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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 25.11.2005
Aktenzeichen: 1 Sa 318/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 1 Sa 318/05

Verkündet am 25.11.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.2005 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 18.05.2005 - 6 Ca 3219 b/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung eines tariflichen Urlaubsgeldes, streitig ist in diesem Zusammenhang, ob auf die Tarifverträge der Metallindustrie rechtswirksam Bezug genommen worden ist.

Der Kläger wurde 1981 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ... Werkzeugbau GmbH, als Angestellter eingestellt. Zum Jahreswechsel 2001 auf 2002 ging der Betrieb in H... auf die Beklagte über.

Der Kläger war bis Ende 1995 AT-Angestellter der Firma ... Werkzeugbau GmbH. Unter dem 21.12.1995 ist das Vertragsverhältnis auf Tarif umgestellt worden. Hierzu unterzeichneten der Kläger und der damalige Geschäftsführer der ... Werkzeugbau GmbH Dr. D... ein "Memorandum" vom 12.12.1995, in dem es u. a. heißt:

"2. Entlohnung:

Als technischer Angestellter (Programmierer) gelten nunmehr für ihn die tariflichen Bedingungen, sowie die allgemeinen Betriebsvereinbarungen aus der betrieblichen Praxis. ....

Folgende Neueinstufung der Gehaltsklasse des Herrn M. wurde aufgrund der Organisationsänderung unter Pkt. 1 zum 01.04.1996 beschlossen:

Gehaltsgruppe 6 H = DM 4.639,-- + 10 % Zulage = DM 464,-- + freiwillige Zulage = DM 497,-- DM 5.600,--

3. Bindung:

Die Handhabung der unter Punkt 1 +2 beschriebenen Sachverhalte erfolgt nach den jeweils gültigen Tarifverträgen und unterliegt keiner Befristung.

4. Kündigung:

Eine spezielle Kündigungsklausel ist nicht vereinbart, es gelten die jeweils gültigen Tarifverträge."

Der Kläger erhielt entsprechend als Tarifangestellter das tarifliche Urlaubsgeld gem. dem Manteltarifvertrag für die Metallindustrie. Die Firma ... Werkzeugbau GmbH und auch die Beklagte sind unstreitig nicht über eine Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge der Metallindustrie für Hamburg und Schleswig-Holstein gebunden. Sie sind Mitglieder des Unternehmensverbandes Mittelholstein, der selbst keine Tarifverträge abschließt. Gleichwohl ging die Geschäftsführung der Firma ... Werkzeugbau GmbH davon aus, an die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Schleswig-Holstein gebunden zu sein und zahlte entsprechend jahrelang Tariflöhne bzw. -gehälter, das tarifliche Urlaubsgeld, etc.. Auch der Kläger ist erst seit 1 1/2 Jahren durch Mitgliedschaft in der IG-Metall tarifgebunden. Ob die Beklagte die Zahlung des tariflichen Urlaubsgelds für die Jahre 2002 und 2003 mit dem Vorbehalt der Freiwilligkeit verbunden hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Für 2004 zahlte die Beklagte das Urlaubsgeld in unstreitiger Höhe von 2.317,24 EUR brutto nicht aus.

Der Kläger fordert Zahlung des Urlaubsgeldes und beruft sich insoweit auf das "Memorandum" vom 21.12.1995. Er habe nicht annehmen können, die Tarifverträge hätten nur aufgrund beiderseitiger Mitgliedschaft gelten sollen. Jedenfalls habe er einen Anspruch aus betrieblicher Übung. Die Beklagte habe nämlich bei Auszahlung des Urlaubsgeldes für die Jahre 2002 und 2003 keinen Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.317,24 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die Firma ... Werkzeugbau GmbH habe erst Ende 2001 aufgrund der Verkaufsverhandlungen mit der Wentworth-Gruppe erfahren, dass die Mitgliedschaft im Unternehmensverband Mittelholstein keine automatische Bindung an die Tarifverträge der Metallindustrie zur Folge habe. Von der Tarifbindung seien auch die Arbeitnehmer der ... Werkzeugbau GmbH ausgegangen. Auch der Kläger sei von einer Tarifbindung ausgegangen. Die Urlaubsgeldzahlung für die Jahre 2002 und 2003 sei mit den Vorbehaltserklärungen gem. Schreiben vom 09.07.2002 und 04.07.2003 (Bl. 54/ 55 d. A.) erfolgt.

