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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 07.05.2004
Aktenzeichen: 9 Ta 80/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 9 Ta 80/04

Verkündet am: 07.05.2004

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.01.2004, Az.: 2 Ca 1577/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.069,00 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Am 21.05.2003 hat die Klägerin, vertreten durch einen Rechtsanwalt, beim Arbeitsgericht Mainz eine Zahlungsklage eingereicht; zu diesem Zeitpunkt war sie Mitglied der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten. Diese Gewerkschaft hat ihr Rechtsschutz unter anderem für das Vorgehen gegen eine von der Beklagten erklärte Versetzung zugesagt.

Nachdem die Klägerin im weiteren Verlauf des Verfahrens ihre Klage um verschiedene Anträge, die gegen eine Versetzung sowie eine zwischenzeitlich ausgesprochene Kündigung und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichtet waren, erweitert hatte, trat sie mit Schreiben vom 11.08.2003 (Bl. 155 d.A.) mit Wirkung zum 30.09.2003 aus der Gewerkschaft aus.

Des Weiteren beantragte die Klägerin beim Arbeitsgericht Mainz am 22.10.2003 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Z, Y und legte eine ausgefüllte Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen vor.

Mit Urteil vom 03.12.2003, das inzwischen rechtskräftig ist, hat das Arbeitsgericht Mainz die Klage insgesamt abgewiesen. Des Weiteren hat das Gericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung seien unter Berücksichtigung von § 114 ZPO nicht erfüllt, da es der Klägerin zumutbar gewesen sei, gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Dass sie während des Prozesses ihre Mitgliedschaft gekündigt habe, sei unbeachtlich, da sie dies selbst zu vertreten habe.

Die Klägerin hat gegen diesen Beschluss, der ihrem Prozessvertreter am 27.01.2004 zugestellt worden ist, am 27.02.2004 Beschwerde eingelegt.

Die Klägerin macht dabei geltend,

zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe habe ihr nachgewiesener Maßen gewerkschaftlicher Rechtsschutz nicht mehr zur Verfügung gestanden. Auf den Zeitpunkt der Antragstellung komme es für die Beurteilung eines Prozesskostenhilfegesuches aber entscheidend an.

Selbst wenn man insoweit anderer Auffassung sei, hätte im vorliegenden Fall Prozesskostenhilfe bewilligt werden müssen, da aufgrund objektiver Umstände das Vertrauensverhältnis zwischen der Klägerin und der Gewerkschaft erheblich gestört gewesen sei und demnach ihr ein Festhalten an dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz nicht habe zugemutet werden können. Sie habe mehrfach bei den Gewerkschaften nachgefragt und um Hilfe gebeten, wobei sie von Mitarbeitern der Gewerkschaft in Y jedes Mal an den für sie zuständigen Sachbearbeiter in X, Herrn W verwiesen worden sei. Entsprechende Verweisungen seien selbst dann erfolgt, als sie darauf hingewiesen habe, dass sie einen PKW nicht zur Verfügung habe, in unregelmäßigem Schichtdienst arbeiten müsse und zwei Kinder zu versorgen habe, so dass sie nicht nach X fahren könne. Insoweit sei ihr lediglich angeboten worden, dass Herr W einmal die Woche zu einer Sammelbesprechung nach Y komme und dann ja die Möglichkeit bestehe, nebenbei ihre Sache zu besprechen. Da es um eine Frage der Versetzung sowie einer krankheitsbedingten Kündigung gegangen sei, habe sie wiederholt versucht, durch einen Gewerkschaftsanwalt in Y persönlich beraten zu werden. Dies sei aber immer wieder unter Hinweis auf die Beratung durch Herrn W abgelehnt worden. Aufgrund ihrer Arbeitszeiten, ihrer persönlichen Verhältnisse, fehlender Mobilität und einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei sie nicht in der Lage gewesen, zu Besprechungen nach X zu reisen. Aufgrund dieser Ausgangssituation sei sie aus der Gewerkschaft ausgetreten.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 19.03.2004 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Mainz hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, da die Klägerin für die Durchführung des Rechtsstreites gewerkschaftlichen Rechtsschutz hätte in Anspruch nehmen können und mithin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage war, den Rechtsstreit mit eigenen Mitteln zu finanzieren.

Die Klägerin war bei Einreichung der Klage nämlich Mitglied der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten und hatte bereits eine Rechtsschutzzusage dieser Einzelgewerkschaft für ein Vorgehen gegen die streitgegenständliche Versetzung; dies folgt insbesondere aus dem Schreiben der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Y vom 21.07.2003 (Bl. 58 d.A.) an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten: "... auf ihr Schreiben vom 27.05.2003 teilen wir Ihnen mit, dass sich Frau C. auf mehrfache Aufforderung, zu ihrem Schreiben vom 27.05.2003 Stellung zu nehmen, nicht mehr bei uns gemeldet hat, so dass wir davon ausgehen, dass wir in der vorliegenden Sache nicht mehr tätig werden sollen".

Es ist keinerlei Grund von der Klägerin vorgetragen oder sonstwie dafür ersichtlich, dass die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten im Falle eines entsprechenden Antrages der Klägerin nicht auch für die weiteren Streitgegenstände des zwischen den Parteien geführten Prozesses Rechtsschutz gewährt hätte.

