihm die Behinderung des Klägers bekannt gewesen sei und ihm aus diesem Grund bei Abfassung des Aufhebungsvertrages auch "nicht wohl" gewesen sei. Bei diesem Gespräch habe Herr X. darüber hinaus eingeräumt, persönlich den Kläger mit seiner Behinderung eingestellt zu haben, weil er von einem Verwandten des Klägers hierum gebeten worden sei.

Auch der weitere Vorgesetzte, Herr V. sowie sämtliche Arbeitskollegen des Klägers hätten um dessen Behinderung gewusst, da diese für jedermann bemerkbar gewesen sei. Mithin hätte die Beklagte eine ordentliche Kündigung, ohne Zustimmung des Integrationsamtes, nicht herbeiführen können. Die gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Abmahnungen seien inhaltlich unzutreffend und mithin zu Unrecht erteilt worden.

Darüber hinaus habe die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, wann und inwieweit sich der Kläger nach den vermeintlichen Abmahnungen tatsächlich wiederholt auffällig verhalten und den Betriebsablauf gestört habe. Die jetzt behauptete fehlende Eignung des Klägers sei mit dem Inhalt der Dankesurkunde, welche die Beklagte für das vorbildliche Engagement des Klägers während dessen 25-jähriger Arbeitstätigkeit, ausgestellt habe, nicht zu vereinbaren. Soweit dem Kläger die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entweder durch fristgerechte Kündigung oder durch Aufhebungsvertrag in Aussicht gestellt worden sei, habe es sich hierbei um eine widerrechtliche Drohung gehandelt. Im Übrigen sei ihm auch nicht verständlich mitgeteilt worden, dass eine etwaige Beendigungskündigung zuvor von einer Beteiligung des Betriebsrates abhängig sei.

Der Kläger habe sich bei Abschluss des Aufhebungsvertrages in einem Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit, in Folge seiner Behinderung, befunden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 07.08.2006 (Bl. 156 ff. d. A.) und 14.08.2006 (Bl. 161 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbG, 513 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Mainz hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.04.2006 hinaus fortbestanden hat (A.); darüber hinaus ist auch die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden (B.).

A.

Das Arbeitsverhältnis besteht über den 30.04.2006 hinaus fort, da es durch den schriftlichen Aufhebungsvertrag vom 31.08.2006 nicht beendet worden ist. Die vom Kläger erklärte Annahme dieses Vertrages ist nämlich gem. §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen.

I.

Der Kläger hat seine Annahmeerklärung vom 31.08.2005 mit Anwaltsschreiben vom 04.10.2005 ausdrücklich angefochten, so dass eine Anfechtungserklärung vorliegt und die einjährige Anfechtungsfrist (§ 124 Abs. 1 BGB) gewahrt wurde.

II.

Darüber hinaus liegt auch ein Anfechtungsgrund im Sinne von § 123 Abs. 1, 2. Alt. BGB vor. Nach dieser gesetzlichen Regelung kann derjenige, der zur Abgabe einer Willenserklärung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, die Erklärung anfechten.

1.

Eine Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels (vgl. BGH 2, 295). Wird vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages ein Gespräch geführt, ist für die Beurteilung des Vorliegens einer Drohung nicht allein auf das Gespräch zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten, sondern auf die gesamten Umstände abzustellen, die zur Abgabe der Annahmeerklärung geführt haben. Die Drohung muss nicht ausgesprochen werden und kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.1993 - 2 AZR 268/93 = BAGE 74, 281, 285). Erforderlich ist für eine Drohungsanfechtung, dass der Drohende mit Nötigungswillen handelt. Das heißt er muss den Willen haben, den anderen Teil zu der Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen. Ihm muss bewusst sein, dass sein Verhalten die Willensbildung des Empfängers der Drohung beeinflussen kann. Es ist aber nicht erforderlich, dass der Drohende mit einem Schädigungsvorsatz handelt, oder sich durch die Drohung einen Vorteil verschaffen will. Die Drohung muss bewusst darauf gerichtet sein, den Bedrohten zu der Einschätzung zu verleiten, nur zwischen zwei Übeln wählen zu können, von denen die Abgabe der empfohlenen Erklärung nach der Einsicht des Drohenden als das geringere Übel gegenüber der sonst zu erwartenden Maßnahme erscheinen soll (vgl. BAG, Urteil vom 26.11.1981 - 2 AZR 664/79 n. v.; vgl. Datenbank "juris").

