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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.03.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 961/04
Rechtsgebiete: SGB IX, ZPO, BAT


Vorschriften:

SGB IX § 68 Abs. 1
SGB IX § 85
SGB IX § 90 Abs. 2 a
SGB IX § 91
SGB IX § 91 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1
BAT § 54 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Sa 961/04

Verkündet am: 16.03.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30.09.2004, Az.: 2 Ca 1183/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen sowie hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung.

Die am 08.07.1948 geborene, verheiratete Klägerin, eine ausgebildete Hauswirtschaftsmeisterin, war auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 08.07.1991 (Bl. 28 f. d. A.) seit dem 15.07.1991 bei der beklagten Bank als Angestellte mit 25 Wochenstunden in der Cafeteria beschäftigt.

Am 11.07.2000 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen; mit Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 08.11.2000 (Bl. 138 d. A.) wurde dieser Antrag zunächst zurückgewiesen. Auf den Widerspruch der Klägerin entsprach die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 17.01.2005 (Bl. 186 d. A.) dem Gleichstellungsantrag und wies darauf hin, dass die Gleichstellung mit Montag, dem 01.03.2004 wirksam geworden sei.

Die Klägerin streitet mit der Beklagten zumindest seit dem Jahr 2000 darum, ob die Einrichtung des Küchen- und Cafeteriabereiches bei der Beklagten den geltenden Lebensmittelhygienischen Vorschriften entspricht (vgl. z. B. das Schreiben der Klägerin vom 17.02.2000; Bl. 70 d. A. und den handschriftlichen Forderungskatalog der Klägerin vom 20.08.2002; Bl. 114 ff. d. A.).

Nachdem die Klägerin befristet für die Zeit vom 26.06.2002 bis 29.02.2004 eine Erwerbsminderungsrente bezogen hatte, wollte sie am 01.03.2004 die Arbeit bei der Beklagten wieder aufnehmen. Die Beklagte verlangte aber die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens zur Arbeitsfähigkeit der Klägerin, so dass es - nach Einholung des Gutachtens - letztendlich zur Vereinbarung des Arbeitsantrittes der Klägerin zum 16.06.2004 kam.

Als die Klägerin an diesem Tag bei der Beklagten erschien, gelangte sie zu der Auffassung, dass die Verhältnisse in der Cafeteriaküche nicht den geltenden lebensmittelhygienischen Vorschriften entsprachen und versuchte mit dem Personalchef der Beklagten zu sprechen, der sich für unzuständig erklärte. Der für die Cafeteria zuständige Verwaltungsmitarbeiter der Beklagten, Herr X war nicht erreichbar. Auf Bitte der Klägerin erschien sodann W, ein stellvertretendes Vorstandsmitglied der Beklagten, in der Cafeteria. Die Klägerin weigerte sich ihm gegenüber dann zumindest insoweit ihre Arbeit zu verrichten, als sie an offenen Lebensmitteln in der Küche arbeiten sollte; ob sie darüber hinaus jegliche Arbeitsleistung in der Küche für die Gegenwart und Zukunft ausschloss, ist zwischen den Parteien streitig.

Etwa eine Stunde später, gegen 11:30 Uhr wischte die Klägerin Tische in der Cafeteria mit einem feuchten Lappen ab, als sie von den Herren W, Herrn V - dem Leiter des Personalwesens der Beklagten - und Herrn X zu einem weiteren Gespräch aufgesucht wurde. Auf Frage des W, ob sie die Arbeit in dem arbeitsvertraglich geschuldeten Umfang wieder aufnehmen werde, erklärte sie zumindest, dass sie aus lebensmittelhygienischen Gesichtspunkten nicht in der Lage sei, offene Lebensmittel anzugreifen.

