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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 474/03
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 247
BGB § 280 Abs. 1 Satz 2
BGB § 619 a
ZPO §§ 850 ff
ZPO § 850 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 474/03

verkündet am: 26. Februar 2004

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 26.02.2004 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Gross als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Dr. Höhm und Altekrüger als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Naumburg vom 11.06.2003 - 7 Ca 675/03 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Lohnansprüche des Klägers für die Monate Januar bis einschließlich März 2003 in Höhe von 3.476,80 € sowie um rückständige Fahrtkosten des Klägers für die Monate November 2002 bis einschließlich Februar 2003 in Höhe von 2.190,54 €, gegen die der Beklagte mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von 107.000,00 € (so Berufungsbegründung) bzw. 107.317,00 € (so Schriftsatz vom 09.01.2004) aufrechnet.

Der Kläger war seit dem 22.11.2002 bei dem Beklagten als Trockenbauer mit einem Stundenlohn von 8,20 € und einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines beim Arbeitsgericht abgeschlossenen Vergleichs zum 15.03.2003.

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen (Seite 2 - 4 des Urteils = Bl. 110 - 112 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.06.2003 den Beklagten verurteilt, an den Kläger 3.476,80 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 03.04.2003 zu zahlen. Es hat ihn weiter verurteilt, an den Kläger 2.190,54 € netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 03.04.2003 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Beklagten auferlegt und den Gegenstandswert auf 5.667,34 € festgesetzt. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils (S. 4 - 6 des Urteils = Bl. 112 - 114 d. A.) wird Bezug genommen.

Gegen das dem Beklagten am 14.07.2003 zugestellte Urteil hat dieser am 04.08.2003 Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.09.2003, mit am 29.09.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz begründet.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Beklagte über die Pfändungsfreigrenze hinaus einen aufrechenbaren Schadensersatzanspruch gegen den Kläger gehabt habe. Darüber hinaus habe der Kläger nicht vorgetragen, inwieweit eine Pfändungsfreigrenze zu beachten sei. Unterhaltsverpflichtungen des Klägers seien dem Beklagten nicht bekannt, so dass von einer Pfändungsfreigrenze nach § 850 c ZPO von 930,00 € auszugehen sei. Über den darüber hinausgehenden monatlichen Betrag könne der Beklagte Aufrechnung erklären. Der Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen den Kläger werde in Höhe der aufrechenbaren Forderungen geltend gemacht. Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen den Kläger sei vorliegend aufgrund grober Fahrlässigkeit gegeben. Der Kläger habe ab 23.11.2002 auf der Baustelle Z. A. GmbH gearbeitet. Er habe dort Trockenarbeiten auszuführen gehabt, und zwar sollte er in einer 8 m x 60 m großen Halle die Decke abhängen, das heißt, es habe zunächst die Decke mit einem Untergestell versehen werden müssen, wobei dabei zunächst die Abhänger hätten montiert werden müssen. An diese seien Halterungen eingehängt worden, die die Deckenplatten halten mussten. Der Kläger sei am ersten Arbeitstag an der Arbeitsstelle durch den Beklagten und den Vorarbeiter der Firma Z. A. GmbH, Herrn M., eingewiesen worden, und zwar anhand der erforderlichen Pläne. Der Kläger habe mit drei weiteren Arbeitnehmern der Beklagten freiwillig selbst eine Arbeitsgruppe (Betriebsgruppe) gebildet, um die Arbeiten auszuführen. Der Kläger sowie die anderen drei Arbeitnehmer hätten jedoch die Leistung nicht ordentlich erbracht, vielmehr seien sämtliche angebrachten Abhänger an der Decke falsch montiert worden. Der Kläger und die drei weiteren Arbeitnehmer würden gesamtschuldnerisch für ihre gemeinsame Arbeit haften. Der Kläger habe auch grob rechtswidrig gehandelt. Er sei gelernter Trockenbauer und habe bei seiner Bewerbung darauf hingewiesen, dass er im Bereich Trockenbau Spezialkenntnisse habe. Die aufgetretenen Mängel hätten nicht beseitigt werden können, vielmehr habe die Z. A. GmbH diese selbst ausgeführt und Nacharbeiten mit offenen Forderungen der Beklagten verrechnet.

