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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 18.12.2001
Aktenzeichen: 1 Sa 116 b/01
Rechtsgebiete: BAT, ArbZG, RiL 93/104 EG


Vorschriften:

BAT § 15 Abs. 6a
BAT § 15 Abs. 2c
ArbZG § 3
ArbZG § 5
ArbZG § 7
RiL 93/104 EG Art. 2 Ziff. 1
RiL 93/104 EG Art. 2 Ziff. 2
RiL 93/104 EG Art. 3
RiL 93/104 EG Art. 17 Abs.3
Ordnet der Arbeitgeber in einem dem BAT unterworfenen Arbeitsverhältnis in dem in § 15 Abs. 6 BAT vorgesehenen Umfang an, dass Bereitschaftsdienst zu leisten sei, so ist der Arbeitnehmer aus § 15 Abs. 6 BAT verpflichtet, Bereitschaftsdienst zu leisten.

Die Zeit des Bereitschaftsdienstes ist, soweit nicht eine Heranziehung erfolgt, als Ruhezeit zu werten. Diese Zeit ist auch dann nicht als reguläre Arbeitszeit zu werten, wenn der Bereitschaftsdienst an einem vom Arbeitgeber vorgeschriebenen Ort abgeleistet werden muss.

Wird in eine insgesamt 12-stündige Arbeitsschicht eine Bereitschaftsdienstzeit von 4 Stunden eingelagert und nach Ende der Schicht eine mehr als 11-stündige ununterbrochene Ruhezeit gewährt , so stellt diese Schichtgestaltung weder einen Verstoß gegen §§ 3 und 5 ArbZG noch gegen Art. 2 Ziff. 1, Ziff. 2 RiL 93/104 EG dar, sofern die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden eingehalten wird.

Die Vergütung von Bereitschaftsdiensten, die nach § 15 Abs. 6 BAT geleistet wurden, richtet sich allein nach dieser Vorschrift. Die RiL 93/104 EG ist nicht als Anspruchsgrundlage geeignet.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 1 Sa 116 b/01

Verkündet am 18.12.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2001 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht W... als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter G... sowie die ehrenamtliche Richterin Sch... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.1.2001 - ÖD 4 Ca 3055 b/00 - wird auf seine Kosten zurück gewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob der von dem Kläger verrichtete Bereitschaftsdienst als regelmäßige Arbeitszeit anzusehen ist.

Der Kläger ist bei dem Beklagten seit Jahren als Disponent in der Kreisleitstelle des Rettungsdienstes in R. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet gemäß vertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung. Der Kläger wird im Schichtdienst eingesetzt. 38,5 Stunden werden hierbei als regelmäßige Arbeitszeit abgeleistet.

Seit dem 09.10.2000 findet während der von 17:00 bis 7:00 Uhr andauernden Schicht ein von dem Beklagten gemäß § 15 Abs. 6a BAT angeordneter 4-stündiger Bereitschaftsdienst in der Zeit von 21:00 bis 01:00 Uhr bzw. 01:00 bis 05:00 Uhr statt. Seit dem 22.10.2001 sind die Schichten dahingehend umgestellt, dass die Nachtschicht von 19:00 bis 7:00 andauert, worin weiterhin ein 4-stündiger Bereitschaftsdienst enthalten ist. Die im Bereitschaftsdienst eingesetzten Mitarbeiter erhalten nach einer Nachtschicht eine Ruhezeit und werden i.d.R. erst wieder zur Tagschicht des folgenden Tages herangezogen.

Die Ableistung des Bereitschaftsdienstes geschieht folgendermaßen: Der Bereitschaftsdienstleistende hält sich während des Bereitschaftsdienstes in einem dem Zimmer der Leitstelle benachbarten "Ruheraum" auf. Dieser Raum ist unter anderem mit einer Liege und einem Fernseher ausgestattet, so dass der Bereitschaftsdienstleistende unter anderem ruhen bzw. schlafen oder fernsehen kann. Beim Schlafen darf der Bereitschaftsdienstleistende seine Kleidung im Wesentlichen nicht ablegen, damit er im Falle seiner Alarmierung schnell einsatzbereit ist. Die Alarmierung erfolgt durch denjenigen, der während seiner regelmäßigen Arbeitszeit Dienst im Leitstellenraum verrichtet, in den Fällen, in denen dieser aufgrund der anfallenden Notrufe nicht alleine bzw. schnell genug reagieren kann, insbesondere wenn mehrere Meldungen über größere Unglücke gleichzeitig bzw. kurz hintereinander eingehen. Von sich aus muss der Bereitschaftsdienstleistende nicht tätig werden. Muss der regulär Diensthabende zur Toilette, wird jedenfalls zum Teil auch der Bereitschaftsdienstleistende zur Telefonüberwachung in die Leitstelle geholt. Über die Einsätze der Bereitschaftsdienstleistenden einschließlich Vertretung bei Toilettengängen des Diensthabenden ist Protokoll geführt worden. Danach betrug die tatsächliche Einsatzzeit während des Bereitschaftsdienstes für die Disponenten vom 09.10.2000 bis 07.01.2001 7,2 % der gesamten Bereitschaftsdienstzeit.

