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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 8 TaBV 14/02
Rechtsgebiete: BetrVG, PBefG, GO der DVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 1
BetrVG § 1 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG § 1 Abs. 2
BetrVG § 1 II Ziffer 1
BetrVG § 18 Abs. 2
BetrVG § 87 Abs. 1
PBefG § 57
PBefG § 57 Abs. 1 Nr. 3
GO der DVG § 2
GO der DVG § 2 Abs. 3
GO der DVG § 3
GO der DVG § 3 Abs. 1
GO der DVG § 3 Abs. 2
GO der DVG § 6
GO der DVG § 7 Abs. 1
GO der DVG § 7 Abs. 1 Satz 1
GO der DVG § 7 Abs. 1 Satz 2
GO der DVG § 7 Abs. 2
GO der DVG § 9 Satz 1
GO der DVG § 9 Satz 4
ArbGG § 46 Abs. 2
ArbGG § 50
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 80 Abs. 2
ArbGG § 87 Abs. 2
ArbGG § 92 a
ZPO §§ 166 ff. a.F.
ZPO § 184 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

8 TaBV 14/02

verkündet am: 30. September 2003

In dem Beschlussverfahren

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 08. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Quecke als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Lindner und die ehrenamtliche Richterin Näther als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 18) wird der Beschluss des ArbG Dessau vom 03.04.2002 abgeändert. a) Der Antrag der Beteiligten zu 1) auf Feststellung eines gemeinschaftlichen Betriebes der Beteiligten zu 3) bis 12) wird abgewiesen.

b) Auf Antrag des Beteiligten zu 18) wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 11) einen eigenständigen Betrieb i.S.d. § 1 BetrVG führt.

2) Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Im Rechtsstreit geht es um die Frage, ob die zu 3) bis 12) beteiligten Arbeitgeberinnen einen gemeinsamen Betrieb i.S.d. BetrVG führen bzw. ob insbesondere die beteiligte Arbeitgeberin zu 11), die GmbH (im Folgenden DVG), einen eigenständigen Betrieb unterhält.

Die Beteiligten zu 3) bis 12) sind Versorgungs-, Verkehrs- und Dienstleistungsgesellschaften der Stadt jeweils in der Rechtsform einer GmbH. Sie beschäftigen insgesamt über 400 Arbeitnehmer. Die Beteiligte zu 3), die GmbH (im Folgenden DVV), ist als hundertprozentige Tochter der Stadt ihrerseits Muttergesellschaft der beteiligten Arbeitgeberinnen zu 4) bis 12) (Holding-Gesellschaft). Sie beschäftigt ca. 132 Arbeitnehmer. Ihr Gesellschaftszweck besteht lt. Handelsregistereintrag u.a. in der Gewährleistung und Erfüllung von Versorgungs- und Verkehrsleistungen im Bereich der Stadt (vgl. HRG Auszug Bl. 128 f.). Zwischen ihr und den Tochtergesellschaften bestehen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, so zwischen der DVV und der DVG der Vertrag vom 21.12.1992 (Bl. 367 - 369). Geschäftsführer in allen Gesellschaften ist Herr K. Allein bei der DVG fungiert als weiterer Geschäftsführer Herr C. Mit Ausnahme der DVG residieren sämtliche Gesellschaften im Verwaltungsgebäude Straße 48 in .

Die DVG ist in etwa 4 - 5 km Entfernung ansässig in der Straße 48. Sie betreibt öffentlichen Personennahverkehr im Bereich der Stadt und Umgebung und unterhält hierzu eine Reihe von Bus- und Straßenbahnlinien. Auf ihrem Betriebsgelände in der Straße befinden sich die Büros des Geschäftsführers C., des Bereichs Finanzen, des Bereichs Fahr- und Dienstplanung und des Bereichs Leitstand Bus- und Straßenbahnverkehr sowie technische Einrichtungen (Bereich Kfz-Werkstatt und Bereich Fahrwege/Anlagen nebst Stellplätzen für Busse). Der Geschäftsführer C. ist gemäß § 57 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) zum Betriebsleiter bestellt.

Im Zuge von Umstrukturierungen übertrugen die Tochtergesellschaften der DVV mittels im Wesentlichen gleichlautender Dienstleistungsverträge eine Reihe von Dienstleistungen, darunter u.a. das Personalwesen. Nach Änderungen im Laufe des Rechtsstreits gilt zwischen der DVV und DVG der Dienstleistungsvertrag in der Fassung vom 01.08.2002 (Bl. 375 - 381 d.A.). Nach näherer Maßgabe des § 6 erbringt die DVV u.a. Dienstleistungen im Personalwesen einschließlich aller damit verbundenen Tätigkeiten.

Bei der DVG besteht eine Geschäftsordnung vom 22.05.2001 in der Fassung vom 25.09.2001, wonach die DVG zwei Geschäftsführer und eine Prokuristen hat (§ 2 Abs. 1 der Geschäftsordnung). Gemäß § 2 Abs. 3 der Geschäftsordnung entscheiden die Geschäftsführer K. und C. gemeinsam in allen Angelegenheiten, in denen es nach dem Gesetz, dem Gesellschaftsvertrag oder der Geschäftsordnung der Zustimmung oder der Information des Aufsichtsrates der DVV, der Gesellschafterversammlung der DVV und der DVG bedarf. Zustimmungspflichtige Rechtsgeschäfte sind gemäß § 3 der Geschäftsordnung insbesondere

- Bestellung, Entlastung und Abberufung der Geschäftsführer der DVG

- Einstellung, Abberufung von Prokuristen sowie die Einstellung leitender Angestellter und Vereinbarung außertariflicher Vergütungen und Versorgungsleistungen

...

