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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 597/04
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

ArbGG §§ 64 ff.
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 847
BGB § 823
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
BGB § 847 Abs. 1
ZPO §§ 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 597/04

Entscheidung vom 26.01.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26.05.2004, Az.: 1 Ca 331/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Leistung von Schmerzensgeld wegen Mobbings.

Von der Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Abstand genommen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26.05.2004 (dort S. 3 bis 5 = Bl. 47 bis 49 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat mit Urteil vom 26.05.2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die rechtlichen Voraussetzungen eines Schmerzensgeldanspruches seien unter Beachtung von §§ 847, 823, 831 BGB im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Tatsachenvortrag der Klägerin zu dem behaupteten Mobbingverhalten sei weitgehend unsubstantiiert. Soweit sie sich auf eine angebliche Äußerung ihrer Vorgesetzten X nach einem von der Klägerin erlittenen Unfall berufe, würden jegliche Angaben darüber, wann und wo Frau X die entsprechende Äußerung gemacht haben solle und inwiefern diese Äußerung dem Arbeitgeber zurechenbar sei, fehlen. Die Behauptung der Klägerin, ihre Versetzung nach R stelle eine Mobbingmaßnahme des Arbeitgebers dar, sei nicht nachvollziehbar. Vielmehr sei sie durch die Versetzung doch gerade dem Einfluss der Leiterin der Filiale in B-Stadt, die sie angeblich schikaniert habe, entzogen worden. Außerdem sei es nachvollziehbar, dass die Beklagte ein betriebliches Interesse daran habe, die Klägerin in eine umsatzschwächere Filiale zu versetzen, wenn diese in sechs Monaten ein Fehltagekonto von 92 Werktagen aufzuweisen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 6 f. des Urteils vom 26.05.2004 (= Bl. 50 f. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin, der die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 24.06.2004 zugestellt worden ist hat am 20.07.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 19.08.2004 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Klägerin macht geltend,

nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Thüringen sei für ein schmerzensgeldpflichtiges Mobbingverhalten nicht erforderlich, dass die Mobbinghandlungen systematisch und über einen längeren Zeitraum erfolgen müssten; vielmehr reiche es aus, dass eine jeweilige Gelegenheit ausgenutzt werde. Im vorliegenden Fall habe die Vorgesetzte der Klägerin Frau X , nachdem die Klägerin einen Unfall erlitten habe, geäußert, die Klägerin habe sich hoffentlich "ihr verlogenes Mundwerk aufgeschlagen". Da die Klägerin bei der Äußerung, welche Frau X nicht ihr gegenüber, sondern gegenüber ihren Kolleginnen Frau W und Frau V gemacht habe, nicht anwesend gewesen sei, könne sie den genauen Zeitpunkt der Äußerung nicht benennen. Angesichts der Beweisnot der Klägerin hätte das Arbeitsgericht Kaiserslautern die Zeuginnen W und V zu der Behauptung der Klägerin vernehmen müssen.

Sie, die Klägerin habe sich nach dem diskriminierenden Verhalten ihrer Vorgesetzten Frau X an den Betriebsleiter der Beklagten gewandt, der jedoch ihr Hilfeersuchen zurückgewiesen habe unter Hinweis darauf, dass die Regelung privater Zwistigkeiten nicht zu seinem Aufgabengebiet gehöre. Mithin sei die Beklagte den ihr als Arbeitgeberin obliegenden Schutzpflichten gegenüber der Klägerin nicht nachgekommen. Soweit das Arbeitsgericht die Auffassung vertreten habe, die Versetzung der Klägerin sei angesichts des Fehltagekontos von 92 Werktagen, aufgrund eines betrieblichen Interesses der Beklagten notwendig geworden, werde nicht hinreichend berücksichtigt, dass auch die erhöhten Fehlzeiten der Klägerin ein weiteres Indiz für die Mobbingmaßnahmen seitens ihrer Vorgesetzten Frau X seien.

Nach alledem habe die Klägerin - im Hinblick auf die für sie nach Artikel 6 EMRK gebotenen Beweiserleichterungen - das Mobbingsverhalten der Beklagten hinreichend substantiiert dargelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 14.04.2004 (Bl. 65 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26.05.2004 (Az.: 1 Ca 331/04) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenen Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus,

die Klägerin habe zu der Behauptung, Frau X habe gegenüber Arbeitskolleginnen nach einem Unfall der Klägerin geäußert, diese habe hoffentlich "ihr verlogenes Mundwerk aufgeschlagen", nach wie vor nicht dargelegt, wann und wo sowie in welchem Zusammenhang diese Bemerkung gemacht worden sei. Diese Erklärung könne daher der Beklagten auf jeden Fall nicht zugerechnet werden. Auch der Standpunkt des damaligen Bezirksleiters der Beklagten, die Regelung privater Zwistigkeiten gehöre nicht zu seinem Aufgabengebiet, sei nicht zu beanstanden. Frau X sei im Übrigen häufig in anderen Filialen als die Klägerin eingesetzt worden, so dass während dieser Zeiten (September 2002 bis Januar 2003; Mitte Januar bis Mitte Februar 2003 und Mitte Februar bis Mitte März 2003) die behauptete Schikanierung der Klägerin durch Frau X nicht erfolgt sein könne. Da die Klägerin nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 25.06.2003 mehr als acht Monate zugewartet habe, bis sie die vorliegenden Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend gemacht habe, sei die Klage verfristet.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 23.09.2004 (Bl. 80 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Leistung von Schmerzensgeld nach § 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB schon dem Grunde nach nicht zu.