Mit der am 24.10.2000 erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Anordnung von Bereitschaftsdienst gewandt und die Auffassung vertreten, der angeordnete Bereitschaftsdienst unterscheide sich im Kern nicht von der Regelarbeitszeit. Denn es handele sich tatsächlich nicht um Freizeit, die nur mit einer Aufenthaltsbeschränkung verbunden sei. Da seit dem 01.01.2000 Rettungswagen in Schleswig-Holstein spätestens in 12 Minuten am Unfallort sein müssten, würden für die Dispositionszeit, Notrufabfrage und Alarmierung nur 2 Minuten angesetzt. Bei Nichteinhaltung könnten sich für das Personal zivil- und strafrechtliche Konsequenzen ergeben. So müsse auch er bei Bereitschaftsdienst sofort, wenn das Telefon läute, den Anruf entgegennehmen und Fahrzeuge disponieren. Wegen der ständigen Erwartung eines Notrufs und eines möglichst schnellen Einsatzes sei an ein entspanntes Schlafen nicht zu denken. Hinzu komme die erhebliche Einschränkung der Freizeitnutzung dadurch, dass der Bereitschaftsdienstleistende sich im Gebäude der Kreisleitstelle aufhalten müsse. Die Gleichartigkeit des Bereitschaftsdienstes mit der Regelarbeitszeit bei dem Beklagten verstoße gegen § 15 Abs. 6a BAT, das ArbZG und die Richtlinie 93/104 des Europäischen Rates. Der Kläger habe daher Anspruch auf Vergütung des Bereitschaftsdienstes wie normale Arbeitszeit.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, dass die Anordnung von Bereitschaftsdienst in der Rettungsleitstelle dergestalt, dass die Arbeitsaufnahme des Klägers von sich aus, bzw. unmittelbar bei Telefonanruf eines Notfallmelders zu erfolgen hat, nicht zulässig ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, derartigen Bereitschaftsdienst zu leisten,

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die ab dem 09.10.2000 geleisteten Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit zu werten und zu vergüten einschließlich der sich daraus ergebenden Überstundenzuschläge.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Bereitschaftsdienst sei in seiner Ausgestaltung tarifgemäß und entspreche insbesondere auch dem ArbZG. Die Zeit des Arbeitsanfalls während des Bereitschaftsdienstes sei deutlich geringer als die Hälfte der Bereitschaftsdienstzeit. Auch könne der Bereitschaftsdienstleistende seine Freizeit im Ruheraum nach eigenem Gutdünken gestalten, da er Notrufe nicht selber entgegennehme, sondern im Falle, dass dies notwendig sei, vom Diensthabenden in der Kreisleitstelle angerufen werde. Echte sogenannte Duplizitätsfälle - 2 Anrufe zur gleichen Zeit - seien bisher noch gar nicht vorgekommen. Der Bereitschaftsdienstleistende sei im Wesentlichen eingesetzt worden bei echten Großereignissen, in denen der regulär Diensthabende alleine überfordert gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.01.2001 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der gegenüber dem Kläger seit dem 09.10.2000 angeordnete Bereitschaftsdienst sei nicht rechtswidrig. Rechtsgrundlage der Anordnung sei § 15 Abs. 6a BAT. Da die Zeit ohne Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes des Klägers bislang deutlich überwogen habe, sei die Anordnung des Bereitschaftsdienstes zulässig. Dabei handele es sich auch nicht um einen Versuch, die Vorschriften über die Begrenzung der Regelarbeitszeit zu umgehen. Denn der Kläger leiste während des Bereitschaftsdienstes nicht Dienst wie in der regelmäßigen Arbeitszeit. Er halte sich während dieser Zeit nicht an seinem Arbeitsplatz, der Leitstelle, auf sondern in einem separaten Ruheraum, wo er sich nach eigenen Vorstellungen beschäftigen bzw. ruhen könne. Dass sich der Kläger im Gebäude der Leitstelle bekleidet und arbeitsbereit aufzuhalten habe, entspreche dem Tarifwortlaut und sei gemäß der Kommentarliteratur der Regelfall. Es bestehe zwar ein Unterschied im Freizeit- bzw. Erholungswert gegenüber einem Bereitschaftsdienstleistenden, der diesen zu Hause verbringe und mit einer Alarmierung wesentlich weniger zu rechnen habe als ein Rettungsdienstdisponent. Dabei handele es sich aber nur um einen graduellen Unterschied. Auch das ArbZG werde nicht verletzt. Bereitschaftsdienst sei nicht Arbeitszeit, sondern gehöre zur Ruhezeit, weshalb auch tarifliche Vereinbarungen zur Beschränkung der Ruhezeit durch Bereitschaftsdienst zulässig seien.

Auch die europarechtlichen Bedenken des Klägers in Hinsicht auf die Richtlinie 93/104 EG des Rates vom 23.11.1993 griffen nicht durch. Denn, da Ruhezeiten während des Bereitschaftsdienstes nicht mitzurechnen seien, überschreite die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers nicht 48 Stunden.