- Abschluss von Betriebsvereinbarungen, Sozialplänen und Tarifverträgen

...

Gemäß § 6 der Geschäftsordnung obliegt der Geschäftsbereich der Maßnahmen nach dem PBefG dem Geschäftsführer C. Hierzu gehören die Maßnahmen, die im Zusammenhang stehen mit der Durchführung, Koordinierung und Kooperation des öffentlichen Personen- und Nahverkehrs in und Umgebung einschließlich aller damit verbundenen Geschäfte und der innerbetrieblichen Organisation der Maßnahmen. Der Geschäftsbereich Personal/Vertrieb/Marketing wird gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 gemeinsam durch die Geschäftsführer K. und C. wahrgenommen. In § 7 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung in der Fassung vom 25.09.2001 ist geregelt, dass dieser Geschäftsbereich für die DVG "in der DVV erbracht" werde. In § 7 Abs. 2 der Geschäftsordnung heißt es:

Für den Bereich Personal erfolgt folgende Festlegung zur Unterschriftsberechtigung:

- Einstellung und Kündigung, Änderungen von Arbeitsverträgen von Arbeitnehmern, welche dem BetrVG unterliegen, Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen und Einstellung von Lehrlingen:

Herr K. und Herr C. gemeinsam.

Im Krankheitsfall eines Geschäftsführers: Frau B. als Prokuristin zusammen mit einem anderen Geschäftsführer.

- Abschluss von Betriebsvereinbarungen, Sozialplänen, Tarifverträgen und Festlegung von Strukturänderungen in der DVG:

Herr K. und Herr C. gemeinsam.

Im Krankheitsfall eines Geschäftsführers Frau B. als Prokuristin zusammen mit einem anderen Geschäftsführer.

- Einleitung disziplinarischer Maßnahmen gegen Arbeitnehmer (Abmahnung etc.): Herr C. und Frau B. gemeinsam.

- unabhängig von vorgenannten Festlegungen gilt, dass Schriftstücke über Geschäfte und Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung von beiden Geschäftsführern gemeinsam unterzeichnet werden.

In § 9 Satz 1 der Geschäftsordnung in der Fassung vom 25.09.2001 ist bestimmt, dass die Marketing- und Personalangelegenheiten der DVG durch die DVV erbracht werden.

Für den Bereich sämtlicher Gesellschaften existiert eine einheitliche Telefonanlage und ein einheitliches Datennetz; weiterhin gilt allgemein eine für alle Gesellschaften gleichlautende Betriebsvereinbarung für die Nutzung der Betriebssoftware (SAP R 3). Im Gebäude Straße 48 existiert eine Kantine, die grundsätzlich sämtlichen Mitarbeitern aller Gesellschaften zur Verfügung steht. Weiterhin unterhalten die Gesellschaften ein gemeinsames Postfach, das von der Poststelle der DVV verwaltet wird und neben dem Bereich des Personalwesens sind der Muttergesellschaft DVV eine Reihe weiterer Dienstleistungen durch entsprechende entgeltliche Verträge übertragen, so u.a. Lohnbuchhaltung, Vertrieb, Datenverarbeitung, Controlling, Materialeinkauf und Verwaltung, Rechts- und Grundstücksangelegenheiten, Arbeitsschutz etc. Hierzu sind bei der DVV u.a. Geschäftsbereiche gebildet (so der Geschäftsbereich Marketing/Vertrieb/Abrechnung, der Geschäftsbereich zentrales Rechnungswesen, der Geschäftsbereich Controlling/Organisation/Personalwesen/allgemeine Verwaltung und der Geschäftsbereich technische Betriebsführung (vgl. Organigramm AS 3 Bl. 59 d.A.). Die jeweiligen Geschäftsbereiche erfüllen für die Einzelgesellschaften Dienstleistungen in unterschiedlichem Ausmaß. In dem Geschäftsbereich technische Betriebsführung wird die DVG nicht durch die DVV betreut (vgl. Organigramm des Geschäftsbereichs technische Betriebsführung, Anlage B 3 Bl. 131 d.A.).

Der Betriebsrat der beteiligten Arbeitgeberin zu 6) und der Wahlvorstand zur Bildung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung bei der Beteiligten zu 6) haben als Antragsteller des vorliegenden Rechtsstreits die Auffassung vertreten, es bestehe ein gemeinsamer Betrieb der Beteiligten zu 3) bis 12). Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen, organisatorischen und faktischen Verhältnisse würden die Beteiligten zu 3) bis 12) unter der einheitlichen Geschäftsleitung der Beteiligten zu 3), der DVV, von deren Geschäftsführer K. geführt. In dessen Person bestehe eine einheitliche Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten. Insbesondere seien nahezu alle Betriebsführungsaufgaben durch die abgeschlossenen Dienstleistungsverträge auf die DVV übertragen worden. Auch habe die Gesamtbelegschaft nach Abhaltung einer gemeinsamen Weihnachtsfeier ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt. Schließlich verwendeten sämtliche Gesellschaften ein einheitliches Unternehmenslogo.

Im Verlaufe des Rechtsstreits ist die Amtszeit des Wahlvorstandes (Beteiligter zu 2) abgelaufen. Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

festzustellen, dass die Beteiligten zu 3) bis 12) einen Gemeinschaftsbetrieb führen, der einen Betrieb im Sinne des BetrVG darstellt.