Zwar ist das durch Artikel 1 und 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht auch im Privatrechtsverkehr und damit auch im beruflichen und arbeitsvertraglichen Bereich zu beachten (vgl. BAG, Urt. v. 29.10.1997 - 5 AZR 508/95 = NZA 1998, 307; BAG, Urt. v. 04.04.1990 - 5 AZR 299/98 = NZA 1990, 933; BAG, Urt. v. 15.07.1987 - 5 AZR 215/96 = NZA 1988, 53). Wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann aber Ersatz des immateriellen Schadens in Geld nur verlangt werden, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn Genugtuung durch Unterlassung, Widerruf oder Gegendarstellung auf andere Weise nicht zu erreichen ist (vgl. BAG, Urt. v. 29.04.1983 - 7 AZR 678/79 = Juris). Das durch Artikel 1 und 2 GG eingeräumte Recht auf Achtung der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit schützt auch einen Arbeitnehmer, der sich einem Verhalten von Arbeitgeber oder Arbeitskollegen gegenübersieht, das als Mobbing zu bezeichnen ist. Das Bundesarbeitsgericht versteht unter Mobbing das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte (vgl. Beschl. v. 15.01.1997 - 7 ABR 14/96 = AP Nr. 118 zu § 37 BetrVG 1972). Im Einzelnen werden unter dem Begriff des Mobbing im arbeitsrechtlichen Zusammenhang fortgesetzte aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen zusammengefasst, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.08.2001 - 6 Sa 415/01 = NZA - RR 2002, 121; LAG Hamm, Urt. v. 25.06.2002 - 18 (11) Sa 1295/01 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mobbing; LAG Thüringen, Urt. v. 15.02.2001 - 5 Sa 102/00 = NZA - RR 2001, 577).

Ob ein nach diesem arbeitsrechtlichen Verständnis für die Annahme von Mobbing erforderliches systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren vorliegt, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem in einem Betrieb im Allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen erfüllt den Begriff des Mobbing (vgl. LAG Schleswig Holstein, Urt. v. 19.03.2002 - 3 Sa 1/02 = DB 2002, 1056). Bei kurzfristigen Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen fehlt es in der Regel schon an der notwendigen systematische Vorgehensweise (vgl. LAG Hamm a.a.O. m.w.N.).

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze im vorliegenden Fall zu Recht festgestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht durch ein Mobbingverhalten, das der Beklagten zurechenbar wäre, verletzt worden ist. Selbst wenn man - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - unterstellt, dass die Klägerin die Äußerung ihrer Vorgesetzten Frau X gegenüber den Arbeitskolleginnen W und V nach dem Unfall der Klägerin hinreichend substantiiert vorgetragen hat, ist weiter festzustellen, dass im Übrigen aber ein systematisch anfeindendes, schikanierendes und diskriminierendes Verhalten von Arbeitgeber oder Arbeitskollegen noch nicht einmal ansatzweise substantiiert und schlüssig von der Klägerin dargelegt werden konnte.

Wenn der Bezirksleiter der Beklagten es nach dem klägerischen Sachvortrag abgelehnt hat, in dem Konflikt zwischen Frau X und der Klägerin zu schlichten, liegt bereits keine schwerwiegende Pflichtverletzung vor. Denn die Auffassung des Bezirksleiters, der Streit zwischen den beiden Frauen sei eine private Zwistigkeit, in die er sich nicht einmischen wolle, ist nicht derart diskriminierend, dass sie ein Element der Grundlage für einen Schmerzensgeldanspruch werden könnte. Dies gilt umso mehr, als die von der Klägerin gerügte Konfliktsituation mit Frau X im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses durch die von der Beklagten durchgeführte Versetzung der Klägerin nach R beendet wurde.

Dass die erhöhten Fehlzeiten der Klägerin (92 Fehltage in sechs Monaten) ein weiteres Indiz für Mobbingsmaßnahmen seien, ist eine unschlüssige Behauptung der Klägerin. Arbeitsunfähigkeitszeiten können auf allen möglichen medizinischen Ursachen beruhen; ein Zusammenhang mit einem Mobbingverhalten muss nachvollziehbar und schlüssig dargelegt werden. Hieran fehlt es aber im vorliegenden Fall.

Mithin wäre, selbst wenn man unterstellt, die Klägerin hätte die beleidigende Äußerung von Frau X substantiiert vorgetragen, jedenfalls keine Systematik zu erkennen, aufgrund deren die Klägerin angefeindet, schikaniert oder diskriminiert würde. Sie hätte dann lediglich einen isolierten Einzelfall vorgetragen, der die rechtlichen Voraussetzungen eines schmerzensgeldpflichtigen Mobbingverhaltens nicht erfüllt.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung findet eine Revision nicht statt, da es für die Zulassung der Revision unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass fehlt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision kann von der Klägerin nach Maßgabe des § 72 a ArbGG Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.

Ende der Entscheidung

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