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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 02.11.2004
Aktenzeichen: 11(3) Sa 719/02
Rechtsgebiete: ETV-Arb, TzBfG, ZPO, KSchG


Vorschriften:

ETV-Arb § 23
ETV-Arb § 24
ETV-Arb § 25
TzBfG § 4 Abs. 2
TzBfG § 4 Abs. 2 S. 2
TzBfG § 15 Abs. 1
TzBfG § 17 S. 1
ZPO § 256 Abs. 1
KSchG § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11(3) Sa 719/02

verkündet am: 02. November 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Vergütung

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 02. 11. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hesse als Vorsitzenden und die ehrenamtliche Richterin Böttcher sowie den ehrenamtlichen Richter Busse als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 18. 11. 2002 - 4 Ca 1227/01 -wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über tarifliche Vergütungsansprüche in Form so genannter Besitzstandszulagen nach Maßgabe der §§ 24, 25 Entgelttarifvertrag vom 20. 10. 2000 für die Deutsche Post AG (ETV-Arb).

Die Klägerin ist zunächst aufgrund diverser befristeter Arbeitsverträge und seit 01. 03. 2001 aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrages für die Beklagte als Postzustellerin tätig.

Der letzte befristete Arbeitsvertrag vom 12. 12. 2000 (Bl. 11 d. A.) sieht mit Wirkung vom 01. 01. 2001 die Begründung eines auf den 31. 07. 2002 befristeten Arbeitsverhältnisses mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden vor. Zuvor bestimmte sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Maßgabe des befristeten Arbeitsvertrages vom 04. 09. 2000 (Bl. 12 d. A.), wonach für den Zeitraum 28. 08. 2000 bis 31. 12. 2000 die Arbeitszeit zwischen 26 und 30 Stunden pro Woche monatsweise schwanken sollte.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ungeachtet des in § 23 ETV-Arb vorgenommenen Ausschlusses von befristet beschäftigten Arbeitnehmern nach Maßgabe der §§ 24, 25 ETV-Arb beginnend mit dem 01. 01. 2001 ein Anspruch auf Besitzstandszulage Lohn und ein Anspruch auf Besitzstandszulage Zuschläge und Entschädigungen zu. Der Ausschluss von befristet Beschäftigten von diesen Besitzstandsregelungen verstoße gegen § 4 Abs. 2 TzBfG sowie gegen Artikel 3 Abs. 1 GG.

Die Klägerin hat beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 3.348,91 brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin jeweils am 15. eines Kalendermonats, beginnend mit dem 15. 08. 2001 Besitzstandszulage Lohn gem. § 24 i. V. m. Anlage 6 Tarifvertrag Nr. 75 d, dritter Teil; Entgelttarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Post AG zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Abrechnung zu erstellen, aus der sich ergibt, in welcher Höhe Schichtzulage, Samstagszuschläge, Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen, Zuschläge für Arbeit an Vorfesttagen, Erschwerniszuschläge für sonstige Arbeitserschwernisse und Zeitlohnzuschläge für den Zeitraum November 1999 bis Oktober 2000 gezahlt wurden und den sich hieraus ergebenden Sicherungsbetrag.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückwirkend, beginnend ab dem 15. 03. 2001 und jeweils am 15. des Nachmonats, den sich aus Antrag 3 ergebenden monatlichen Sicherungsbetrag zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche schon dem Grunde nach nicht zu. Der in § 23 ETV-Arb festgelegte Ausschluss von befristet beschäftigten Mitarbeitern von diesen Leistungen verstoße nicht gegen höherrangiges Recht.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18. 11. 2002 die Klage kostenpflichtig abgewiesen, da der Ausschluss von befristet beschäftigten Mitarbeitern aus dem Geltungsbereich der §§ 24, 25 ETV-Arb nicht gegen höherrangiges Recht verstoße. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 98 - 110 der Akte verwiesen.