Mit Schreiben vom 04.04.2003 habe die Z. A. GmbH dem Beklagten mitgeteilt, dass folgende Arbeiten nochmals erledigt werden müssten:

"1. Achse 8 - 10, Finger B Schott 3,60 x 3,60 Aufdoppelung Schottseite aufgrund Maßungenauigkeit

2. Nachrichten Bandraster, Finger B, Maßungenauig-keit durch Maßabweichung bei Längsabsteigung

3. Achse 8 - 10 großer Flur bis große Nische Bandraster komplett neu einrichten einschließbar aller Befestigungen lösen und neu verschrauben. Im Schottbereich alle Durchführungen öffnen und nach Ausschachten neu verschließen. Abstufungen neu einrichten, teilweise Abhänger ändern. Beginnend Mittelachs bis Ende Nische."

Die Nacharbeiten seien dem Beklagten in Rechnung gestellt worden. Dem Beklagten sei dadurch ein Schaden in Höhe von 107.000,00 € entstanden. Der Beklagte habe also weder den Auftrag bezahlt bekommen noch einen Nachauftrag (Subunternehmervertrag), der bereits ausgehandelt gewesen sei, erhalten.

Der Kläger habe auch schuldhaft gehandelt. Er sei ordnungsgemäß eingewiesen worden. Grob fahrlässig habe er gehandelt, da er die gesamte Konstruktion für die Deckenaufhängung eingebaut und die Aufhänger angebracht habe. Er habe jedoch die Maße nicht überprüft und korrigiert. Bei einer Überprüfung wären die Mängel festgestellt worden. Der Kläger trage auch die Hauptschuld am Verschulden, da er die einzige Fachkraft unter den eingestellten Arbeitnehmern gewesen sei. Die Höhe des Schadens werde mit 107.317,00 Euro beziffert, da der Beklagte die Leistung für die Arbeiten am Bau nicht bezahlt bekommen habe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass er auch die Nachfolgeaufträge nicht erhalten habe.

Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 193 - 198 d. A.) und den Schriftsatz vom 09.01.2004 (Bl. 231 - 233 d. A.) verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Naumburg - 7 Ca 675/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags verteidigt er das Urteil des Arbeitsgerichts Naumburg, das zutreffend davon ausgegangen sei, dass der Beklagte keine aufrechenbaren Schadensersatzansprüche habe.

Der Beklagte habe auch nicht annähernd substanziiert dargelegt, worin die angeblichen Pflichtverletzungen des Klägers bestanden hätten. Der Kläger habe sich am 23.01.2003 nicht an der Arbeitsstelle aufgehalten, sondern sich zu diesem Zeitpunkt noch auf der Baustelle Sp. P. in B. befunden. Der Kläger habe auch keinerlei Pläne in die Hand bekommen. Bestritten werde, dass der Kläger und drei weitere Arbeitnehmer eine Arbeitsgruppe (Betriebsgruppe) gebildet hätten. Vielmehr seien zwei Arbeitsgruppen gebildet worden, nämlich aus den Arbeitnehmern T. und K. sowie aus den Arbeitnehmern R. und H.. Angebliche Mängel der anderen Arbeitsgruppe könnten dem Kläger nicht zugerechnet werden. Eine nicht ordnungsgemäß erbrachte Leistung werde darüber hinaus bestritten. Die Arbeiten des Klägers und seiner Kollegen seien am 20.02.2003 abgenommen worden. Die Aufgaben des Klägers hätten darin bestanden, Schienen an Abhängern zu befestigen und diese sodann fachgerecht an der Decke zu montieren. Diese Arbeiten seien ordnungsgemäß erbracht worden. Die Arbeiten des Klägers seien am 20.02.2003 beendet worden, wobei zu berücksichtigen sei, dass zu diesem Zeitpunkt die Deckenplatten noch nicht eingebaut worden seien. Für etwaige Schäden, die nach dem 20.02.2003 entstanden seien, hafte der Kläger nicht. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, woraus sich eine gesamtschuldnerische Haftung mit den übrigen Kollegen ergebe. Die von der Firma Z. A. GmbH im Schreiben vom 04.04.2003 ausgeführten Arbeiten habe der Kläger gerade nicht ausgeführt.