Gegen dieses am 07.2.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.3.2001 mit Fax und am 07.3.2001 im Original Berufung eingelegt und diese am 06.4.2001 mit Fax und am 09.4.2001 im Original begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt er vor, es handele sich bei der als Bereitschaftsdienst angeordneten Tätigkeit tatsächlich nicht um Bereitschaftsdienst, sondern um eine Verlängerung der Arbeitszeit gem. § 15 Abs. 2c BAT. Dann liege aber Arbeitszeit vor. Auch bei der Verlängerung der Arbeitszeit sei Voraussetzung, dass zwar Arbeit anfalle, die Zeit ohne Arbeitsleistung jedoch überwiege. Der qualitative Unterschied zwischen § 15 Abs. 6a BAT und § 15 Abs. 2c BAT liege also darin, dass sich der nach § 15 Abs. 2c BAT Eingesetzte an der Arbeitsstelle aufhalten müsse, um im Bedarfsfall Arbeiten zu verrichten, wobei die Zeit als Arbeitszeit zu werten sei, während der Bereitschaftsdienstleistende nach § 15 Abs. 6a BAT sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten müsse, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen und die Zeit als Ruhezeit gewertet werde. Damit werde offensichtlich, dass die Tarifvertragsparteien für den Fall, dass die "vom Arbeitgeber bestimmte Stelle" ebenfalls die Arbeitsstelle sein sollte, den Lebenssachverhalt doppelt geregelt hätten. Daher sei der Tarifvertrag nur so zu verstehen, dass § 15 Abs. 2c BAT die speziellere Norm für den Fall darstelle, dass der Arbeitnehmer an der Arbeitsstelle anwesend sein müsse, um im Bedarfsfalle die Arbeit auszuüben. Diese Differenzierung zwischen § 15 Abs. 2c BAT und § 15 Abs. 6a BAT habe das Arbeitsgericht nicht vorgenommen.

Der Zeitraum von 4 Stunden sei auch wegen der Umstände nicht Bereitschaftsdienst. Der Kläger werde tätig, wenn ihn sein Kollege heranziehe, weil er die Arbeit nicht alleine bewerkstelligen könne, was selbst bei Toilettengängen der Fall sei. Wenn er bekleidet und stets für die Aufnahme der Tätigkeit bereit sein müsse, leiste er nicht Bereitschaftsdienst, sondern sei arbeitsbereit. Dabei fehle es auch an der Alarmierung des Arbeitgebers, die typisch für den Bereitschaftsdienst sei.

Auch habe das Arbeitsgericht verkannt, dass das ArbZG und die Richtlinie 93/104/EG verletzt seien. Das Urteil des EuGH vom 03.10.2000 bestätige, dass in den Arbeitszeitbegriff die Zeiten fielen, in denen der Arbeitnehmer persönlich am Arbeitsplatz anwesend sein müsse. Bei einer europarechtskonformen Auslegung des BAT verbleibe nur die Konsequenz, dass § 15 Abs. 6a BAT nur die Fälle erfasse, in denen der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle, aber eben gerade nicht der Arbeitsstelle, aufhalten müsse. Nur diese Zeiten seien weiterhin der Ruhezeit zuzuordnen.

Im vorliegenden Fall sei der angeordnete Bereitschaftsdienst dienstplanmäßig völlig anders angeordnet. Es liege angesichts des Schichtbeginns um 17:00 Uhr eine Arbeitsfolge von 14 Stunden und 9 Minuten vor. Nach § 5 Abs. 1 ArbZG sei dem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit, das sei um 21:00 Uhr für den einen Kollegen, um 01:00 Uhr für den anderen Kollegen der Fall, mindestens 11 Stunden ununterbrochen Ruhezeit zu gewähren. Diese Ruhezeit dürfe nicht als Zwischenraum zwischen 2 Arbeitsschichten auf weniger als die Hälfte reduziert werden, zumal in dieser Zeit bei Alarmierung die Arbeitsaufnahme erfolgen solle.

Eine Ruhezeit von 4 Stunden zwischen 2 Arbeitsschichten sei arbeitsmedizinisch nicht Ruhezeit. Sie führe nicht zu einem wirklichen Ruheeintritt und lasse nicht einen regenerierenden Schlaf zu. Damit werde auch gegen § 7 Abs. 2 ArbZG verstoßen, da dieser eine tarifvertragliche Abweichung nur zulasse, wenn "der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer" hinreichend gewährleistet sei.

Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass die Richtlinie 93/104/EG auch vom nationalen Richter bei der Anwendung niederrangigen Rechts beachtet werden müsse. Nach § 5 Abs. 3 ArbZG gehöre Bereitschaftsdienst zur Ruhezeit. Als Öffnungsklausel könne allenfalls auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 ArbZG abgestellt werden. Diese Vorschrift sei nur dann europarechtskonform, wenn Bereitschaftsdienste gemeint seien, die tatsächlich zur Ruhezeit gehörten. Das sei aber nur der Fall, wenn sie nicht an der Arbeitsstelle stattfänden. Auch die Entscheidung des BAG vom 22.11.2000 stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Dort sei Ausgangslage ein rein "vergütungsrechtlicher" Arbeitszeitbegriff gewesen.

Durch die Dienstplangestaltung werde die werktägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden überschritten. Schichtlängen von 19:00 bis 07:09 Uhr seien nicht zulässig. Insofern sei der angeordnete Bereitschaftsdienst hier rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

1. Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 17.01.2001, Aktenzeichen Ö D 4 Ca 3055b/00 abgeändert.

