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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 03.06.2003
Aktenzeichen: 3(7) Sa 25/02 E
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 97 I
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3(7) Sa 25/02 E

verkündet am: 3. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter und als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Naumburg vom 07.11.2001 - 7 Ca 1099/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Vergütung aus der Vergütungsgruppe V c (Fg. 1 a) BAT-0 (VKA) statt gezahlter Vergütung aus der Vergütungsgruppe VI b (Fg. 1 a) BAT-0 (VKA) ab Februar 2000.

Die Klägerin ist seit dem 01.10.1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger angestellt. Seit dem 01.01.1998 ist sie Sachbearbeiterin im Ordnungsamt im Sachgebiet öffentliche Einrichtungen und Straßenwesen. Die Klägerin, die arbeitsvertraglich mit 28 Wochenstunden beschäftigt wird, erhält Vergütung aus der Vergütungsgruppe VI b (Fg. 1a) BAT-0. Die Geltung des BAT-0 ist einzelvertraglich vereinbart.

Der Klägerin sind im wesentlichen folgende Aufgaben übertragen:

1. Überwachung der Einhaltung der den Anliegern gemäß Straßenreinigungssatzung der Beklagten obliegenden Reinigungspflichten im Sommerhalbjahr sowie der Streu- und Räumungspflicht im Winterhalbjahr und die Ahndung festgestellter Zuwiderhandlungen. Dazu unternimmt die Klägerin Kontrollgänge im Außendienst. Stellt sie Satzungsverstöße fest, leitet sie Maßnahmen gegen die von ihr zu ermittelnden Grundstückseigentümer ein. Insoweit kommt zunächst in Betracht eine Verwarnung ohne Verwarngeld und bei erneutem Verstoß ein Verwarngeldbescheid bis zu 70,00 DM (35,00 Euro). Dazu verwendet die Klägerin Formulare. Auf die Muster Blatt 149, 151 der Gerichtsakten wird Bezug genommen. Wird der Verwarngeldbescheid nicht anerkannt, leitet die Klägerin gegebenenfalls ein Bußgeldverfahren ein. Hierfür gibt es wiederum Vordrucke. Wird gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt, prüft sie dessen Zulässigkeit. Bei zulässigem Einspruch entscheidet sie sodann, ob sie diesem abhilft oder nicht. Bei Nichtabhilfe leitet sie die Sache an das Amtsgericht weiter und fertigt auch (Teile der) Schriftsätze für das Gericht. Wird der festgestellte Verstoß nicht behoben, droht die Klägerin Zwangsgeld und Ersatzvornahme an. Erforderlichenfalls setzt sie die Zwangsmittel fest und veranlaßt gegebenenfalls auch die Ersatzvornahme durch den städtischen Eigenbetrieb. Im Anschluß daran erläßt sie die Kostenfestsetzungsbescheide. Auch hierzu werden Vordrucke verwandt.

Die Klägerin war im Jahr 2002 drei Monate arbeitsunfähig krank und hatte in diesem Jahr einen Monat Urlaub. Die Klägerin bearbeitete in den Jahren 2000, im ersten Halbjahr 2001 (27 Wochen) und im Jahre 2002 folgende Anzahl von Ordnungswidrigkeitsverfahren:

- Verwarnung ohne Verwarnungsgeld: 92 (2000), 22 (2001), 73(2002)

- Verwarnung mit Verwarnungsgeld: 39 (2000), 33 (2001), 48 (2002)

- Bußgeldverfahren: 5 (2000), 9 (2001), 21 (2002)

- Ersatzvornahmen: - (2000), 2 (2001), - (2002)

- Zwangsgelder: - (2000), - (2001), 2 (2002)

Die durchschnittliche Bearbeitungszeit beträgt für Verwarnungen ohne Verwarnungsgeld eine Stunde Verwarnungen mit Verwarnungsgeld 1,5 Stunden Bußgeldbescheide 2,0 Stunden Ersatzvornahmen 4,0 Stunden Zwangsgelder 4,0 Stunden

2. Die Klägerin erteilt einmal jährlich auf der Grundlage des vorhandenen Haushaltsplanes Stadtreinigungsaufträge (zur Papierkorbentleerung, Parkplatzreinigung usw.) an den städtischen Eigenbetrieb bzw. fertigt die entsprechenden Auftragsschreiben. Die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufträge überwacht sie, indem sie im Außendienst die verschiedenen Touren nachfährt. Festgestellte Mängel teilt sie dem Eigenbetrieb formlos mit. Die vom Eigenbetrieb für die Kehrleistungen gelegten Rechnungen überprüft sie auf ihre rechnerische und sachliche Richtigkeit.