In der Folgezeit nahm die Klägerin ihre Tätigkeit im Küchenbereich nicht auf, woraufhin es zu einem weiteren Gespräch gegen 12:30 Uhr im kleinen Konferenzraum der Beklagten kam. Dabei waren neben der Klägerin die Herren W, U - der Vorstandsvorsitzende der Beklagten - und Herr T - ein Mitglied des Vorstandes - anwesend. Die Klägerin führte dabei wiederum aus, dass sie aus lebensmittelhygienischen Gesichtspunkten nicht in der Lage sei, offene Lebensmittel anzugreifen. Anschließend forderte der Vorstandsvorsitzende der Beklagten die Klägerin zweimal auf, die Arbeit aufzunehmen; zuletzt mit dem Hinweis, dass es sich sonst um eine beharrliche Arbeitsverweigerung handele. Die Klägerin blieb jedoch bei ihrem bisherigen Standpunkt.

Am 17.06.2004 führte die S GmbH - nach Aufforderung durch die Beklagte - in der Cafeteria durch und fasste das Ergebnis in dem Schreiben vom 24.06.2004 (Bl. 72 d. A.) zusammen; abschließend heißt es in diesem Schreiben: "Bei der Begehung waren keinerlei auffällige arbeitsmedizinische- und arbeitssicherheitstechnisch relevante Bedenken zu erheben. Von hygienischer Seite sind keine Bedenken gegen eine Arbeitstätigkeit in diesem Bereich zu erheben."

Nach Anhörung des Personalrates kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.06.2004 (Bl. 31 d. A.) fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 31.12.2004.

Die Klägerin hat am 01.07.2004 die vorliegende Kündigungs- und Zahlungsklage beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingereicht.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die zusammenfassende Darstellung im Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30.09.2004 (dort Seite 2 - 5 = Bl. 132 - 135 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 17.06.2004, zugegangen am 17.06.2004, nicht aufgelöst worden ist.

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 17.06.2004 als auch zu unveränderten Bedingungen über den 31.12.2004 hinaus fortbesteht.

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat März 2004 1.339,51 € brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat April 2004 1.339,51 € brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Mai 2004 1.339,51 € brutto abzüglich 821,90 € netto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat mit Urteil vom 30.09.2004 (Bl. 131 ff. d. A.) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.018,53 € brutto abzüglich 821,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2004 zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung des klageabweisenden Teiles seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klageantrag zu Ziffer 2) (allgemeiner Feststellungsantrag) sei, mangels des erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig. Es gebe keine weiteren Beendigungstatbestände, welcher nicht durch die Kündigungsklage unter Ziffer 1) der Klageanträge erfasst würden.

Der Klageantrag zu Ziffer 1) sei zwar zulässig, jedoch nicht begründet, da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 17.06.2004 fristlos beendet worden sei. Die Klägerin habe am 16.06.2004 beharrlich die Arbeit verweigert, ohne dass ein Rechtfertigungsgrund vorgelegen habe. Das Fehlen von Desinfektionsmitteln und Papiertüchern habe es nicht gerechtfertigt, die Arbeitsaufnahme in der Küche gänzlich zu verweigern. Auch habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, weshalb nicht ordnungsgemäß abgedeckte Lebensmittel nicht hätten bearbeitet werden können. Es sei gerade ihre Aufgabe gewesen, entsprechende Mängel abzustellen. Nach den Feststellungen des Betriebsarztes des Ss im Protokoll vom 24.06.2004 hätten auch von hygienischer Seite keine Bedenken gegen eine Arbeitstätigkeit in diesem Bereich vorgelegen.

Bei der abschließenden Interessenabwägung sei zwar zugunsten der Klägerin die relativ lange Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, andererseits müsse aber auch der Verschuldensgrad einfließen. Die Klägerin habe uneinsichtig und hartnäckig die Arbeit in der Küche verweigert; es hätten deswegen drei Gespräche im Abstand von jeweils einer Stunde stattgefunden, ohne dass die Klägerin von ihrer Haltung abgewichen sei. Die Klägerin hätte sich wegen der fehlenden Arbeitsmittel zunächst an ihre Vorgesetzten wenden müssen; sie hätte letztlich auch nicht die Verantwortung für eventuelle Missstände tragen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 5 ff. des Urteils vom 30.09.2004 (= Bl. 135 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 29.10.2004 zugestellt worden ist, hat am 29.11.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 31.01.2005 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 31.01.2005 verlängert worden war.