2. Es wird festgestellt dass die Anordnung von Bereitschaftsdienst in der Rettungsleitstelle dergestalt, dass der Kläger im Gebäude der Rettungsleitstelle anwesend sein muss, um von sich aus bzw. unmittelbar bei Telefonanruf durch den mitdiensthabenden Kollegen tätig zu werden nicht zulässig ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, derartigen Bereitschaftsdienst zu leisten.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die ab dem 09.10.2000 geleisteten Bereitschaftsdienste als reguläre Arbeitszeit auf Basis der 38,5-Stunden-Woche zu werten und zu vergüten einschließlich der sich daraus ergebenden Überstundenzuschläge.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Zum Lebenssachverhalt sei anzumerken, dass der Disponent im Bereitschaftsraum nur auf Anforderung durch den diensthabenden Disponenten die Arbeit aufnehme. Es könne auf Grund der räumlichen Gegebenheiten zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Disponent im Bereitschaftsdienst sich auch ohne ausdrückliche Aufforderung, sondern mit stillschweigender Zustimmung des diensthabenden Disponenten in den Einsatzraum begebe und ggf. einen Notruf entgegennehme, weil der diensthabende Disponent kurzfristig verhindert sei. Das sei jedoch weder der Normalfall noch könne dies zu einer anderen Einschätzung des tatsächlich geschuldeten Dienstes führen.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei der angeordnete Bereitschaftsdienst nicht der Spezialfall eines Dienstes im Sinne des § 15 Abs. 2c BAT. Denn der Disponent im Bereitschaftsdienst sei nicht dazu verpflichtet, von sich aus "im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten". Richtig sei, dass auch nach § 15 Abs. 2c BAT nicht Arbeitsbereitschaft gefordert werde, sondern im Wesentlichen Bereitschaft i.S. der § 15 Abs. 6a BAT. Jedoch seien die weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 2c BAT hier nicht erfüllt. Dass der Kläger sich während des Bereitschaftsdienstes in räumlicher Nähe zu seinem Arbeitsplatz aufhalten müsse, ergebe sich allein aus den besonderen Bedürfnissen einer Rettungsleitstelle. Daraus könnten Rückschlüsse auf die Anwendbarkeit der einen oder der anderen Vorschrift nicht gezogen werden. Sonst hätten die Tarifpartner hinsichtlich des "echten" Bereitschaftsdienstes gemäß § 15 Abs. 6a BAT formulieren müssen, dass sich der Ort, an dem sich der Arbeitnehmer während der Bereitschaft aufzuhalten habe, außerhalb der Dienststelle befinden müsse. Eine solche Auslegung sei mit der bewusst offen gewählten Formulierung "einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle" nicht zu vereinbaren und auch realitätsfremd. In dem Fall, dass Arbeitsstelle und Bereitschaftsraum identisch seien, komme es allein auf das Maß der geschuldeten "Bereitschaftsleistung" an. Um einen Dienst als Arbeitszeit im Sinne des § 15 Abs. 2c BAT einordnen zu können, müsse der Arbeitnehmer unmittelbar und ohne weitere Voraussetzungen vorkommende Arbeiten verrichten. Die Arbeitsaufnahme erfordere daher auch die Initiative des Arbeitnehmers, was im vorliegenden Fall weder gefordert noch erforderlich sei. Der Kläger werde alleine auf Anforderung des diensthabenden Disponenten tätig. Im Übrigen werde zwar gemäß § 15 Abs. 2c BAT im Wesentlichen nur Bereitschaft im Sinne des § 15 Abs. 6a BAT verlangt. Dazu zähle jedoch nicht die Möglichkeit zu schlafen, da im Zustand des Schlafes schon aus tatsächlichen Gründen eine Arbeitsaufnahme in Eigeninitiative nicht möglich sei. Diese Möglichkeit stehe dem Kläger jedoch während seines Bereitschaftsdienstes ausdrücklich offen.

Das Arbeitsgericht habe auch zutreffend eine Verletzung des europäischen Rechts in Form der Richtlinie 93/104/EG verneint. Die Richtlinie entfalte nicht innerstaatliche Wirkung und sei daher auch nicht von den deutschen Gerichten zu beachten. Das Urteil des EuGH vom 3.10.2000 (Rs. C-303/98) entfalte für den hiesigen Rechtsstreit keinerlei Rechtswirkungen. Es binde nur die Beteiligten des nationalen Rechtsstreits. Weiterhin stelle es nur ein Präjudiz für die Anwendung des europäischen Rechts in gleichgelagerten Fällen dar. Der vorliegende Fall sei jedoch tatsächlich und rechtlich nicht mit dem des Verfahrens Rs. C-303/98 vergleichbar.

Der Kläger verkenne, dass nicht etwa die Richtlinie den Begriff der "Arbeitszeit" für die Transformation vorgebe, sondern dass sich der Arbeitszeitbegriff entsprechend Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten richte. Eine Auslegung dieses Begriffes ausschließlich anhand der Richtlinie, und damit allein anhand des europäischen Rechts, sei nur in den Fällen möglich, in denen ein Mitgliedsstaat über keinerlei Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten verfüge. Eine Auslegung des Arbeitszeitbegriffs im Hinblick auf den Bereitschaftsdienst in Deutschland scheitere daher schon daran, dass es diesbezüglich keinen unbestimmten Rechtsbegriff gebe, der einer Auslegung zugänglich wäre. Der Bereitschaftsdienst sei gem. dem ArbZG i.V.m. dem BAT eindeutig als Ruhezeit bestimmt. Inwieweit ein Arbeitsanfall während des Bereitschaftsdienstes zum Zwecke der Vergütungsberechnung als Arbeitszeit zu werten sei, ergebe sich aus § 15 Abs. 6a Unterabs. 2 BAT. Auch hierfür sei eine Auslegung nicht erforderlich. Ein Spielraum für eine europarechtskonforme Auslegung bestehe daher nicht. Auch sei die Richtlinie in Deutschland vollständig und fristgerecht umgesetzt worden.