Im Jahre 2002 fielen 68 Stunden und 7 Minuten für Dienstgänge der Klägerin an.

Auf die anderen der Klägerin übertragenen Aufgaben, wie Aktualisierung der Grundstücksreinigungspläne der Stadt und die "Überwachung der Forderungen bei Gesamt- und Zwangsvollstreckungen", kommt es mangels der erforderlichen Zeitanteile unstreitig nicht an.

Mit ihrer am 12.03.2001 beim Arbeitsgericht Naumburg eingegangenen Klage hat die Klägerin, dies im einzelnen darlegend, geltend gemacht, sie habe Anspruch auf Vergütung aus der Vergütungsgruppe V c (Fg. 1 a) BAT-0 ab Februar 2000. Sie benötige gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und erbringe auch zu einem Drittel selbständige Leistungen im Tarifsinne. Für den Zeitraum von Februar 2000 bis zur Klagezustellung am 16.03.2001 hat die Klägerin ihren Anspruch beziffert, im übrigen hat sie entsprechende Feststellung begehrt. Ihren Anspruch hatte sie zuvor mit Schreiben vom 24.08.2000 geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.563,38 DM brutto zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit Klagezustellung eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT-0 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat, dies im einzelnen darlegend, die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Anspruch stehe der Klägerin nicht zu.

Mit Urteil vom 07.11.2001, auf das zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Naumburg - 7 C a1099/01 - die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe Blatt 212 bis 217 der Akten. Gegen dieses ihr am 12.12.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.01.2002 eingelegte um am (Montag) 11.02.2002 begründete Berufung der Klägerin. Die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, ihr stehe Vergütung aus der Vergütungsgruppe V c BAT-0 zu. Die Klägerin meint, die gesamte Überwachung des Straßenreinigungs- und Winterdienstes von der Kontrolle im Außendienst bis zur verfahrensabschließenden Verbescheidung der Einzelfälle stelle einen (großen) Arbeitsvorgang dar. Dieser erfordere gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie selbständige Leistungen.

Die Klägerin beantragt,

auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Naumburg vom 07.11.2001 (Az.: 7 Ca 1099/01) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.563,38 DM brutto zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit Klagezustellung eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT-0 Fallgruppe 1 a zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil u. a. nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 19.03.2002, auf die Bezug genommen wird (Bl. 251 bis 253 d. A.). Die Beklagte ist der Ansicht, allein die Erteilung von Bußgeldbescheiden, Ersatzvornahmen und Verhängung von Zwangsgeldern erfordere gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie selbständige Leistungen.

Auch wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 12.03.2003.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der BAT-0 findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung.

Die Entscheidung hängt damit davon ab, ob die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von der Klägerin in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe V c (Fg. 1 a) entsprechen (§ 22 BAT-0). Das ist nicht der Fall.

Auszugehen ist vom Begriff des Arbeitsvorganges. Darunter ist eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (vgl. z. B. BAG AP-Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Der Anspruch auf Vergütung aus der Vergütungsgruppe V c (Fg. 1 a) setzt damit voraus, daß auf die gesamte auszuübende Tätigkeit der Klägerin zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordern und mindestens ein Drittel dieser Arbeitsvorgänge selbständige Leistungen enthalten. Auf den Umfang der selbständigen Leistungen innerhalb des einzelnen Arbeitsvorganges kommt es nicht, weil ein Arbeitsvorgang hinsichtlich der Anforderungen nicht aufgespalten werden darf (Protokollnotiz Nr. 1 S. 2 zu § 22 Abs. 2 BAT-0). Nicht erforderlich ist deshalb, daß ein Drittel der Gesamtarbeitszeit. des Angestellten sich als selbständige Leistungen darstellen. Die Tarifvertragsparteien haben das qualifizierende Merkmal der selbständigen Leistungen nicht auf die Arbeitszeit, sondern auf die Arbeitsvorgänge bezogen (vgl. BAG AP-Nr. 178 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Es sind folgende Arbeitsvorgänge zu bilden:

1. Die verfahrensabschließende Verbescheidung jeder einzelnen festgestellten Ordnungswidrigkeit im Rahmen der Überwachung des Straßenreinigungs- und des Winterdienstes. Gleichartige Vorgänge können zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (vgl. BAG vom 31.07.2002 - 4 AZR 163/01).

