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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.02.2009
Aktenzeichen: 9 Sa 676/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG, KSchG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BetrVG § 102 Abs. 3
BetrVG § 102 Abs. 5
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 138 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.10.2008, Az.: 10 Ca 3034/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 14.12.2007 ordentlich zum 30.06.2008 aus personenbedingten Gründen erklärten Kündigung, über die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin und über Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Juli und August 2008. Von einer wiederholenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird abgesehen und stattdessen gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.10.2008, Az.: 10 Ca 3034/07 (Bl. 138 ff. d. A.). Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 14.12.2007, zugegangen am 15.12.2007, zum 30.06.2008 nicht aufgelöst worden ist, 2. die Beklagte zu verurteilen, sie über den 30.06.2008 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsvertrag von 1992 als Sachbearbeiterin in K. weiterzubeschäftigen, 3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.162,00 EUR brutto abzüglich 891,30 EUR erhaltenen Arbeitslosengeldes nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen, und 4. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.162,00 EUR brutto abzüglich 891,80 EUR erhaltenem Arbeitslosengeld nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt: Aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Vergangenheit sei die Beklagte ihrer Darlegungslast im Hinblick auf eine negative Zukunftsprognose gerecht geworden. Das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, diese Indizwirkung der Erkrankungen der Vergangenheit zu entkräften. Die Klägerin habe nicht behauptet, die Gesundheitsprognose sei von den sie behandelnden Ärzten bezüglich aller prognosefähiger Krankheiten positiv beurteilt worden. Nach dem Sachvortrag der Klägerin bliebe offen, weshalb anzunehmen sei, dass ihre Bronchitis endgültig ausgeheilt sei. Auch wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt werde, dass sie seit 2001, spätestens seit 2003 Maßnahmen zur Krankheitsvorbeugung und -abwehr unternommen habe, werde die Krankheitsanfälligkeit der Klägerin dadurch bestätigt, dass sie auch in den Jahren 2004 bis 2007 jeweils wiederholt erkrankt sei. Nach eigenem Sachvortrag der Klägerin leide sie ferner spätestens seit 2003 unter Rückenbeschwerden und Bandscheibenschäden sowie ab 2007 an einem "Tennisarm". Bei derartigen Erkrankungen liege aber ohne besondere Therapiemaßnahmen grundsätzlich die Gefahr einer Wiederholung nahe, selbst wenn die akuten Erkrankungsfälle ausgeheilt seien. Selbst bei Nichtberücksichtigung der nicht prognosefähigen Erkrankungen verblieben umfangreiche und über einen Zeitraum von über 6 Wochen hinausgehende Fehlzeiten, die eine Wiederholungsgefahr in der Zukunft indizierten. Im Hinblick auf den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses der Parteien seit 2001 bis zum Zugang der Kündigung sei auch künftig mit erheblichen Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen. Auch die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung könne nicht zu Gunsten der Kläger ausfallen. Das Lebensalter der 1972 geborenen Klägerin könne keine nachhaltige Berücksichtigung finden. Das Arbeitsverhältnis sei bereits seit 1999 gestört und seit 2001 aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten sehr empfindlich gestört gewesen. Seit 2004 entspreche die Höhe der geleisteten Entgeltfortzahlung jeweils mindestens 2, im Jahre 2006 sogar mehr als 3 Bruttogehältern. Soweit die Klägerin darauf abstelle, zum Teil seien Erkrankungen betrieblich verursacht, fehle es an einem ausreichend substantiierten Sachvortrag. Die bloße Erklärung, Erkältungserkrankungen oder ein Tennisarm seien betrieblich veranlasst/verursacht gewesen, genüge den prozessualen Anforderungen nicht, zumal die Klägerin selbst ein schlechtes Immunsystem bestätigt und die krankheitsbedingten Ausfallzeiten seit spätestens 2003 eine besondere Anfälligkeit des Bewegungsapparates erkennen ließen. Dies gelte auch dann, wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt würde, sie habe ungeachtet ihres wiederholt wechselnden Parteivortrags Mitte Dezember 2005 einen Arbeitsunfall erlitten. Die Anfälligkeit der Klägerin für Erkrankungen