Die Klägerin macht geltend,

das Arbeitsgericht sei unrichtigerweise davon ausgegangen, dass sie durch W dazu aufgefordert worden sei, bei ihrem letzten Arbeitsantritt in der Küche die Tätigkeit unter Anleitung von Frau R aufzunehmen. Dies sei bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 15.09.2004 bestritten worden. Desweiteren könne der Klägerin auch nicht vorgehalten werden, sie habe sich wegen fehlender Arbeitsmittel zunächst an ihre Vorgesetzten wenden müssen. Insofern habe sie sich umfangreichen Bemühungen unterzogen, als sie versucht habe den Personalchef der Beklagten Herrn V, den für die Cafeteria zuständigen Mitarbeiter der Beklagten Herrn X wie auch W zu kontaktieren. Lediglich der Personalratsvorsitzende habe sich, auf ihre Aufforderung hin, unverzüglich in die Cafeteria begeben; später sei W dann hinzugekommen.

Flüssige Desinfektionsmittel seien am 16.06.2004 weder in der Küche, noch in der nahegelegenen Toilette vorhanden gewesen. Die Nichtbearbeitung offener Lebensmittel im Küchenbereich habe sie nicht isoliert auf die fehlende ordnungsgemäße Abdeckung dieser Lebensmittel gestützt, sondern auch auf die nicht vorhandenen Desinfektionsmittel und die ungekühlte und falsche Lagerung der Lebensmittel im Kühlschrank, auf das Nichtvorhandensein von Papiertüchern und Verunreinigungen durch Haare. Im Kühlschrank der Cafeteria habe am 16.06.2004 beim Öffnen kein Licht gebrannt und es sei darin warm gewesen; sie habe mit der Hand hineingegriffen. Im Übrigen liege es nicht in ihrem Kompetenzbereich, die Kühlfunktion des Kühlschrankes zu gewährleisten. Mithin seien die lebensmittelhygienischen Voraussetzungen für eine Arbeit in der Küche nicht erfüllt gewesen.

Die streitgegenständliche Kündigung sei im Übrigen auch gemäß § 85 SGB IX rechtsunwirksam, zumal die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 17.01.2005 (Bl. 186 d. A.) die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen mit Wirkung ab dem 01. März 2004 gleichgestellt habe. Ungeachtet der am 01.05.2004 eingetretenen Gesetzesänderung genieße daher die Klägerin entsprechenden Kündigungsschutz.

Bei der Interessenabwägung habe schließlich das Arbeitsgericht die Motive der Klägerin überhaupt nicht berücksichtigt, insbesondere deren Überzeugung von der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens. Eine Abmahnung sei im vorliegenden Fall nicht entbehrlich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 31.01.2005 (Bl. 176 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. a) unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30.09.2004 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.06.2004, zugegangen am 17.06.2004, nicht aufgelöst worden ist.

1. b) unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30.09.2004 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 17.06.2004, zugegangen am 17.06.2004, nicht aufgelöst worden ist.

2. nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30.09.2004 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 17.06.2004 als auch zu unveränderten Bedingungen über den 31.12.2004 hinaus fortbesteht.