Soweit die Klägerin in der Beschwerdebegründung geltendmacht, es sei zum maßgeblichen Zeitpunkt des Einreichens ihres Bewilligungsgesuches beim Arbeitsgericht, also am 22.10.2003 nicht mehr Mitglied der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten gewesen, da sie zum 30.09.2003 bereits ausgetreten sei, trifft dies zwar zu, rechtfertigt aber keine andere Beurteilung.

Die vom Staat zu leistende Prozesskostenhife ist für eine Prozesspartei gegenüber anderen Möglichkeiten, kostengünstig Rechtsschutz zu erreichen, subsidiär. Eine Prozesspartei darf sich daher nicht anderer Rechtsschutzmöglichkeiten, ohne vertretbaren sachlichen Grund, sehenden Auges begeben, um anschließend staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Gibt sie eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit grundlos auf, um anschließend staatlich finanzierten Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, so verhält sie sich rechtsmissbräuchlich. Dieses Verhalten ist in seinen wesentlichen Grundzügen mit dem Verschenken von Vermögenspositionen gleichzusetzen, um anschließend Sozialhilfe zu beantragen.

Allerdings dürfen die Anforderungen an einen sachlichen Grund für die Aufgabe gewerkschaftlichen Rechtsschutzes nicht überspannt werden. Denn jede Prozesspartei kann auch in diesem Zusammenhang das Grundrecht der (negativen) Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) und die staatliche Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) in Anspruch nehmen. Dementsprechend steht es jeder Prozesspartei frei, etwa aus politischen oder finanziellen Gründen aus einer Gewerkschaft auch im Laufe eines Rechtsstreites auszutreten, ohne das der ansonsten gegebene Prozesskostenhilfeanspruch deshalb entfallen könnte.

Beruft sich eine Prozesspartei aber zur Begründung des Gewerkschaftsaustrittes und des damit verbundenen Verlustes von gewerkschaftlichem Rechtsschutz darauf, dass ihr die weitere Inanspruchnahme dieser Möglichkeit wegen des Verhaltes von Mitarbeitern der Gewerkschaft unzumutbar gewesen sei, liegt hierin ein sachlicher Grund nur dann, wenn eine entsprechende Unzumutbarkeit tatsächlich feststellbar ist (vgl. LAG Düsseldorf, Beschl. v. 25.03.1983 - 7 Ta 79/83 = LAGE § 115 ZPO Nr. 7). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang geltend, sie sei von Mitarbeitern der Gewerkschaft inY, auf ihre Bitte um Rechtshilfe hin, an den für sie zuständigen Gewerkschaftsmitarbeiter W in X verwiesen worden, sei aber wegen Schichtarbeit, wegen der notwendigen Versorgung von zwei Kindern, fehlender Mobilität und eines schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen, nach X zu reisen. Hierin liegt kein sachlicher Grund, gewerkschaftlichen Rechtsschutz nicht in Anspruch zu nehmen, da die Klägerin unstreitig die Möglichkeit hatte, jede Woche einmal eine Besprechung mit Herrn W in Y durchzuführen, der dort seine wöchentliche Sprechstunde abhielt. Wenn die Klägerin hierzu ausführt, Herr W hätte ihre Sache im Rahmen einer "Sammelbesprechung nebenbei" besprochen, bringt sie zum Ausdruck, dass Herr W ihrem Anliegen nicht die nötige Bedeutung beigemessen hätte. Diese Einschätzung ist aber vollkommen aus der Luft gegriffen, da die Klägerin offenbar noch nicht einmal versucht hat, mit Herrn W in Y Kontakt aufzunehmen. Dass Herr W im Übrigen während seiner Sprechstunde in Y nicht ausschließlich mit der Klägerin gesprochen, sondern mit weiteren Gewerkschaftsmitgliedern Rechtshilfeersuchen erörtert hätte, wäre für die Klägerin nicht von Nachteil gewesen.

Im Übrigen hat die Klägerin nicht nur den Kontakt mit Herrn W in Y vermieden, sondern sich - wie sich aus dem bereits zitierten Schreiben der DGB Rechtsschutz GmbH in Y vom 21.07.2003 ergibt - bei den dort arbeitenden Rechtssekretären, trotz mehrmaliger Aufforderungen, nicht mehr gemeldet. Der Vortrag der Klägerin zur Weiterverweisung nach X ist mit diesem Umstand sachlich nur zu vereinbaren, wenn sich bei den von ihr in Y angesprochenen Mitarbeitern, die sie an Herrn W verwiesen haben sollen, wie auch bei Herrn W selbst um Mitarbeiter der Einzelgewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten gehandelt hat, welche die Klägerin ausschließlich außergerichtlich beraten hätten. Jedenfalls bestand für die Klägerin kein nachvollziehbarer Anlass der Arbeit der Mitarbeiter der DGB Rechtsschutz GmbH in Y, die ausschließlich als Prozessbevollmächtigte für sie tätig geworden wären, zu misstrauen.

Mithin liegt kein nachvollziehbarer Sachgrund für den Gewerkschaftsaustritt und die damit verbundene Preisgabe gewerkschaftlichen Rechtsschutzes im vorliegenden Einzelfall vor.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß §§ 3 ff. in Höhe der von der Klägerin zu tragenden erstinstanzlichen Verfahrenskosten festgesetzt.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG, angesichts des vorliegenden speziellen Einzelfalles, an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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