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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 429/04
Rechtsgebiete: TzBfG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

TzBfG § 8 Abs. 1
TzBfG § 8 Abs. 2
TzBfG § 8 Abs. 4 Satz 1
TzBfG § 8 Abs. 4 Satz 2
ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 894 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT SACHSEN-ANHALT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 9 Sa 429/04

verkündet am 27. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau vom 6. Mai 2004 - 10 Ca 530/03 - abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit.

Die Klägerin ist seit 20. Februar 1999 bei der Beklagten beschäftigt, zunächst als Stationsärztin. Seit 1. März 2002 ist sie als Oberärztin im Bereich Gynäkologie/Onkologie in Vollzeit tätig. Der monatliche Verdienst der Klägerin beläuft sich auf 5.100,00 € brutto. Die Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildet der Anstellungsvertrag vom 02.01.2002. Unter Ziffer 4. dieses Vertrages ist Folgendes geregelt:

"ARBEITSZEIT

Sie sind verpflichtet, in angemessenem und zumutbarem Umfang über die betriebsübliche Arbeitszeit hinaus Ihre vertraglichen Aufgaben wahrzunehmen, soweit das betriebliche Interesse es erfordert. Mit den vertraglichen Bezügen sind auch solche Zusatztätigkeiten pauschal abgegolten. Bereitschaftsdienste werden nach betrieblichen Regelungen vergütet.

Ändert sich die im Manteltarifvertrag zwischen der Eisenmoorbad Bad Schmiedeberg Kur-GmbH und der Gewerkschaft Verdi vereinbarte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, so erfolgt eine Anpassung zum gleichen Zeitpunkt."

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt bei der Beklagten 40 Stunden.

Mit Schreiben vom 31.07.2003 beantragte die Klägerin, ihre tägliche Arbeitszeit aus persönlichen Gründen ab September 2003 auf 6 Stunden zu verringern. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 04.09.2003 ab. Zur Begründung der Ablehnung verwies sie auf die in den Vorbesprechungen mitgeteilten Gründe und auf die Verletzung der in § 8 Abs. 2 TzBfG für die Antragstellung geregelten Frist durch die Klägerin. Hierauf reagierte die Klägerin mit Schreiben vom 23.09.2003, in dem sie die Verletzung der Frist für die Antragstellung als Formfehler bewertete und erklärte, davon auszugehen, dass "somit der nächst mögliche Termin unter Beachtung der 3-Monats-Antragsfrist in Kraft tritt". Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2003 mit, dass sie ihr Schreiben vom 23.09.2003 als neuerlichen Antrag auf Verkürzung der täglichen Arbeitszeit ab 24. Dezember 2003 wertet und sie eine abschließende Antwort erhalten wird.

Am 5. November 2003 fand zwischen den Partein ein Gespräch statt, dessen Gegenstand die von der Klägerin gewünschte Verringerung der Arbeitszeit war. Die Klägerin bot in diesem Gespräch als Kompromiss an, unter Berücksichtigung betrieblicher Belange auf die Reduzierung ihrer Arbeitszeit an den Tagen Dienstag, Donnerstag und Freitag zu verzichten.

Mit Schreiben vom 13.11.2003 teilte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin abschließend Folgendes mit:

" nach eingehender Prüfung Ihres Antrages auf Verkürzung der Arbeitszeit muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Ihrem Verringerungswunsch nicht entsprochen werden kann. Für die Ablehnung sind, auch nach Abwägung aller Interessen, die Ihnen aus unseren Vorgesprächen bekannten dringenden betrieblichen Gründe maßgebend.

Die fachlichen als auch organisatorisch zu lösenden Problemstellungen und die Organisationsstruktur der Abläufe im ärztlichen Bereich lassen sowohl eine Reduzierung auf 30 Stunden pro Woche als auch eine Reduzierung auf 36 Stunden pro Woche leider nicht zu. Weiterhin ist Ihnen nicht unbekannt, dass die Besetzung ärztlicher Stellen momentan äußerst kompliziert ist. Seit Monaten versuchen wir vergeblich, freie ärztliche Stellen im Unternehmen zu besetzen. ..."