Gegen dieses, ihr am 26. 11. 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. 12. 2002 Berufung eingelegt und diese am 21. 01. 2003 begründet.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Rechtsstandpunktes ihr Klagebegehren vollumfänglich weiter.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 18. 11. 2002 - Az. 4 Ca 1227/01 -wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin DM 3.348,91 = 1.712,27 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin jeweils am 15. eines jeden Kalendermonats, beginnend mit dem 15. 08. 2001 Besitzstandszulage Lohn gemäß § 24 in Verbindung mit Anlage 6 Tarifvertrag Nr. 75 d, dritter Teil, Entgelttarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Post AG zu zahlen;

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Abrechnung zu erstellen, aus der sich ergibt, in welcher Höhe Schichtzulage, Samstagszuschläge, Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen, Zuschläge für Arbeit an Vorfesttagen, Erschwerniszuschläge für sonstige Arbeitserschwernis und Zeitlohnzuschläge für den Zeitraum November 1999 bis Oktober 2000 gezahlt wurden und den sich hieraus ergebenden Sicherungsbetrag;

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückwirkend, beginnend ab dem 15. 03. 2001 und jeweils am 15. des Folgemonats, den sich aus Antrag 3 ergebenden monatlichen Sicherungsbetrag zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie vertritt weiter die Auffassung, ungeachtet der zwischenzeitlich in einem Parallelrechtsstreit ergangenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11. 12. 2003 - 6 AZR 64/03 - stehen der Klägerin auch nicht für die Monate Januar und Februar 2001 die streitgegenständlichen Ansprüche zu, da die Klägerin zum Jahreswechsel 2000/2001 sich nicht in einem befristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten befunden habe. Die befristeten Arbeitsverträge vom 04. 09. und 12. 12. 2000 seien auch nicht als einheitliches Arbeitsverhältnis i. S. d. § 23 ETV-Arb zu werten, da diese hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeit unterschiedlich ausgestaltet waren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

I.

Die Klage ist, auch soweit es sich um ein Feststellungsbegehren handelt, zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist vorliegend zu bejahen (BAG 11. 12. 2003 AP TzBfG § 4 Nr. 7 unter I.).

II.

Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die geltend gemachten Zulagen aus §§ 24, 25 ETV-Arb zu. Die Klägerin unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich dieser tariflichen Normen.

1.

Einer direkten Anwendung steht - was auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird - § 23 ETV-Arb entgegen.

2.

Der persönliche Anwendungsbereich der §§ 24, 25 ETV-Arb wird auch nicht durch die Bestimmung des § 4 Abs. 2 S. 2 TzBfG eröffnet, der eine sachgrundlose Schlechterstellung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern gegenüber vergleichbaren unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern bei Entgeltregelungen verbietet. Rechtsfolge hieraus wäre, dass die den Anwendungsbereich der §§ 24, 25 ETV-Arb einschränkende Tarifnorm des § 23 ETV-Arb insoweit unwirksam wäre und mithin der persönliche Anwendungsbereich der vorgenannten Anspruchsnormen auch auf befristet beschäftigte Arbeitnehmer zu erweitern wäre. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 2 TzBfG sind vorliegend jedoch nicht gegeben.

a)

Dies gilt zunächst für den am 01. 03. 2001 beginnenden Zeitraum (Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zwischen den Parteien). Mit Abschluss eines neuen unbefristeten Arbeitsvertrages unterfällt die Klägerin nicht mehr dem Schutzbereich des § 4 Abs. 2 S. 2 TzBfG (BAG aaO unter III. 2. a)).

b)