Dem Antrag des Beteiligten zu 1) sind die beteiligten Arbeitgeber zu 3) bis 12) beigetreten. Die bei den beteiligten Arbeitgeberinnen gebildeten Einzelbetriebsräte sind als Beteiligte zu 13) bis 18) ebenfalls beteiligt worden. Der Beteiligte zu 15), der Betriebsrat der Beteiligten zu 8), hat keinen Antrag gestellt. Die Beteiligten zu 13), 14), 16) und 17) sind dem Antrag des Antragstellers beigetreten. Der Beteiligte zu 18), der Betriebsrat der DVG, hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Mit Beschluss vom 03.04.2002, auf dessen Gründe Bezug genommen wird (Bl. 242 - 260 d.A.), hat das Arbeitsgericht antragsgemäß festgestellt, dass die Beteiligten zu 3) bis 12) einen Gemeinschaftsbetrieb führen, der einen Betrieb i.S.d. § 1 BetrVG darstellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, die Dienstleistungsverträge, die Geschäftsordnungen und die Identität in der Geschäftsführung in Person des Geschäftsführers K. abgestellt. Die innerbetriebliche Struktur sämtlicher Gesellschaften sei im Wesentlichen die gleiche, als wenn die Beteiligten zu einer GmbH zusammengefasst wären. Dies gelte auch für die DVG.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde an den Betriebsrat der DVG, den Beteiligten zu 18), ausweislich der Postzustellungsurkunde Bl. 263 d.A. am 17.05.2002 unter der Anschrift Straße 48 in zugestellt.

Mit einem am Donnerstag, den 20.06.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Faxschreiben hat der Betriebsrat der DVG gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 19.08.2002 - am 16.08.2002 begründet. Er macht zur Fristwahrung geltend, dass ihm der Beschluss des Arbeitsgerichts erst frühestens am Montag, den 20.05.2002 zugegangen sei. Die Zustellung an die Adresse Straße 48 am 17.05.2002 sei dem Betriebsrat nicht zuzurechnen, da er wie auch die DVG selbst den Betriebssitz in der Straße 48 hätte. Auch würde sich der Betriebsrat der DVG nicht stets und ständig der Posteingangsstelle in der Straße 48 bedienen, sondern regelmäßig unter der Anschrift Straße 48 angeschrieben. Die Posteingangsstelle in der Straße sei daher kein Geschäftslokal des Betriebsrates mit der Folge einer wirksamen Ersatzzustellung (§ 184 Abs. 1 ZPO a.F.).

In der Sache vertritt der Betriebsrat der DVG die Auffassung, dass die DVG einen eigenständigen Betrieb führe. Hierfür spreche die räumliche Absonderung in der Straße von den übrigen Arbeitgebern und der eigenständige Betriebszweck der DVG, nämlich die Durchführung des örtlichen Personen- und Nahverkehrs, für den nur die DVG die erforderlichen Konzessionen besitze. Die DVG habe als einzige Gesellschaft einen weiteren Geschäftsführer. Dieser sei zum Bahnbetriebsleiter i.S.d. Personenbeförderungsgesetzes bestellt. Er verhandele in der Praxis mit dem Betriebsrat. Weder die Konzernbindung noch Dienstleistungsverträge seien für die entscheidende Frage, wo die Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten für die Beschäftigten der DVG getroffen werden, ausschlaggebend. Insoweit liege die Leitungsmacht auf der Ebene der DVG. Eine technische und organisatorische Verknüpfung von Arbeitsabläufen finde nur in den durch Dienstleistungsverträge zentralisierten Bereichen und für die DVG in deutlich geringerem Maße als für die übrigen Gesellschaften statt. Es handele sich dabei im Wesentlichen um vorbereitende Zuarbeit durch die Muttergesellschaft DVV. Schließlich sei zu bedenken, dass die Tarifbindung in der DVG (ver.di) sich von derjenigen der übrigen Gesellschaften unterscheide (überwiegend IG BCE).

Der Betriebsrat der DVG beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dessau abzuändern und festzustellen, dass die Beteiligte zu 11) keinen Gemeinschaftsbetrieb mit den Beteiligten zu 3) bis 10) und 12) führt, sondern einen eigenständigen Betrieb i.S.d. § 1 BetrVG darstellt.

Die beteiligten Arbeitgeberinnen zu 3) bis 12) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die weiteren Beteiligten stellen keinen Antrag. Die beteiligten Arbeitgeberinnen wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens der Beteiligten wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen verwiesen, insbesondere auf die Niederschrift der Anhörung im Termin vom 08.07.2003 (Bl. 512 f.d.A.).

B. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die DVG bildet mit den beteiligten Arbeitgeberinnen zu 3) bis 10) und 12) keinen Gemeinschaftsbetrieb, sondern führt einen eigenständigen Betrieb in der Straße 48. I. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere hat ihr Eingang beim LAG am 20.06.2002 die einmonatige Frist zur Einlegung gemäß §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG gewahrt. Die Zustellung an den Betriebsrat erfolgte frühestens am Montag, den 20.05.2002. Die in der Postzustellungsurkunde (Bl. 263 d.A.) dokumentierte Übergabe der erstinstanzlichen Entscheidung an die Mitarbeiterin der Poststelle im Gebäude Straße 48 am 17.05.2002 hat die Zustellung an den Betriebsrat der in der Straße ansässigen DVG nicht bewirkt. Maßgeblich sind die bis zum 30.06.2002 geltenden Bestimmungen der §§ 166 ff. ZPO a.F., die gemäß §§ 80 Abs. 2, 50, 46 Abs. 2 ArbGG auch im Beschlussverfahren gelten (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 80 Rz. 51). Danach ist eine Ersatzzustellung an den Betriebsrat gemäß § 184 Abs. 1 ZPO a.F. anzunehmen, wenn sich der Betriebsrat stets und ständig der bei dem Arbeitgeber bestehenden Posteingangsstelle bedient; in diesem Fall ist die Posteingangsstelle für den Betriebsrat das Geschäftslokal i.S.v. § 184 Abs. 1 ZPO a.F. (BAG AP Nr. 2 zu § 47 BetrVG 1972). Nach dem Vorbringen der Beteiligten hat sich der Betriebsrat der DVG nicht in diesem Sinne stets und ständig der Posteingangsstelle in der Straße 48 bedient. Diese bildete vielmehr nur im Hinblick auf das gemeinsame Postfach sämtlicher beteiligter Arbeitgeberinnen eine gemeinsame Posteingangsstelle. In Bezug auf die zustellungsfähige Anschrift der DVG (Straße 48) ist dies unstreitig nicht der Fall, erst Recht nicht in Bezug auf den ebenfalls in der Straße ansässigen Betriebsrat der DVG. Da der Betriebsrat unstreitig frühestens am Montag, den 20.05.2002 in den Besitz der angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung gelangt ist, war jedenfalls vor diesem Zeitpunkt eine Zustellung nicht bewirkt worden.

II.

Der Umfang des Beschwerdeziels bedarf der Auslegung. Die Beschwerde begehrt die Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts und die Feststellung, dass die Beteiligte zu 11) keinen Gemeinschaftsbetrieb mit den Beteiligten zu 3) bis 10) und 12) führt, sondern einen eigenständigen Betrieb i.S.d. § 1 BetrVG darstellt. Damit wendet sich die Beschwerde gegen die vom arbeitsgerichtlichen Beschluss ausgesprochene Einbeziehung der Beteiligten zu 11) in einen angeblichen Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 3) bis 12). Ob die übrigen Beteiligten zu 3) bis 10) und 12) einen Gemeinschaftsbetrieb führen, lässt die Beschwerde ausdrücklich dahinstehen. Insoweit besteht für den beschwerdeführenden Betriebsrat der DVG auch kein eigenes Feststellungsinteresse. Ob mit diesem Beschwerdeziel der Ursprungsantrag des antragstellenden Betriebsrates der Beteiligten zu 6) insgesamt abzuweisen oder aber nur teilweise abzuweisen ist, soweit er nämlich die Beteiligte zu 11) mit umfasst, lässt die Beschwerde somit ausdrücklich offen. Dies ist keine Frage des Beschwerdezieles, sondern eine Frage der Auslegung des Ursprungsantrages. Die Beschwerde will lediglich erreichen, dass die Beteiligte zu 11) nicht als Teil eines Gemeinschaftsbetriebes der Beteiligten zu 3) bis 12) festgestellt wird. Darüber hinaus ist der Beschwerdeantrag auf Feststellung eines eigenständigen Betriebes i.S.d. § 1 BetrVG gerichtet. Das ist notwendig und hat eigenständige Bedeutung, da mit der Abweisung des Ursprungsantrages allein eine solche Feststellung nicht in Rechtskraft erwüchse. Die Einführung eines weiteren Antrags in 2. Instanz begegnet keinen Bedenken, da er auf derselben Tatsachengrundlage beruht, die für den Ursprungsantrag maßgeblich ist und sich alle Beteiligten darauf eingelassen haben (§ 87 II S. 3 i.V.m. § 81 II S. 3 ArbGG).

III.

Die Beschwerde ist begründet. Der Antrag des Betriebsrates (Antragsteller zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Der Antrag auf Feststellung eines einheitlichen Betriebes ist zulässig. Der Antragsteller hat mit dem Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart gewählt (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1 ArbGG). Er begehrt die Klärung einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit nach § 18 Abs. 2 BetrVG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist § 18 Abs. 2 BetrVG über den Wortlaut des Gesetzes hinaus nach dessen Sinn und Zweck auch bei der Beantwortung der Frage anzuwenden, ob eine Mehrzahl selbstständiger Betriebe vorliegen oder ein einheitlicher Betrieb (vgl. BAG vom 29.01.1987 - 6 ABR 23/85, AP Nr. 6 zu 1 BetrVG 1972).

Nach dem Ablauf seiner Amtszeit ist der Antragsteller zu 2), der Wahlvorstand für die Jugend- und Auszubildendenvertretung der Beteiligten zu 6), nicht mehr existent und damit aus dem Verfahren ausgeschieden. Über die beteiligten Arbeitgeberinnen und die bei ihnen bestehenden Betriebsräte hinaus war eine Beteiligung der in den einzelnen Betrieben vertretenen Gewerkschaften nicht erforderlich (vgl. BAG vom 25.09.1986 - 6 ABR 68/84, AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972.

2.