Weiterhin verkenne der Kläger, dass der EuGH nicht eine allgemeingültige Auslegung des Arbeitszeitbegriffes, sondern nur eine Subsumtion des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie unter die spanischen Verhältnisse vorgenommen habe. Bei richtiger Lesart habe der EuGH lediglich entschieden, dass der spanische Arbeitszeitbegriff, unter den auch nach dem dortigen Gewohnheitsrecht der Bereitschaftsdienst in den Teams zur medizinischen Grundversorgung der Region Valencia falle, mit dem Arbeitszeitbegriff der Art. 2 Nr. 1 - 6 der Richtlinie übereinstimme. Dabei sei der EuGH an die Tatsachenbehauptung des vorlegenden Gerichts gebunden, dass der Bereitschaftsdienst in der spanischen Praxis als Bestandteil der gesetzlichen Arbeitszeit gelte. Im Übrigen sei "Bereitschaftsdienst" kein feststehender Begriff, sondern werde EU-weit unterschiedlich interpretiert. Er umfasse sämtliche Nuancen zwischen Ruhezeit und Arbeitszeit. Die Frage nach der jeweiligen Zuordnung könne daher auch nur nach der jeweiligen einzelstaatlichen Interpretation des Begriffs getroffen werden. Der Bereitschaftsdienst in Spanien habe sich dadurch ausgezeichnet, dass es hinsichtlich der Dauer der tatsächlich anfallenden Tätigkeit keinen Unterschied zur eigentlichen Arbeitszeit gegeben habe. Es sei daher möglich gewesen, dass der Arbeitnehmer innerhalb des Bereitschaftsdienstes zu 100% der Zeit Arbeitsleistung zu erbringen hatte. Eine Beschränkung der maximalen Arbeitsleistung während dieser Zeitspanne, die es erlaubt hätte, den Bereitschaftsdienst der Ruhezeit zuzuordnen, habe nicht existiert. Demgegenüber dürfe gemäß § 15 Abs. 6a BAT ein Bereitschaftsdienst nur angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass die Zeit ohne Arbeitsleistung, also die Ruhezeit, überwiegt. Diese Zeitspanne der maximalen Arbeitszeit werde je nach Art des tariflichen Bereitschaftsdienstes sogar noch erheblich weiter reduziert. Die Zuordnung des Bereitschaftsdienstes in Deutschland zur Ruhezeit ergebe sich daher aus dem überwiegenden Zeitanteil der Ruhezeit innerhalb der Bereitschaft.

Selbst wenn die Begriffsbestimmung des EuGH auch für den deutschen Arbeitsbegriff maßgebend sein sollte, könnte sich der Kläger nicht auf Art. 6 als Höchstgrenze seiner wöchentlichen Arbeitszeit berufen. Gemäß § 15 Abs. 6a BAT werde ausdrücklich die zeitlich unbeschränkte Verpflichtung des Angestellten, Bereitschaftsdienst zu leisten, geregelt. Eine zeitliche Beschränkung ergebe sich nicht aus den vereinbarten tariflichen, sondern allein aus gesetzlichen Vorschriften. Mithin hätte der Kläger durch seine Zustimmung zur jeweils gültigen Fassung des BAT auch der Ableistung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit zugestimmt.

Soweit der Kläger auch eine Vergütung für den abgeleisteten Bereitschaftsdienst begehre, richte sich diese ausschließlich nach den tariflichen Bestimmungen.

Soweit der Kläger auf den Dienstplan abstelle, sei des zulässig, von der gemäß § 5 Abs. 1 ArbZG festgelegten Mindestruhezeit entsprechend § 7 Abs. 2 ArbZG abzuweichen, wenn der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer "durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet" werde. Eine solche Abweichung sei zulässig, da die Besonderheiten einer Rettungsleitstelle dies erforderlich machten. Der Ausgleich sei aber nicht innerhalb des Bereitschaftsdienstes, sondern zu anderen Zeiten vorzunehmen. Es könne daher dahinstehen, ob ein regenerativer Schlaf in vier Stunden möglich sei. Nach Beendigung des dienstplanmäßigen Arbeitstages stehe eine ausreichende Ruhezeit zur Verfügung.

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Anordnung des Bereitschaftsdienstes nicht gegen § 5 Abs. 1 ArbZG verstoße, da der Bereitschaftsdienst Ruhezeit sei und daher nicht von dem Regelungsgehalt dieser Vorschrift erfasst werde.

Im Übrigen werde mit dem - jetzt geänderten -Klagantrag auch nur die Feststellung begehrt, dass die Art und Weise des Bereitschaftsdienstes unzulässig sei. Soweit der Kläger auch die Feststellung der Unzulässigkeit der zeitlichen Ausgestaltung begehre, stelle dies eine Klagänderung im Sinne des § 263 ZPO dar, der ausdrücklich widersprochen werde.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg.

