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Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 01.03.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 665/04
Rechtsgebiete: BetrVG, D. V. TV, KonzernRTV, BGB, KSchG


Vorschriften:

BetrVG § 95
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
BetrVG § 102 Abs. 2 S. 1
D. V. TV § 22
D. V. TV § 22 Abs. 2
D. V. TV § 23
D. V. TV § 23 Abs. 2
D. V. TV § 24
D. V. TV § 26
D. V. TV § 26 Abs. 1
D. V. TV § 26 Abs. 2
D. V. TV § 26 Abs. 2 1. Unterabsatz
D. V. TV § 27
ArbGG § 8 Abs. 2
ArbGG § 64
ArbGG § 69 Abs. 2
KonzernRTV § 3 Abs. 1
KonzernRTV § 3 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 242
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 S. 2
KSchG § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 lit. a)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT SACHSEN-ANHALT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 11 Sa 665/04

Verkündet am: 01.03.2005

In dem Rechtsstreit

wegen Kündigung

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hesse als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Lieske und Busse als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 25. 06. 2004 - 7 Ca 3514/03 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten vom 29. 09. 2003 zum 30. 04. 2004 (Bl. 11 d. A.).

Die am . 08. 1950 geborene, geschiedene Klägerin war bei der Beklagten seit 01. 10. 2002 als Mitarbeiterin zur beruflichen Neuorientierung tätig. Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmten sich nach einem undatierten schriftlichen Arbeitsvertrag, wegen dessen weiteren Inhalts auf Blatt 7 - 10 der Akte verwiesen wird. Darüber hinaus fand der TV für die Arbeitnehmer der D. V. GmbH (D. V. TV) auf die Rechtsbeziehungen der Parteien Anwendung.

Gegenstand des Arbeitsverhältnisses war die Vermittlung der Klägerin auf einen Dauerarbeitsplatz im Bereich des D. Konzerns. In diesem Rahmen absolvierte die Klägerin vom 01. 05. - 31. 07. 2003 ein berufsvorbereitendes Praktikum für eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin Faktura/Angebote bei der D. Services Südost GmbH in F. Nach Abschluss des Praktikums bot die D. Services Südost GmbH über die Beklagte der Klägerin den Abschluss eines Arbeitsvertrages betreffend die von ihr bereits im Rahmen des Praktikums ausgeübte Tätigkeit an. Die Klägerin lehnte dieses Angebot, obwohl sie von der Beklagten auf ihre Verpflichtung zur Annahme und auf mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen in Form einer Kündigung hingewiesen worden war, ab. Die Beklagte führte mit der Klägerin daraufhin am 09. 09. 2003 ein Personalgespräch, in dem sie das vorstehend genannte Arbeitsplatzangebot wiederholte. Gleichzeitig erteilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 09. 09. 2003 (Bl. 52 - 53 d. A.) eine schriftliche Abmahnung wegen der bisher geäußerten Ablehnung des angebotenen Arbeitsplatzes und gab der Klägerin bis 15. 09. 2003 Gelegenheit, das bereits unterbreitete Angebot anzunehmen. Am 15. 09. 2003 lehnte die Klägerin erneut das ihr unterbreitete Arbeitsplatzangebot wegen eines mit der Annahme des Arbeitsplatzes verbundenen Wohnortwechsels ab.

Die Beklagte leitete daraufhin mit Schreiben vom 18. 09. 2003 (Bl. 54, 55 d. A.) das Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG zu einer beabsichtigten ordentlichen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung bei dem in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat ein. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 22. 09. 2003 (Bl. 12, 13 d. A.) der beabsichtigten ordentlichen Kündigung und erhob Bedenken gegen die hilfsweise beabsichtigte außerordentliche Kündigung. Er stützte seinen Widerspruch auf einen Verstoß gegen die Auswahlrichtlinien über die personelle Auswahl bei der Besetzung des angebotenen Arbeitsplatzes. Die Beklagte hätte prüfen müssen, ob bundesweit geeignete Arbeitnehmer zur Verfügung gestanden hätten, bei denen die Annahme des Arbeitsplatzangebotes in F. nicht zu einem Wohnortwechsel führen würde.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die streitbefangene Kündigung sei rechtsunwirksam. Die Ablehnung des angebotenen Arbeitsplatzes in F. stelle keine Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten (§ 22 Abs. 2 D. V. TV) dar. Die Annahme des Arbeitsplatzes in F. sei ihr aufgrund des dann notwendig werdenden Wohnortwechsels nicht zumutbar i. S. d. § 23 Abs. 2 D. V. TV. Sie verfüge - unstreitig - in A. über ein Einfamilienhaus. Eine doppelte Haushaltsführung in Form der zusätzlichen Anmietung einer Wohnung in F. sei finanziell nicht tragbar. Die Belastungen mit Kreditverpflichtungen aus dem Einfamilienhaus sowie die dort weiter laufenden Fixkosten und die zusätzlich zu entrichtenden Kosten für eine Mietwohnung in F. übersteigen nach Auslaufen des von der Beklagten für 8 Monate zu gewährenden Mietzuschusses bei weitem ihre finanziellen Möglichkeiten ungeachtet der Tatsache, dass der Arbeitsplatz in F. ein um rund 140,-- € höheres monatliches Nettoeinkommen mit sich bringen würde. Eine Veräußerung ihres Einfamilienhauses sei ihr nicht zumutbar. Ein adäquater Preis sei zur Zeit auf dem Immobilienmarkt im Großraum H. nicht zu erzielen. Auch eine Vermietung des Einfamilienhauses komme für sie nicht in Betracht, da dieses von ihren beiden erwachsenen, in den alten Bundesländern beruflich tätigen Söhnen an den Wochenenden unentgeltlich noch zu Wohnzwecken genutzt werde.