Der Antrag des antragstellenden Betriebsrates der Beteiligten zu 6) bedarf der Auslegung dahin, ob neben der Feststellung eines Gemeinschaftsbetriebes der Beteiligten zu 3) bis 12) auch als "minus" die Feststellung eines Gemeinschaftsbetriebes nur einiger oder zumindest zweier der beteiligten Unternehmen begehrt wird, oder ob eine solche Feststellung ein "aluid" im Vergleich zu dem formulierten Feststellungsantrag wäre. Für ein "minus" im oben genannten Sinne spricht die dem Antrag beigefügte Beschlussfassung des antragstellenden Betriebsrates der Beteiligten zu 6) vom 05.01.2001 (Bl. 13 d.A.), wonach "ein einheitlicher Betrieb verschiedener oder gar aller Unternehmen anzunehmen" sei. Allerdings enthält weder der Antrag selbst noch die Antragsbegründung einen weiteren Hinweis auf eine solche Auslegung. Insbesondere bliebe unklar, welche beteiligten Unternehmen mindestens vom Antrag umfasst sein sollten. Dies erscheint im Hinblick auf die maßgebliche Stellung der DVV bei der Frage eines Gemeinschaftsbetriebes sowie auf die eigene Antragsbefugnis des Betriebsrates der Beteiligten zu 6) unabdingbar. Der Fall unterscheidet sich daher von der dem Beschluss des BAG vom 25.10.1989 - 7 ABR 89/88, n.v. juris unter B IV 2 der Gründe zugrundeliegenden Lage, in der ein Betriebsrat eine Erweiterung seiner betrieblichen Zuständigkeit anstrebte und zu diesem Zweck eine Reihe von Betriebsstätten im einzelnen in der Antragsschrift aufgeführt hatte, deren Zugehörigkeit zum Betrieb festgestellt werden sollte. An einer solchen Antragstellung fehlt es im vorliegenden Fall.

Für die Auslegung des Ausgangsantrages dahin, dass er ausschließlich auf die Feststellung eines Gemeinschaftsbetriebes der beteiligten Unternehmen zu 3) bis 12) gerichtet ist, spricht ferner die weitere Prozessgeschichte. Das Beschwerdegericht hat mit Beschluss vom 05.02.2003 unter 3 b) die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es den Ausgangsantrag in diesem Sinne verstehe. Weiter hat es darauf hingewiesen, dass ein Hilfsantrag auf Feststellung eines anderen Betriebszuschnittes eines Gemeinschaftsbetriebes nicht gestellt sei und infolge dessen hierüber eine Entscheidung nicht zu treffen sei, soweit nur ein beteiligtes Unternehmen nicht dem Gemeinschaftsbetrieb zuzurechnen sei. Die Beteiligten haben einen entsprechenden Hilfsantrag in der Folge nicht gestellt und der Auslegung des Ausgangsantrages durch das Beschwerdegericht auch nicht widersprochen. Unter diesen Umständen ist der Antrag des Beschwerdegerichts im dargestellten Sinne zu verstehen. Daraus folgt, dass der Antrag des Betriebsrates der Beteiligten zu 6) schon dann abzuweisen ist, wenn nur ein beteiligtes Unternehmen nicht dem Gemeinschaftsbetrieb zugeordnet werden kann.

3.

Der so zu verstehende Antrag des Betriebsrates der Beteiligten zu 6) ist insgesamt unbegründet. Denn der beschwerdeführende Betriebsrat der Beteiligten zu 11) macht zu Recht geltend, dass die zu 11) beteiligte Arbeitgeberin DVG nicht einem Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 3) bis 10) und 12) zugehört. Die DVV, die allein als "Klammer" eines Gemeinschaftsbetriebes der beteiligten Unternehmen in Betracht kommt, bildet mit der DVG keinen gemeinsamen Betrieb. Ein solcher ist weder gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu vermuten noch ergibt er sich aus den Grundsätzen, die die Rechtsprechung für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes aufgestellt hat.

a)

Gemäß § 1 Abs. 2 BetrVG wird ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen u.a. vermutet, wenn zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Unstreitig werden die Arbeitnehmer der DVG nicht von anderen Unternehmen eingesetzt; sie sind ausschließlich für die DVG tätig, ein Austausch mit anderen Unternehmen findet, gleich in welche Richtung, nicht statt. Unstreitig verwendet darüber hinaus die DVG nahezu ausschließlich eigene Betriebsmittel zur Verfolgung ihrer arbeitstechnischen Zwecke. Diese sind ganz überwiegend in ihrer Betriebsstätte in der Straße angesiedelt. Eine Mitbenutzung ihrer Betriebsmittel durch andere Unternehmen findet nicht statt. Auch besteht ein gemeinsamer Fuhrpark in dem Sinne, dass die Fahrzeuge allen oder mehreren beteiligten Unternehmen zur Verfolgung ihrer jeweiligen arbeitstechnischen Zwecke zugeordnet seien, nicht, wie der Geschäftsführer K. in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht bestätigte. Das Nutzungsrecht sämtlicher Arbeitnehmer der beteiligten Arbeitgeberinnen an der Kantine in der Straße 48 genügt für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes nicht, zumal es schon wegen der räumlichen Entfernung für die Arbeitnehmer der DVG kaum von Interesse ist. Soweit die DVV für die DVG einzelne Dienstleistungen erbringt, handelt es sich nicht um einen gemeinsamen Einsatz von Betriebsmitteln oder Arbeitnehmern der beteiligten Unternehmen, sondern um die Erfüllung von vertraglich festgelegten Dienstleistungsverpflichtungen durch eigene Arbeitnehmer gegen Entgelt (innerbetriebliche Verrechnung gemäß § 12 des Dienstleistungsvertrages). Auch die Zusammenarbeit mehrerer beteiligter Unternehmen etwa beim Bau von Straßenbahnschienen etc. beinhaltet keinen solchen Einsatz, sondern lediglich die Erfüllung jeweils eigener Aufgaben. Allenfalls findet eine unternehmerische Abstimmung statt. Auch sind ein einheitliches Unternehmenslogo oder ein etwaiges bestehendes Gemeinschaftsgefühl nicht maßgeblich. Ebensowenig sind eine einheitliche Telefonanlage sowie ein betriebliches Datennetz nebst einheitlicher Betriebssoftware für die Annahme eines gemeinsamen betrieblichen Einsatzes i.S.v. § 1 II Ziffer 1 BetrVG ausreichend.

