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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 474/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, BGB


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO §§ 512 ff.
KSchG § 1
KSchG § 4
KSchG § 5
KSchG § 5 Abs. 3 Satz 2
KSchG § 7
BGB § 162 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 474/05

Entscheidung vom 26.10.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.03.2005, Az.: 4 Ca 2803/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, um die Wiedereinstellung und Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sowie um damit in Zusammenhang stehende Zahlungsansprüche.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.03.2005 (dort S. 2 bis 7 = Bl. 58 bis 63 d.A.) Bezug genommen. Der vom Arbeitsgericht festgestellte unstreitige Tatbestand ist lediglich insoweit zu ergänzen, als der Kläger nicht seit dem 01.02.1990, sondern erst seit dem 01.04.1999 bei der Beklagten als Verkaufsleiter beschäftigt war.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 12./17.06.2002 nicht zum 31.12.2002 aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 127.679,25 bebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich € 33.482,30 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Wiedereinstellung ab 23.07.2004 zu den Arbeitsbedingungen des früheren Arbeitsvertrages vom 23.10.1998 bei Anrechnung ununterbrochener bisheriger Betriebszugehörigkeit seit dem 01.02.1999 anzunehmen;

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den im Klageantrag zu 2) genannten Bedingungen unbefristet weiterzubeschäftigen;

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger in Bezug auf die von ihr gewährte betriebliche Altersversorgung so zu stellen, als hätte das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung seit dem 01.04.1999 bestanden;

6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger den Differenzbetrag zu zahlen, der sich im Hinblick auf die monatlichen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge der Unterbrechung des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien vom 01.01.2003 bis zum 23.07.2004 errechnet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 02.03.2005 (Bl. 57 ff. d.A.) die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich der Klageanträge zu Ziffer 1, 5 und 6 fehle es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendigen Feststellungsinteresse. Der Kläger habe nämlich unstreitig eine Kündigungsschutzklage gegen die ordentliche Kündigung vom 29.05.2002 nicht erhoben, so dass selbst im Falle einer erfolgreichen Anfechtung des Aufhebungsvertrages vom 31.12.2002 das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch diese Kündigung zum 31.08.2002 beendet worden sei. Etwas anders könne sich nur dann ergeben, wenn der Kläger gemäß § 5 KSchG eine nachträgliche Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage noch erreichen könne. Dies sei vorliegend aber ausgeschlossen, da die Sechsmonatsfrist aus § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG abgelaufen sei und nach diesem Fristablauf eine nachträgliche Zulassung unter keinen Umständen rechtlich zulässig sei.

Hiergegen ergebe sich nichts anderes daraus, dass sich der Kläger auf eine arglistige Täuschung beim Abschluss des Aufhebungsvertrages berufe. Denn andere Arbeitnehmer, die keinen Aufhebungsvertrag abgeschlossen hätten, hätten auch nicht die Möglichkeit, nach Ablauf der Sechsmonatsfrist eine ausgesprochene ordentliche Kündigung in Zweifel zu ziehen. Ob über den Weg des § 826 BGB eine Durchbrechung der Fristenregelung aus § 5 Abs. 3 Satz 2 KGSchG möglich sei, könne vorliegend dahinstehen, da konkrete Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Klägers nicht ersichtlich seien.

Aus den gleichen rechtlichen Erwägungen seien die gestellten Leistungsanträge als unbegründet abzuweisen gewesen. Die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien angesichts der rechtswirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welche zumindest durch die ordentliche Kündigung eingetreten sei, nicht begründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 7 ff. des Urteils vom 02.03.2005 (Bl. 63 ff. d.A.) verwiesen.

Der Kläger, dem die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 12.05.2005 zugestellt worden ist, hat am Montag, den 13.06.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 12.07.2005 sein Rechtsmittel begründet.