Ungeachtet der im konkreten Fall gegebenen Unzumutbarkeit verstoße die Kündigung aber auch gegen § 26 Abs. 2 D. V. TV. Diese Bestimmung sei so auszulegen, dass bei Arbeitsplatzangeboten, die mit einem Wohnortwechsel verbunden seien, der Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt sei, auch ein zumutbares Angebot einmal abzulehnen, ohne dass die Beklagte hierauf eine verhaltensbedingte Kündigung stützen könne. Erst bei der Ablehnung eines zweiten zumutbaren Angebotes sei die Kündigungsmöglichkeit aus diesem Grunde nach Maßgabe der vorstehend genannten tarifvertraglichen Bestimmung eröffnet. Ein zweites - inhaltlich unterschiedliches - Arbeitsplatzangebot habe die Beklagte der Klägerin jedoch vor Ausspruch der Kündigung unstreitig nicht unterbreitet.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. 09. 2003 noch durch die hilfsweise außerordentliche Kündigung aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei schon bei einer einmaligen Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzangebotes, auch wenn dieses mit einem Wohnortwechsel verbunden sei, generell berechtigt, wegen dieser Vertragsverletzung eine verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen. Vorliegend habe die Klägerin auch gegen ihre vertraglichen Pflichten schuldhaft verstoßen. Die Annahme des Arbeitsplatzes in F. sei ihr nach Maßgabe der §§ 22 - 24 +D. V. TV zumutbar gewesen. Die fachliche Eignung der Klägerin für den Arbeitsplatz ergebe sich aus der erfolgreichen Absolvierung des Praktikums dort. Der Arbeitsplatz entspreche hinsichtlich der finanziellen Ausstattung den Vorgaben des Tarifvertrages. Schlussendlich sei der Wunsch der Klägerin, ihr Eigenheim in A. weiter selbst zu nutzen, nicht geeignet, die Zumutbarkeit des Arbeitsplatzangebotes in Frage zu stellen. Dies ergebe sich aus der besonderen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Die Hauptpflicht der Klägerin liege nicht darin, für die gewährte Arbeitsvergütung eine wirtschaftlich relevante Arbeitsleistung zu erbringen. Ihre Gegenleistung bestehe vielmehr darin, eine Vermittlung auf einen Dauerarbeitsplatz im Bereich des D. Konzerns aktiv zu unterstützen. Hierzu zähle im konkreten Fall auch die Vornahme eines Wohnortwechsels nach F. Es sei der Beklagten im Hinblick auf den Wohnortwunsch der Klägerin nicht zumutbar, auf unabsehbare Zeit weiter Vergütung zu zahlen, ohne dass die Klägerin hierfür eine adäquate Gegenleistung zu erbringen habe.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25. 06. 2004 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangene Kündigung nicht aufgelöst worden ist und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei bereits wegen Verstoßes gegen § 26 Abs. 2 D. V. TV unwirksam. Die Bestimmung sei dahin auszulegen, dass bei einem Arbeitsplatzangebot mit Wohnortwechsel der Arbeitnehmer berechtigt sei ein - wenn auch zumutbares - Angebot abzulehnen, ohne dass die Beklagte hieran den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung knüpfen könne. Erst bei Ablehnung eines zweiten zumutbaren Angebotes eröffne § 26 D. V. TV die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 139 - 151 der Akte verwiesen.