b)

Ein Gemeinschaftsbetrieb zwischen der DVV und der DVG folgt auch nicht aus den Grundsätzen, die die Rechtsprechung für die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebes aufgestellt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. insbesondere BAG vom 21.02.2001 - 7 ABR 9/00, EZA § 1 BetrVG 1972 Nr. 11; BAG vom 14.12.1994 - 7 ABR 26/94, AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG vom 09.02.2000 - 7 ABR 21/98, n.v.) ist von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Dazu müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann ein Gemeinschaftsbetrieb von DVV und DVG nicht festgestellt werden.

aa)

Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 21.12.1992 (Bl. 367 ff.d.A.) begründet für sich keine institutionalisierte gemeinsame Betriebsleitung. Er unterstellt lediglich die Leitung der DVG als "Unternehmen" der Muttergesellschaft DVV und räumt der DVV das Recht ein, der DVG "hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft" Weisungen zu erteilen. Eine solche Einflussmöglichkeit besagt noch nichts über die tatsächliche Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten, sondern sichert zunächst nur Einfluss auf die unternehmerische Leitung. Auch ein Einzelunternehmen kann aber über mehrere Betriebe verfügen. Dass das konzernrechtliche Weisungsrecht auch in einzelnen personellen und sozialen Angelegenheiten durchschlagen kann, begründet allein noch keine für die Betriebsabgrenzung ausreichende Leitungsmacht. Jeder Betriebsleiter eines Unternehmens mit mehreren Betrieben unterliegt den Weisungen der Unternehmensleitung. Es genügt aber für die Annahme eines eigenständigen Betriebes, wenn dort in der Regel der wesentliche Kern der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten entschieden wird.

bb)

Der Dienstleistungsvertrag zwischen DVV und den weiteren zu 4) bis 12) beteiligten Arbeitgeberinnen in der Fassung vom 01.08.2002 (Bl. 375 f.) überträgt der Muttergesellschaft DVV bestimmte Dienstleistungen für die Tochtergesellschaften entgeltlich. Er lässt jedoch ausdrücklich die Organisationsstruktur und personelle Zuständigkeit in den beteiligten Gesellschaften unberührt (§ 1 Abs. 6). Die gemäß §§ 2, 6 zu erbringenden Leistungen im Personalwesen einschließlich aller damit zusammenhängenden Tätigkeiten beinhalten in keinem Fall Entscheidungen, sondern erschöpfen sich in Vorbereitungs-, Mitwirkungs- und Koordinierungsleistungen insbesondere bei personellen Einzelmaßnahmen und Abschluss von Betriebsvereinbarungen, auch soweit es um die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat geht. Da keine Entscheidungsbefugnisse mit dieser Tätigkeit verbunden sind, bleibt Verhandlungspartner des Betriebsrates die Geschäftsleitung der DVG. Dies bestätigt die Geschäftsordnung der DVG in der Fassung vom 25.09.2001 mit der Festlegung der Unterschriftsberechtigung gemäß § 7 Abs. 2 sowie § 9 Satz 4.

cc)

Gemäß § 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung der DVG bedarf die Geschäftsführung der DVG in bestimmten Angelegenheiten der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, darüber hinaus hat die Gesellschafterversammlung vor Beschlussfassung gemäß § 3 Abs. 2 sich mit dem Aufsichtsrat der Muttergesellschaft DVV abzustimmen. Zu den betroffenen Angelegenheiten gehören u.a. die Einstellung und Abberufung von Prokuristen sowie die Einstellung leitender Angestellter und die Vereinbarung außertariflicher Vergütungen und Versorgungsleistungen, weiterhin der Abschluss von Betriebsvereinbarungen, Sozialplänen und Tarifverträgen. Diese Zustimmungs- und Abstimmungserfordernisse sichern der Muttergesellschaft DVV sowie der Stadt Dessau als letztverantwortlicher Rechtsträgerin Einfluss auf besonders wichtige personelle und soziale (Betriebsvereinbarungen) Angelegenheiten der DVG. Damit wird indessen weder der Gesellschafterversammlung der DVG noch gar dem Aufsichtsrat der DVV die tatsächliche Leitungsmacht in den angeführten Angelegenheiten übertragen. Zustimmung und Abstimmung beinhalten nicht die Entscheidung selbst, sondern sichern nur Einfluss auf eine anderweitig, hier in der Geschäftsführung der DVG zu treffende Entscheidung. Ihr Zweck liegt nicht in der Ausübung der tatsächlichen Leitungsmacht, sondern in der Kontrolle sowie in der Sicherung einer gleichmäßigen Ausübung der Leitungsmacht der Geschäftsführung der DVG, insbesondere im Hinblick auf die im öffentlichen Dienst grundsätzlich gebotene Bindung an Gesetze und Tarifverträge sowie auf das der kommunalen Daseinsvorsorge dienende Konzerninteresse.