I. Die der Beschwer nach statthafte Berufung ist zulässig.

Soweit der Beklagte geltend macht, es liege eine Klagänderung vor, der er widerspreche, ist nach dem Wortlaut der beiden Anträge zutreffend, dass der Kläger jetzt den Schwerpunkt seines Klagzieles anders setzt. Die Klagänderung ist aber als sachdienlich zuzulassen, § 263 ZPO, und zwar sowohl soweit der Kläger mit dem Antrag zu 1. jetzt auf die Anwesenheit im Gebäude der Rettungsleitstelle abstellt als auch, soweit er meint, die Bereitschaftsdienste seien als reguläre Arbeitszeit auf der Basis der 38,5 Stunden zu werten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die insoweit vom Kläger vorgebrachten Argumente bereits erstinstanzlich vorgetragen worden sind, so dass für den Beklagten nicht eine Verkürzung des Instanzenwegs eintritt.

II. Die Berufung ist aber nicht begründet.

1. Die Klage ist auch mit den jetzt gestellten Anträgen zulässig.

Die Frage der Berechtigung der Anordnung von Bereitschaftsdienst betrifft ein konkretes Rechtsverhältnis, nicht die abstrakte Rechtsfrage, ob Bereitschaftsdienste überhaupt angeordnet werden dürfen.

Auch die Frage, ob die ab dem 09.10.2000 geleisteten Bereitschaftsdienste als reguläre Arbeitszeit auf Basis der 38,5 Stundenwoche zu werten und zu vergüten ist, einschließlich der sich daraus ergebenden Überstundenzuschläge, betrifft ein Rechtsverhältnis der Parteien, nämlich den strittigen Anspruch des Klägers auf entsprechende Vergütung. Zwar könnte hier dem Kläger entgegengehalten werden, dass er die geltend gemachte Vergütung sogleich beziffert einklagen müsste. Jedoch ist angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Beklagten um einen Träger der öffentlichen Verwaltung handelt, davon auszugehen, dass er auch einem etwa klagstattgebenden Feststellungsurteil Folge leisten und dementsprechend auch zahlen würde.

2. Der Kläger hat aber nicht Anspruch auf Feststellung, dass die Anordnung von Bereitschaftsdienst nicht zulässig ist und er nicht verpflichtet ist, diesen Bereitschaftsdienst zu leisten.

2.1 Die Verpflichtung des Klägers zur Ableistung von Bereitschaftsdienst ergibt sich aus § 15 Abs. 6 a BAT. Der Kläger hat sich mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages, in dem die Anwendbarkeit des BAT auf das Arbeitsverhältnis vereinbart wurde, auch verpflichtet, die Normen des BAT zu befolgen.

Nach § 15 Abs. 6 a BAT ist der Angestellte verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Dabei darf der Arbeitgeber den Bereitschaftsdienst nur dann anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.

Nach dem unstreitigen Umfang der Heranziehung von etwa 7 % war der Beklagte berechtigt, Bereitschaftsdienst anzuordnen. Denn die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt bei weitem.

Entgegen der Auffassung des Klägers handelte es sich bei der Anordnung von Bereitschaftsdienst nicht um eine regelmäßige Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 15 Abs. 2 c BAT. Danach kann die regelmäßige Arbeitszeit bis zu 12 Stunden täglich und durchschnittlich 60 Stunden wöchentlich verlängert werden, wenn der Angestellte lediglich an der Arbeitsstelle anwesend sein muss, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger muss sich während des vierstündigen Bereitschaftsdienstes nicht an der Arbeitsstelle aufhalten. Ihm steht vielmehr ein Ruheraum zur Verfügung, der zwei Zimmer von dem Einsatzraum entfernt ist. Der Ruheraum ist nicht Teil der Arbeitsstelle. Zwar ist Arbeitsstelle i.S. des § 15 Abs. 7 BAT als räumliche Einheit eines Betriebes bzw. einer Dienststelle zu verstehen (BAG Urteil vom 29.4.1982 - 6 ABR 54/79 - EzA Nr. 1 § 2 AZO). Der Begriff der Arbeitsstelle ist zwar weiter als der des Arbeitsplatzes. Er umfasst nach der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT z. B. den Verwaltungs-/Betriebsbereich in dem Gebäude/Gebäudeteil, in dem der Angestellte arbeitet. Der Verwaltungs- oder Betriebsbereich ist als eine Organisationseinheit zu verstehen, die üblicherweise Bestandteil einer Dienststelle oder eines Betriebs ist, jedenfalls nicht die ganze Dienststelle oder den ganzen Betrieb und auch nicht das ganze Gebäude oder den ganzen Gebäudeteil umfassen muß, in dem sie sich befindet (BAG Urteil vom 28.7.1994 - 6 AZR 220/94 - EzA § 15 BAT Regelmäßige Arbeitszeit Nr. 26). Der Ruheraum gehört aber nicht zu dem Betriebsbereich, in dem der Kläger üblicherweise arbeitet.