Gegen dieses, ihr am 20. 09. 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06. 10. 2004 Berufung eingelegt und diese am 22. 11. 2004 begründet.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Beklagte unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes und unter Vertiefung ihres Tatsachenvortrages ihr erstinstanzliches Klagebegehren vollumfänglich weiter.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 25. 06. 2004 - 7 Ca 3514/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG).

B.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Dieser ordentlichen Kündigung kommt Rechtswirksamkeit zu.

I.

Der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ist generell zulässig.

1.

Der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 29. 09. 2003 steht nicht der von der Klägerin aufgrund der Betriebszugehörigkeit in anderen Konzernunternehmen des D. Konzerns erworbene tarifvertragliche Kündigungsschutz entgegen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

2.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts verstößt die hier ausgesprochene ordentliche Kündigung auch nicht gegen § 26 Abs. 2 D. V. TV. In § 26 D. V. TV heißt es:

§ 26 Ablehnung des Angebots

(1) Die Ablehnung der Vermittlung und/oder die Ablehnung der Übernahme einer zumutbaren Tätigkeit für die D. V. GmbH oder bei einem anderen Unternehmen stellen Gründe zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. § 9 Abs. 2 und entsprechende Bestimmungen der Tarifverträge nach § 29 sowie die Regelungen des § 3 Abs. 1 und 2 KonzernRTV finden in diesen Fällen keine Anwendung.

(2) Hat der Arbeitnehmer die Annahme eines zumutbaren Angebots abgelehnt, weil dieses mit einem Wohnortwechsel verbunden war, sieht die D. V. GmbH von der nach Abs. 1 zulässigen Kündigung ab und bietet sie innerhalb eines Zeitraums von höchstens 6 Monaten dem Arbeitnehmer eine Beschäftigung in einem Unternehmen des D. Konzerns an, gilt bezüglich der Zumutbarkeit folgendes.

Die Zumutbarkeit des weiteren Angebots ist in jedem Fall auch dann gegeben, wenn die Minderung bei einem bisherigen Monatstabellenentgelt von

- bis zu 3.000,00 DM 10 %

- über 3.000,00 DM bis zu 4.500,00 DM 15 %

- über 4.500,00 DM bis zu 6.000,00 DM 20 % und

- über 6.000,00 DM 25 % nicht überschreitet.

Das geminderte Monatstabellenentgelt darf in jedem Falle nicht das geminderte Monatstabellenentgelt des nächstniedrigeren Entgeltbereichs unterschreiten.

Zur Ermittlung einer Minderung des Entgelts im Sinne des Satz 2 wird jeweils die Summe aus dem 13-fachen des Monatstabellenentgelts zuzüglich dem 13-fachen der PZÜ und PZÜ-K beziehungsweise einer diesen Zulagen entsprechende Zulage nach einem Tarifvertrag, auf den § 29 Bezug nimmt, zuzüglich eines evtl. tariflichen Urlaubsgeldes verglichen. Besteht in der neuen Beschäftigung kein Anspruch auf entsprechende tarifliche Ansprüche wie z. B. ein 13. Monatsentgelt, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen, ist dies entsprechend zu berücksichtigen.

Die Beträge nach Satz 2 werden jeweils entsprechend den Änderungen des für die D. AG geltenden Entgelttarifvertrages angepasst.

(3) Bei Ablehnung des weiteren Angebots gilt Abs. 1 sinngemäß mit der Maßgabe, dass die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach der Ablehnung auszusprechen ist. § 9 Abs. 2 und entsprechende Bestimmungen der Tarifverträge nach § 29 sowie die Regelungen des § 3 Abs. 1 und 2 KonzernRTV finden auch in diesen Fällen keine Anwendung.

Aus der Formulierung in § 26 Abs. 2 dieses Tarifvertrages lässt sich nicht ableiten, dass die Beklagte bei Arbeitsplatzangeboten, die mit einem Wohnortwechsel verbunden sind, generell zum Ausspruch einer auf die Ablehnung dieses Angebotes gestützten verhaltensbedingten Kündigung erst berechtigt ist, wenn der Arbeitnehmer ein zweites zumutbares Angebot abgelehnt hat. Eine derartige Rechtsfolge kann bei gehöriger Auslegung des Tarifvertrages dem genannten Absatz nicht entnommen werden. Das Arbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln folgt. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierbei ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen (BAG 20. 04. 1994 - 10 AZR 276/93 -).