werde hierdurch nicht ausgeräumt und die Fehlzeiten der Klägerin von April bis August sowie im November 2006 gingen ohne Berücksichtigung des Wegeunfalls weit über 6 Wochen hinaus. Da somit die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2008 beendet habe, bestünden auch keine Zahlungsansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist. Ein derartiger Anspruch und ein Weiterbeschäftigungsanspruch ergebe sich nicht aus § 102 Abs. 5 BetrVG. Ein betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch scheide aus, da der Betriebsrat in seinem Widerspruch nicht ausreichend auf einen der in § 102 Abs. 3 BetrVG aufgezählten Widerspruchsgründe Bezug genommen habe. Der Widerspruch des Betriebsrats lasse vielmehr völlig offen, welcher Widerspruchsgrund in Betracht kommen könnte. Das genannte Urteil ist der Klägerin am 30.10.2008 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 11.11.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit dem am 11.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums, auf den Bezug genommen wird, (Bl. 170 ff. d. A.) im Wesentlichen wie folgt begründet: Soweit das Arbeitsgericht von einer negativen Gesundheitsprognose ausgehe, werde dies dem tatsächlichen Sachverhalt und der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht gerecht. Das Arbeitsgericht lasse außer Acht, dass als Beurteilungszeitraum lediglich die letzten zwei bis drei Jahre vor dem Ausspruch der krankheitsbedingten Kündigung gewertet werden könnten. Eine Erstreckung auf einen noch davor liegenden Zeitraum stehe im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Arbeitsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass sich in den letzten zwei Jahren die krankheitsbedingten Fehlzeiten auf einen Arbeits- bzw. Wegeunfall zurückführen ließen. Die Beklagte habe auch nicht dazu vorgetragen, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten zu einer Betriebsablaufstörung geführt hätten. In den Jahren 2006 und 2007 seien krankheitsbedingte Fehlzeiten im Wesentlichen auf einen Arbeitsunfall und einen Wegeunfall zurückzuführen, wobei die krankheitsbedingten Fehlzeiten zu einer Entgeltfortzahlung für lediglich 6 Wochen geführt hätten. Bezüglich der weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten sei darauf hinzuweisen, dass sie an einer Bronchitis gelitten habe, die zwischenzeitlich vollständig ausgeheilt sei. Ausgehend hiervon seien deshalb in den Jahren 2005 bis 2007 keine erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten angefallen. Die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Jahre 1999 bis 2004 müssten hingegen unberücksichtigt bleiben. Zulässig sei lediglich das Abstellen auf einen Beurteilungszeitraum von Anfang 2005 bis Ende 2007. Auch eine Interessenabwägung habe nicht stattgefunden. Das Arbeitsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass das Arbeitsverhältnis seit mehr als 15 Jahren bestehe. Die Beklagte hätte im Rahmen einer Interessenabwägung überprüfen müssen, ob vor dem Ausspruch einer Beendigungskündigung nicht die Möglichkeit bestehe, der Klägerin einen krankheits- und leidensgerechten Arbeitsplatz zuweisen zu können. Weshalb sich die Beklagte gerade im Jahre 2007 zum Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung entschlossen habe, obwohl dort für den vorangegangenen Zeitraum von 3 Jahren eine Reduzierung der krankheitsbedingten Fehlzeiten festzustellen gewesen sei, könne einer sachgerechten Begründung nicht zugeführt werden. Dies falle umso mehr ins Gewicht, als bereits erstinstanzlich vorgetragen worden sei, dass die Klägerin in dem Betrieb der Beklagten auch mit körperlich anstrengenden Tätigkeiten wie Heben, Tragen von schweren Gegenständen und Bücken betraut worden sei. Dies habe dazu geführt, dass sie an einem Tennisarm leide. Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.10.2008, Az.: 10 Ca 3034/07 abzuändern und 1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 14. Dezember 2007, zugegangen am 15. Dezember 2007, zum 30.06.2008 nicht aufgelöst worden ist; 2. die Beklagte zu verurteilen, sie über den 30.06.2008 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiterin in K. weiterzubeschäftigen. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 22.01.2009, auf den Bezug genommen wird (Bl. 196 ff. d. A.), als zutreffend. Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Berufungskammer folgt der Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Die Ausführungen der Berufung veranlassen folgende Ausführungen:

1. Auch die Berufungskammer teilt die vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BAG 8.11.2007 -2 AZR 292/06- EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 54) vertretene Auffassung zu den Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung aus Krankheitsgründen:

Danach ist zunächst - erste Stufe - eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen, und zwar abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind.

Treten - wie im vorliegenden Fall - während der letzten Jahre jährlich mehrere Kurzerkrankungen auf, sprechen diese für ein entsprechendes Erscheinungsbild auch in der Zukunft. Der Arbeitgeber darf sich in solchen Fällen zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten.

Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen.

Liegt eine solche erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor, so ist in einem dritten Prüfungsschritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Dabei ist u.a. zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zunächst ungestört verlaufen ist, ob der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält und etwa neben Betriebsablaufstörungen auch noch hohe Entgeltfortzahlungskosten aufzuwenden hatte. Ferner sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten sowie ggf. eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen

2. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte ihrer Darlegungslast hinsichtlich einer negativen Zukunftsprognose gerecht geworden ist. Indem die Beklagte die Krankheitszeiten der Klägerin im Einzelnen präzisiert nach Zahl, Dauer sowie zeitlicher Folge vorgetragen und die negative Zukunftsprognose dargestellt hat, ist sie ihrer Darlegungslast nachgekommen.

Zwischen den Parteien war erstinstanzlich unstreitig, dass sich die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin in den Jahren 2004 bis 2007 wie folgt darstellen:

 2003123 Arbeitstage
200493 Arbeitstage
200567 1/2 Arbeitstage
2006126 Arbeitstage
2007 bis zur Kündigung136 1/2 Arbeitstage

Nachdem die Klägerin erstinstanzlich in ihrem Schriftsatz vom 18.07.2007 zu den Fehlzeiten der genannten Jahre Stellung genommen hat und die o.g. Fehlzeiten insoweit übereinstimmend mit den Angaben der Beklagten im genannten Umfang bestätigte, sind ihre zum Teil zu ihren Ungunsten abweichenden Angaben im Berufungsbegründungsschriftsatz (2005: 54 Arbeitstage; 2006: 151 Arbeitstage; 2007: 164 Arbeitstage) nicht nachvollziehbar.

Im Jahre 2003 sind nach eigenen Angaben der Klägerin die Fehlzeiten bis auf 14 Tage Kuraufenthalt, d.h. im Umfang von 109 Tagen auf Rückenprobleme zurückzuführen. Ebenso haben die Fehlzeiten des Jahres 2004 und überwiegend auch die des Jahres 2005 nach eigener Darstellung der Klägerin ihre Ursache in Rückenproblemen. Im Jahre 2007 sind die bis zur Kündigung angefallenen Fehlzeiten nach Angaben der Klägerin auf einen sog. Tennisarm zurückzuführen. Es handelt sich hierbei jeweils um Erkrankungen des Bewegungsapparates. Bei solchen Erkrankungen liegt, - wenn nicht besondere Therapiemaßnahmen (beispw. Operationen) ergriffen worden sind - grundsätzlich die Gefahr einer Wiederholung nahe, selbst wenn die akuten Erkrankungsfälle ausgeheilt sind. Sie zeugen von einer gewissen Anfälligkeit (vgl. BAG 10.11.2005 -2 AZR 44/05 - EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 52).