Darüber hinaus ist für eine Anfechtung wegen Drohung erforderlich, dass die Drohung widerrechtlich war. Wird mit einer außerordentlichen Kündigung gedroht, ist dies widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sicht regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich (vgl. BAG, Urteil vom 21.03.1996 - 2 AZR 543/95 = AP Nr. 43 zu § 123 BGB). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.1993 - 2 AZR 268/93 = BAGE 74, 281, 285). Von dem Arbeitgeber kann nicht verlangt werden, dass er bei seiner Abwägung generell die Beurteilung des Tatsachengerichts "trifft". Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruches eine arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen (vgl. BAG, Urteil vom 21.03.1996 - 2 AZR 543/95 a. a. o.).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Warenhausleiter der Beklagten, Herr X. den Kläger in dem Gespräch vom 31.08.2005 durch eine widerrechtliche Drohung veranlasst hat, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem:

1) Bei dem Inaussichtstellen einer ordentlichen Kündigung handelt es sich aus Sicht eines Arbeitnehmers um eine Drohung, zumal mit der ordentlichen Kündigung der Verlust des Arbeitsplatzes, mithin ein "Übel" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung verbunden ist. Gegenüber der außerordentlichen oder fristlosen Kündigung besteht in diesem Zusammenhang kein wesentlicher Unterschied; die Drohung mit einer solchen Kündigung ist lediglich - wegen der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist - stärker und nachhaltiger.

Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe dem Kläger in dem Gespräch vom 31.08.2005 lediglich verschiedene Handlungsalternativen erläutert, steht dies dem Vorliegen einer Drohung nicht entgegen. Denn aus der maßgeblichen Sicht des Klägers standen ihm nach dem Gespräch mit Herrn X. zwei Verhaltensweisen offen: Entweder er unterschrieb den Aufhebungsvertrag oder die Beklagte sprach - nach Anhörung des Betriebsrates - eine ordentliche Kündigung wegen Leistungsmängeln aus. Dies ergibt sich auch klar und deutlich aus der erstinstanzlichen Darstellung des Gespräches durch die Beklagte (Schriftsatz vom 03.01.2006, S. 4 f. = Bl. 51 f. d. A.): "Herr X. hat dem Kläger aufgezeigt, dass er entweder eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist abschließen könne oder aber mit dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von dauerhaften Leistungsmängeln rechnen müsse."

Selbst wenn unterstellt wird, Herr X. hätte zudem den Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass vor der ordentlichen Kündigung der Betriebsrat angehört werde, steht dies einer Drohung nicht entgegen. Zunächst einmal handelt es sich nämlich nicht um den von der Beklagten in der Berufungsbegründung zitierten Fall, dass lediglich die Anhörung des Betriebsrates in Aussicht gestellt wird. Denn nach dem weiteren Sachvortrag der Beklagten wurde gegenüber dem Kläger auch erklärt, man werde sich im Falle einer ordentlichen Kündigung anschließend vermutlich vor dem Arbeitsgericht sehen, um über deren Wirksamkeit zu streiten (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 22.08.2006, S. 5 = Bl. 180 d. A.). Dies zeigt, dass Herr X. nicht nur zum Ausdruck brachte, man müsse im Fall der Nichtunterzeichnung mit dem Betriebsrat eine Kündigung erörtern. Vielmehr wurde die Anhörung des Betriebsrates gegenüber dem Kläger letztlich als bloße "Durchgangsstation" auf dem Weg zur ordentlichen Kündigung und einem Kündigungsrechtsstreit dargestellt. An dem Ausspruch der ordentlichen Kündigung im Falle der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages konnte mithin für den Kläger kein Zweifel bestehen.