Mit einer an diesen Kriterien orientierten Auslegung lässt sich das vom Arbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis nach Auffassung der Berufungskammer nicht rechtfertigen. Bereits der Wortlaut des § 26 Abs. 2 steht der Annahme, diese Bestimmung enthalte als Rechtsfolge ein Kündigungsverbot für den Fall, dass der Arbeitnehmer erstmalig ein wenn auch zumutbares Arbeitsplatzangebot, das mit einem Wohnortwechsel verbunden ist, ablehnt, entgegen. Die in § 26 Abs. 2 D. V. TV enthaltene Formulierung "..., sieht die D. V. GmbH von der nach Abs. 1 zulässigen Kündigung ab und ..." bildet nicht die Rechtsfolge der Regelung des § 26 Abs. 2, sondern gehört zu den Tatbestandsvoraussetzungen. Die Rechtsfolge ergibt sich aus den Unterabsätzen 2 - 5 des Absatzes 2. Dies folgt aus der weiteren Formulierung in Absatz 2 Unterabsatz 1 "..., gilt bezüglich der Zumutbarkeit folgendes." Die Bestimmung ist daher schon von ihrem Wortlaut her so zu verstehen, dass in dem Fall, in dem die Beklagte von einer grundsätzlich zulässigen Kündigung im Einzelfall absieht, bei weiteren Arbeitsplatzangeboten sich die Zumutbarkeitskriterien für den ablehnenden Arbeitnehmer nach Maßgabe der folgenden Unterabsätze "verschärfen" sollen. Dieses Auslegungsergebnis wird durch eine systematische Betrachtung bestätigt. Die grundsätzliche Befugnis zur Kündigung ist in § 26 Abs. 1 des D. V. TV für die Beklagte festgelegt worden. § 26 Abs. 2 1. Unterabsatz bestätigt dies indirekt mit der Formulierung "..., sieht die D. V. GmbH von der nach Abs. 1 zulässigen Kündigung ab ...". Damit wird deutlich, dass § 26 Abs. 2 auch in seinem Anwendungsbereich von der durch § 26 Abs. 1 des Tarifvertrages eröffneten Kündigungsmöglichkeit der Beklagten ausgeht und sie inhaltlich gerade nicht einschränken will. § 26 Abs. 1 D. V. TV wiederum erfasst über die Formulierung "zumutbaren Tätigkeit" auch Arbeitsplatzangebote, die mit einem Wohnortwechsel verbunden sind. Die Frage des Wohnortwechsels wird in § 23 Abs. 2 des Tarifvertrages ausdrücklich bei der Definition der Zumutbarkeit mit geregelt. Sinn und Zweck der tariflichen Regelung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Die Tätigkeit der Beklagten ist darauf angelegt, Arbeitnehmer, für die aufgrund der Umstrukturierungen im D. Konzern kein "planmäßiger" Arbeitsplatz mehr zur Verfügung steht, auf einen neuen Dauerarbeitsplatz im Bereich des D. Konzerns zu vermitteln. Das auf dieser Basis begründete Arbeitsverhältnis soll mithin gerade kein "Dauer"arbeitsverhältnis sein, sondern dient lediglich der wirtschaftlichen Absicherung des im D. Konzern tätigen Arbeitnehmers bis dieser - möglichst kurzfristig - auf einem neuen Dauerarbeitsplatz tatsächlich wieder eingesetzt werden kann. Hieraus ergibt sich die generelle Zwecksetzung, dass im Rahmen des Zumutbaren der Arbeitnehmer verpflichtet ist, jedes Angebot anzunehmen. Würde man dem Arbeitnehmer das Recht zugestehen, ein auch unter Berücksichtigung des Wohnortwechsels zumutbares Angebot abzulehnen, ohne dass dieser hierfür auch nur nachvollziehbare Gründe benennen müsste, so würde der Sinn und Zweck des Tarifvertrages, nämlich eine möglichst schnelle Vermittlung der Mitarbeiter und damit eine möglichst geringe wirtschaftliche Belastung der Beklagten zu erreichen, leer laufen. Die Beklagte wäre dann selbst bei offensichtlich grundloser Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzangebotes der Sache nach verpflichtet, weiterhin Vergütung zu zahlen, obwohl der Arbeitnehmer seiner einzigen vertraglichen Hauptpflicht, nämlich der Förderung der Vermittlung auf einen Dauerarbeitsplatz grundlos nicht nachgekommen ist. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer Überforderung wird durch die Regelung in §§ 22, 23 des D. V. TV sichergestellt. In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob eine berechtigte oder nicht berechtigte Ablehnung des Arbeitsplatzangebotes vorliegt. Ein darüber hinausgehender Schutz des Arbeitnehmers dahin, dass dieser auch bei Bejahung der Zumutbarkeit - gegebenenfalls völlig grundlos - zur Ablehnung des Arbeitsplatzangebotes de facto berechtigt ist, ist angesichts der Gesamtzielsetzung des Tarifwerkes nicht erkennbar. Schlussendlich steht der vorgenommenen Auslegung auch nicht der in dem Tarifvertrag zum Ausdruck gekommene Wille der Tarifvertragsparteien entgegen. Wie vorstehend ausgeführt, ist dem Wortlaut des § 26 ein übereinstimmender Wille der Tarifvertragsparteien, die Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzangebotes bei Wohnortwechsel kündigungsrechtlich sanktionslos zu lassen, gerade nicht zu entnehmen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Klägerin zur Akte gereichten Schreiben der Gewerkschaft T. vom 27. 04. 2004 (Bl. 132, 133 d. A.). In diesem Schreiben bringt die besagte Gewerkschaft ihre Interpretation des § 26 D. V. TV zum Ausdruck. Anhaltspunkte dafür, dass dieses Interpretationsergebnis auf dem übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien beruhen soll, sind dem besagten Schreiben jedoch nicht zu entnehmen.