Die Höhe des behaupteten Schadens von 107.000,00 € werde bestritten. Die Zusammensetzung dieses Betrags sei nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus bestehe für den Kläger als Lediger ohne Kinder (Steuerklasse I) eine Pfändungsgrenze von 930,00 € monatlich.

Nur das darüber hinausgehende Nettogehalt des Klägers wäre somit pfändbar. Dies bedeute, dass im Monat Januar allenfalls ein Betrag in Höhe von 101,55 €, im Monat Februar 2003 ein Betrag von 215,69 €, im November 2002 ein Betrag in Höhe von 73,62 € pfändbar gewesen wäre.

Bestritten werde von Seiten des Klägers bezüglich der behaupteten Aufrechnung, dass der Beklagte keine Folgeaufträge erhalten habe. Unklar sei nach wie vor die Höhe des geltend gemachten Schadens, da zum einen der Schaden mit 107.000,00 € und zum anderen mit 107.317,00 € beziffert werde. Dieses Vorbringen sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Weiter sei nicht nachvollziehbar, ob es sich um einen Brutto- oder einen Nettobetrag handele.

Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 214 - 219 d. A.) und den Schriftsatz vom 03.02.2004 (Bl. 236/237 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung des Beklagten ist frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und rechtzeitig innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 c, 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO). Die Berufung ist damit ohne weiteres zulässig.

II.

1. Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass die geltend gemachten Vergütungsansprüche des Klägers begründet sind. Es hat weiter zu Recht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Aufrechnung oder eine Arbeitnehmerhaftung vorliegend durch den Beklagten nicht ausreichend dargelegt wurden. Insoweit wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen (Bl. 112 - 114 d. A.).

Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:

Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung des Beklagten mit Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Kläger liegen nicht vor:

Zwischen dem Kläger und den übrigen drei Arbeitnehmern, die an dem Projekt gearbeitet haben, besteht entgegen der Auffassung des Beklagten kein Gruppenarbeitsverhältnis. Hierbei sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Gruppenarbeitsverhältnisse denkbar. Zum einen eine Eigengruppe, in der eine Mehrheit von Arbeitnehmer sich zu gemeinsamer Arbeitsleistung aus eigener Initiative zusammengeschlossen hat und als Gruppe ihre Dienstleistung dem Arbeitgeber anbietet (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 611 BGB Akkordkolonne). Eine derartige Eigengruppe ist vorliegend nicht gegeben, da die Gruppe eindeutig ihre Dienstleistung nicht als Gruppe insgesamt angeboten hat.

Es ist jedoch auch keine Betriebsgruppe gegeben. Unter einer Betriebsgruppe ist eine Mehrheit von Arbeitnehmern zu verstehen, die jeweils einzeln und unabhängig ihren Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber abgeschlossen haben, durch diesen aus arbeitsorganisatorischen Gründen zwecks Erreichung eines näheren Arbeitserfolges zusammengeschlossen worden sind (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 611 BGB Akkordkolonne; Schaub Arbeitsrechtshandbuch 10. Auflage § 181 Rdz. 2). Bei den Betriebsgruppen bestehen zwischen den Arbeitnehmern der Gruppe grundsätzlich keine vertraglichen Beziehungen (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht - Preis, BGB 230 § 611 Rdnr. 192). Bei einer derartigen Betriebsgruppe schließt vielmehr der Arbeitgeber die Arbeitnehmer mit jeweils eigenständigen Arbeitsverträgen zu einer Gruppe zusammen, die als Ganze einen bestimmten Arbeitserfolg gemeinsam verwirklichen soll. Dabei kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob vorliegend, wie von Seiten des Beklagten dargelegt, die Arbeitnehmer sich zu dieser Betriebsgruppe zusammengeschlossen hätten oder er im Rahmen seines Direktionsrechts eine derartige Gruppe gebildet hat. Denn selbst, wenn eine solche Gruppe angenommen würde, haften die Gruppenmitglieder regelmäßig nur anteilig für den durch ihre individuelle Schlechtleistung verursachten Schadensanteil. Eine gesamtschuldnerische Haftung kommt nicht in Betracht (vgl. Schaub aaO § 182 Rdnr. 17; Rüthers FZfA 1977, 1, 25 ff; BAG vom 18.05.1983 AP TVG § 1 Tarifverträge, Bau Nr. 51; LAG Bremen 12.11.1969 DB 1970, 1696).