Die Klägerin hat am 22. Dezember 2003 beim Arbeitsgericht Dessau Klage erhoben.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Darstellung des Tatbestandes im Urteil des Arbeitsgerichts Dessau vom 6. Mai 2004 - 10 Ca 530/03 - (Seite 2 bis 6 des Urteils = Bl. 109 bis 113 d. A.) verwiesen.

Mit dem vorbezeichneten Urteil hat das Arbeitsgericht Dessau die Beklagte verurteilt, der Verringerung der Wochenarbeitszeit von bislang 40 auf 30 Stunden bei einer regelmäßigen täglichen Arbeitszeit von 6 Stunden, verteilt von Montag bis Donnerstag von 8.00 Uhr bis 14.30 Uhr sowie freitags von 7.00 Uhr bis 13.30 Uhr, zuzustimmen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe nach § 8 Abs. 1 TzBfG Anspruch auf Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit. Dem Verringerungswunsch der Klägerin ständen keine betrieblichen Gründe entgegen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG). Der Vortrag der Beklagten lasse ein Organisationskonzept, in das sich der Teilzeitwunsch der Klägerin nicht einfügen lasse, nicht erkennen. Die Argumente der Beklagten, alle Oberarztstellen müssten zwingend Vollzeitstellen sein, eine Teilzeitbeschäftigung der Klägerin sei nicht möglich, weil ihre Leitungstätigkeit nicht teilbar sei, im Hinblick auf ihre Qualitätsstandards sei bei der Aufnahme der Patienten eine Facharztbetreuung erforderlich seien nicht nachzuvollziehen. Denn im Bereich der Stationsärzte existiere zumindest eine Teilzeitstelle und die von der Beklagten angeführte strikte organisatorische Trennung zwischen Ober- und Stationsärzten gebe es jedenfalls nicht in der Weise, dass bei Stationsärzten eine Teilzeitbeschäftigung möglich sein solle und bei Oberärzten hingegen nicht. Die Leitungstätigkeit der Klägerin erscheine durchaus begrenzt. Sie fülle lediglich 20 % ihrer Arbeitzeit aus und könne während ihrer Abwesenheit durch den Chefarzt ausgeführt werden. Die zweite gynäkologische Station werde von einer Stationsärztin betreut, die über einen Facharztabschluss verfüge, so dass eine Facharztbetreuung bei der Aufnahme der Patienten gewährleistet werden könne. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, die Einstellung eines Facharztes für die wegfallende Arbeitszeit der Klägerin sei nicht möglich, reiche ihr Vortrag nicht aus. Sie hätte näher vortragen müssen, aus welchen Gründen sie nicht in der Lage sei, die bei der Klägerin reduzierten Arbeitszeiten zu kompensieren.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 10 des Urteils (Bl. 113 bis 117 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 2. Juni 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Juni 2004 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist zur Begründung der Berufung am 1. September 2004 begründet.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Argumentation des Arbeitsgerichts verkenne ihre unternehmerische Entscheidung und ihr darauf beruhendes Organisationskonzept, welches dem Teilzeitverlangen der Klägerin entgegenstehe. Sie betreibe eine Rehabilitationsklinik. Der Betrieb einer solchen Klinik sei hinsichtlich der Verantwortung der Ärzte mit dem eines Krankenhauses vergleichbar. Für die Zulassung zur Abrechnung erbrachter Leistungen gegenüber den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung sei die ständige Absicherung der fachärztlichen Betreuung der Patienten unabdingbare Voraussetzung. Bestimmte Therapien und Behandlungsmethoden, wie alle invasiven Eingriffe und Chemotherapie, dürften nur durch den Facharzt oder unter ständiger Betreuung und Anleitung des tatsächlich anwesenden Facharztes durchgeführt werden. Sie habe vor diesem Hintergrund entschieden, auf jeder Station neben dem Chefarzt als Facharzt einen Oberarzt als Facharzt zu beschäftigen und, insbesondere wegen des Ärztemangels, Stationsarztstellen auch für fachfremde Ärzte und Ärzte in Weiterbildung zu öffnen. Chefarzt und Oberarzt müssten sich gegenseitig vertreten. Auf Anweisung des Chefarztes hin oder automatisch sei der Oberarzt bei Abwesenheit des Chefarztes für den klinischen Betrieb verantwortlich. Der Oberarzt habe die Vertretung des Chefarztes rund um die Uhr sicherzustellen, wodurch seine Vollzeittätigkeit bedingt sei. Ein weiterer Grund für die Ausgestaltung der Oberarztstelle als Vollzeitstelle sei, dass es sich bei dieser um eine herausgehobene Stelle in Leitungsposition handele, die für die auf der Station betreuten Patienten als Ansprechpartner dienen und die Behandlung der Patienten koordinieren sowie überwachen solle. Das Teilzeitverlangen der Klägerin, verbunden mit der begehrten Neuverteilung der Arbeitszeit, beeinträchtige das betriebliche Organisationskonzept wesentlich. So sei die Vertretung des in Vollzeit tätigen Chefarztes nicht mehr gewährleistet und ihre unternehmerische Zielstellung in Form eines medizinischen Konzeptes zur einheitlichen Betreuung der Patienten bei der Rehabilitation von der Aufnahme bis zur Entlassung lasse sich bei Aufteilung der Oberarztstelle auf mehrere Personen nicht mehr aufrechterhalten. Die Einstellung eines Facharztes für Gynäkologie in Teilzeit von 10 Wochenstunden sei außerdem unmöglich. Sie habe sich ab November 2003 ohne Erfolg bemüht, einen Facharzt/Fachärztin für Gynäkologie in Teilzeit zu aquirieren. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin nach § 8 Abs. 2 TzBfG einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit habe. Sie meint, einem solchen Anspruch stehe die Vereinbarung der Parteien im Arbeitsvertrag zur Arbeitszeit entgegen, weil durch die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden und einer abschließenden zeitlichen Verteilung der Arbeitspflicht die mitvergütete Mehrarbeitspflicht der Klägerin entfiele. Ihr Konzept, gemäß dem der Oberarzt einheitlich für die Koordination der Betreuung und Behandlung der Patienten der Station verantwortlich sei, bewirke, dass sich eine Spaltung in "Oberarzttätigkeiten" und "Stationsarzttätigkeiten" gerade nicht durchführen lasse.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau vom 06.05.2004 (Az.: 10 Ca 530/03) abzuändern und die Klage abzuweisen,