3. den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus, die Einwände der Klägerin gegen eine Arbeitstätigkeit in der Küche seien an der Realität vorbeigegangen. In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht habe sie selbst zugestanden, dass ein Waschbecken mit Warmwasser und auch Seife im Küchen- und Toilettenbereich vorhanden gewesen sei. Darüber hinaus sei auf das Protokoll des Ss zu verweisen, wonach von hygienischer Seite keine Bedenken gegen eine Arbeitstätigkeit im Küchenbereich zu erheben gewesen seien. Die Klägerin habe am 16.06.2004 gegenüber W erklärt, sie werde im Küchenbereich nichts anfassen, weder jetzt, noch in Zukunft. Während des zweiten Gesprächs gegen 10:30 Uhr sei sie von W auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen, bis hin zur fristlosen Kündigung, hingewiesen worden. In allen drei Gesprächen habe sich die Klägerin mit Nachdruck geweigert, "für jetzt und in Zukunft" die ihr angewiesenen Arbeiten in der Küche der Cafeteria auszuüben. Ein Rechtfertigungsgrund für dieses Verhalten sei nicht gegeben gewesen; insbesondere hätte die Klägerin Seife aus der nur wenige Meter entfernten Toilette herbeiholen und gebrauchen können. Der Kühlschrank in der Cafeteria sei am 16.06.2004 funktionsfähig gewesen; im Falle einer Funktionsstörung, hätte dies dem Vorstandssekretäriat mitgeteilt werden müssen. Dort wäre dann ein Monteur bestellt worden. Im Rahmen der Interessenabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass bereits im Jahr 2002, auf Anregung der Klägerin, die Beklagte mit einem Mitarbeiter der Gewerbe- und Lebensmittelaufsicht eine gemeinsame Begehung des Küchenbereiches in der Cafeteria durchgeführt habe. Die bei dieser Begehung gemachten Anregungen - es habe sich nicht um Auflagen gehandelt - seien durch die Beklagte allesamt befolgt worden. So sei der Rauputz in der Küche ab Oberkante der Fliesen überspachtelt worden, die Umlufthaube am Herd sei gegen eine Ablufthaube ausgetauscht und ein VA-Stahlblech von der Unterkante der Abzugshaube bis zum Herd angebracht worden, neben der Spüle sei ein kleineres Handwaschbecken mit Warmwasserboiler installiert worden, sämtliche Silikonfugen seien erneuert und die Arbeitsplatte sei an der Unterseite nochmals versiegelt worden.

Aufgrund der ab dem 01.05.2004 erfolgten Gesetzesänderung stehe der Klägerin kein Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX zu.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 04.03.2005 (Bl. 207 ff. d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Erklärungen der Parteien wird auch auf das Sitzungsprotokoll zur letzten mündlichen Berufungsverhandlung vom 16.03.2005 (Bl. 219 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zwar zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die Berufungsanträge zu Ziffer 2) und 3) sind unzulässig und die Berufungsanträge zu Ziffer 1 a) und 1 b) sind nicht begründet.

A.

Der Berufungsantrag zu Ziffer 2) ist unzulässig, da es für den allgemeinen Feststellungsantrag an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendigen Feststellungsinteresse fehlt. Das Arbeitsgericht hat dies auf Seite 5 seines Urteils bereits im Einzelnen und zutreffend ausgeführt; hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Der Antrag zu Ziffer 3) ist ebenfalls nicht zulässig. Da die Beklagte im Berufungsverfahren den erstinstanzlich gestellten Auflösungsantrag nicht weiterverfolgt hat, ist der Antrag der Klägerin, den Auflösungsantrag zurückzuweisen, nicht statthaft.

B.

Die Anträge zu Ziffer 1 a) und 1 b) sind nicht begründet.

I.

Die mit dem Berufungsantrag zu Ziffer 1 a) von der Klägerin begehrte Feststellung war nicht zu treffen, da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 17.06.2004 zum 17.06.2004 rechtswirksam beendet worden ist. Diese Kündigung erfüllt die rechtlichen Anforderungen aus § 54 Abs. 1 BAT (1.) und bedurfte unter Berücksichtigung von §§ 91, 85 SGB IX nicht der Zustimmung des Integrationsamtes. (2.).

1.

Nach § 54 Abs. 1 des, kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung, anwendbaren BAT sind der Arbeitgeber und der Angestellte berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grunde fristlos zu kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Bei der Prüfung ob diese rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf zwei Ebenen zu prüfen: Zunächst muss geklärt werden, ob - ohne Berücksichtigung der besonderen Einzelfallumstände - überhaupt ein an sich geeigneter Sachverhalt vorliegt, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Ist dies der Fall, so muss im Rahmen einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, geprüft werden, ob das Interesse des Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt (vgl. DLW/Dörner, D/Rz. 662).

