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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.04.2003
Aktenzeichen: 9 Sa 91/03
Rechtsgebiete: EKT Anl. 12, KSchG, BGB


Vorschriften:

EKT Anl. 12 § 6
EKT Anl. 12 § 1
EKT Anl. 12 § 6 Abs. 3
EKT Anl. 12 § 6 Abs. 2
EKT Anl. 12 § 6 Abs. 9
KSchG § 2
KSchG § 1
BGB § 315
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 91/03

Verkündet am: 16.04.2003

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Übertragung einer neuen Arbeitstätigkeit sowie den Inhalt der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers.

Von der Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Sachvortrages wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Abstand genommen und auf S. 3 bis 13 des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.12.2002 (= Bl. 103 bis 113 d.A.) verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Herausnahme des Klägers aus der Funktion als Geschäftsstellenleiter in L sowie die Zuweisung einer Gebietsleitertätigkeit ab April 2002 unwirksam ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Leiter eines Servicezentrums in M , N oder L zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 06.12.2002 (Bl. 101 ff. d.A.) die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht unter anderem ausgeführt, der zulässige Klageantrag zu Ziffer 1) sei unbegründet, da die Beklagte, aufgrund des Tarifvertrages über Rationalisierungsschutz (Anlage 12 zum Ersatzkassentarifvertrag (im Folgenden: EKT)) befugt gewesen sei, dem Kläger eine Tätigkeit als Gebietsleiter zuzuweisen, nachdem dessen Arbeitsplatz als Geschäftsstellenleiter weggefallen sei. Der EKT einschließlich seiner Anlage 12 sei, aufgrund der zwischen den Parteien vereinbarten Bezugnahmeklausel anwendbar, zumal durch diese Vereinbarung unter anderem bezweckt worden sei, unorganisierte und tarifgebundene Arbeitnehmer gleich zu behandeln und eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen beim Arbeitgeber herbeizuführen. Zur Übertragung der Tätigkeit des Gebietsleiters auf den Kläger sei eine Änderungskündigung nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte habe von ihrem Direktionsrecht bei der Zuweisung der Gebietsleitertätigkeit an den Kläger Gebrauch gemacht, wobei sich ihr Direktionsrecht, angesichts § 6 IX der Anlage 12 zum EKT auch auf eine solche Maßnahme erstreckt habe. Aus dieser tariflichen Regelung folge nämlich, dass es nicht der Form einer Änderungskündigung bedürfe, um den Arbeitnehmer auf einen niedriger bewerteten Arbeitsplatz zu versetzen. Die Versetzung des Klägers sei auf der Rechtsgrundlage von § 6 des Tarifvertrages zum Rationalisierungsschutz erfolgt. Die Beklagte sei selbst dann nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger die Leitung des Servicezentrums M , N oder L anzubieten, wenn - wie zuletzt unstreitig - es sich hierbei um gleichwertige Arbeitsplätze im Sinne des § 6 Abs. 2 der Anlage 12 zum EKT des Tarifvertrages gehandelt habe. Der Beklagten habe es bei der Schaffung der neuen Arbeitsplätze in den Servicezentren freigestanden, ein Anforderungsprofil für zukünftige Bewerber zu erstellen. Ein solches Anforderungsprofil habe die Beklagte in ein Bewertungsschema umgesetzt, bei dessen Anwendung die drei Mitarbeiter, welche später als Leiter der Servicezentren ausgesucht worden seien, ohne Willkür oder unsachliche Motive dem Kläger vorgezogen worden seien. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger den Anforderungen der Beklagten im Bereich der Personalführung in einem geringeren Maße entsprochen habe, als die anderen Bewerber. Soweit der Kläger die ihm konkret vorgeworfenen Schwächen bestreite, trage er nicht substantiiert vor, weshalb seine Kompetenzen in der Mitarbeiterführung zumindest ebenso wie diejenigen der anderen Bewerber zu beurteilen gewesen seien.

Der Klageantrag zu 2) sei ebenfalls nicht begründet, zumal sich, angesichts der dargestellten Rechtslage, kein Anspruch des Klägers auf Beschäftigung als Leiter eines Servicezentrums ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf S. 13 ff. des Urteils vom 06.12.2002 (Bl. 113 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, welche ihm am 03.01.2003 zugestellt worden ist, am 20.01.2003 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am26.02.2003 sein Rechtsmittel begründet.