dd)

Die in Bezug auf den Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs bestehende Teilidentität der Unternehmenszwecke von DVV und DVG nach den jeweiligen Handelsregistereintragungen (vgl. Bl. 128 f. und 370 f.d.A.) besagt nichts dazu, ob die DVV diesen Unternehmenszweck tatsächlich verfolgt und erst Recht nichts dazu, ob sie in Bezug auf diesen Unternehmenszweck gegenüber der DVG betriebliche Leitungsmacht ausübt. Tatsächlich verfügt allein die DVG über die für den öffentlichen Personennahverkehr (im Folgenden ÖPNV) erforderlichen Konzessionen, nur bei ihr ist ein Bahnbetriebsführer gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 3 PBefG bestellt. Gemäß § 6 der Geschäftsordnung der DVG obliegt zudem allein diesem in Person des Geschäftsführers C. die Durchführung des ÖPNV einschließlich aller damit verbundenen Geschäfte und der innerbetrieblichen Organisation. Nicht einmal der Mitgeschäftsführer K. hat insoweit unmittelbare Kompetenzen, erst Recht nicht die DVV.

ee)

Die bloße Tatsache einer (Teil-) Identität in der Geschäftsführung von DVV und DVG in der Person des Geschäftsführers K. rechtfertigt schließlich ebenfalls nicht die Annahme eines gemeinsamen Betriebes. Das BAG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass es auch bei Personalunion in der Geschäftsführung mehrerer Gesellschaften einer - zumindest konkludent vereinbarten - institutionellen gemeinsamen Führung der beteiligten Unternehmen nicht nur in Bezug auf unternehmerische Zusammenarbeit, sondern insbesondere hinsichtlich der Funktionen des Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten bedarf (zuletzt BAG vom 21.02.2001 - 7 ABR 9/00, EZA § 1 BetrVG 1972 Nr. 11 m.w.N.; zuvor schon ausdrücklich zur Personalunion der Geschäftsführung mehrerer Gesellschaften BAG vom 07.08.1986 - 6 ABR 57/85, AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972 und BAG vom 29.01.1987 - 6 ABR 24/86, n.v.-juris). Maßgeblich sind danach die Entscheidungsabläufe in den sozialen und personellen Angelegenheiten.

ff)

Auch in der Zusammenschau von konzernrechtlichen Weisungs- und Zustimmungsrechten, Dienstleistungsverträgen, personeller Verflechtung und sonstigen Umständen lässt sich ein einheitlicher Betrieb von DVV und DVG - ggf. abweichend zur Lage bei den übrigen Arbeitgeberinnen - nicht feststellen.

(1)

In erster Linie ist von Bedeutung, dass bei der DVG in Person der Geschäftsführers K. und C. eine institutionalisierte Leitung besteht, die sich gerade von der Leitung der DVV (wie auch der übrigen Arbeitgeberinnen) unterscheidet. DVV wie übrige Arbeitgeberinnen werden ausschließlich durch den Geschäftsführer K. geleitet. Im Jahre 1999 wurden zudem die bis dahin bei den zu 4) bis 10) und zu 12) beteiligten Arbeitgeberinnen bestehenden Betriebsleiterstellen abgeschafft und die bisherigen Stelleninhaber als so genannte Geschäftsbereichsleiter von der DVV übernommen. Eine entsprechende Veränderung hat bei der DVG nicht stattgefunden.

Die Doppelgeschäftsführung bei der DVG durch die Geschäftsführer K. und C. ist auch nicht lediglich eine der Auflage der Konzessionsbehörde nach dem PBefG geschuldete rein formale Konstruktion. Sie ist vielmehr für die Entscheidungsabläufe insbesondere in personellen und sozialen Angelegenheiten prägend. Gemäß § 6 der Geschäftsordnung der DVG hat allein der Geschäftsführer C. die Durchführung, Koordinierung und Kooperation des ÖPNV in Dessau und Umgebung einschließlich aller damit verbundenen Geschäfte und der innerbetrieblichen Organisation zu verantworten. Hieraus ergeben sich notwendige Folgen für wesentliche Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 BetrVG, dem Kernbereich der betrieblichen Mitbestimmung, insbesondere in Bezug auf Arbeitszeit, Mehrarbeit und Urlaubsplanung des Fahrpersonals. Weder das konzernrechtliche Weisungsrecht der DVV aus § 1 Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages noch das Zustimmungs- und Abstimmungserfordernis für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen gemäß § 3 der GO der DVG stellen hier die grundsätzlich auf der betrieblichen Ebene der DVG bestehende eigene Leitungsmacht in Frage, wie oben dargelegt wurde. Das Gleiche gilt für die Unterschriftsberechtigung für Betriebsvereinbarungen gemäß § 7 Abs. 2 der GO der DVG, die den Geschäftsführern K. und C. nur gemeinschaftlich zusteht. Dadurch wird die Leitungsmacht des Geschäftsführers C. bei Abschluss von Betriebsvereinbarungen lediglich begrenzt, nicht aber entzogen. Sie liegt insoweit bei den Geschäftsführern K. und C. gemeinsam und nicht ausschließlich bei dem Geschäftsführer K.