Ein an sich geeigneter Sachverhalt für einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung ist unter anderem auch eine beharrliche Arbeitsverweigerung. Eine solche liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten will; es muss also eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegen.

Im vorliegenden Fall ist von einer beharrlichen Arbeitsverweigerung der Klägerin auszugehen, da sie sich am 16.06.2004 zumindest geweigert hat, im Küchenbereich der Cafeteria an offenen Lebensmitteln zu arbeiten; ob sie darüber hinaus jegliche Küchenarbeit für die Gegenwart und Zukunft nicht mehr ableisten wollte - wie dies die Beklagte behauptet - kann dahinstehen. Letztlich war es durch die Weigerung, offene Lebensmittel in der Küche zu bearbeiten, ausgeschlossen, eine sinnvolle Tätigkeit in der Küche zu entfalten. Diese Tätigkeit gehörte zum zentralen Aufgabenbereich der Klägerin während das Reinigen von Tischen in der Cafeteria nicht ausreichte, um auch nur für den 16.06.2004 die geschuldete Arbeitspflicht zu erfüllen.

Es gab keinen Rechtfertigungsgrund für die Klägerin, am 16.06.2004 offene Lebensmittel in der Cafeteriaküche nicht zu bearbeiten. Denn sie hätte selbst bei etwas gutem Willen, welcher bei jedem normalen Arbeitnehmer vorausgesetzt werden muss, ohne weiteres, soweit dies überhaupt erforderlich war, die aus ihrer Sicht unter lebensmittelhygienischen Gesichtspunkten bedenklichen Zustände beseitigen können. So ist zunächst einmal nicht ersichtlich, weshalb sie die "nicht ordnungsgemäß abgedeckten Lebensmittel" - nicht selbst abgedeckt hat. In der Cafeteriaküche war zwar kein flüssiges Desinfektionsmittel vorhanden; dies hätte die Klägerin, bei vernünftiger Betrachtungsweise, jedoch nicht hindern dürfen, die Arbeit dort zu verrichten. Denn sie hatte ohne weiteres die Möglichkeit, die in der nahegelegenen Toilette unstreitig vorhandene Seife zu benutzen und damit die Hände in der Küche, wo ein Warmwasserbecken unstreitig installiert ist, zu säubern. Auf das fehlende flüssige Desinfektionsmittel hätte die Klägerin sodann die für die Materialbeschaffung bei der Beklagten zuständige Stelle hinweisen können. Gleiches gilt für fehlende Papiertücher; auch hier hätte sich die Klägerin vorübergehend z. B. mit Papiertaschentüchern behelfen und sich ansonsten um eine Materialbeschaffung über die Verwaltung der Beklagten bemühen können. Soweit der Kühlschrank im Küchenbereich - wie von der Klägerin behauptet - nicht funktionierte, hätte dies für sie Anlass sein müssen, das zuständige Vorstandssekretariat darüber zu unterrichten, so dass von dort aus ein Monteur bestellt werden konnte. Wenn Ware, aufgrund der fehlenden Kühlfunktion tatsächlich verdorben gewesen wäre - entsprechendes behauptet die Klägerin noch nicht einmal - hätte sie diese aussondern und nicht verwenden dürfen. Es bestand aber kein Grund wegen einer fehlenden Kühlfunktion des Kühlschrankes die Arbeit in der Küche am 16.06.2004 zu verweigern. Auch eine Verunreinigung der Küche durch Haare rechtfertigt die Arbeitsverweigerung der Klägerin nicht. Denn diese Verunreinigung wurde unstreitig von der Arbeitskollegin Frau R beseitigt.