II.

Ein Kündigungsausschluss bezogen auf den hier konkret vorliegenden Kündigungsanlass ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der der Klägerin erteilten Abmahnung vom 09. 09. 2003. Zwar erklärt der Arbeitgeber bei Erteilung einer Abmahnung regelmäßig konkludent, das den Gegenstand der Abmahnung bildende pflichtwidrige Handeln solle nicht zum Anlass einer Kündigung genommen werden. Erst ein weiterer Verstoß gegen Vertragspflichten solle die entsprechende arbeitsrechtliche Konsequenz nach sich ziehen (BAG 10. 11. 1988 - 2 AZR 215/88 -). Im Einzelfall ist jedoch der Inhalt der erteilten Abmahnung durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Ein Kündigungsverzicht ist dann anzunehmen, wenn sich aus dem Abmahnungsschreiben eindeutig ergibt, dass der im Abmahnungsschreiben aufgezeigte Pflichtverstoß mit der Abmahnung endgültig und unzweifelhaft für den Arbeitgeber "erledigt" sein soll (BAG 06. 03. 2003 - 2 AZR 128/02 -). Ein derartiger Inhalt lässt sich dem besagten Abmahnungsschreiben der Beklagten nicht entnehmen. Die Beklagte hat durch die konkrete Formulierung im Abmahnungsschreiben vielmehr deutlich gemacht, dass lediglich die vor Aushändigung des Abmahnungsschreibens von der Klägerin erklärte Weigerung, das Arbeitsplatzangebot in F. anzunehmen, durch die Abmahnung vom 09. 09. 2003 "erledigt" sein soll. Der weitere Inhalt des Schreibens macht jedoch deutlich, dass die Beklagte bei erneuter Ablehnung dieses Arbeitsplatzangebotes von dem arbeitsrechtlichen Instrument der verhaltensbedingten Kündigung Gebrauch machen will. Dem Schreiben kommt mithin quasi die Funktion einer "letzten Warnung" zu (so auch LAG Schleswig-Holstein 19. 10. 2004 - 5 Sa 279/04 -).

III.

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG gegeben. Nach dieser Bestimmung ist eine Kündigung dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe in dem Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist. Derartige verhaltensbedingte Gründe liegen vor, wenn der Arbeitnehmer i. d. R. schuldhaft gegen die ihm obliegenden arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt, diese Pflichtverletzung auch für die Zukunft Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat, es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, im Rahmen des so genannten ultima-ratio-Prinzips auf die Pflichtverletzung mit einem milderen Mittel, insbesondere einer Abmahnung zu reagieren und schlussendlich eine umfassende Interessenabwägung zu Lasten des zu kündigenden Arbeitnehmers ausgeht (vgl. BAG 16. 09. 2004 - 2 AZR 406/03 -). Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der Kammer gegeben.

1.

Die von der Klägerin erklärte Ablehnung des ihr in F. angebotenen Arbeitsplatzes stellt eine schuldhafte Pflichtverletzung ihres Arbeitsvertrages mit Auswirkungen auf die zukünftige Vertragsgestaltung dar. Die Klägerin verstößt damit gegen § 3 des Arbeitsvertrages sowie gegen § 22 Abs. 2 des D. V. TV, wonach sie verpflichtet ist, ein zumutbares Beschäftigungsangebot in einem Unternehmen des D. Konzerns anzunehmen. Die Klägerin hat ein für sie zumutbares Arbeitsplatzangebot i. S. d. §§ 23, 24 des genannten Tarifvertrages abgelehnt.

a)