Der Kläger macht geltend,

die Beklagte habe bei der Zuweisung einer Gebietsleitertätigkeit die zulässigen Grenzen ihres Direktionsrechtes überschritten. Werde in den sogenannten Kernbereich eines Arbeitsverhältnisses eingegriffen, so sei dies allenfalls im Wege einer Änderungskündigung möglich. Ansonsten laufe der mit § 2 KSchG bezweckte Inhaltsschutz leer. Die Zuweisung einer anderen Tätigkeit könne im Übrigen auch nicht auf die Bestimmungen des EKT gestützt werden. Insoweit fehle es bereits an der notwendigen Bestimmtheit und Eindeutigkeit der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme der Anlage 12 zum EKT. Die Anweisung der Beklagten, dass der Kläger künftig als Gebietsleiter eingesetzt werde, greife eindeutig in den Kernbestand des bisherigen Arbeitsverhältnisses ein. Als Geschäftsstellenleiter habe er nämlich in der Vergangenheit weniger als zwei Drittel seiner Gesamtarbeitszeit für Außendiensttätigkeiten aufgewendet. Seine vorgegebenen Ziele hätten um 30% niedriger gelegen als die für Außendienstmitarbeiter. Seine Tätigkeit habe sich lediglich zur Hälfte auf den Außendienst bezogen, während ihm nun als Gebietsleiter eine 100%ige Außendiensttätigkeit übertragen werden solle. Der Kläger hätte im Übrigen bei der Besetzung der Leitungspositionen in den neu geschaffenen Servicezentren M , N oder L berücksichtigt werden müssen. Da es sich bei der Stelle des Leiters eines Servicezentrums um einen gleichwertigen Arbeitsplatz im Sinne von § 6 Abs. 2 des Rationalisierungsschutzvertrages handele, hätte dem Kläger eine dieser Stellen vorrangig zugewiesen werden müssen. Die tarifliche Vorgabe der Gleichwertigkeit einer Tätigkeit habe im Übrigen Vorrang vor der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zur Bestimmung eines Anforderungsprofils für eine zu besetzende Stelle. Entgegen der Auffassung der Gegenseite könne dem Kläger kein Defizit im Bereich der Mitarbeiterführung vorgeworfen werden; dies folge bereits aus der Tatsache, dass er als Regionalgeschäftsführer in N mit Mitarbeiterführung befasst gewesen und im Zwischenzeugnis vom 30.12.1996 die Fähigkeit zur Mitarbeiterführung bestätigt worden sei. Die von der Gegenseite vorgelegten Bewertungsbögen seien mit dem Kläger nicht besprochen worden; ebenfalls sei ihm bislang ein Exposé seines früheren Vorgesetzten Kürbis unbekannt gewesen. Außerdem sei die Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Festlegung der Beurteilungskriterien für die zu vergebenden Serviceleiterstellen zu bestreiten. Bei der Auswahl unter den Stellenbewerbungen hätten auch soziale Daten berücksichtigt werden müssen. Die Bewertungsbögen seien wenig aussagekräftig hinsichtlich der Fähigkeit der Bewerber zur Übernahme der Leitungsfunktionen in den Servicezentren. Schließlich sei noch darauf hinzuweisen, dass Herr Be. von den Umstrukturierungsmaßnahmen überhaupt nicht betroffen gewesen und trotzdem zum Leiter eines Servicezentrums bestellt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 25.02.2003 (Bl. 131 ff. d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.12.2002 - 7 Ca 1305/02 - abzuändern und

1. festzustellen, dass die Herausnahme des Klägers aus der Funktion als Geschäftsstellenleiter in L sowie die Zuweisung einer Gebietsleitertätigkeit ab April 2002 unwirksam sind,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Leiter eines Servicezentrums in M , N oder L zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung,

die Zuweisung der Gebietsleitertätigkeit sei für den Kläger bindend, da sie auf dem tarifvertraglich erweiterten Direktionsrecht der Beklagten beruhe. Auch die Anlage 12 zum EKT sei durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme erfasst, zumal in den Normen des ausdrücklich im Arbeitsvertrag erwähnten Tarifvertrages mehrfach auf die Anlagen Bezug genommen werde. Eine tarifliche Erweiterung des Direktionsrechts sei grundsätzlich möglich und ergebe sich im vorliegenden Fall aus § 6 Abs. 3 und 9 der Anlage 12 zum EKT. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung und Vergütung, da eine dahingehende Vereinbarung nicht getroffen worden sei. Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 20.09./02.10.1972 sei er als Angestellter zu beschäftigen; eine bestimmte auszuübende Tätigkeit sei somit nicht Vertragsinhalt geworden.