Die Arbeitsverweigerung der Klägerin war auch bewusst und nachhaltig, so dass die Intensität, welche für ein beharrliches Verhalten notwendig ist, ohne weiteres erreicht wurde. Die Klägerin wurde nämlich von verschiedenen Vorgesetzten in drei Gesprächen, die sie gegen 10:30 Uhr mit W, gegen 11:30 Uhr mit den Herren W, V und X, sowie um 12:30 Uhr mit den Herren W, U und T geführt hat, aufgefordert, in der Küche weiterzuarbeiten. Sie hat dies nicht getan, obwohl sie um 11:30 Uhr von den Herren V und X mit Nachdruck darauf hingewiesen wurde, dass sie bei Nichtaufnahme der Arbeit in der Küche mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung rechnen müsse. Diesen Hinweis hat die Klägerin nicht bestritten, zumal sie erstinstanzlich lediglich behaupten ließ, W habe eine dahingehende Erklärung nicht abgegeben; dementsprechend ist der weitergehende Vortrag der Beklagten, wonach die Herren V und X ebenfalls hierauf hingewiesen haben, unstreitig.

Im Rahmen der auf der 2. Stufe durchzuführenden Interessenabwägung ist festzustellen, dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt, zumal eine Weiterbeschäftigung und sei es auch nur bis zum Ende der Kündigungsfrist am 31.12.2004 nicht mehr zumutbar war. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, war zugunsten der Klägerin insbesondere die 13jährige Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Dem stand aber eine Arbeitsverweigerung gegenüber, welche von großer Uneinsichtigkeit und Unvernunft geprägt war. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die vorliegende Kündigung nur rechtswirksam sein könne, wenn eine entsprechende Abmahnung vorausgegangen sei. Grundsätzlich bedarf es zwar zur Wirksamkeit einer Kündigung, die auf ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, einer vorausgegangenen Abmahnung. Entbehrlich ist eine Abmahnung allerdings dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte (vgl. BAG, Urteil vom 29.07.1976 - 3 AZR 50/75 = AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung). Dies ist besonders dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten (vgl. BAG, Urteil vom 12.07.1984 - 2 AZR 320/83 = AP Nr. 32 zu § 102 BetrVG 1972). Kannte der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens, setzt er aber trotzdem hartnäckig und uneinsichtig seine Pflichtverletzungen fort, dann läuft die Warnfunktion der Abmahnung leer. Da der Arbeitnehmer erkennbar nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern, müsste der Arbeitgeber auch bei Ausspruch einer Abmahnung mit weiteren erheblichen Pflichtverletzungen rechnen (vgl. BAG, Urteil vom 18.05.1994 - 2 AZR 626/93 - = AP Nr. 3 zu § 108 BPersVG). Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin unstreitig von den Herren V und X abgemahnt, als diese ihr bei dem Gespräch am 16.06.2004 gegen 11:30 Uhr erklärten, dass sie der Arbeitsaufnahme in der Küche nachkommen müsse und ansonsten mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung rechnen müsse. Selbst wenn die Herren X und V nicht abmahnungsberechtigt gewesen sein sollten, muss angesichts der vorliegenden Einzelfallumstände davon ausgegangen werden, dass eine Abmahnung durch eine abmahnungsberechtigte Person nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Angesichts der drei Gespräche mit unterschiedlicher personeller Besetzung, welche allesamt nicht zu einer Änderung im Verhalten der Klägerin am 16.06.2004 führten, liegt es nahe, dass sie auch nach einer formellen Abmahnung durch eine abmahnungsberechtigte Person ihr Verhalten nicht geändert hätte. Soweit die Klägerin geltend macht, aus ihrer subjektiven Sicht sei ihr Verweigerungsverhalten berechtigt gewesen, so dass ihr letztlich kein Vorwurf gemacht werden könne, übersieht sie, dass sie die Unhaltbarkeit ihrer Position bei vernünftiger Würdigung aus der Sicht eines Dritten ohne weiteres hätte erkennen und entsprechend handeln müssen. Hiervon durfte die Beklagte zumindest ausgehen. Mithin war eine Abmahnung im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

