Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 15.03.2004
Aktenzeichen: 11 Ta 35/04
Rechtsgebiete: BRAGO, GKG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 9
BRAGO § 9 Abs. 1
BRAGO § 10
BRAGO § 10 Abs. 1
BRAGO § 10 Abs. 3
GKG § 25
GKG § 25 Abs. 2 n. F.
GKG § 25 Abs. 2 Satz 1
GKG § 25 Abs. 3
GKG § 25 Abs. 3 Satz 1 1. HS
GKG § 25 Abs. 3 Satz 3
GKG § 25 Abs. 4 Satz 1
ArbGG § 12 Abs. 1
ArbGG § 12 Abs. 7
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
ZPO § 569
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt BESCHLUSS

11 Ta 35/04

In Sachen

wegen Streitwertfestsetzung

hat das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht am 15.03.2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 17.10.2003 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 14.02.2004 - 10 Ca 1488/03 - ersatzlos aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Antragstellers gemäß § 10 Abs. 1 BRAGO an das Arbeitsgericht Magdeburg zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Beklagtenvertreter begehrt gemäß § 10 Abs. 1 BRAGO die Streitwertfestsetzung für einen von den Parteien geführten Bestandsschutzprozess.

Der Kläger hat in seiner am 09.04.2003 anhängig gemachten Feststellungsklage folgenden Antrag angekündigt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. sowie zu 2. nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 28.03.2003 zum 30.06.2003 beendet wird, sondern fortbesteht.

Zur Begründung seines Antrags hat der Kläger vorgetragen, es habe sowohl zwischen ihm und der Beklagten zu 1. wie auch seit 01.04.2001 mit der Beklagten zu 2. ein Arbeitsverhältnis bestanden. Die Parteien haben den Rechtsstreit durch Vergleich am 21.08.2003 (Bl. 225 - 227 d.A.) beendet.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 10.11.2003 (Bl. 238 d.A.) nach vorheriger Anhörung der Beklagten und des Antragstellers den Gegenstandswert gemäß §§ 25 GKG, 9 BRAGO auf € , nämlich in Höhe von sechs Bruttomonatseinkommen des Klägers festgesetzt.

Gegen diesen, den Beklagten formlos übersandten Beschluss haben die Beklagten am 16.02.2004 Beschwerde eingelegt, mit der sie die Herabsetzung des Gegenstandswertes auf € (drei Monatseinkommen des Klägers) begehren. Die Beklagten vertreten die Auffassung, in wirtschaftlicher Hinsicht habe der Kläger lediglich den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses - wenn auch gegenüber zwei Beklagten - geltend gemacht. Demgemäß sei lediglich der Regelwert des § 12 Abs. 7 ArbGG für die Streitwertbemessung in Ansatz zu bringen.

Das Arbeitsgericht hat mit weiterem Beschluss vom 17.02.2004 (Bl. 244 d.A.) der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. 1)

Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert in dem angefochtenen Beschluss vom 10.11.2003 nicht - wie vom Antragsteller beantragt - gemäß § 10 Abs. 1 BRAGO, sondern gemäß §§ 9 BRAGO, 25 GKG festgesetzt. Demgemäß bestimmt sich die Zulässigkeit der Beschwerde nach den letztgenannten Bestimmungen. Die Beschwerde entspricht den Anforderungen des § 25 Abs. 3 GKG. Sie ist gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 1. HS GKG statthaft. Mit ihrer Beschwerde haben die Beklagten auch die Frist des § 25 Abs. 3 Satz 3 GKG gewahrt. Weiterhin ist der Beschwerdewert gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 1. HS GKG von 50,00 € überschritten. Schlussendlich entspricht die Beschwerde auch den Voraussetzungen des § 569 ZPO.

2)

Die Beschwerde ist begründet soweit die Beschwerdeführer - inzidenter - die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehren. Hingegen konnte in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren durch das Beschwerdegericht keine eigene Sachentscheidung über die Höhe des festzusetzenden Streitwertes erfolgen.