Bei seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsstellenleiter sei er zu cirka 2/3 seiner Gesamtarbeitszeit mit Außendienst befasst gewesen. Dem entspreche auch die um 30% niedrigere Zielvorgabe durch die Beklagte für Geschäftsstellenleiter im Vergleich zu Außendienstmitarbeitern. In einem Antrag vom 01.07.1998 auf Pauschalvergütung gemäß der Anlage 6 Ziffer 6 zum EKT habe der Kläger selbst erklärt, monatlich mehr als 2/3 seiner Arbeitszeit im Außendienst tätig zu sein. Hiervon unterscheide sich die Tätigkeit eines Leiters eines Servicezentrums insbesondere dadurch, dass dieser keinen Außendienst verrichte und in erster Linie Mitarbeiter verantwortlich führe. Das Stellenbesetzungsverfahren hinsichtlich der drei zu vergebenden Positionen als Servicezentrumsleiter sei nicht zu beanstanden. Aus dem Tarifvertrag über Rationalisierungsschutz ergebe sich keine Verpflichtung der Beklagten eine dieser Stellen mit einem weniger geeigneten Bewerber zu besetzen. Die Beurteilungskriterien und Modalitäten des Beurteilungsverfahrens seien ordnungsgemäß mit der Personalvertretung abgestimmt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 27.03.2003 (Bl. 157 ff d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat beide zulässigen Klageanträge zu Recht als unbegründet abgewiesen.

I.

Die vom Kläger begehrte Feststellung, dass seine Herausnahme aus der Funktion als Geschäftsstellenleiter in L sowie die Zuweisung einer Gebietsleitertätigkeit ab April 2002 unwirksam sind, war nicht zu treffen, da diese Maßnahmen, aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.09.1972 in Verbindung mit § 6 der Anlage 12 zum EKT (Tarifvertrag über Rationalisierungsschutz) rechtswirksam sind.

1. Die Anlage 12 zum EKT ist auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, zumal die Parteien im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 20.09.1972 unter anderem vereinbart haben: "Für das Arbeitsverhältnis gelten die Bestimmungen des Ersatzkassentarifvertrages (EKT) sowie dessen künftige Änderungen". Soweit der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit die Frage aufgeworfen hat, ob hierdurch auch die Anlage 12 zum EKT Gegenstand des Arbeitsvertrages geworden ist, ist diese, aufgrund des zitierten eindeutigen Wortlauts des Arbeitsvertrages, zu bejahen. Anlagen zu einem Tarifvertrag gehören zu dessen festen Bestandteilen und werden daher von einer vorbehaltlosen vertraglichen Inbezugnahme des Tarifvertrages ohne weiteres mitumfasst. Vorliegend gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte, weshalb dies hier nicht der Fall sein soll. Angesichts des bestimmten und eindeutigen Vertragswortlautes besteht hier - im Unterschied zu dem vom Bundesarbeitsgericht am 30.08.2000 entschiedenen Fall (Az.: 4 AZR581/99 = NZA 2001, 510) - kein Anlass für eine Auslegung. Denn Voraussetzung für die Auslegung von Willenserklärungen ist, dass sie mehrdeutig und daher auslegungsbedürftig sind (vgl. RGZ 158, 124; BGHZ 25, 319).

Aus der tariflichen Regelung der Anlage 12 zum EKT ergibt sich ein tarifliches Versetzungsrecht der Beklagten. Die in diesem Zusammenhang relevanten Tarifregelungen lauten:

"§ 1

Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für alle Angestellten gemäß § 1 EKT, einschließlich der Angestellten gemäß § 1 a EKT, die von einer Rationalisierungsmaßnahme betroffen sind.

§ 6

Weiterbeschäftigung

1. Ist eine gleichwertige Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich, hat die Kasse den Angestellten bei der Besetzung eines höherwertigen Arbeitsplatzes im Rahmen der Auswahl unter gleich geeigneten Bewerbern bevorzugt zu berücksichtigen.