2.

Der Warenhausleiter X. handelte bei dem Aufhebungsgespräch auch mit dem für eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 zweite Alternative BGB erforderlichen Nötigungswillen. Denn als ein Mitarbeiter, der anstelle eines verständigen Arbeitgebers handelt, musste ihm angesichts der verknüpfenden Darstellung, die er während des Aufhebungsgespräches von den beiden Alternativen "ordentliche Kündigung" und "Aufhebungsvereinbarung" dem Kläger gegeben hatte, klar sein, dass er den Kläger lediglich vor die Wahl zwischen einem großen (Kündigung) und einem kleineren Übel (Aufhebungsvertrag mit Abfindung) stellte.

III.

Die Drohung, die Herr X. am 31.08.2005 gegenüber dem Kläger erklärte, ist auch widerrechtlich. Die hierzu vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Rechtsprechung zur Androhung einer außerordentlichen oder fristlosen Kündigung ist auf die Ankündigung einer ordentlichen Kündigung übertragbar, soweit beachtet wird, dass im Falle des Inaussichtstellens einer fristgerechten Kündigung im Einzelfall nur solche Anforderungen an einen Arbeitgeber gestellt werden können, wie sie vor Ausspruch dieser Art von Kündigung angemessen sind. Dies folgt bereits aus dem von Bundesarbeitsgericht zu Grunde gelegten Maßstab, nämlich der Sicht des verständigen Arbeitgebers.

Soweit die Beklagte meint, eine Übertragung der Rechtsprechung zur Drohung durch außerordentliche Kündigung auf den Fall der ordentlichen Kündigung sei ausgeschlossen, ist dem nicht zu folgen. Denn im Falle der ordentlichen Kündigung wird ein Arbeitnehmer zwar während der Kündigungsfrist noch beschäftigt, aber - und dies ist der wesentliche Punkt - er verliert seinen Arbeitsplatz wie im Falle einer außerordentlichen Kündigung und muss die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen in vergleichbarer Weise tragen.

4.

Im vorliegenden Fall hätte ein verständiger Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung nicht in Erwägung gezogen, da aus dessen Sicht eine solche Kündigung zum Zeitpunkt des Aufhebungsgespräches offensichtlich rechtlich nicht haltbar gewesen wäre. Der Kläger hätte nämlich den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes in Anspruch nehmen können, so dass ein verständiger Arbeitgeber nur bei Vorliegen eines konkret greifbaren Kündigungsgrundes eine ordentliche Kündigung in Erwägung gezogen hätte. Tatsachen, die auch aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers eine ordentliche Kündigung hätten sozial rechtfertigen können, waren im vorliegenden Fall aber nicht gegeben.

Soweit die Beklagte sich auf einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund beruft, liegen zwar vier schriftliche Abmahnungen vor; das hierin gerügte Fehlverhalten kann aber - auch aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers - nicht mehr unmittelbar als Kündigungsgrund herangezogen werden, da der Arbeitgeber durch die Erklärung der Abmahnung selbst gezeigt hat, welche Reaktion hierauf er für angemessen hält.

Ein konkreter Pflichtverstoß des Klägers für die Zeit nach der letzten Abmahnung ist nicht erkennbar. Die Beklagte behauptet hierzu lediglich, dass seine "Leistung und die Erfüllung der geschuldeten Tätigkeit nicht den geforderten Standard erreicht" hätten. Dass auf derart pauschale Überlegungen die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht gestützt werden kann, muss Herrn X., auch ohne besondere Arbeitsrechtskenntnisse, klar gewesen seien. Obwohl auch das Arbeitsgericht seine Entscheidung unter anderem auf fehlenden Vortrag der Beklagten zu dem verhaltensbedingten Kündigungsgrund gestützt hat, vermochte diese auch im Berufungsverfahren keine weiteren Angaben zu machen. Mithin musste aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers im Kündigungszeitpunkt davon ausgegangen werden, dass es an einem verhaltensbedingten Grund fehlt.