2. die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Sie meint, es dränge sich der Verdacht auf, dass die Beklagte das vorgetragene Modell, auf jeder Station einen Chefarzt und einen Oberarzt als Facharzt sowie als Stationsärzte nicht notwendigerweise Fachärzte einzusetzen, lediglich zur Abwehr ihres Verringerungsantrages "vorschiebe". Die Klägerin bestreitet, dass die Beklagte das beschriebene betriebliche Organisationskonzept umsetzt. Denn die Stationsärzte seien immer nur für eine Station zuständig, der Chefarzt stehe ebenso wie der Oberarzt allen Stationen seines Bereiches vor, die Beklagte beschäftige auch Fachärzte als Stationsärzte, z. B. in der Reha-Klinik I. Im Bereich Orthopädie gebe es bereits seit Oktober 2003 keinen orthopädischen Oberarzt als Vertreter des dortigen Chefarztes mehr. Invasive Eingriffe (Operationen) würden bei der Beklagten nicht vorgenommen und auf "ihrer" Station keine Chemotherapie durchgeführt. Die fachärztliche Betreuung der Patienten in einer Rehabilitationsklinik verlange nicht die ständige Anwesenheit des fachärztlichen Personals vor Ort, so dass dieser Aspekt der Verringerung ihrer Arbeitszeit nicht entgegenstehe. Im Wege der Rufbereitschaft bleibe sie außerdem für die Beklagte erreichbar. Richtigerweise habe das Arbeitsgericht erachtet, dass ihre Leitungstätigkeit als Oberärztin während ihrer Abwesenheit durch den Chefarzt abdeckbar sei. Da in der gynäkologischen Abteilung eine weitere Stationsärztin tätig sei, die wie sie über den Facharztabschluss verfüge, bestehe die Möglichkeit, die Vertretung des Chefarztes auch auf dem fachärztlichen Bereich durch die Stationsärztin vornehmen zu lassen. Darüber hinaus könne auch das Personal der Reha-Klinik I zur Vertretung herangezogen werden. Da sie zu 80 % Tätigkeiten eines Stationsarztes ausführe, könne eine Vertretung durch Stationsärzte erfolgen. Die Beklagte könne sich insoweit nicht auf betriebliche Gründe berufen, die ihrem Wunsch nach Verringerung der Arbeitszeit entgegenständen. Die Klägerin weist schließlich darauf hin, dass die Beklagte erstinstanzlich ein betriebliches Organisationskonzept anderen Inhalts vorgetragen habe. Dieses Konzept habe Vollzeittätigkeit für Oberärzte gehießen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 01.09.2004 nebst Anlagen und die Schriftsätze der Beklagten vom 05.10.2004 und 20.01.2005 (Bl. 209 bis 232, 278 bis 286 d. A.), auf die Berufungsbeantwortung vom 11.10.2004 (Bl. 248 bis 260 d. A.) und auf das Protokoll vom 27.01.2005 (Bl. 288/289 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG). Sie ist zulässig, da sie von der Beklagten form- und fristgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet wurde (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO).

