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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 1 Sa 3/07
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 72a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 1 Sa 3/07

Verkündet am 16.10.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 16.10.2008 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 27.09.2006 - 3 Ca 1094 a/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger ist am ...1959 geboren, verheiratet und hat zwei Kinder. Seit dem 22.08.2002 war er bei der Beklagten als Raumpfleger bei einer täglichen Arbeitszeit von vier Stunden und fünf Arbeitstagen in der Woche beschäftigt; zunächst wurden befristete Verträge geschlossen. Mit Schreiben vom 20. August 2004 (Ablichtung Blatt 27 der Akte) bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht. Ab dem 01.04.2004 betrug der Bruttostundenlohn 7,68 EUR.

In der Zeit vom 16.09.2005 bis zum 04.12.2005 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt, arbeitete vom 05.12.2005 bis zum 23.12.2005 und hatte ab dem 24.12.2005 Urlaub bis zum 10.01.2006. Am 09.01.2006 stellt sich der Kläger abends in der zentralen Notaufnahme des Marienkrankenhauses in H. vor und brachte dort einen Befund vom 18.10.2005 mit, wonach bei ihm unter anderem ein Bandscheibenvorfall vorliegt. Der Kläger war nachfolgend wiederum arbeitsunfähig erkrankt bis zum 26.04.2006 und befand sich in orthopädischer Behandlung bei den Fachärzten für Orthopädie, den Herren Dr. med. C. H., Dr. med. K. K. und Dr. med. H. M. In dieser Arztpraxis wurde ihm am 21.04.2006 eine Bescheinigung mit folgendem Wortlaut ausgestellt (Ablichtung Blatt 29 der Akte):

"O.g. Patient sollte z.Z. aufgrund seiner Erkrankung keine schwere körperliche Arbeit, insbesondere keine Tätigkeit, die mit dem Heben und Tragen von Lasten mit einem Gewicht von über 5 kg verbunden ist durchführen."

Dieses Schriftstück übersandte der Kläger am 25.04.2006 an die Beklagte mit folgendem Zusatz (Ablichtung Blatt 30 der Akte):

"Sehr geehrte Damen und Herren

Ich möchte Sie informieren, dass ich weitherin in Behandlung bin, aber ich muss arbeiten. Haben Sie noch Arbeit für mich oder kündigen Sie mich. Bitte informieren Sie mich so schnell wie möglich, denn ich möchte arbeiten."

Am 27.04.2006 ging der Kläger seiner Tätigkeit als Raumpfleger für die Beklagte in der Schule L. in H. nach. Am 28.04.2006 wurde dem Kläger ein Aufhebungsvertrag (Ablichtung Blatt 31 der Akte) vorgelegt, den der Kläger nicht unterzeichnete. Daraufhin erhielt der Kläger das Kündigungsschreiben vom 27. April 2006 (Ablichtung Blatt 32 der Akte) nebst einer Begründung der Kündigung ebenfalls mit Schreiben vom 27. April 2006 (Ablichtung Blatt 33 der Akte).

Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei zu Unrecht erfolgt, denn er sei durchaus arbeitsfähig. Er hat hierzu vorgetragen:

Die ärztliche Bescheinigung, die er lediglich zur Information an seinen Arbeitgeber weitergeleitet habe, spreche ein Verbot schwerer körperlicher Tätigkeit gerade nicht aus, sondern rate nur von bestimmten Belastungen ab. Er sei in der Lage gewesen, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen und könne dies auch uneingeschränkt. Von einer negativen Prognose könne gerade nicht die Rede sein.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 27.04.2006, zugegangen am 28.04.2006, nicht aufgelöst ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte war der Auffassung, aufgrund der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigung sei sie im Rahmen der Fürsorgepflicht dazu verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob der Kläger im Rahmen des Arbeitsvertrages weiterhin eingesetzt werden kann. Diese Prüfung habe ergeben, dass sie den Kläger aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr einsetzen könne und dürfe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien habe aufgrund der fristgerechten Kündigung der Beklagten unter Einhaltung der Kündigungsfrist des allgemein verbindlichen Rahmentarifvertrages für das Gebäudereinigerhandwerk mit Ablauf des 15.05.2006 geendet. Der Beklagten ständen insoweit krankheitsbedingte und damit personenbedingte Gründe zur Seite, nämlich eine geminderte Leistungsfähigkeit des Klägers.