Der angebotene Arbeitsplatz ist zum einen in fachlicher Hinsicht zumutbar. Dies folgt nach Auffassung der Kammer aus der Tatsache, dass die Klägerin bereits mehrere Monate die ihr dauerhaft angebotenen Arbeiten im Rahmen eines Praktikums absolviert hat. Dass diese Tätigkeiten von ihr fachlich nicht gemeistert werden können, hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Die Tatsache, dass die D. Services Südwest GmbH der Klägerin einen unbefristeten Arbeitsvertrag vorbehaltlos angeboten hat, spricht vielmehr indiziell für ihre Eignung. Der Arbeitsvertrag entspricht hinsichtlich der finanziellen Ausstattung auch den Vorgaben des § 24 D. V. TV. Auch dies wird von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Zwischen den Parteien ist vielmehr unstreitig, dass mit dem angebotenen Arbeitsplatz ein um rund 140,-- € netto höheres monatliches Entgelt verbunden wäre.

b)

Der Zumutbarkeit des Arbeitsplatzangebotes steht auch nicht ein hiermit verbundener Wohnortwechsel der Klägerin entgegen. Dieser ist gemäß § 23 Abs. 2 D. V. TV dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzumuten. Entgegenstehende Tatsachen sind im vorliegenden Fall für die Kammer nicht erkennbar. Die Klägerin macht zunächst nicht geltend, dass eine Verlegung ihres Wohnsitzes von A. nach F. aus persönlichen Gründen für sie nicht zumutbar sein soll. Aus dem Sachvortrag der Parteien ist auch nicht ansatzweise erkennbar, dass familiäre Gründe eine Bindung der Klägerin an ihren jetzigen Wohnort erforderlich machen. Die Klägerin ist vielmehr geschieden. Ihre Kinder sind erwachsen und ebenfalls in den alten Bundesländern beruflich tätig. Dass der Wohnort F. als solcher für die Klägerin unzumutbar sein soll, ist von ihr ebenfalls nicht dargelegt worden. Die Klägerin hat sich vielmehr im Rahmen ihres Praktikums bereits mehrere Monate dort aufgehalten. Auch finanzielle Erwägungen, die einer Wohnsitznahme in F. entgegenstehen könnten, sind von der Klägerin nicht vorgebracht worden. Die Klägerin macht gerade nicht geltend, dass es ihr aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, eine Wohnung in F. anzumieten und dort ihren Lebensmittelpunkt zu nehmen.

Der Ablehnungsgrund der Klägerin liegt vielmehr darin, dass ihr die Aufrechterhaltung ihres jetzigen Lebensmittelpunktes in A. in Form der Eigennutzung des dort erworbenen Einfamilienhauses einerseits und die Anmietung einer zweiten Wohnung in F., verbunden mit den Wochenendfahrten finanziell nicht zugemutet werden könne. Sie beruft sich ausdrücklich auf die Unzumutbarkeit einer "doppelten Haushaltsführung". Allein der Wunsch, im Rahmen einer so genannten doppelten Haushaltsführung die in A. gelegene Immobilie weiter selbst während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses mit der D. Services Südwest GmbH nutzen zu können, kann jedoch nach Auffassung der Kammer die Unzumutbarkeit des Arbeitsplatzangebotes nicht begründen. Dabei kann dahinstehen, ob es der Klägerin in diesem Rahmen zumutbar wäre, die Immobilie angesichts der zur Zeit herrschenden Marktverhältnisse zu veräußern. Jedenfalls wäre es der Klägerin zumutbar, die Immobilie bis zum Eintritt in das Rentenalter oder dem von ihr - wie sie im Termin am 01. 03. 2005 ausgeführt hat - avisierten Vorruhestand mit Erreichen des 55. Lebensjahres durch Vermietung wirtschaftlich zu verwerten. Die Tatsache, dass ihre beiden erwachsenen Söhne das Einfamilienhaus mietfrei am Wochenende als Zweitwohnung nutzen, macht nach Auffassung der Kammer eine Vermietung nicht unzumutbar. Abzuwägen ist insoweit das Interesse der Klägerin, ihre bisherige Wohnsitzsituation möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten gegen das Interesse der Beklagten, Mitarbeiter möglichst zügig wieder in Dauerarbeitsplätze zu vermitteln und damit den für ein Arbeitsverhältnis vorgegebenen "Normalzustand", nämlich Vergütungszahlung gegen Erbringung einer wirtschaftlich relevanten Arbeitsleistung, wieder herzustellen. Die Auffassung der Klägerin, die Beklagte könne sie nicht zwingen ihr Einfamilienhaus "aufzugeben", greift hier zu kurz. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es nicht um einen "zwangsweisen" Umzug der Klägerin nach F., sondern um die Frage geht, ob die Klägerin ihren Wohnortwunsch "auf Kosten" der Beklagten gegebenenfalls bis zum Eintritt in das Rentenalter realisieren darf. Genau dies ist im Hinblick auf Sinn und Zweck der tariflichen und arbeitsvertraglichen Pflichtenlage jedoch zu verneinen. Weitere Gründe, die einer Zumutbarkeit des Arbeitsplatzangebotes entgegenstehen könnten, sind von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.