Bezüglich der von dem einzelnen Arbeitnehmer, hier also dem Kläger, individuell verursachten Schlechtleistung hat der Beklagte jedoch nichts vorgetragen. Da eine gesamtschuldnerische Haftung ausscheidet, kommt daher unter dem Gesichtspunkt des Gruppenarbeitsverhältnisses eine Haftung des Klägers nicht in Betracht. Eine andere Haftungsverteilung kommt auch wegen der Neuregelung des § 619 a BGB nicht in Frage. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Dies bedeutet, dass die Beweislast des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB durch die Regelung des § 619 a BGB umgekehrt und dem Arbeitgeber überbürdet wird. Dies bedeutet weiter, dass der Arbeitgeber im Prozess diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Streitfall zu beweisen hat, aus denen sich ein Verschulden des Arbeitnehmers ergeben soll. Dabei ist von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszugehen, dass auch ein vorsätzlicher Pflichtverstoß noch nicht zur vollen Haftung des Arbeitnehmers führt, sondern dass sich der Vorsatz auch auf den Schaden beziehen muss (vgl. BAG vom 18.04.2002 - 8 AZR 348/01 AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Grundsätzlich gilt dabei für die Haftung des Arbeitnehmers nach der oben angeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Folgendes:

Vorsätzlich verursachte Schäden hat der Arbeitnehmer in vollem Umfang zu tragen. Bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers ist eine Haftungserleichterung zu seinen Gunsten nicht ausgeschlossen, sondern von einer Abwägung im Einzelfall abhängig (vgl. BAG vom 15.11.2001 NZA 2002, 612). Ist der Schaden auf leichteste Fahrlässigkeit zurückzuführen, haftet der Arbeitnehmer gar nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer den Schaden anteilig zu tragen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er zum Ersatz verpflichtet ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbar-keitsgesichtspunkten. Primär ist auf den Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Schuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, die Versicherbar-keit des Risikos, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe seines Arbeitsentgelts sowie persönliche Umstände des Arbeitnehmers, wie etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalte, seine Familienverhältnisse sowie das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers abzustellen (vgl. BAG vom 18.04.2002 aaO).

Dies bedeutet, dass die Haftung des Arbeitnehmers entscheidend davon abhängig ist, welcher Verschuldensgrad dem Arbeitnehmer zur Last zu legen ist. Dafür, dass der Kläger vorsätzlich gehandelt hat, ist von Seiten des Beklagten nichts vorgetragen worden und auch nichts ersichtlich. Er hat nämlich nicht wissentlich oder willentlich sowie im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehandelt. Auch für ein grob fahrlässiges Handeln reicht das von Seiten des Beklagten Vorgetragene jedoch nicht aus. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dies bedeutet, dass bei grober Fahrlässigkeit auch subjektive Umstände zu berücksichtigen sind, das heißt, es kommt nicht nur darauf an, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen Situation erwartet werden konnte. Vielmehr ist auch darauf abzustellen, ob der Schädigende nach seinen individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (vgl. BAG vom 12.11.1998 = BAGE 90, 148). Für diese Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit ergeben sich jedoch keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Vorbringen des Beklagten. Allein die Tatsache, dass, wie der Beklagte vorträgt, eine Überprüfung der Aufhänger durch den Kläger nicht vorgenommen wurde, kann in keiner Weise dazu führen, dass von einem grob fahrlässigen Handeln des Klägers ausgegangen werden kann.