Berücksichtigt man desweiteren, dass die Klägerin im Zusammenhang mit einer befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente längere Zeit nicht gearbeitet hatte und die vorliegende Auseinandersetzung bereits zu Beginn des ersten Arbeitstages initiierte, ist dieses Verhalten, angesichts der zweijährigen Abwesenheit der Klägerin vom Arbeitsplatz, von einer fehlenden Sensibilität für psychologische Mechanismen im Arbeitsleben geprägt. Denn aus Sicht der Beklagten kam jemand, der zwei Jahre nicht gearbeitet hatte, erstmals wieder an seinen Arbeitsplatz und bemängelte ohne einen wirklichen Sachgrund, schlechte Zustände an seinem Arbeitsplatz, ohne - außer dem Abwischen von ein paar Cafeteriatischen - irgendeine Arbeitsleistung erbracht zu haben. Angesichts der Hartnäckigkeit, mit welcher die Klägerin ihre unhaltbare Position am 16.06.2004 gegenüber der Beklagten vertrat, war dieser eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses und sei es nur für die Dauer der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar.

2.

Die fristlose Kündigung vom 17.06.2004 bedurfte unter Berücksichtigung von §§ 91 Abs. 1, 85 SGB IX nicht der Zustimmung des Integrationsamtes. Nach § 85 SGB IX - diese Regelung gilt gemäß § 91 Abs. 1 SGB IX auch bei außerordentlichen Kündigungen - bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Diese gesetzliche Regelung gilt gemäß § 68 Abs. 1 SGB IX für Schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen. Nach § 90 Abs. 2 a SGB IX - diese Regelung ist zum 01.05.2004 in Kraft getreten - findet unter anderem § 85 SGB IX keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist.

Im vorliegenden Fall hat die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 17.01.2005 erstmals die Klägerin - und zwar mit Wirkung ab dem 01.03.2004 gleichgestellt. Diese Gleichstellung erfolgte mithin zu einem Zeitpunkt, zu welchem die gesetzliche Regelung des § 90 Abs. 2 a SGB IX bereits in Kraft war. Die Eigenschaft als Schwerbehinderter bzw. gleichgestellter behinderter Mensch war zum Zeitpunkt der Kündigung vom 17.06.2004 nicht nachgewiesen, zumal zu diesem Zeitpunkt der entsprechende Antrag der Klägerin zunächst abgelehnt worden war. Die Tatsache, dass die Gleichstellung nach dem Bescheid vom 17.01.2005 rückwirkend zum 01.03.2004 wirksam werden sollte, ändert nichts. Denn zum Zeitpunkt der Kündigung lag auch der entsprechende Bescheid, welcher die Rückwirkung erklärt noch nicht vor. Nach Sinn und Zweck des § 90 Abs. 2 a SGB IX soll zum Kündigungszeitpunkt für den Arbeitgeber klar sein, ob er das Integrationsamt beteiligen muss oder nicht. Diese Klarheit wäre nicht gegeben, wenn eine rückwirkende Feststellung der Eigenschaft als gleichgestellter behinderter Mensch das Zustimmungsbedürfnis auslösen würde.

II.

Der Berufungsantrag zu Ziffer 1 b) ist unbegründet, da es der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die im Zweifel ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 17.06.2004 nicht aufgelöst worden ist, nicht mehr bedurfte. Das Beschäftigungsverhältnis war sowieso durch die fristlose Kündigung bereits beendet, so dass es auf die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die lediglich zu einer zeitlich späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, nicht mehr ankommt.

Dem Klägerinvertreter war kein Schriftsatznachlass - wie zum Ende der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2005 beantragt - zu gewähren. Auf Frage des Vorsitzenden der Berufungskammer, zu welchen konkreten Punkten aus dem Schriftsatz der Gegenseite vom 04.03.2005 aus Sicht der Klägerin noch Vortrag erforderlich sei, vermochte der Klägerinvertreter keine Angaben zu machen. Mithin war nicht ersichtlich, weshalb ein Schriftsatznachlass, der mit einer Vertagung und Verzögerung des Rechtsstreits verbunden gewesen wäre, erforderlich sein sollte.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben; für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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