Diese negative Zukunftsprognose ist auch gerechtfertigt, wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass die Fehlzeiten des Jahres 2006 überwiegend nicht prognoserelevant sind. Die Berufungskammer geht zunächst davon aus, dass auf die Fehlzeiten des Jahres 2006in den Zeiträumen 13.03.-09.04.2006 und 04.09.-31.10.2006 Zeiten entfallen, die infolge der durch einen Wegeunfall verursachten Erkrankung bedingt waren. Diese Fehlzeiten können nicht zur Stützung einer negativen Zukunftsprognose herangezogen werden, da es sich bei einem derartigen Unfall um ein einmaliges Ereignis handelt und deshalb von einer Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann. Es handelt sich hierbei um 60 Arbeitstage. Ob eine Prognoserelevanz auch den auf die Zeiträume 14., 15.08., 28.08. bis 29.10 und 13.11. bis 26.11.2006 entfallenden Arbeitsunfähigkeitszeiten abzusprechen ist, erscheint der Berufungskammer fraglich. Bei diesen Zeiten soll es sich nach Angaben der Klägerin um Ausfallzeiten handeln, die infolge von Bandscheibenvorfällen als Folge eines Arbeitsunfalls eingetreten sein sollen. Zutreffend ist, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 7.12.1989 -2 AZR 225/89- EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 30) derartige Zeiten nicht prognoserelevant sind, da ihre Ursache der betrieblichen Sphäre zuzurechnen ist. Allerdings bestehen Zweifel daran, ob sich tatsächlich ein Arbeitsunfall ereignet hat. Zum einen hat die Darstellung der Klägerin zum Hergang des Unfalls im Laufe des Verfahrens mehrfach gewechselt, zum anderen behauptet sie als Zeitpunkt des Unfalls einen solchen Mitte Dezember 2005, wobei die Klägerin nach den von der Beklagten vorgelegten Aufstellung der Fehlzeitenzeiträume durchgängig vom 05.12.-31.12.2005 erkrankt war. Selbst wenn aber der Sachvortrag der Klägerin zuträfe, steht dies der Annahme einer negativen Zukunftsprognose nicht entgegen. Zwar ergäben sich unter Berücksichtigung des Wegeunfalls und des behaupteten Arbeitsunfalls für das Jahr 2006 lediglich Fehlzeiten im Umfang von 11 Arbeitstagen. Zu berücksichtigen ist aber, dass vor und nach dem Jahr 2006 erhebliche Fehlzeiten anfielen, die auf Erkrankungen des Bewegungsapparates beruhten und auch in den Jahren 2001 und 2002 erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten anfielen, die nach Angaben der Klägerin auf Venenoperationen beruhten, wobei auch bezüglich von Venenerkrankungen eine Wiederholungsgefahr nahe liegt. Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass jeglicher Sachvortrag der Klägerin dazu fehlt, dass diese operativ behandelten Erkrankungen nunmehr ausgeheilt seien.

Die von der Berufung vertretene Auffassung, dass zur Prüfung der negativen Zukunftsprognose aufgrund der in der Vergangenheit angefallenen Fehlzeiten lediglich auf den Zeitraum der letzten 2-3 Jahre vor Ausspruch der Kündigung zurückgegriffen werden könne, entspricht nicht der von der Berufungskammer geteilten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach ist gerade nicht auf einen "starren" Zeitraum der letzten drei Jahre abzustellen. Ausreichend für eine Indizwirkung sind hinreichende prognosefähige Fehlzeitenräume. Dies können die letzten drei Jahre sein, müssen es aber nicht. Ausreichend kann sowohl ein kürzerer Zeitraum als auch bei einzelnen Fehlzeiten erst ein längerer Zeitraum sein, um eine negative Prognose zu rechtfertigen (BAG 10.11.2005, aaO.).

Ausgehend hiervon ist festzustellen, dass die Klägerin bereits vor dem Jahr 2006 über einen längeren Zeitraum erhebliche Fehlzeiten aufwies und sich dies auch nach dem Jahr 2006 weiter fortsetzte. Diese Fehlzeiten sprechen für eine negative Zukunftsprognose und für eine gewisse Krankheitsanfälligkeit der Klägerin.

3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin diese negative Zukunftsprognose nicht erschüttert hat. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gem. § 138 Abs. 2 ZPO darzutun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet.

An einem derartigen, substantiierten Bestreiten fehlt es sowohl erst- als auch zweitinstanzlich. Die Klägerin hat weder hinsichtlich des behandelten Venenleidens, der von ihr für die Fehlzeiten der Jahre 2003-2005 genannten Rückenprobleme noch des als Ursache der Fehlzeiten im Jahr 2007 angeführten Tennisarms behauptet, dass diese Erkrankungen ausgeheilt seien oder die behandelnden Ärzte die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt hätten. Eine derartige Behauptung findet sich lediglich hinsichtlich der Bronchitiserkrankung, die aber nach Darstellung der Klägerin zu den Ursachen der Fehlzeiten gem. Schriftsatz vom 18.7.2008 ursächlich nur für die Fehlzeiten des Jahres 2006 war, die nicht auf den Wegeunfall bzw. den von der Klägerin behaupteten Arbeitsunfall zurückgingen.