c)

Die Annahme einer Pflichtverletzung scheitert weiter nicht an § 27 des D. V. TV. Dabei kann dahinstehen, ob die Durchführung des dort genannten Beteiligungsverfahrens überhaupt "Kündigungsvoraussetzung" ist. Die Beklagte hat durch Vorlage der entsprechenden Stellungnahme (Bl. 92 f d. A.) hinreichend schlüssig dargelegt, dass der Betriebsrat auch in diesen Verfahren ordnungsgemäß beteiligt worden ist.

d)

Schlussendlich steht der Annahme einer Zumutbarkeit auch nicht die von der Klägerin aufgegriffene Argumentation im Widerspruchsschreiben des Betriebsrates, nämlich eine "fehlerhafte Sozialauswahl" entgegen. Die Auffassung der Klägerin, das an sich zumutbare Angebot des Arbeitgebers werde dann wieder unzumutbar, wenn weitere Arbeitnehmer der Beklagten für den angebotenen Arbeitsplatz in Frage kommen und diese Arbeitnehmer durch die Annahme des Arbeitsplatzangebotes persönlich weniger belastet werden, findet im Tarifvertrag keine Stütze. Denkbar wäre allenfalls, dass in Missbrauchsfällen ein Arbeitnehmer gem. § 242 BGB treuwidriges Verhalten der Beklagten einwenden könnte. Für eine derartige Missbrauchsbehauptung hat die Klägerin jedoch keinerlei hinreichend substantiierten Tatsachenvortrag erbracht. Es fehlt schon an hinreichendem Tatsachenvortrag, dass gleich geeignete Arbeitnehmer der Beklagten für den besagten Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Hiergegen spricht die Tatsache, dass die Klägerin im Rahmen eines Praktikums bereits mehrmonatige Erfahrungen mit der von ihr dauerhaft zu verrichtenden Tätigkeit gewonnen hat. Dass es weitere Mitarbeiter bei der Beklagten gibt, die ebenfalls für diese konkrete Tätigkeit über "Praktikumserfahrung" verfügen, ist nicht erkennbar.

2.

Die Kündigung verstößt auch nicht gegen § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG, wonach in Betrieben des privaten Rechts eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG verstößt oder der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiter beschäftigt werden kann und der Betriebsrat aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 S. 1 des BetrVG schriftlich widersprochen hat. Der Betriebsrat hat zwar unter Berufung auf die vorstehend genannte Bestimmung der Kündigung widersprochen. Ein Verstoß gegen eine Auswahlrichtlinie i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 lit. a) KSchG, der hier allein in Betracht kommt, ist jedoch nicht erkennbar. Die Heranziehung einer Auswahlrichtlinie muss bereits daran scheitern, dass die Beklagte die Kündigung nicht auf betriebsbedingte, sondern vielmehr auf verhaltensbedingte Gründe stützt.

3.

Die Kündigung ist auch unter Berücksichtigung des ultima-ratio-Prinzips sozial gerechtfertigt. Nach dem ultima-ratio-Prinzip ist der Arbeitgeber grundsätzlich gehalten vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung, sofern die Pflichtverletzung auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers beruht, diesem eine Abmahnung zu erteilen (BAG 04. 06. 1997 - 2 AZR 526/96 - ). Dieser Obliegenheit ist die Beklagte unstreitig nachgekommen. Sie hat bereits vor der ersten Ablehnung des Stellenangebotes die Klägerin darauf hingewiesen, dass eine Verweigerung des von ihr als zumutbar angesehenen Angebotes kündigungsrechtliche Konsequenzen haben wird. Wenn die Beklagte darüber hinaus unter Einräumung einer weiteren Bedenkzeit die Klägerin mit Schreiben vom 09. 09. 2003 auf die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens hinweist und unmissverständlich klar macht, dass jedenfalls bei einer erneuten Ablehnung des Vertragsangebotes eine Kündigung erfolgen wird, so hat sie damit die Klägerin hinreichend deutlich auf die Konsequenzen einer weiteren Verweigerung hingewiesen. Für die Klägerin musste jedenfalls nach dieser Abmahnung deutlich sein, dass sie bei einer weiteren Ablehnung des Arbeitsplatzangebotes definitiv ihren Arbeitsplatz aufs Spiel setzen wird.