II. Die Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und zur Abweisung der Klage. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verringerung und Neuverteilung ihrer Arbeitszeit.

1. Die Klage auf Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit ist zulässig. Sie ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Die Klägerin begehrt die Zustimmung zur Verringerung ihrer Arbeitszeit und deren Festlegung nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG und damit die Abgabe einer Willenserklärung (vgl. BAG vom 18.02.2003 - 9 AZR 164/02 - AP Nr. 2 zu § 8 TzBfG; BAG vom 19.08.2003 - 9 AZR 542/02 - AP Nr. 4 zu § 8 TzBfG; BAG vom 09.12.2003 - 9 AZR 16/03 - AP Nr. 8 zu § 8 TzBfG). Eine Willenserklärung gilt gemäß § 894 Abs. 1 ZPO als abgegeben, sobald das Urteil die Rechtskraft erlangt.

2. Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zustimmung zur Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden und deren gewünschte Festlegung. Denn dem Verlangen der Klägerin auf Verringerung der Arbeitszeit stehen betriebliche Gründe nach § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG entgegen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 18.02.2003 - 9 AZR 164/02 - aaO; BAG 09.12.2003 - 9 AZR 16/03 - aaO), von der das Arbeitsgericht ausgegangen ist, kommt es bei der Prüfung, ob dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit zusteht, allein darauf an, ob sich der Arbeitgeber auf betriebliche Gründe, die dem Verlangen des Arbeitnehmers entgegenstehen, berufen kann (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG). Unerheblich ist, welche Gründe der Arbeitnehmer für sein Verlangen hat.

Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG liegt ein betrieblicher Grund insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.