4. Es liegt auch eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen aufgrund der Belastung der Beklagten mit Entgeltfortzahlungskosten vor. In den Jahren 2004, 2005 und 2007 überstiegen die Entgeltfortzahlungskosten den Betrag, den die Beklagte für einen sechswöchigen Krankheitszeitraum zu leisten hätte, jeweils erheblich, nämlich im Jahr 2004 um ca. 94 %, im Jahr 2005 um ca. 45 % und im Jahr 2007 um ca. 95 %.

5. Die Berufungskammer teilt schließlich auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung. Diese ergibt, dass die Beklagte die Beeinträchtigungen billigerweise nicht hinnehmen muss.

Die Klägerin ist ledig und keiner Person zum Unterhalt verpflichtet. Ihr Lebensalter lässt besondere Schwierigkeiten, einen anderweitigen Arbeitsplatz zu finden, nicht erwarten. Die 1972 geborene Klägerin befindet sich nicht in einem Altersbereich, in dem aufgrund altersbedingter Beschwerden ggf. eine erhöhte Krankheitsquote zu erwarten ist. Zugunsten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass sie bereits seit dem 01.08.1992 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht. Auf der anderen Seite wird diese erhebliche Dauer der Betriebszugehörigkeit dadurch relativiert, dass das Arbeitsverhältnis bereits seit dem Jahre 2001 durch nicht nur unerhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten belastet ist. Zu Lasten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass die aufgezeigten Fehlzeiten zu einer ganz erheblichen wirtschaftlichen Belastung der Beklagten geführt haben und der Entgeltfortzahlungsbetrag, der für 6 Wochen zu leisten gewesen wäre, jeweils ganz erheblich überschritten wurde. Eine weitere Belastung mit derartigen Kosten ist der Beklagten nicht zumutbar.

Soweit die Klägerin sich darauf beruft, ihre Erkrankung im Jahr 2007 (Tennisarm) habe betriebliche Ursachen und insoweit behauptet, das Leiden sei darauf zurückzuführen, dass sie arbeitsbedingt viel heben und tragen musste, rechtfertigt auch dies keine abweichende Beurteilung. Wenn eine Erkrankung auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist, ist dies zwar zugunsten des Arbeitnehmers im Rahmen der Interessenabwägung mit erheblichem Gewicht zu berücksichtigen. Es ist allerdings zunächst Sache des Arbeitnehmers, eine solche betriebliche Verursachung konkret darzulegen (vgl. nur KR-KSchG/Griebeling, 8. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 348 mwN. zur Rechtsprechung des BAG). Hieran fehlt es. Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin anlässlich des am 12.02.2007 geführten Personalgesprächs und ebenso gegenüber dem eingeschalteten Betriebsarzt am 28.06.2007 jeweils geäußert, dem Arbeitsplatz komme kein negativer Einfluss auf ihre Arbeitsfähigkeit zu bzw. dieser sei leidensgerecht. Angesichts dessen hätte die Klägerin um so mehr darlegen müssen, welche genauen betrieblichen Umstände die Erkrankung hervorgerufen haben sollen. Angesichts dieser eigenen Äußerungen der Klägerin ist auch nicht ersichtlich, wie eine Beschäftigung zu ggf. geänderten Arbeitsbedingungen zukünftige Fehlzeiten ausschließen könnte. Auch der Sachvortrag der Klägerin im vorliegenden Verfahren zeigt nicht auf, in welcher Art eine anders gestaltete Tätigkeit zukünftige Fehlzeiten im bisherigen Umfang ausschließen könnte.

6. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.06.2008 beendet hat, bestehen auch keine Annahmeverzugsvergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Juli und August 2008.

7. Auch ein Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzrechtsstreits besteht nicht. Ein Anspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG scheidet aus den vom Arbeitsgericht ausgeführten Gründen aus. Da die Kündigung -wie ausgeführt- rechtswirksam ist, scheidet auch ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach Maßgabe der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 (EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9) aus.

III. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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