Der Kläger macht geltend, das Arbeitsgericht habe bei seiner rechtlichen Argumentation im Zusammenhang mit §§ 5, 7 KSchG nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Beklagte den Kläger bei Abschluss des Aufhebungsvertrages über die Tatsache getäuscht habe, dass sein Arbeitsplatz überhaupt nicht wegfalle. Würde man in diesem Zusammenhang ausschließlich auf die Fristenregelungen aus dem Kündigungsschutzgesetz abstellen, würde dies bedeuten, dass derjenige Arbeitgeber, der mit größtmöglicher List und Heimtücke vorgehe, noch belohnt werde. Auch aus § 162 Abs. 2 BGB - diese Regelung sei entweder unmittelbar oder analog anwendbar - ergebe sich, dass sich der Arbeitgeber jedenfalls nicht auf die fiktiv eintretende Wirksamkeit der Kündigung nach § 7 KSchG berufen könne, da er mangels geschuldeter Unterrichtung eben diese fiktiv hergestellte Situation erst aktiv beeinflusst habe. Wie auch in anderen Fällen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes müsse bei einem solchen Vorgehen des Arbeitgebers dieses unter Beachtung von § 242 BGB ausgeglichen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 12.07.2005 (Bl. 93 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.03.2005 - 4 Ca 2803/04 -,

a) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 12./17.06.2002 nicht zum 31.12.2002 aufgelöst worden ist;

b) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 127.679,25 bebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich € 33.482,30 zu zahlen;

c) die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Wiedereinstellung ab 23.07.2004 zu den Arbeitsbedingungen des früheren Arbeitsvertrages vom 23.10.1998 bei Anrechnung ununterbrochener bisheriger Betriebszugehörigkeit seit dem 01.02.1999 anzunehmen;

d) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den im Klageantrag zu b) genannten Bedingungen unbefristet weiterzubeschäftigen;

e) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger in Bezug auf die von ihr gewährte betriebliche Altersversorgung so zu stellen, als hätte das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung seit dem 01.04.1999 bestanden;

f) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger den Differenzbetrag zu zahlen, der sich im Hinblick auf die monatlichen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung infolge der Unterbrechung des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien vom 01.01.2003 bis zum 23.07.2004 errechnet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus, sie habe im Frühjahr 2002 die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Bereich Rollladen/Markisen neu zu strukturieren und die Position des Vertriebsleiters zu streichen. Darüber hinaus sei die Zahl der Außendienstmitarbeiter im Bereich Rollladen/Markisen von vier auf zwei Mitarbeiter reduziert worden. Die verbleibenden Außendienstmitarbeiter sollten eigenverantwortlich Kunden betreuen und anwerben, ohne dass es noch der Führung und Anleitung durch einen Vertriebsleiter bedurft hätte. Aufgrund dessen sei gegenüber dem Kläger die ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 29.05.2002 zum 31.08.2002 erklärt worden; des Weiteren sei dies auch der Hintergrund für den schriftlichen Aufhebungsvertrag vom 31.12.2002 gewesen. Weitere Tätigkeitsbereiche des Klägers wie zum Beispiel die Betreuung von Großkunden und die Mitwirkung bei der Steuerung der Fertigung seien auf den Geschäftsführer X sowie den Produktmanager Herrn W unter Einbeziehung der Außendienst- und der Innendienstvertriebsmitarbeiter verteilt worden.

Die rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichtes in seinem Urteil vom 02.03.2005 seien vollumfänglich zutreffend, so dass die Berufung keinen Erfolg haben könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 14.09.2005 (Bl. 130 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat zu Recht die Klageanträge zu Ziffer 1, 5 und 6 als unzulässig und die weiteren Klageanträge zu Ziffer 2, 3 und 4 als unbegründet abgewiesen. Die Berufungskammer macht sich die zutreffenden Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts (S. 7 des Urteils vom 02.03.2005 = Bl. 63 ff. d.A.) zu eigen und sieht von einer erneuten Darstellung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab.

Die vom Berufungsführer mit seinem Rechtsmittel geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.

Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht seine Entscheidung unter anderem darauf stützt, dass selbst im Falle einer Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages vom 12./13.06.2002 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis jedenfalls durch die ordentliche Kündigung vom 29.05.2002 zum 31.08.2002 beendet wäre. Eine Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung ist nämlich aufgrund §§ 7, 4, 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG ausgeschlossen. Die Berufung der Beklagten auf diese Rechtsvorschriften ist weder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) noch aufgrund des Rechtsgedankens aus § 162 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG dient der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz; nach Ablauf dieser Frist soll eine Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung endgültig ausgeschlossen sein. Mithin kann nicht über die Brücke des Grundsatzes von Treu und Glauben oder allgemeiner Gerechtigkeitserwägungen im Zusammenhang mit § 162 Abs. 2 BGB eine spätere rechtliche Prüfung, ob tatsächlich ein Kündigungsgrund im Sinne von § 1 KSchG vorgelegen hat, erreicht werden (so auch LAG Hamm, Beschl. v. 29.10.1987 - 8 Ca 106/87 = LAGE § 5 KSchG Nr. 33).

Vielmehr kann ein Arbeitnehmer bei Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen des § 826 BGB nur im Wege des Schadensersatzes erreichen, dass er so gestellt wird, als sei er nicht gekündigt worden. Nach § 826 BGB ist derjenige einem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Merkmale trägt derjenige, der den Anspruch geltendmacht - vorliegend ist dies der Kläger.

Dieser hat erstinstanzlich ausgeführt, der frühere Einkaufsleiter der Beklagten aus dem Bereich Nutzfahrzeugtechnik, Herr V, habe unmittelbar nach der Freistellung des Klägers dessen Büro bezogen und auch dessen Arbeitsbereich übernommen. Herr V sei nicht nur einem Herrn U als Nachfolger des Klägers vorgestellt worden, sondern auch Herrn T von der Firma S GmbH. Dort habe Herr V gemeinsam mit dem Außendienstmitarbeiter R vorgesprochen, um Preisverhandlungen zu führen. Herr V habe sich als Vertriebsleiter und Chef von Herrn R vorgestellt. Dies ist jener Sachvortrag des Klägers, der im Zusammenhang mit der Nachfolge des Herrn V auf seinem Arbeitsplatz noch die meisten konkreten Anhaltspunkte enthält; auf die Wiedergabe weiterer erstinstanzlicher Angaben des Klägers hierzu wird - mangels auch nur ansatzweise substantiierter Angaben - verzichtet.

Aber auch der wiedergegebene Sachvortrag des Klägers genügt nicht, um eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigungshandlung durch die Beklagte in schlüssiger Weise erkennen zu lassen. Der Kläger beruft sich nämlich im Wesentlichen darauf, dass Herr V als sein Nachfolger bei verschiedenen Personen vorgestellt worden sei und sein Büro übernommen habe. Hierbei handelt es sich lediglich um Indizien dafür, dass Herr V den Arbeitsplatz des Klägers eingenommen haben könnte. Da für die Gespräche, bei denen Herr V als Nachfolger des Klägers vorgestellt worden sein soll, aber weder Ort, konkreter Zeitpunkt noch konkreter Gesprächszusammenhang angegeben werden und allein das Beziehen eines Büros noch nicht schlüssig die Übernahme der dort früher einmal verrichteten Arbeitstätigkeit erkennen lässt, reichen diese Indizien für die Feststellung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht aus.

Hinzu kommt, dass der Kläger für die Gespräche, in denen Herr V als sein Nachfolger vorgestellt worden sein soll, lediglich als Zeitbereich die Zeit seiner eigenen Freistellung angibt; gleiches gilt für die Übernahme des früheren Büros des Klägers. Hieraus wird aber nicht deutlich, dass die Beklagte bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung, die Absicht hatte, den Arbeitsplatz des Klägers neu zu besetzen; hierfür trägt der Kläger keinerlei konkreten Umstände vor. Nur aus Umständen, die auf diesen Zeitpunkt bezogen sind, könnte aber entnommen werden, dass durch die Kündigung eine sittenwidrige Schädigung des Klägers von der Beklagten beabsichtigt war. Darauf, ob nach Ausspruch der Kündigung die Beklagte sich zu einer Neubesetzung der Stelle entschlossen hat, kommt es nicht an.

Insgesamt genügt mithin der Sachvortrag des Klägers nicht für die Feststellung, die Beklagte habe ihn sittenwidrig und vorsätzlich geschädigt.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben; für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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