Der Beschluss war vielmehr ersatzlos aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Beklagtenvertreters vom 08.10.2003 an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

a)

Das Arbeitsgericht hat den angefochtenen Beschluss nicht in der richtigen Verfahrensart erlassen. Die von dem Beklagtenvertreter beantragte Streitwertfestsetzung hätte nicht nach Maßgabe der §§ 25 GKG, 9 BRAGO, sondern vielmehr nach Maßgabe des in § 10 BRAGO geregelten Verfahrens erfolgen müssen.

Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Dieser Wert ist gemäß § 9 Abs. 1 BRAGO auch für die Gebühren des Rechtsanwaltes maßgebend. Er kann (Abs. 2) aus eigenem Recht die Festsetzung des Wertes beantragen und Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen. Ein Antrag nach § 10 Abs. 1 BRAGO setzt demgegenüber voraus, dass sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt.

Einigkeit besteht im Bereich der Kostenfestsetzung bei den Gerichten für Arbeitssachen wohl darüber, dass das Verfahren nach § 10 BRAGO gegenüber dem Verfahren nach §§ 9 BRAGO, 25 GKG subsidiär ist (BAG AP ArbGG 1979 § 12 Nr. 9; Hartmann Kostengesetze 30. Aufl. § 10 BRAGO Rz 4; Creutzfeldt NZA 1998, 458, 459). Streitig ist hingegen, ob § 10 BRAGO nicht nur in den Fällen zur Anwendung kommt, in denen nach der einschlägigen Verfahrensordnung keine Gerichtsgebühren anfallen, also z. B. im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, sondern aber darüber hinaus auch in den Fällen, in denen zwar nach der zur Anwendung kommenden Verfahrensordnung grundsätzlich Gerichtsgebühren zu erheben sind, das Verfahren im konkreten Fall jedoch gerichtsgebührenfrei ist, also z. B. bei einem Abschluss des Rechtsstreits im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz durch Klagrücknahme vor streitiger Verhandlung oder durch einen Vergleich. Während u. a. das LAG Köln (08.08.1991 LAGE BRAGO § 10 Nr. 4) und auch Stimmen in der Literatur (Creutzfeldt NZA 1998, 458, 459) im letztgenannten Fall dem Verfahren nach §§ 25 GKG, 9 BRAGO den Vorzug geben, ist nach anderer Auffassung (u. a. Hessisches LAG 21.01.1999 LAGE ArbGG 1979 § 12 Nr. 116 - mit ausführlicher Begründung -; LAG Köln 13.12.1999 LAGE BRAGO § 10 Nr. 9 sowie LAG Sachsen-Anhalt 02.08.1995 - 1 Ta 43/95 -) in diesen Fällen das Verfahren nach § 10 BRAGO einschlägig. Der letztgenannten Auffassung schließt sich die erkennende Beschwerdekammer an.

Gegen diese Auffassung spricht zum einen nicht der Wortlaut des § 10 Abs. 1 BRAGO. Die in Abs. 1 verwendete Formulierung "oder fehlt es an einem solchen Wert ..." schließt eine Anwendung dieser Bestimmung in den Fällen, in denen aufgrund der konkreten Umstände eine Gerichtsgebühr nicht anfällt, gerade nicht aus. Dies gilt zumindest nach der erneuten Änderung des § 25 GKG durch Art. 9 des 6. VwGOÄndg vom 01.11.1996 (BGBl. I, S. 1626). Durch den klarstellenden Zusatz, "das Prozessgericht (setzt) den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest", hat der Gesetzgeber nunmehr eindeutig geregelt, dass in den Fällen, in denen Gerichtsgebühren nicht anfallen, eine Wertfestsetzung von Amts wegen nicht zu erfolgen hat (BT-Dr 13/3993, S. 15). Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 BRAGO lässt sich daher zumindest auch so verstehen, dass er die von § 25 Abs. 2 GKG n. F. ausgeschlossenen Fälle nunmehr im Rahmen der subsidiären Anwendung erfassen soll.

Weiter spricht für die hier vorgenommene Auslegung der Wille des Gesetzgebers. Dieser ist bei der Neufassung des § 25 Abs. 2 GKG davon ausgegangen, dass, soweit nur für Anwaltsgebühren eine Festsetzung erforderlich ist, diese nach § 10 BRAGO auf Antrag zu erfolgen habe (BT-Dr 13/3993, S. 15).