Darüber hinaus ist der Bereitschaftsdienst so gestaltet, dass der Kläger nicht im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten verrichten muss. Der Kläger hat lediglich im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. In der Zwischenzeit darf er seine Zeit nach freiem Belieben gestalten, auch schlafen. Die Einschränkung ergibt sich hier lediglich hinsichtlich des Aufenthaltsortes und insoweit, als der Kläger, um schnell zur Verfügung zu stehen, seine Kleidung im Wesentlichen nicht ablegen darf.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es ohne Bedeutung, ob er zur Arbeitsaufnahme von seinem Kollegen oder direkt von einem Vorgesetzten aufgefordert wird. Aus der Struktur des Bereitschaftsdienstes ergibt sich, dass der Beklagte auf den jeweiligen Diensthabenden in der Rettungsleitstelle die Befugnis zur Aufforderung delegiert hat. Damit stellt auch die Anforderung durch den Kollegen des Klägers eine Aufforderung durch den Beklagten dar.

2.2 Die Anordnung des Bereitschaftsdienstes verstößt auch nicht gegen zwingende Vorschriften des ArbZGes.

Ein Verstoß gegen § 3 ArbZG liegt nicht vor. Danach darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Da die Zeit des Bereitschaftsdienstes nicht Arbeits-, sondern Ruhezeit ist, wird mit der Dienstplangestaltung, jedenfalls seit dem 22.10.2001, die Höchstgrenze von acht Stunden werktäglich eingehalten.

Ebenfalls ist § 5 ArbZG beachtet. Danach müssen die Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben. Zwar ist auch die Zeit des Bereitschaftsdienstes als Ruhezeit zu berücksichtigen. Sie ist aber nicht auf die nach § 5 Abs. 1 zustehende ununterbrochene Ruhezeit anzurechnen. Wird während der Dauer des Bereitschaftsdienstes die Arbeitsaufnahme durch den Kläger erforderlich, so wird die Ruhezeit unterbrochen. Das ist aber angesichts der Dienstplangestaltung unschädlich, zumal nach der Nachtschicht die Ruhezeit in einem Umfang von mehr als 11 Stunden gewährt wird.

Allerdings liegt ein Fall, der eine Ausnahme von der ununterbrochenen Ruhezeit nach § 5 Abs. 2 oder Abs. 3 ArbZG rechtfertigen würde, nicht vor. Bei der Rettungsleitstelle handelt es sich weder um ein Krankenhaus noch um eine "andere Einrichtung zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen".

Soweit der Kläger während der Schicht in Nachtarbeit, d. h. in der Zeit von 23.00 bis 6.00 Uhr eingesetzt wird, ist nicht ersichtlich, dass ein Verstoß gegen § 6 ArbZG vorliegt. Der Vortrag des Klägers hierzu ist nicht erfolgt.

Ein Verstoß liegt auch nicht darin, dass die Arbeitsschicht des Klägers durch eine 14-stündige Ruhezeit, nämlich die des Bereitschaftsdienstes, unterbrochen wird. Hier gestattet § 7 Abs. 2 Nr. 1 ArbZG, in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung, abweichend von § 5 Abs. 1 ArbZG, die Ruhezeiten bei Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft den Besonderheiten dieser Dienste anzupassen, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahme während dieser Dienste zu anderen Zeiten auszugleichen. Dieser Ausgleich erfolgt nach Ende der Schicht, indem die volle Ruhezeit von 11 Stunden gewährt wird und darüber hinaus in der Regel der betroffene Arbeitnehmer erst zur Tagschicht des darauffolgenden Tages herangezogen wird.

2.3 Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch ein Verstoß gegen die Richtlinie 93/104 EG nicht ersichtlich.

Die Richtlinie ist nicht unmittelbar geltendes Recht. Sie bedarf vielmehr der Umsetzung in nationales Recht, was hier durch das ArbZG erfolgt ist. Allerdings fände die Richtlinie bei nicht fristgerechter Umsetzung unmittelbar Anwendung, da der Beklagte ein Arbeitgeber der öffentlichen Hand ist und Richtlinien den Staat in allen seinen Erscheinungsformen binden.

Indes ist auch ein Verstoß gegen die Richtlinie 93/104 EG nicht ersichtlich. Zweck der Richtlinie ist die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der europäischen Gemeinschaft. Dabei sollen für jeden Arbeitnehmer in seiner Arbeitsumwelt zufriedenstellende Bedingungen für Gesundheitsschutz und Sicherheit gewährleistet sein. Nach den Vorbemerkungen zur Richtlinie ist bei der Anwendung einzelner Bestimmungen eine gewisse Flexibilität zur Arbeitszeitgestaltung vorzusehen, wobei jedoch die Grundsätze des Schutzes, der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu beachten sind. Je nach Lage des Falles sollen die Mitgliedsstaaten oder die Sozialpartner die Möglichkeit haben, von einzelnen Bestimmungen dieser Richtlinie abzuweichen. Im Falle einer Abweichung müssen jedoch den betroffenen Arbeitnehmern in der Regel gleichwertige Ausgleichsruhezeiten gewährt werden. Dies ist hier geschehen.

Auch ist nicht ersichtlich, dass die Bereitschaftsdienstzeit nach Art. 2 Ziffer 1 der Richtlinie als Arbeitszeit zu bewerten ist. Arbeitszeit ist danach "jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt." Umgekehrt ist Ruhezeit jede Zeitspanner außerhalb der Arbeitszeit, Art. 2 Ziff. 2 RiL 93/104 EG.