Weiter ist insoweit zu berücksichtigen, dass nach der im Schrifttum herrschenden Meinung das Verschulden in Fällen privilegierter Haftung auf den Schadenseintritt als solchen beziehen muss (vgl. Münchner Kommentar/Müller/Glöge BGB, 3. Auflage § 611 Rdnr. 475 mit weiteren Nachweisen).

Aufgrund dessen, was zwischen den Parteien vorgetragen wurde, ist vielmehr davon auszugehen, dass zugunsten des Beklagten davon ausgegangen werden kann, dass der eingetretenen Schaden auf leichteste Fahrlässigkeit zurückzuführen ist. In diesem Fall haftet der Arbeitnehmer jedoch gar nicht.

Da somit die Voraussetzungen für eine Haftung des Klägers durch die Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt wurden, kommt zwangsläufig auch eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch nicht in Frage.

2.

Unabhängig von den oben gemachten Ausführungen kommt eine Haftung des Klägers auch deshalb nicht Frage, weil weder ersichtlich noch nachvollziehbar ist, wie sich der geltend gemachte Schadensbetrag von 107.000,00 bzw. 107.317,00 € im Einzelnen zusammensetzt. Entsprechendes ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Beklagten noch aus dem zu den Akten gereichten Schreiben der Z. A. GmbH vom 03.04.2003, in dem lediglich ausgeführt wird, dass der Aufwand der Mängelbeseitigung in Rechnung gestellt und mit offenen Forderungen verrechnet wird. Zur Höhe und der Zusammensetzung wird insoweit jedoch überhaupt nichts vorgetragen. Ebenso wenig ergibt sich dies aus dem Schreiben der Z. A. GmbH vom 09.04.2003, in dem ebenfalls nur mitgeteilt wird, dass die Nacharbeiten mit ihrer offenen Forderung verrechnet werden. In welcher Höhe eine Verrechnung im Rahmen der Nachbesserung überhaupt vorgenommen wurde, ist überhaupt nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist überhaupt nichts Substanziiertes dazu vorgetragen, dass der Beklagte einen Nachauftrag bzw. Subunternehmervertrag wegen des Verhaltens des Klägers nicht bekommen habe. Auch dieses Vorbringen des Beklagten erschöpft sich in einem allgemeinen Vorbringen ohne jede für die Kammer nach vollziehbare tatsächliche Grundlage.

3.

Weiter ist insoweit zu berücksichtigen, dass gegen eine Lohnforderung nur in der Höhe aufgerechnet werden kann, wie diese nach den §§ 850 ff ZPO pfändbar ist. Etwas anderes hat die Rechtsprechung bisher nur zugelassen bei vorsätzlichen unerlaubten Handlungen. Dafür ist vorliegend überhaupt kein Anhaltspunkt ersichtlich. Dies bedeutet, dass günstigstenfalls hätte aufgerechnet werden können mit einem Betrag von 390,86 €. Darüber hinaus ist eine Aufrechnungsmöglichkeit für den Beklagten nicht gegeben.

Auch mit diesem Betrag von 390,86 € kann jedoch, wie oben ausgeführt, nicht aufgerechnet werden, da die Zusammensetzung des Aufrechnungsbetrags in keiner Weise für das Gericht nachvollziehbar ist.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts war daher zurückzuweisen und mit der Folge, dass die Vergütungsansprüche des Klägers in voller Höhe gerechtfertigt sind.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 ZPO. Im Tenor war darüber hinaus auszusprechen (§ 64 Abs. 3 a ArbGG), dass die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht zugelassen wird.

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts weicht von den Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ab. Deren Anwendung auf den Einzelfall aber ist Aufgabe der Tatsacheninstanzen.

Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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