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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 02.11.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 566/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004
ZPO §§ 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 566/05

Entscheidung vom 02.11.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.04.2005, Az.: 3 Ca 4659/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rücknahme von zwei Abmahnungen und deren Entfernung aus der Personalakte.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.04.2005 (dort S. 2 bis 8 = Bl. 152 bis 158 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 13.10.2003 zurückzunehmen und ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen,

2. die Beklagte zu verurteilen, die drei Abmahnungen vom 27.02.2004 bezüglich der Vorfälle vom 17.10.2003, 03.11.2003 und 12.11.2003 zurückzunehmen und ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 26.04.2005 (Bl. 151 ff. d.A.) die Beklagte verurteilt, die zwei Abmahnungen vom 27.02.2004 bezüglich der Vorfälle vom 03.11.2003 und 12.11.2003 zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen; im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung des klagezusprechenden Teiles seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die beiden Abmahnungen seien nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen, da die gerügten Pflichtverletzungen tatsächlich nicht vorliegen würden. Die Klägerin sei weder am 03.11.2003 noch am 12.11.2003 auf Anweisung der Beklagten verpflichtet gewesen, sich mit deren Mitarbeitern zur Übergabe des Firmenfahrzeuges bzw. von eingelagerten Arzneimitteln zu treffen, da der Beklagten zum Zeitpunkt der Erteilung der Anweisungen kein Weisungsrecht aus dem Beschäftigungsverhältnis mehr zugestanden habe. Sie habe sich dieses Weisungsrechtes nämlich durch die Erklärung der fristlosen Kündigung mit Schreiben vom 29.10.2003 begeben. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum Fortbestand eines Wettbewerbsverbotes während eines Kündigungsprozesses sei der vorliegenden Klage stattzugeben gewesen. Das Bundesarbeitsgericht habe dem Arbeitnehmer insoweit nämlich nur eine Unterlassungspflicht auferlegt, nicht aber dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht eingeräumt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 8 ff. des Urteils vom 26.04.2005 (= Bl. 158 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichtes, welche ihr am 07.06.2005 zugestellt worden ist, am 07.07.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 05.08.2005 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte macht geltend, unter Berücksichtigung des Urteiles des Bundesarbeitsgerichtes vom 25.04.1991 (Az.: 2 AZR 624/90) gelte ein arbeitsrechtliches Wettbewerbsverbot fort, obwohl ein Arbeitsverhältnis gekündigt sei und der Arbeitnehmer sich in einer Zwangslage befinde; diese Zwangslage resultiere daraus, dass sich der Arbeitnehmer einerseits jeglicher wettbewerbswidrigen Tätigkeit enthalten müsse, um eine weitere Kündigung zu vermeiden und andererseits für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung an der dann möglichen anderweitigen Sicherung seiner Existenzgrundlage gehindert sei. Im vorliegenden Fall sei die Klägerin einer solchen Zwangslage nicht ausgesetzt gewesen, so dass von ihr uneingeschränkte Vertragstreue habe verlangt werden können. Wenn das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitnehmer, trotz Vorliegens einer Kündigung, Unterlassungs- und Duldungspflichten auferlege, so sei es einem Arbeitnehmer erst Recht untersagt, gegen den Arbeitsvertrag zu verstoßen, wenn für ihn bei einem vertragstreuen Verhalten keinerlei nachteilige Auswirkungen zu besorgen seien. Unabhängig hiervon sei von der Klägerin im vorliegenden Fall gar kein aktives Handels verlangt worden, sondern nur die Duldung, dass der Dienstwagen und das Musterlager abgeholt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.08.2005 (Bl. 193 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz, Az.: 3 Ca 4659/03 vom 26.04.2005 abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt wurde, die beiden Abmahnungen vom 27.02.2004 bezüglich der Vorfälle vom 03.11.2003 und 12.11.2003 zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin führt aus, die rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts Koblenz seien zutreffend, so dass die Berufung keinen Erfolg haben könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 08.09.2005 (Bl. 216 f. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB auf Rücknahme und Entfernung der beiden schriftlichen Abmahnungen vom 27.02.2004 aus der Personalakte. Das Arbeitsgericht Koblenz hat dies mit rechtlich zutreffenden Gründen festgestellt; die erkennende Berufungskammer folgt dieser Begründung (Ziffer 1 der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes = Bl. 158 ff. d.A.) und sieht von einer erneuten Darstellung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab.