Es genügt, dass der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende Gründe sind nicht erforderlich. Allerdings müssen die Gründe hinreichend gewichtig sein. Ob hinreichend gewichtige betriebliche Gründe zur Ablehnung berechtigen, ist gerichtlich nach einer dreistufigen Prüfungsreihenfolge zu beurteilen (u. a. BAG vom 18.02.2003 - 9 AZR 164/02 - aaO; BAG 09.12.2003 - 9 AZR 16/03 - aaO):

In der ersten Stufe ist festzustellen, ob überhaupt und wenn ja, welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Die Darlegungslast dafür, dass das Organisationskonzept die Arbeitszeitregelung bedingt, liegt beim Arbeitgeber. Die Richtigkeit seines Vortrags ist arbeitsgerichtlich voll überprüfbar. Die dem Organisationskonzept zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung und die daraus abgeleiteten organisatorischen Entscheidungen sind jedoch hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich sind. Voll überprüfbar ist dagegen, ob das vorgetragene Konzept auch tatsächlich im Betrieb durchgeführt wird.

In der zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch der Frage nachzugehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes der betrieblich als erforderlich angesehene Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzeptes mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann.

Ergibt sich, dass das Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers nicht mit dem organisatorischen Konzept und der daraus folgenden Arbeitszeitregelung in Übereinstimmung gebracht werden kann, ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Belange zu prüfen: Werden durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept und die ihm zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentlich beinträchtigt ?

b) Daran gemessen stehen dem Arbeitszeitverlangen der Klägerin betriebliche Gründe entgegen, die eine Ablehnung ihres Verlangens rechtfertigen, mit der Folge, dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre daran anknüpfende Neuverteilung hat.

aa) Die Durchführung der ersten Prüfungsstufe geht zu Gunsten der Beklagten aus. Denn die Beklagte hat in der Berufungsinstanz ein nachvollziehbares betriebliches Organisationskonzept dargelegt, in das die von der Klägerin bislang geleisteten Arbeitsstunden in vollem Umfang eingepasst sind. Die Beklagte betreibt einer Rehabilitationsklinik, in der unterschiedliche Fachgebiete (Orthopädie und Gynäkologie) betreut werden. Betriebliche Zielsetzung der Beklagten ist die Erzielung optimaler Rehabilitations- und Therapieerfolge durch eine möglichst optimale und bestmöglich koordinierte Betreuung der Patienten in ihrer Einrichtung. Der Betrieb einer Rehabilitationsklinik ist hinsichtlich der Verantwortung der Ärzte grundsätzlich mit dem eines Krankenhauses vergleichbar. Insbesondere zur ärztlichen Betreuung gelten dieselben Rechtsvorschriften. Für die Zulassung zur Abrechnung der erbrachten Leistungen gegenüber den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung ist die ständige Absicherung der fachärztlichen Betreuung der Patienten unabdingbare Voraussetzung. Es gilt, dass die Patienten während ihres Klinikaufenthaltes, beginnend mit der Aufnahme, ständig der ärztlichen Kontrolle unterliegen, welche durch einen Facharzt wahrgenommen werden muss. Zur 24-stündigen Absicherung der fachärztlichen Betreuung der Patienten im jeweiligen Fachbereich muss entweder ein Facharzt tatsächlich vor Ort tätig oder zumindest in Bereitschaft (Hintergrunddienste oder Rufbereitschaft) sein, wenn ein fachfremder Arzt, ein Arzt in Weiterbildung oder ein Arzt im Praktikum ect. im klinischen Betrieb anwesend ist. Die Beklagte hat vor diesem Hintergrund entschieden, neben dem Chefarzt als Facharzt auf jeder Station einen Oberarzt als Facharzt, für den die auf die jeweilige Station bezogene Facharztausbildung notwendige Voraussetzung ist, zu beschäftigen und insbesondere wegen des Facharzt- sowie Ärztemangels als Stationsärzte auch fachfremde Ärzte, Ärzte in Weiterbildung, Ärzte im Praktikum zu beschäftigen. Des Weiteren vertreten sich nach der durch die gesetzlichen Vorschriften sowie den Mangel an Fachärzten bedingten unternehmerischen Entscheidung der Beklagten Chefarzt und Oberarzt im täglichen Klinikalltag gegenseitig. Nach dem organisatorischen Konzept der Beklagten obliegt dem Oberarzt die medizinische Leitung der Station, damit die Anleitung und Kontrolle der Tätigkeit der Stationsärzte, die Kontrolle des Stationsablaufs, der Diagnostik und der Therapie. Ihrer unternehmerischen Entscheidung zur Ausgestaltung der Oberarztstellen hat die Beklagte ein medizinisches Betreuungskonzept zugrunde gelegt, gemäß dem der Oberarzt als einheitlicher Ansprechpartner für die auf der unter seiner Leitung stehenden Station betreuten Rehabilitationspatienten fungiert, deren Diagnostik und Therapie koordiniert und von der Aufnahme bis zur Entlassung überwacht sowie die Entlassungsbriefe erstellt. Die Beklagte führt das dargelegte Organisationskonzept auch tatsächlich durch. Dass sie aufgrund äußerer, von ihr nicht beeinflussbarer Umstände im Einzelfall gezwungen ist, von ihrem organisatorischen Konzept abzuweichen, dass es vorkommt, dass in Zeiten der Krankheits- und Urlaubsvertretung Chefarzt und Oberarzt vor 16.30 Uhr abwesend sind, widerlegt die ernsthafte Durchführung dieses Konzeptes nicht. Dass im Fachbereich Orthopädie die ausgeschiedene Oberärztin (mit Billigung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung) durch einen Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin ersetzt wird, ist dem Mangel an Fachärzten für Orthopädie geschuldet und nicht der Beklagten zuzurechnen. Die Tatsache, dass im Fachbereich Gynäkologie/ Onkologie - neben der Klägerin - eine Fachärztin für Gynäkologie als Stationsärztin tätig ist, spricht nicht gegen die von der Beklagten getroffene Entscheidung, als Stationsärzte auch fachfremde Ärzte, Ärzte in Weiterbildung, Ärzte im Praktikum zu beschäftigen. Die Entscheidung der Beklagte erfolgte gerade wegen des vorhandenen Fachärztemangels. Sie schließt nicht aus, dass, soweit es objektiv möglich ist, als Stationsärzte auch Fachärzte tätig sind. Dass das Organisationskonzept der Beklagten willkürlich ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