Entsprechend liegt es bei den sonstigen sozialen und bei den personellen Angelegenheiten. Hier besteht gemäß § 7 Abs. 1 der GO der DVG eine gemeinsame Verantwortung der Geschäftsführer K. und C. und gemäß § 7 Abs. 2 eine gemeinsame Unterschriftsberechtigung (mit Ausnahme von disziplinarischen Maßnahmen wie Abmahnungen etc., die nicht der Unterschrift des Geschäftsführers K. bedürfen). Die gemeinsame Verantwortung der Geschäftsführer K. und C. bei der DVG steht damit der einheitlichen institutionalisierten Leitung eines Gemeinschaftsbetriebes von DVV und DVG entgegen, da der Geschäftsführer C. in der DVV keinerlei Leitungsmacht ausübt. Auch stellen konzernrechtliches Weisungsrecht sowie Zustimmungs- und Abstimmungserfordernisse für Betriebsvereinbarungen und gewisse Personalentscheidungen gemäß § 3 der GO der DVG die grundsätzlich auf der betrieblichen Ebene der DVG bestehende eigene, den Geschäftsführern K. und C. gemeinsam zustehende Leitungsmacht nicht in Frage.

(2)

Eine von dieser Rechtslage abweichende Praxis, wonach die Betriebsleitung im Geschäftsbereich der DVG faktisch ausschließlich dem Geschäftsführer K. obläge (woraus auf eine entsprechende stillschweigende Leitungsvereinbarung geschlossen werden könnte), konnte das Beschwerdegericht nicht feststellen. Vielmehr konnte festgestellt werden, dass sich die Geschäftsführer in der Praxis an die Geschäftsordnung der DVG halten, so in Bezug auf Unterschriftserfordernisse und Zuweisung von Geschäftsbereichen. Auch trifft es nicht zu, dass sich der Geschäftsführer K. in extensiver Weise - etwa mit konzernrechtlichen Mitteln - in das Tagesgeschäft der DVG einschaltete mit der Folge, dass er abweichend von der dargestellten Rechtslage deren Betrieb maßgeblich allein leitete. Die Anhörung der Parteien hat vielmehr zur gegenteiligen Feststellung geführt. Schon die räumliche Absonderung der DVG bedingt eine lockerere Verbindung zwischen der DVG und dem Geschäftsführer K. Als einzige der beteiligten Arbeitgeberinnen ist die DVG nicht in der Straße, sondern mit allen ihren Arbeitnehmern in 4 - 5 km Entfernung in der Straße angesiedelt, während der Geschäftsführer K. seinen Dienstsitz in der Straße hat. Die räumliche und zeitliche Nähe stärkt im Tagesgeschäft der DVG die Stellung des in der Straße residierenden Geschäftsführers und Bahnbetriebsleiters C. Die etwa wöchentlich stattfindenden gemeinsamen Dienstbesprechungen der Geschäftsführer C. und K. sowie weitere Telefonate sprechen in Anbetracht der dem Geschäftsführer K. obliegenden weiteren umfangreichen Aufgaben ebenfalls gegen eine faktische Wahrnehmung der Betriebsleitung über das oben dargestellte Maß hinaus. Dies hat der Geschäftsführer K. in seiner Anhörung gegenüber dem Beschwerdegericht selbst bestätigt (vgl. S. 5 des Protokolls vom 08.07.2003, Bl. 516 d .A.).

Auch der besondere von der DVG verfolgte Betriebszweck des ÖPNV, der auch in der besonderen Tarifbindung seinen Ausdruck findet, spricht eher für eine eigenständige Betriebsorganisation der DVG als für ihre betriebliche Engführung durch den Geschäftsführer K. Zwar betreibt auch die DVV nach dem Handelsregistereintrag den ÖPNV, dies aber nur neben einer Reihe ganz andersartiger Unternehmenszwecke. Eine eigene Leitungsstruktur in Bezug auf den ÖPNV besteht bei der DVV gerade nicht. Sie beschränkt sich insoweit auf die unternehmerische Leitung.

Schließlich bestehen auch ansonsten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die DVV in Person ihres Geschäftsführers K. von ihren konzernrechtlichen Befugnissen gegenüber der DVG in einer Weise Gebrauch machte, die das zum Teil alleinige und im Übrigen gemeinsame (Mit-) Leitungsrecht des Mitgeschäftsführers C. als Makulatur erscheinen ließe.

Hiergegen spricht schon die von den Beteiligten in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht übereinstimmend getätigte Äußerung, dass der Betriebsrat der DVG i.d.R. mit dem Geschäftsführer C., nicht aber mit dem Geschäftsführer K. verhandele, auch wenn dieser in einzelnen Angelegenheiten gemeinsam mit dem Geschäftsführer C. oder - im Konzerninteresse - allein entscheide.

4.

Nach alledem war auf die Beschwerde des Betriebsrates der DVG der Antrag des Betriebsrates der Beteiligten zu 6) zurückzuweisen. Eine Entscheidung darüber, ob abgesehen von der DVG die übrigen Beteiligten Arbeitgeberinnen ganz oder teilweise einen gemeinsamen Betrieb bilden, war mangels eines darauf gerichteten Antrages nicht zu treffen. Auf den Antrag des beschwerdeführenden Betriebsrates der DVG war indessen festzustellen, dass die DVG keinen Gemeinschaftsbetrieb mit den Beteiligten zu 3) bis 10) und 12) führt, sondern einen eigenständigen Betrieb i.S.d. § 1 bildet.

IV.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestanden nicht.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 92 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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