4.

Auch im Rahmen der vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung lässt sich ein vorrangiges Interesse der Klägerin am Erhalt ihres Arbeitsplatzes nicht begründen. Selbst wenn man neben der relativ kurzen Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten die sehr lange Betriebszugehörigkeit der Klägerin im D. Konzern bzw. bei der D. R. in Ansatz bringt, so lässt dies allein eine Zumutbarkeit für die Beklagte, das Arbeitsverhältnis zu den gegenwärtigen Bedingungen gegebenenfalls bis zum Eintritt in das Rentenalter fortzusetzen, nicht erkennen. In die Interessenabwägung ist die besondere Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses als "Vermittlungsverhältnis" einzubeziehen. Die von der Klägerin vorgebrachten Ablehnungsgründe beziehen sich - was von ihr im Termin am 01. 03. 2005 auch noch einmal im Rahmen der mündlichen Erörterung bestätigt worden ist - nicht nur auf die hier konkret angebotene Tätigkeit in F., sondern behalten ihre Gültigkeit auch für weitere Stellenangebote, die mit einem Wohnortwechsel verbunden wären. Die "Chancen" der Beklagten, für die Klägerin einen auf ihre persönlichen Wohnortwünsche zugeschnittenen Arbeitsplatz im Laufe der nächsten Zeit zu ermitteln, erscheinen daher im Rahmen der hier vorzunehmenden Prognose als äußerst gering. Wie gerichtsbekannt ist, sind die im Bereich des D. Konzerns frei werdenden Arbeitsplätze überwiegend in Ballungsräumen der Altbundesländer angesiedelt. Für die Beklagte besteht daher die berechtigte Befürchtung, dass die Klägerin auch weitere Arbeitsplatzangebote, die von ihrem Wohnort aus nicht durch tägliches Pendeln erreicht werden können, unter Berufung auf die Aufrechterhaltung ihres Hauptwohnsitzes in A. ablehnen würde. Dies hätte faktisch zur Konsequenz, dass aus dem als "Übergangslösung" angedachten Arbeitsverhältnis eine "Dauerlösung" würde, bei der die Beklagte weiterhin die volle Arbeitsvergütung zahlen müsste, ohne dass hierfür auf absehbare Zeit ein wirtschaftlicher Gegenwert von der Klägerin, sei es gegenüber der Beklagten, sei es gegenüber einem anderen Konzernunternehmen der D. Gruppe erbracht werden könnte.

Die demgegenüber von der Klägerin vorgebrachten Gründe für die Beibehaltung ihres Hauptwohnsitzes in A. lassen ein überwiegendes Interesse nicht erkennen. Der Einwand, eine vorübergehende Verwertung der Immobilie durch Vermietung sei aufgrund der am Wochenende dort mietfrei wohnenden erwachsenen Söhne für sie nicht zumutbar, vermag nach Auffassung der Kammer nicht nur im Rahmen des § 23 D. V. TV nicht durchzudringen, sondern lässt sich auch im Bereich der unabhängig davon vorzunehmenden konkreten Interessenabwägung bezogen auf die hier streitgegenständliche Kündigung nicht als ein dem vorstehend geschilderten Interessen der Beklagten überwiegendes Interesse der Klägerin bewerten.

IV.

Schlussendlich scheitert die Rechtswirksamkeit der Kündigung nicht an § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG, wonach eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam ist. Der nicht ordnungsgemäßen Anhörung steht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 16. 09. 1993 - 2 AZR 267/93 - ) die nicht ordnungsgemäße Anhörung gleich. Ordnungsgemäß ist die Anhörung wiederum dann, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat neben den Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers die aus seiner Sicht maßgeblichen Kündigungsgründe so detailliert mitgeteilt hat, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen anstellen zu müssen, sich ein umfassendes Bild von dem Kündigungsentschluss machen kann (BAG 22. 09. 1994 - 2 AZR 31/94 - ). Dem entspricht das Informationsschreiben der Beklagten vom 18. 09. 2003 i. V. m. dem weiteren Schreiben an den Betriebsrat im Rahmen des Verfahrens nach § 27 D.

V. TV. Dem besagten Schreiben lassen sich die aus der subjektiven Sicht der Beklagten maßgeblichen Kündigungsgründe hinreichend deutlich entnehmen.

Da die Beklagte auch die der Klägerin zustehende Kündigungsfrist eingehalten hat, musste das Rechtsmittel der Beklagten im vollen Umfang Erfolg haben. Das Urteil des Arbeitsgerichts Halle war dementsprechend abzuändern.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

D.

Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war wegen der vorzunehmenden Auslegung des § 26 D. V. TV die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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