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts bildet die Außendiensttätigkeit der Klägerin keinen eigenen Arbeitsvorgang. Die Tätigkeit kann nicht sinnvoll aufgespalten werden in die (tatsächliche) Feststellung der Ordnungswidrigkeit einerseits und die anschließende Verfolgung und Verbescheidung andererseits. Der Vorgang muß einheitlich gesehen werden. Die Tätigkeit der Klägerin zielt darauf ab zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Straßenreinigungssatzung vorliegt und auf weiche Weise dieser gegebenenfalls zu ahnden ist. Die Feststellung der Ordnungswidrigkeit und deren Verbescheidung stehen in einem engen inneren Zusammenhang. Diese Tätigkeit der Klägerin führt als Arbeitsergebnis zum Ausspruch einer Verwarnung, Erteilung eines Bußgeldbescheides usw. Die Kontrollgänge dienen als Zusammenhangstätigkeit der vorstehenden Zielsetzung. Das wird vor allem daran deutlich, daß die Außendiensttätigkeit insbesondere dann zu keinem abgrenzbaren Arbeitsergebnis führt, wenn die Klägerin keine Ordnungswidrigkeiten feststellt (vgl. dazu auch BAG AP-Nr. 78 zu §§ 22, 23 BAT 1975 - Politesse).

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Überwachung des Straßenreinigungs- und Winterdienstes von der Kontrolle im Außendienst bis zur verfahrensabschließenden Verbescheidung der Einzelfälle nicht zu einem großen Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden. Die Ahndung der einzelnen festgestellten Verstöße ist unterschiedlich tariflich zu bewerten, je nach dem, welche Sanktionen hieran geknüpft werden. Die Tätigkeiten sind auch tatsächlich trennbar. Die Aufgaben könnten ohne weiteres nicht nur einem, sondern zwei oder mehreren Angestellten zugewiesen werden. Die Zeiten für Kontrollgänge, bei denen keine Verstöße festgestellt werden, sind zeitanteilig als Zusammenhangstätigkeit den vorstehenden Arbeitsvorgängen hinzuzurechnen.

2. Die Erteilung der Stadtreinigungsaufträge an den städtischen Eigenbetrieb, die Überwachung der Auftragserfüllung im Außendienst und die Prüfung der Rechnungslegung auf rechnerische und sachliche Richtigkeit bilden einen Arbeitsvorgang. Diese Einzeltätigkeiten stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang und führen zu einem einheitlichen Arbeitsergebnis.

Allein rechtserheblich für die Eingruppierung der Klägerin und daher nur zu beurteilen sind die Arbeitsvorgänge zu 1. Der Arbeitsvorgang zu 2. nimmt unstreitig weniger als die Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin in Anspruch. Er erfordert unstreitig auch weder gründliche und vielseitige Fachkenntnisse noch selbständige Leistungen.

Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß die nach ihrer jeweiligen Wertigkeit zusammenzufassenden Arbeitsvorgänge zu 1. insgesamt zeitlich mindestens zur Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin anfallen. Die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe Vc, Fg. 1a sind auch dann nicht erfüllt, weil gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie selbständige Leistungen im Sinne der Vergütungsgruppe V c BAT-0 nur die Bearbeitung von Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide sowie diejenigen Vorgänge erfordern, die mit der Verhängung eines Zwangsgeldes oder einer Ersatzvornahme abgeschlossen werden. Die Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs, insbesondere seiner Rechtzeitigkeit, die Prüfung der Einspruchsbegründung und die damit verbundene Notwendigkeit, sich mit Einwänden und Gegenäußerungen der Betroffenen auseinander setzen zu müssen sowie die Entscheidung über die Abhilfe bzw. Einstellung des Verfahrens oder die Abgabe an das Amtsgericht erfüllen die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe V c Fg. 1 a. Diese Arbeitsvorgänge machen aber keinesfalls mindestens die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin aus. Die Klägerin hat nicht dargelegt, in welchem zeitlichen Umfang eine Einspruchsbearbeitung in vorstehendem Sinn anfällt. Das braucht aber nicht weiter aufgeklärt zu werden, weil schon die Erteilung von Bußgeldbescheiden sowie Verhängung von Zwangsgeldern und Ersatzvornahmen selbst nicht in dem erforderlichen zeitlichen Ausmaß anfallen. Schon der Erlaß von Bußgeldbescheiden samt Zwangsgeldern und Ersatzvornahmen macht auch unter zeitanteiliger Hinzurechnung des zeitlichen Aufwandes für die Kontrollgänge im Außendienst ohne Feststellung von Ordnungswidrigkeiten aufgrund der unstreitigen Anzahl der Fälle nicht bzw. kaum mehr als 10 % der gesamten Tätigkeit aus. Das gilt auch für das Jahr 2002 unter Berücksichtigung der dreimonatigen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin und ihres einmonatigen Urlaubes.