Mit der Beklagten sei auch das Gericht der Auffassung, dass diese aufgrund der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 21.04.2006 unter Berücksichtigung ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeberin verpflichtet gewesen sei zu prüfen, ob sie den Kläger unter Berücksichtigung der dort genannten Belastungsgrenzen habe einsetzen können. Angesichts der vom Kläger verrichteten Tätigkeiten und der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung sei der Beklagten aufgrund der ihr obliegenden Fürsorgepflicht eine weitere Beschäftigung des Klägers nicht zumutbar gewesen.

Das Gericht folge dem Kläger nicht, soweit er ausführe, dass er diese Bescheinigung lediglich informationshalber vorgelegt habe. Wenn der Kläger sich selbst für uneingeschränkt arbeitsfähig gehalten habe, dann habe nichts näher gelegen, als am 27.04.2006 kommentarlos die Arbeit wieder aufzunehmen und weiterzuarbeiten. Er habe zwar auch deutlich gemacht, dass er arbeiten wolle, dies aber ganz offensichtlich nicht uneingeschränkt und unter jeglicher Belastung.

Unstreitig habe der Kläger bei seiner Tätigkeit die sogenannte Einscheibenmaschine zu bedienen und mit dieser den Boden zu polieren; der Kläger habe auch eingeräumt, dass in der zweiten Etage der Schule L., wo er jedenfalls am 27.04.2006 eingesetzt gewesen sei, es sieben Stufen gebe, die bei der Tätigkeit des Polierens mit der Maschine überwunden werden müssten. Nach Auffassung des Gerichts komme es insoweit nicht darauf an, ob diese Maschine tatsächlich über 35 kg wiegt; jedenfalls werde das Gewicht dieser Maschine mehr als 5 kg betragen. Dieses Gewicht müsse der Kläger jedenfalls dann bewältigen, wenn er die Maschine zum Polieren der Stufen, wie er es ausdrücke "zieht". Im Übrigen habe auch der Kläger nicht bestritten, dass er bei der Reinigung der sanitären Einrichtungen den Wassereimer zum Entleeren aus dem Wagen herausnehmen muss. Dass er dabei ein Gewicht von weniger als 5 kg deshalb zu bewältigen habe, weil er diese Eimer nur mit ca. 4 Litern Wasser befülle, sei für das Gericht nicht nachvollziehbar.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Kläger am 27.10.2006 zugestellt worden. Der Kläger hat am 14.11.2006 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gestellt und zugleich einen Entwurf der Berufungsbegründung beigefügt. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 12.04.2007 hat der Kläger durch Schriftsatz vom 17.04.2007, eingegangen beim Berufungsgericht am 18.04.2007, beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.

Der Kläger meint, das Urteil des Arbeitsgerichts beruhe auf Rechtsverletzungen. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung gegeben seien. Er sei für die zu leistende Arbeit arbeitsfähig. Die für eine krankheitsbedingte Kündigung erforderliche negative Prognose für weitere erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten habe im Zeitpunkt der Kündigung nicht vorgelegen (Beweis: Sachverständigengutachten).

Das Arbeitsgericht habe sein Vorbringen teilweise nicht in der erforderlichen Weise bewertet, teilweise übergangen. Es habe unterlassen, Widersprüche im Vorbringen der Beklagten aufzudecken und dadurch, dass es keine rechtlichen Hinweise gegeben habe, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der ärztlichen Bescheinigung vom 21.04.2006 allein eine geminderte Leistungsfähigkeit nicht zu entnehmen. Insbesondere auch nicht, dass er, der Kläger, keine Lasten von mehr als 5 kg Gewicht mehr heben oder tragen dürfe. Die Bescheinigung gebe nur einen Rat, ohne konkrete Tätigkeiten zu verbieten. Demzufolge habe auch keine Fürsorgepflicht der Beklagten bestanden, ihn nicht mit solchen Arbeiten zu beschäftigen, schon gar keine Pflicht, ihm deswegen zu kündigen. Das Arbeitsgericht habe aus diesem Grunde einen Sachverständigenbeweis erheben oder seinen, des Klägers, behandelnden Arzt als Zeugen laden müssen.