2. Steht kein Arbeitsplatz im Sinne des Absatzes 1 zur Verfügung, hat die Kasse dem Angestellten einen gleichwertigen, geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz in nachstehender Reihenfolge

in derselben Dienststelle,

in einer anderen Dienststelle an demselben Dienst- oder Wohnort, in einer anderen Dienststelle außerhalb des bisherigen Dienst- oder Wohnortes

anzubieten.

3. Steht kein Arbeitsplatz im Sinne der Absätze 1 und 2 zur Verfügung, hat die Kasse dem Angestellten einen niedriger bewerteten, geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz in nachstehender Reihenfolge

in derselben Dienststelle,

in einer anderen Dienststelle an demselben Dienst- oder Wohnort,

in einer anderen Dienststelle außerhalb des bisherigen Dienst- oder Wohnortes

anzubieten.

4. Ein Arbeitsplatz ist gleichwertig, wenn die angebotene Tätigkeit der bisherigen Eingruppierung und der Umfang der neuen Tätigkeit der bisherigen tarifvertraglich/arbeitsvertraglichvereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit entspricht.

5. Ein Arbeitsplatz ist geeignet, wenn er den Fähigkeiten und Kenntnissen des Angestellten sowie dessen bisherigen Tätigkeiten bei der Kasse angemessen Rechnung trägt und damit zu rechnen ist, dass der Angestellte die Anforderungen am neuen Arbeitsplatz erfüllen oder die erforderlichen Qualifikationen im Rahmen einer Einarbeitung und/oder einer Schulungsmaßnahme erwerben kann.

9. Der Angestellte hat einen ihm in der Reihenfolge der Absätze 2 und 3 angebotenen, geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz anzunehmen. Ist er hierzu nicht bereit, kann die Kasse unter Einhaltung der Fristen nach § 32 Absatz 1 EKT das Beschäftigungsverhältnis kündigen; das gilt auch für Angestellte im Sinne des § 33 Absatz 1 EKT. In diesem Falle finden die Regelungen des § 9 keine Anwendung."

Demnach hat die Beklagte einem von einer Rationalisierungsmaßnahmebetroffenen Arbeitnehmer gemäß § 6 Abs. 3 der Anlage 12 zum EKT unter bestimmten Voraussetzungen einen Arbeitsplatz anzubieten und der Arbeitnehmer hat seinerseits den Arbeitsplatz, falls er in der Reihenfolge des § 6 Abs. 2 und 3 angeboten wird, gemäß § 6 Abs. 9 der Anlage 12 zum EKT anzunehmen. Da der Arbeitnehmer im Falle der Ablehnung eines solchen Angebotes mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen muss und eine tarifliche Abfindungszahlung dann ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. § 6 Abs. 9 Satz 3 der Anlage 12 zum EKT), hat die tarifliche Regelung - obwohl von Angebot und Annahme die Rede ist - faktisch den Charakter einer Versetzung und muss sich daher auch an dem entsprechenden rechtlichen Maßstab messen lassen.

2. Das tariflich geregelte Versetzungsrecht ist auf den vorliegenden Fall anwendbar; es ist - entgegen der Auffassung des Klägers - insbesondere nicht wegen einer Umgehung des Änderungskündigungsschutzes aus §§ 2, 1 KSchG unwirksam.

Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang hervorhebt, durch Tarifvertrag dürfe das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht derart erweitert werden, dass in den arbeitsvertraglichen Kernbereich eingegriffen werde und dabei Kündigungsschutzregelungen umgangen würden, ist dem im vorliegenden Zusammenhang nicht zu folgen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes verkörpert eine, kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme geltende, tarifliche Regelung, die ein Arbeitsverhältnis, durch Inkrafttreten nach Vertragsschluss, in einem wesentlichen Punkt abändert, keine Umgehung des Kündigungsschutzes. Zwar ist eine wesentliche Änderung des Arbeitsvertrages im Individualarbeitsrecht Aufgabe einer Änderungskündigung, die dann auch gerichtlich überprüfbar wäre. Doch tritt anstelle des Kündigungsschutzes im kollektivrechtlich geprägten Arbeitsverhältnis der Schutz, der von der Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages und der Gleichgewichtigkeit der Tarifvertragsparteien ausgeht, der anders als der geringere Schutz des § 315 BGB bei einer einseitigen Leistungsbestimmung und bei einem Widerrufsvorbehalt von gleichwertiger Qualität wie der Kündigungsschutz ist (vgl. BAG, Urt. v. 06.09.1990 - 6 AZR 612/88 = AP Nr. 1 zu § 2 SR 2 l BAT m.w.N.).