Auch systematische Argumente sprechen für die Anwendbarkeit des § 10 BRAGO in den Fällen, in denen im Verfahren konkret keine Gebühren anfallen. Das Verfahren nach § 25 Abs. 2 GKG ist primär auf die Festsetzung der Gerichtsgebühren zugeschnitten. Die Wertfestsetzung bindet alle Verfahrensbeteiligten einschließlich des Bezirksrevisors als Vertreter der Landeskasse. Das Verfahren ist nicht als Parteiverfahren ausgestaltet, sondern soll zur Entlastung der Kostenbeamten die verbindliche Grundlage für die Berechnung der Gerichtsgebühren schaffen. Hieraus folgt auch die Gerichtsgebührenfreiheit im Beschwerdeverfahren (§ 25 Abs. 4 Satz 1 GKG) und die sehr weitgehende Möglichkeit zur Korrektur des Wertfestsetzungsbeschlusses von Amts wegen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 u. 3 GKG). Das Verfahren nach § 10 BRAGO ist hingegen der Sache nach als Parteienstreit ausgestaltet (so zutreffend Creutzfeldt NZA 1996, 956, 962 m.w.N.). Dies wird u. a. dadurch verdeutlicht, dass in diesem Verfahren das Verschlechterungsverbot gilt. Die Wirkung der Entscheidung beschränkt sich auf das Verhältnis - jedenfalls in dem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz - zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Diese unterschiedliche Ausgestaltung der Verfahrensarten lässt es als systemwidrig erscheinen, in dem Fall, in dem eine Gerichtsgebühr gar nicht festzusetzen ist, dennoch das auf die Festsetzung dieser Gebühr primär zugeschnittene und lediglich über den § 9 BRAGO auf den Parteivertreter erweiterte Verfahren "isoliert" zur Anwendung zu bringen. Es ist beispielsweise nicht einsichtig, warum die Möglichkeit zur Beschlussänderung von Amts wegen auch dann in Betracht kommen soll, wenn es lediglich um die Gebührenberechnung im Mandantschaftsverhältnis zwischen Partei und Anwalt geht.

Nach alledem ist im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen in den Fällen, in denen das Verfahren gerichtsgebührenfrei beendet wird, die Streitwertfestsetzung nach Maßgabe des § 10 BRAGO vorzunehmen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Das Verfahren ist durch Vergleich zum Abschluss gebracht worden. Eine Gerichtsgebühr fällt mithin gemäß Anl. 1 zu § 12 Abs. 1 ArbGG nicht an.

b)

Dem Beschwerdegericht war es nicht möglich, "von Amts wegen" den nach § 25 GKG ergangenen Beschluss in einen solchen nach § 10 Abs. 1 BRAGO umzudeuten und im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens nach § 10 Abs. 3 BRAGO in der Sache selbst zu entscheiden. Dem stehen die unterschiedlich ausgestalteten Verfahrensregelungen in § 25 Abs. 3 GKG bzw. 10 Abs. 3 BRAGO entgegen.

c)

Die von dem Arbeitsgericht in der Sache vorgenommene Festsetzung des Gegenstandswertes in Höhe von sechs Bruttomonatseinkommen des Klägers dürfte auch nach Auffassung des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden sein. Entgegen der Auffassung der Beklagten begehrt der Kläger gerade nicht gegenüber zwei Beteiligten die Feststellung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses. Der Kläger hat vielmehr in seiner Klagebegründung wie auch in weiteren Schriftsätzen deutlich gemacht, dass sein Klageziel die Feststellung von zwei Arbeitsverhältnissen ist. Angesichts dieses Klageziels erscheint es auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt, jedes der streitbefangenen Arbeitsverhältnisse mit drei Bruttomonatseinkommen gemäß § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG zu bemessen.

3)

Diese Entscheidung ergeht gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 GKG gerichtsgebührenfrei.

Ein weiteres Rechtsmittel findet hiergegen nicht statt.

Ende der Entscheidung

Zurück