Der Ausschluss der Klägerin aus dem Geltungsbereich der §§ 24, 25 ETV-Arb verstößt aber auch während der Laufzeit des letzten befristeten Vertrages (01. 01. - 28. 02. 2001) nicht gegen § 4 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Die Klägerin wird insoweit nicht schlechter gestellt als ein vergleichbarer, unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer. § 23 ETV-Arb gewährt einem unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer nur dann Besitzstandsschutz, wenn er sich zum Jahreswechsel 2000/2001 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten befunden hat (vgl. hierzu BAG aaO unter II. 1. und unter II. 5.). Eine Schlechterstellung der Klägerin gegenüber einem vergleichbaren unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer der Beklagten setzt mithin voraus, dass sie sich zum Jahreswechsel 2000/2001 in einem - wenn auch befristeten - Arbeitsverhältnis zur Beklagten befunden hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der befristete Arbeitsvertrag vom 04. 09. 2000 endete zum 31. 12. 2000. Mit Wirkung zum 01. 01. 2001 haben die Parteien sodann ein neues befristetes Arbeitsverhältnis begründet.

Die beiden befristeten Arbeitsverträge lassen sich auch nicht als ein Arbeitsverhältnis i. S. d. § 23 ETV-Arb verstehen. Im Hinblick auf die Bestimmungen des § 17 S. 1 TzBfG i. V. m. § 7 KSchG gilt, sofern der Arbeitnehmer nicht binnen 3 Wochen nach vereinbarter Beendigung eine Entfristungsklage erhebt, die vereinbarte Befristung als rechtswirksam und beendet gemäß § 15 Abs. 1 TzBfG das Arbeitsverhältnis zum vereinbarten Termin. Dass die Klägerin bezogen auf den Arbeitsvertrag vom 04. 09. 2000 eine Entfristungsklage erhoben hat, ist nicht ersichtlich und auch von keiner der Parteien vorgetragen worden. Mit dem Vertrag vom 12. 12. 2000 ist mithin ein neues, befristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden. Eine Zusammenfassung dieser Arbeitsverträge zu einem Arbeitsverhältnis i. S. d. § 23 ETV-Arb lässt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verlängerung des am 04. 09. 2000 abgeschlossenen Vertrages begründen. Selbst wenn man die bloße Verlängerung eines befristeten, am 31. 12. 2000 auslaufenden Vertrages über diesen Termin hinaus durch gesonderten weiteren befristeten Arbeitsvertrag als "einheitliches Arbeitsverhältnis" i. S. d. § 23 ETV-Arb auffassen würde, so könnte die Klägerin aus dieser Rechtsauffassung vorliegend keine rechtlichen Vorteile ziehen. Der Vertrag vom 12. 12. 2000 stellt keine bloße Vertragsverlängerung dar. Charakteristisch für eine Verlängerung eines befristeten Vertrages ist, dass die Arbeitsbedingungen mit Ausnahme des Beendigungsdatums unverändert fortgeschrieben werden (BAG 15. 01. 2003 AP TzBfG § 14 Nr. 1). Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch den befristeten Vertrag vom 12. 12. 2000 nicht nur hinsichtlich der Laufzeit, sondern auch hinsichtlich einer Hauptleistungspflicht, nämlich der Länge der wöchentlichen Arbeitszeit nicht unerheblich verändert.

3.

Schlussendlich ist der persönliche Anwendungsbereich der §§ 24, 25 ETV-Arb auch nicht i. V. m. dem allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG eröffnet. Dabei kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Tarifvertragsparteien bei der Bestimmung des persönlichen Geltungsbereiches eines Tarifvertrages an den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes gebunden sind. Vorliegend liegt jedenfalls ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG nicht vor. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im vorgenannten Urteil unter III. 3. an, soweit hier Ansprüche für den Zeitraum ab 01. 03. 2001 streitgegenständlich sind. Für den vorangegangenen Zeitraum ist ebenfalls eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber vergleichbaren unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern der Beklagten nicht gegeben. Auf die vorstehenden Ausführungen zu § 4 Abs. 2 TzBfG wird Bezug genommen.

Nach alledem konnte das Rechtsmittel der Klägerin keinen Erfolg haben.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

C.

Gegen diese Entscheidung war für die Klägerin das Rechtsmittel der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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