Dementsprechend ist vorliegend das tariflich eingeräumte Versetzungsrecht im Falle von Rationalisierungsmaßnahmen rechtlich nicht zu beanstanden.

3. Die tariflichen Voraussetzungen für eine Versetzung des Klägers von der Position des Geschäftsstellenleiters auf jene eines Gebietsleiters sind vorliegend erfüllt.

Dabei soll zunächst - wie auch im folgenden - angenommen werden, dass es im April 2002 zu einer Versetzung des Klägers tatsächlich gekommen ist. Dementsprechend wird der zwischen den Parteien streitige Umstand zu Gunsten des Klägers als zutreffend unterstellt, dass vor dem April 2002 seine Arbeitstätigkeit als Geschäftsstellenleiter zum Vertragsinhalt geworden ist. Durch die Zuweisung der Gebietsleitertätigkeit wurde dann der Inhalt der vom Kläger zu verrichtenden Arbeitstätigkeit wesentlich geändert, zumal Gebietsleiter bei der Beklagten zu 100% Außendienstarbeit (Vertriebstätigkeit) verrichten, während die früheren Geschäftsstellenleiter zumindest zu einem Drittel auch Innendienst (Verwaltungstätigkeiten) leisteten.

Der bisherige Arbeitsplatz des Klägers ist unstreitig, aufgrund der Umorganisation der Beklagten, spätestens zum April 2002 entfallen. Bei der Umorganisation handelt es sich um eine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der Anlage 12 zum EKT.

Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht eine Gebietsleiterposition zugewiesen, da eine andere Stelle, die ihm unter Berücksichtigung der Reihenfolge aus § 6 Abs. 1 bis 3 der Anlage 12 zum EKT hätte zugewiesen werden können, nicht vorhanden war.

a) Ein höherwertiger Arbeitsplatz im Sinne von § 6 Abs. 1 der Anlage 12 zum EKT stand nicht zur Verfügung. Zwischen den Parteien war zumindest zweitinstanzlich unstreitig, dass die drei in M , N und L zu besetzenden Stellen für den Leiter der dort angesiedelten Servicezentren, gegenüber der Geschäftsleiterposition des Klägers nicht höherwertig, sondern - ausgehend von der nach § 6 Abs. 4 der Anlage 12 zum EKT maßgeblichen Vergütungshöhe und Arbeitszeit -gleichwertig waren.

b) Trotzdem war dem Kläger keine dieser drei Stellen auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 der Anlage 12 zum EKT zuzuweisen. Denn hiernach muss der zuzuweisende Arbeitsplatz nicht nur gleichwertig und zumutbar, sondern auch geeignet sein. Voraussetzung für die Eignung sind nach § 6 Abs. 5 der Anlage 12 zum EKT nicht nur die Fähigkeiten und Kenntnisse des Angestellten sowie dessen bisherige Tätigkeit; vielmehr ist auch erforderlich, dass damit zu rechnen ist, dass der Angestellte die Anforderungen am neuen Arbeitsplatz erfüllen oder die erforderlichen Qualifikationen im Rahmen einer Einarbeitung und/oder eine Schulungsmaßnahme erwerben kann.

Soweit die Beklagte im Rahmen der Umorganisation neue Arbeitsplätze geschaffen hat, stand es ihr frei, die Anforderungen an Bewerber für diese Arbeitsplätze zu bestimmen. Dies war Teil der ihr eingeräumten unternehmerischen Freiheit. Aus demselben Grund stand es ihr auch frei, eine Bestenauslese vor der Besetzung dieser Stellen durchzuführen und dabei soziale Auswahlkriterien hintan zu stellen. Diese bei Stellenbesetzungen in der Privatwirtschaft selbstverständlichen Möglichkeiten wurden vorliegend durch § 6 der Anlage 12 zum EKT nicht eingeschränkt. Vielmehr haben die Tarifparteien in § 6 Abs. 1 im Zusammenhang mit höherwertigen Arbeitsplätzen sogar geregelt, dass eine Bevorzugung eines von einer Rationalisierungsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmers nur bei gleicher Eignungen folgen soll.