Der von der Berufungsführerin geltend gemachte rechtliche Einwand rechtfertigt eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteiles nicht. Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 25.04.1991 (- 2 AZR 624/90 = AP Nr. 104 zu § 626 BGB) folgt für den vorliegenden Fall nicht, dass die Beklagte nach Zugang der fristlosen Kündigung vom 29.10.2003 Weisungen hinsichtlich Ort und Zeitpunkt der Übergabe des Firmenwagens und des Arzneimittelmusterlagers noch weiterhin rechtswirksam hätte erteilen können.

Nach Ausspruch der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses kann der Kündigende Rechte aus dem Dauerschuldverhältnis grundsätzlich nicht mehr in Anspruch nehmen. Ein dahingehendes Verhalten wäre nämlich widersprüchlich und würde zumindest gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Mithin besteht auch kein arbeitsvertragliches Weisungsrecht mehr für die Zeit nach einer fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages; ansonsten könnte der Arbeitgeber, trotz Kündigungsausspruchs von einem Arbeitnehmer zum Beispiel weiterhin die Erbringung der Arbeitsleistung einfordern, obwohl er nicht mehr zur Zahlung der Arbeitsvergütung bereit ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer - wie vorliegend - mit einer Klage zum Arbeitsgericht die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltendmacht. Die Tatsache einer solchen Klage führt nicht zu einem uneingeschränkten Wiederaufleben der Vertragsrechte des Arbeitgebers. Lediglich im Falle eines Wettbewerbsverbots hat das Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung festgestellt, dass der Arbeitnehmer an dieses Verbot auch dann gebunden ist, wenn der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ausspricht, deren Wirksamkeit der Arbeitnehmer bestreitet. Als vermittelndes Korrektiv soll aber im Falle des Verstoßes des Arbeitnehmers gegen dieses Wettbewerbsverbot und einer hierauf gestützten erneuten Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses vom Arbeitsgericht geprüft werden, ob der Arbeitnehmer schuldhaft gehandelt hat und darüber hinaus soll im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden, wie hoch der Grad des Schuldvorwurfs ist sowie die Art und die Auswirkungen der Wettbewerbshandlung.

Im vorliegenden Fall kann das erwähnte Korrektiv nicht eingreifen, da es bei einer Abmahnung nicht darauf ankommt, ob ein Arbeitnehmer schuldhaft gehandelt hat. Allein dies zeigt schon, dass die vom Bundesarbeitsgericht zu dem Wettbewerbsverbot entwickelte Rechtsprechung nicht ohne weiteres übertragen werden kann. Nach Überzeugung der Berufungskammer handelt es sich bei dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes im Übrigen um eine Fallentscheidung, die ausschließlich für den Bereich arbeitsvertraglicher Wettbewerbsverbote im Zusammenhang mit Kündigungen gilt. Nur hier stellt sich letztlich ausweglos die Frage, ob das Wettbewerbsverbot während eines Kündigungsrechtsstreites weiter gilt oder nicht. Hingegen bedurfte es im vorliegenden Fall nicht der Ausübung eines Weisungsrechtes, um die Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Vielmehr hatte dieser die Möglichkeit, Ort und Zeitpunkt der Übergabe des Firmenwagens sowie des Arzneimittelmusterwagens mit der Klägerin einvernehmlich zu vereinbaren und - falls diese hierzu nicht bereit gewesen wäre - eine Herausgabeklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Jedenfalls bestand keine Notwendigkeit, ein Weisungsrecht aus einem gekündigten Arbeitsverhältnis auszuüben.

Dass die Klägerin durch die Weisung nicht in eine Zwangslage geriet wie sie bei dem Arbeitnehmer gegeben war, der im Fall, der dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vorlag, ein arbeitsvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatte und einen Kündigungsrechtsstreit führte, ist zwar richtig. Aber allein aus dem Fehlen von Nachteilen beim Befolgen einer Weisung ergibt sich noch nicht deren Rechtsverbindlichkeit. Hierzu bedarf es vielmehr einer Rechtsgrundlage, die vorliegend allenfalls das Arbeitsverhältnis selbst sein kann; auf dessen Vorhandensein kann sich der Arbeitgeber nach Ausspruch der fristlosen Kündigung aber nicht mehr berufen.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision wurde unter Berücksichtung von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, zumal nach Überzeugung der Berufungskammer die im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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