bb) Auch die Durchführung der zweiten Prüfungsstufe geht zu Gunsten der Beklagten aus. Das Verlangen der Klägerin, ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 30 Stunden zu verringern, greift in das Organisationskonzept der Beklagten ein, ohne dass diese zumutbare Möglichkeiten zur Verfügung hat, um den als erforderlich angesehenen Arbeitszeitbedarf unter Wahrung ihres organisatorischen Konzeptes mit dem Arbeitszeitwunsch der Klägerin in Übereinstimmung zu bringen. Als Oberärztin im Bereich Gynäkologie/Onkologie obliegt der Klägerin die medizinische Leitung der Patientenversorgung auf zwei Stationen. Darüber hinaus hat sie die stationsärztliche Leitung der Heilverfahrensstation inne. Wenn die Klägerin weniger arbeitet als sie es bisher in Vollzeit getan hat, kann die Beklagte nicht im erforderlichen Umfang auf ihre Arbeitsleistung zurückgreifen. Das erschwert nicht unerheblich die Umsetzung des medizinischen Betreuungskonzeptes der Beklagten und die Absicherung der von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung verlangten fachärztlichen Betreuung der Patienten. Denn, wenn die Klägerin die Klinik täglich zwei Stunden früher verlässt, steht sie zum einen den Patienten in zeitlich geringerem Umfang als Ansprechpartnerin zur Verfügung, würde für die Patientenbetreuung notwendige Informationen zumindest später erhalten und könnte erforderliche Maßnahmen erst zu einem späteren Zeitpunkt einleiten. Das wiederum beeinträchtigt die Erfüllung der betrieblichen Aufgabe (optimale und bestmöglich koordinierte Betreuung der Patienten), der sich die Beklagte stellt. Zum anderen würde die Absicherung der fachärztlichen Betreuung der Patienten, wegen eben der die Facharzteigenschaft notwendige Voraussetzung für Tätigkeit als Oberarzt bei der Beklagten ist, gestört, indem sich möglicherweise die Zahl der Tage der Abwesenheit von Chefarzt und Oberarzt vor 16.30 Uhr erhöht. Als Oberärztin nimmt die Klägerin fachärztliche Aufgaben und Leitungsaufgaben wahr. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Klägerin ist die Tätigkeit der Klägerin nicht teilbar. Denn die Verantwortung, die die Klägerin als Oberärztin im Bereich Gynäkologie/Onkologie im Hinblick auf die medizinische Leitung von zwei Stationen, die Anleitung und Kontrolle der Tätigkeit der Stationsärzte, die Kontrolle des Stationsablaufs, der Diagnostik und der Therapie, die Koordination und Überwachung der Behandlung/Betreuung der Patienten trägt, lässt sich nicht auf 20 % ihrer Arbeitszeit beschränken.