Der Kläger hat im Berufungsrechtszug noch ausführlich zu dem von ihm bisher verrichteten Tätigkeiten vorgetragen. Insgesamt handele es sich nicht um schwere Tätigkeiten. Er habe - abgesehen vom 27.04.2006 - nur im 3. Obergeschoss gefegt, gewischt und poliert und habe dabei mit der Bohnermaschine keine Treppe überwinden müssen, der weitaus überwiegende Teil seiner Tätigkeit sei die Reinigung der sanitären Einrichtungen gewesen. Den Eimer habe er nicht einmal zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Es sei auch kein Tragen und Heben erforderlich gewesen, da er den "Wasserwagen" direkt unter den Wasserhahn gestellt habe. Im 2. Reinigungsrevier sei keine Bohnermaschine eingesetzt gewesen. Insgesamt handele es sich um keine schwere körperliche Arbeit (Beweis: Augenschein und Einholung eines Sachverständigengutachtens ).

Der Kläger beantragt

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 27.09.2006, Az. 3 Ca 1094 a/06 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 27.04.2006, zugegangen am 28.04.2006, nicht aufgelöst ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts im Wesentlichen mit Rechtsausführungen. Das Arbeitsgericht habe zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung vorliegen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat in Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung am 13.09.2007 beschlossen, ein arbeitsmedizinisches Gutachten darüber einzuholen, ob der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung die bis dahin aus den Tätigkeiten und generell die Arbeit eines Innen- und Unterhaltsreinigers im Gebäudereinigerhandwerk ausüben konnte oder ob insoweit Arbeitsunfähigkeit vorlag.

Vor der Erteilung eines Auftrags an den arbeitsmedizinischen Sachverständigen hat das Berufungsgericht durch Verfügung vom 14.07.2008 dem Kläger aufgegeben, eine persönliche Schweigepflichtsentbindung hinsichtlich aller ihn behandelnden Ärzte zur Akte zu reichen.

Der Kläger hat daraufhin privatschriftlich per Fax, eingegangen am 28.08.2008 erklärt, dass er es ablehne, eine solche Erklärung vorzulegen. Trotz Hinweises auf die rechtlichen Folgen weigert er sich bis heute - auch gegenüber seinem damaligen und jetzigen Prozessbevollmächtigten - eine Schweigepflichtsentbindungserklärung zu unterschreiben und einzureichen,

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

1. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Dem Kläger war nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewähren (§ 233 ZPO). Er hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren innerhalb der Berufungsfrist gestellt und innerhalb von zwei Wochen nach Erlass des Prozesskostenhilfebeschlusses des Berufungsgerichts den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt (§ 234 ZPO).

2. Die Berufung ist in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

a) Aufgrund der Weigerung des Klägers, eine von ihm unterschriebene Schweigepflichtwillenserklärung zu einzureichen, steht auch für das Berufungsgericht fest, dass davon auszugehen ist, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung aufgrund Arbeitsunfähigkeit auf Dauer nicht in der Lage war, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (sog. negative Prognose).

b) Wie sich aus dem Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren ergibt, bestanden für das Berufungsverfahren hinreichende Erfolgsaussichten, weil dem Berufungsgericht aufgrund des Vorbringens in der Berufungsbegründung weder die Wertungen noch die Tatsachenfeststellungen des Arbeitsgerichts ohne Weiteres überzeugend erschienen. Aus diesem Grunde ist der Beschluss auf Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigen erlassen worden. Dieser Beschluss war aufzuheben, da der Sachverständige ohne die Schweigepflichtsentbindungserklärung nicht in der Lage gewesen wäre, die für ein Gutachten erforderlichen Feststellungen zu treffen. Ohne Schweigepflichtsentbindungserklärung war der Sachverständige hierzu nicht befugt.

c) Die Verhinderung der erforderlichen Tatsachenfeststellungen geht zu Lasten des Klägers. Niemand kann den Kläger zwingen, eine persönliche Schweigepflichtwillenserklärung vorzulegen. Er muss jedoch die rechtlichen Konsequenzen tragen, wenn er die Vorlage verweigert. Rechtliche Konsequenz ist vorliegend, dass das Berufungsgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) wie das Arbeitsgericht überzeugt ist, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung aufgrund Arbeitsunfähigkeit auf Dauer nicht in der Lage war, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Andere Gründe für sein Verhalten sind weder vorgetragen noch für das Berufungsgericht erkennbar.

Die Berufung war aus den dargelegten Gründen mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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