Die übrigen Vorgänge (Verwarnungen ohne und mit Verwarnungsgeld sowie der Erlaß von Bußgeldbescheiden) erfordern keine über gründliche Fachkenntnisse hinausgehenden vielseitigen Fachkenntnisse und selbständige Leistungen und erfüllen damit die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe Vc, Fg. 1 a nicht. "Gründliche Fachkenntnisse" liegen vor, wenn der Angestellte über nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises verfügen muß (Klammerdefinition zur Vergütungsgruppe VII Fg. 1 a BAT). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat dieses Tarifmerkmal sowohl ein quantitatives als auch ein qualitatives Element, wonach Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichen Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art erforderlich sind (vgl. z. B. BAG AP-Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975 m. w. N.). Diese Anforderungen erfüllt die Klägerin bei vorstehenden Arbeitsvorgängen. Die Klägerin hat die Vorschriften der Straßenreinigungssatzung der Beklagten sowie einige Vorschriften des OWiG, des SOG LSA und des VerwKostG anzuwenden. Die Klägerin benötigt darüber hinaus keine "vielseitigen Fachkenntnisse". Gefordert wird insoweit eine Erweiterung der Fachkenntnisse dem Umfang nach. Die Vielseitigkeit kann sich insbesondere aus der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen ergeben. Dabei werden nicht Fachkenntnisse in eine bestimmten Zahl von Rechtsgebieten oder Fachgebieten verlangt. Dazu kann auch Erfahrungswissen gehören, das der Angestellte für die ihm übertragene Tätigkeit benötigt (vgl. BAG a. a. 0. sowie AP-Nr. 94 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Die erforderlichen gründlichen Fachkenntnisse der Klägerin beziehen sich auf ein eng begrenztes Teilgebiet der Ordnungsverwaltung, nicht auf vielseitige Fachgebiete. Die Vorschriften, mit denen sie zu arbeiten hat, sind übersichtlich und wenig kompliziert.

Die aufzuklärenden Sachverhalte bzw. der Nachweis des Ordnungswidrigkeitenverstoßes in objektiver und subjektiver Hinsicht erscheint, anders etwa als die Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten (vgl. BAG vom 16.04.1997 - 4 AZR 350/95) einfach. Insoweit reichen Kenntnis der Satzung und Erfahrungswissen aus. Die Vielseitigkeit der erforderlichen Fachkenntnisse kann auch nicht bejaht werden im Hinblick auf die Ermittlung der heranzuziehenden Grundstückseigentümer. Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß überhaupt und gegebenenfalls in welchem nennenswerten Umfang Fälle auftreten, bei denen es welcher näheren zivilrechtlichen Kenntnisse zur Eigentumsfeststellung bedarf. Insoweit bedarf es auch keiner "selbständigen Leistungen" i. S. d. beanspruchten Vergütungsgruppe V c Fg. 1 a BAT-0. Nach dem maßgeblichen Klammerzusatz zur Vergütungsgruppe V c Fg. 1 a erfordern selbständige Leistungen ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative, wobei eine leichte geistige Arbeit diese Anforderungen nicht erfüllen kann. Das Tätigkeitsmerkmal "selbständige Leistungen" darf nicht mit dem Begriff "selbständig Arbeiten" i. S. v. "Alleinarbeiten", d. h. ohne direkte Aufsicht oder Lenkung durch Weisungen tätig zu sein, verwechselt werden. Unter selbständiger Leistung ist vielmehr eine Gedankenarbeit zu verstehen, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, wie insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne können nach der Rechtsprechung des BAG vielmehr - ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe - ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses sein. Vom Angestellten werden Abwägungsprozesse verlangt, es werden Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt; der Angestellte muß also unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Dieser Prozeß geistiger Arbeit kann bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen. Trotzdem bleibt das Faktum der geistigen Arbeit bestehen. Geistige Arbeit wird also geleistet, wenn der Angestellte sich bei der Arbeit fragen muß: Wie geht es nun weiter? Worauf kommt es nun an? Was muß als nächstes geschehen? (vgl. BAG AP-Nr. 178 zu §§ 22, 23 BAT 1975 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Tätigkeit der Klägerin erfolgt außerhalb der Einspruchsbearbeitung überwiegend nach vorgezeichneten Abläufen. Die Bescheide ergehen nach Formblatt, eventuell durch EDV. Das Ermessen bei der Höhe der Festsetzung des Verwarnungsgeldes bis zu 70,00 DM (35,00 Euro) reichte zur Bejahung selbständiger Leistungen nicht aus.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Naumburg kann daher keinen Erfolg haben und ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 I ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel daher nicht gegeben.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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