Es gibt keine zumutbaren Maßnahmen, auf die sich die Beklagte verweisen lassen muss, um den Wunsch der Klägerin nach Verringerung ihrer individuellen Arbeitszeit auf wöchentlich 30 Stunden zu ermöglichen. Das gilt für den Ausgleich der Arbeitszeit durch Einstellung eines Facharztes für Gynäkologie der eine Teilzeittätigkeit mit 10 Wochenstunden ausübt. Eine solche Ersatzkraft steht auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Die im Jahre 2003 bundesweit aufgegebenen Inserate der Beklagten zwecks Einstellung eines Facharztes/ einer Fachärztin für Gynäkologie - als Vollzeitkraft - blieben ohne Erfolg. Des Weiteren kann die Klägerin die Beklagte im Rahmen des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG nicht darauf verweisen, den wöchentlichen Arbeitszeitausfall von 10 Stunden auf Dauer durch den Chefarzt, die Stationsärztin, die einen Facharztabschluss hat, oder durch die Heranziehung des Personals der Reha-Klinik I zur Vertretung auszugleichen. Ein Ausgleich auf diese Art wäre nur durchsetzbar, wenn die Beklagte die Aufgaben dieser Angestellten inhaltlich quantitativ anreichern bzw. Überstunden anordnen würde. Solche Maßnahmen sind der Beklagten bereits nach der gesetzlichen Wertung nicht zumutbar, da sie dem Ziel, dass der Gesetzgeber mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz verfolgt, auf dem Arbeitsmarkt Entlastungseffekte herbeizuführen, entgegenstehen. Die Beklagte muss sich schließlich nicht darauf verweisen lassen, dass die Klägerin ihr über die 30 Wochenstunden hinaus in "notwendigen" Fällen zur Verfügung stehe. Die von der Klägerin erklärte Freiwilligkeit bietet für die Beklagte keine Sicherheit. Der individuelle Arbeitszeitwunsch der Klägerin kann mithin nicht mit dem betrieblichen organisatorischen Konzept der Beklagten und der daraus folgenden Arbeitszeitregelung in Übereinstimmung gebracht werden.

cc) Die Beeinträchtigung des betrieblichen Organisationskonzepts der Beklagten und der ihr zugrunde liegenden unternehmerischen Aufgabenstellung ist auch wesentlich. Der Arbeitszeitwunsch der Klägerin greift spürbar in das medizinische Betreuungskonzept und in das Ziel der Beklagten ein, zur durchgängigen Absicherung der fachärztlichen Betreuung der Patienten die Zahl der Tage, an denen Chefarzt und Oberarzt vor 16.30 Uhr abwesend, so gering wie möglich zu halten.

Das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts war aus den aufgeführten Gründen auf abzuändern und die Klage abzuweisen.

Es kann insoweit dahinstehen, ob die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien dem Arbeitszeitverlangen Klägerin entgegenstehen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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