Vorliegend hat die Beklagte das Anforderungsprofil an den Leiter eines Servicezentrums abstrakt festgelegt (Bl. 54 d.A.) und in ein Bewertungsschema (Bl. 74 d.A.) umgesetzt. Soweit sie anhand dieses Anforderungsprofils die drei Stellen mit den Herren B , H und R besetzt hat, ist dies nicht zu beanstanden, da es sich - gegenüber dem Kläger - um besser geeignete Bewerber handelte. Das Arbeitsgericht hat dies auf Seite 19 f. seines Urteils vom 06.12.2002 (= Bl. 119 f. d.A.) zutreffend im Einzelnen ausgeführt; die Berufungskammer macht sich diese Feststellungen zu eigen und sieht von einer wiederholenden Darstellung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab.

Da der Kläger gegenüber den anderen Stellenbewerbern insbesondere im Bereich der Mitarbeiterführung schlechter beurteilt worden war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit Schulungsmaßnahmen, die in angemessener Zeit durchgeführt werden könnten, diese Defizite vor der Stellenbesetzung hätten durch zumutbare Schulungsmaßnahmen ausgeglichen werden können.

Die im Zusammenhang mit der Besetzung der drei vakanten Stellen für Leiter von Servicezentren vom Berufungsführer erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

aa) Wenn der Kläger darauf hinweist, dass seine Fähigkeit zur Mitarbeiterführung im Zwischenzeugnis vom 30.12.1996 sehr positiv beurteilt worden sei, verkennt er, dass seine damaligen Vorgesetzten später, nämlich am Ende seiner Erprobungszeit als Regionalgeschäftsführer zu der Auffassung gelangt waren, dass seine Fähigkeiten in diesem Bereich nicht ausreichen, um ihn auf dieser Position zu belassen. Dass diese Einschätzung auf Willkür beruhte, vermochte der Kläger nicht im Einzelnen auszuführen.

bb) Dass die Bewertungsbögen, welche vor der Stellenbesetzung in den Servicezentren von der Beklagten erstellt wurden, mit dem Kläger nicht besprochen wurden, ändert letztlich nichts am Inhalt dieser Bögen. Dass die Beklagte bei der inhaltlichen Bewertung ermessensfehlerhaft handelte, vermochte der Kläger nicht darzulegen. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, dass der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, der den Bewertungsbogen ausfüllte, nämlich Herr M , in irgendeiner Weise die negative Beurteilung des früheren Vorgesetzten des Klägers, Herrn K , unkritisch übernommen hat.

cc) Der Hinweis des Klägers, die Beklagte habe die Stelle des Leiters eines der Servicezentren mit Herrn Benninger besetzt, mithin mit einem Bewerber, der nicht von einer Rationalisierungsmaßnahme betroffen gewesen sei, ist zutreffend. Der Beklagten blieb es aber, unter Berücksichtigung der oben dargestellten Rechtsgrundsätze, unbenommen, die neu geschaffene Stelle des Leiters eines Servicezentrums mit einem Bewerber zu besetzen, der ihrem Anforderungsprofil am besten entspricht.

dd) Wenn der Kläger die Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates bei der Festlegung der Beurteilungskriterien als auch der Modalitäten des Beurteilungsverfahrens bestreitet, so ist dieses Bestreiten zu pauschal, um konkrete, nachprüfbare Fehler bei der Einholung der gemäß § 94 Abs. 2 BetrVG notwendigen Zustimmung, nachvollziehen zu können. Da der Kläger in diesem Zusammenhang die Unwirksamkeit der Stellenbesetzungen geltend macht, hätte er, angesichts der Behauptung der Beklagten, das Zustimmungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, konkret die Fehler im Zustimmungsverfahren darlegen müssen. Hieran fehlt es aber.

II.

Auch der Berufungsantrag zu 2) ist nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch hat als Leiter eines Servicezentrums in M , N oder L zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt zu werden. Wie oben bereits dargelegt, hat der Kläger keinen Rechtsanspruch auf die Übertragung einer Stelle als Leiter eines Servicezentrums.

Nach alldem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.



Ende der Entscheidung

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