Wie sich aus der Formulierung des Art. 2 Ziffer 1 ergibt, besteht bereits bei der Definition der Arbeitszeit im nationalen Recht ein Spielraum. Es kommt nämlich darauf an, dass der Arbeitnehmer "gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten" arbeitet. Damit ist stark auf den nationalen Arbeitsbegriff abgestellt. Nach den bislang in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gepflogenheiten ist Bereitschaftsdienst nicht als Arbeit zu bewerten, soweit in dieser Zeit nicht eine Inanspruchnahme erfolgt.

Darüber hinaus steht während dieser Zeit der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung. Das ist im vorliegenden Fall schon deshalb deutlich, weil der Kläger in dieser Zeit auch schlafen darf. Solange er schläft, kann er nicht arbeiten. Das Schlafen gehört nicht zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten. Auch übt er während dieser Zeit nicht seine Tätigkeit aus oder nimmt Aufgaben wahr. Die Aufgabe des Klägers bzw. seine Tätigkeit ist die, in der Rettungsleitstelle als Rettungsdienstdisponent Anrufe entgegenzunehmen und den Einsatz zu koordinieren. Das geschieht nicht während der Dauer der Bereitschaft.

Unabhängig davon, ob es sich bei dem Bereitschaftsdienst um Arbeitszeit handelt, werden jedenfalls die nach der Richtlinie zulässigen arbeitstäglichen Höchstgrenzen nicht überschritten, zumindest nicht seit dem 22.10.2001. Denn nach Art. 3 der Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro 24 Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden gewährt wird. Zwar ist die wöchentliche Höchstarbeitszeit (Sieben-Tages-Zeitraum) mit höchstens 48 Stunden festgeschrieben. Daraus folgt aber nicht, dass damit eine verbindliche Festlegung auf acht Stunden täglich vorgesehen wäre, wie es im nationalen Recht erfolgt ist. Vielmehr ergibt sich lediglich, dass eine Mindestruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden zu gewähren und dabei eine wöchentliche Höchstgesamtdauer der Arbeitszeit einzuhalten ist. Tatsächlich darf nach Art. 3 RiL 93/104 EG eine tägliche Höchstarbeitszeit von 13 Stunden abgefordert werden, vorausgesetzt, die wöchentliche Höchstarbeitszeit wird nicht überschritten (vgl. Tietje, NZA 2001, 241, 243). Da die Nachtschicht einschließlich des Bereitschaftsdienstes seit dem 22.10.2001 insgesamt 12 Stunden beträgt, ist hier ein Verstoß gegen die Richtlinie 93/104 nicht ersichtlich.

Hinzu kommt, dass nach Art. 17 Abs. 3 RiL 93/104 EG Abweichungen im Wege von Tarifverträgen zulässig sind, was auch § 7 Abs. 2 Nr. 1 ArbZG vorsieht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten wird allerdings eine Nichtanwendung von Art. 6, wie Art. 18 Abs. 1 b) i) RiL 93/104 EG es vorsieht, nicht in Betracht kommen. Denn es dürfte unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 03.10.2000 (Rs. C-303/98) nicht zutreffen, dass sich der Kläger durch den Abschluss des Arbeitsvertrages und die Vereinbarung des BAT dazu bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Sieben-Tage-Zeitraumes zu arbeiten. Denn danach steht die ausdrückliche Zustimmung der gewerkschaftlichen Verhandlungspartner in einem Tarifvertrag der Zustimmung des Arbeitnehmers selbst nicht gleich.

3. Der Kläger hat auch nicht Anspruch auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist,

* die ab dem 09.10.2000 geleisteten Bereitschaftsdienste als reguläre Arbeitszeit auf Basis der 38,5-Stunden-Woche zu werten

* die ab dem 09.10.2000 geleisteten Bereitschaftsdienste als reguläre Arbeitszeit auf Basis der 38,5-Stunden-Woche zu vergüten einschließlich der sich daraus ergebenden Überstundenzuschläge.

Ein entsprechender Anspruch ergibt sich weder aus dem Arbeitsvertrag noch dem arbeitsvertraglich vereinbarten BAT noch dem ArbZG. Die Richtlinie 93/104 EG vom 23.11.1993 kommt als Anspruchsgrundlage schon deshalb nicht in Betracht, weil sie sich lediglich mit der Arbeitszeitgestaltung aus Sicht des Arbeitsschutzes befasst.

Eine Bewertung der Bereitschaftsdienste als reguläre Arbeitszeit kommt, wie bereits oben ausgeführt, nicht in Betracht, da die Bereitschaftsdienste als Ruhezeit zu bewerten sind.

§ 15 Abs. 6 a Unterabs. 2 enthält eine eindeutige Regelung der Bewertung der Bereitschaftsdienstzeiten zum Zwecke der Berechnung der Vergütung. Danach wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit entsprechend dem Anteil der erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Zeit der Arbeitsleistung als Arbeitszeit gewertet und mit der Überstundenvergütung vergütet, wobei die Bewertung 15 v. H., vom 8. Bereitschaftsdienst im Kalendermonat an 25 v. H., nicht unterschreiten darf. Entgegen dem Begehren des Klägers ergibt sich danach nicht, dass vergütungsmäßig die Bereitschaftsdienste als reguläre Arbeitszeit zu berücksichtigen sind. Die arbeitsschutzrechtliche Komponente wirkt sich nicht auf die Höhe der Vergütung aus.

Die Berufung ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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