Soweit die Beklagte - erstmals im zweitinstanzlichen Verfahren - sich auf einen personenbedingten Kündigungsgrund, nämlich die fehlende Eignung des Klägers für die geschuldete Arbeitstätigkeit stützen will, ist ihr Sachvortrag ebenfalls derart pauschal, dass jedem verständigen Arbeitgeber klar gewesen wäre, dass diese Tatsachenlage eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Auch insoweit werden die konkreten Umstände, die eine auch nur teilweise Ungeeignetheit des Klägers für seine Hilfsarbeitertätigkeit im Wareneingangsbereich des Einkaufsmarktes erkennen lassen, nicht dargelegt. Ein verständiger Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer 25 Jahre mit derselben Arbeitstätigkeit beschäftigt hat und ihm noch im März 2005 in einer Jubiläumsurkunde für die "hervorragende Arbeit, die er in der Vergangenheit geleistet" (vgl. Bl. 16 d. A.) gedankt hat, hätte eine personenbedingte Kündigung nur in Erwägung gezogen, wenn er danach aufgrund einschneidender Ereignisse ernsthafte Zweifel an der Geeignetheit des Arbeitnehmers für dessen Arbeitstätigkeit bekommen hätte. An konkretem Vortrag solcher oder vergleichbarer Umstände fehlt es aber gänzlich.

An der Widerrechtlichkeit der Drohung ändert es im Rahmen der Prüfung der Zweck-Mittel-Relation nichts, dass die Beklagte bei der Vertragsaufhebung die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten und dem Kläger für deren Dauer von der Arbeit freigestellt hat sowie eine Abfindung in Höhe von 22.000,00 EUR angeboten und eine Bedenkzeit eingeräumt hat. Gleiches gilt für den von der Beklagten behaupteten Umstand, dass das Aufhebungsgespräch in einer ruhigen Atmosphäre stattgefunden hat. Dem steht nämlich gegenüber, dass der Kläger nicht in der Lage ist, seinen rechtsgeschäftlichen Willen wie ein durchschnittlicher Arbeitnehmer zu bilden und zu artikulieren. Dies ist, aufgrund von Art und Inhalt der mündlichen Erklärungen des Klägers während der Berufungsverhandlung nach Überzeugung der Berufungskammer für jeden erkennbar gewesen, der sich etwas länger mit ihm unterhält. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass weder von einer Geschäftsunfähigkeit des Klägers während des Vertragsabschlusses noch von einer Kenntnis der Beklagten über einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 auf Seiten des Klägers ausgegangen wird. Während des Auflösungsgespräches muss aber Herrn X. bewusst gewesen sein, dass sein Gesprächspartner, aufgrund dessen individueller Fähigkeiten, einer besonderen Fürsorge des Arbeitgebers bedarf. Dem ist die Beklagte allein durch die vereinbarten Vertragsmodalitäten nicht gerecht geworden. Vielmehr hätte sie, angesichts des auch aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers fehlenden Kündigungsgrundes und der über 25 Jahre dauernden Beschäftigungszeit des Klägers sowie unter Berücksichtigung seiner eingeschränkten individuellen Leistungsfähigkeit bei der Beurteilung von rechtsgeschäftlichen Handlungen von der gewählten Vorgehensweise - Angebot eines Aufhebungsvertrages als Alternative zur ordentlichen Kündigung in einem Vier-Augen-Gespräch - von vornherein gänzlich absehen müssen.

B.

Die Begründetheit des Weiterbeschäftigungsantrages hat das Arbeitsgericht unter Ziff. II. seiner schriftlichen Entscheidungsgründe dargestellt (Bl. 92 d. A.); auf diese zutreffende Ausführungen wird Bezug genommen.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von §§ 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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