Der Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Schleswig-Holstein finde nicht kraft einzelvertraglicher Vereinbarung durch das sog. "Memorandum" Anwendung. Vielmehr hätten die Parteien lediglich deklaratorisch in dem Memorandum festgestellt, dass die Tarifverträge aufgrund Mitgliedschaft bei den tarifschließenden Verbänden Anwendung finden sollten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies wie folgt begründet:

Der Kläger habe einen Anspruch auf Zahlung der Urlaubsvergütung für das Jahr 2004. Das ergebe sich aus dem Memorandum vom 21.12.1995. Aus den Ziff. 2, 3 und 4 gehe hervor, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Tarifverträgen habe richten sollen und die bis dahin vereinbarten außertariflichen Absprachen ihre Gültigkeit verlieren sollten. Weder aus dem Text, noch aus dem Gesamtzusammenhang ergebe sich, dass lediglich deklaratorisch auf die ohnehin auf das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge habe Bezug genommen werden sollen. Dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten sich einzelvertraglich nicht habe binden wollen, ergebe sich aus dem Text des Memorandums an keiner Stelle. Weder sei von einer Mitgliedschaft der Firma ... Werkzeugbau GmbH in einem Tarif schließenden Verband noch von einer Gewerkschaft des Klägers auch nur andeutungsweise die Rede. Die Beklagte habe auch nicht substantiiert Tatsachen vorgetragen, warum der Kläger zum damaligen Zeitpunkt habe annehmen müssen, dass die Beklagte sich lediglich aufgrund Mitgliedschaft in einem Tarif schließenden Verband gezwungen gesehen habe, die Tarifverträge anzuwenden.

Gegen dieses ihr am 22.06.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.07.2005 eingelegte Berufung, die die Beklagte - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.09.2005 - am 19.09.2005 begründet hat.

Die Beklagte meint, dass sich ein vertraglicher Anspruch aus dem "Memorandum" nicht ergebe. Sie trägt hierzu vor:

Schon der Wortlaut "gelten" spreche dagegen. Bei der Auslegung des "Memorandums" müssten diverse Scheiben berücksichtigt werden, aus denen sich ergebe, dass sowohl die Mitarbeiter der Beklagten (gemeint ist wohl auch im Folgenden: die ... Werkzeugbau GmbH) als auch die Beklagte selbst, bis in die jüngste Vergangenheit davon ausgegangen seien, dass die Tarifverträge der Metallindustrie kraft Tarifbindung anzuwenden seien. In einem an die diversen Mitarbeiter gerichteten Schreiben vom 03.12.1997 wegen der Lohnentwicklung 1997 sei ausdrücklich die Rede von dem" gültigen Tarifvertrag der für uns zuständigen Tarifvertragsparteien der Nordmetall" (Abl. des Schreibens Bl. 50 d.A.). Im Zusammenhang mit der Tariferhöhung 1999 habe der Arbeitnehmer C... gegen die Kürzung einer Pauschalzulage geklagt. Auch in diesem Verfahren seien die Parteien und Rechtsvertreter davon ausgegangen, dass die Tarifverträge der Metallindustrie anzuwenden seien. In einem Schreiben vom 01.06.1999 an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten beziehe sich die Beklagte ausdrücklich auf die "Tarifbindung" (Abl. des Schreibens Bl. 52 d.A.). Das Ergebnis des Rechtsstreits habe die Beklagte durch Aushang - auch dem Kläger - am 23.04.2000 bekannt gegeben. Auch aus den dem Kläger vorliegenden handschriftlichen Notizen anderer Arbeitnehmer ergebe sich, dass diese von Tarifbindung ausgegangen seien. So habe etwa der Mitarbeiter B... anlässlich eines Vortrages in seinen Unterlagen vermerkt: "..W ist Tarifpartner".

Die Beklagte beantragt,

auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.05.2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kiel, Aktenzeichen 6 Ca 3219b/04, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts mit Rechtsausführungen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht seinen Anspruch auf das "Memorandum" gestützt. Hilfsweise stütze er seine Forderung auf betriebliche Übung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist dem Wert der Beschwer nach statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist sie nicht gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des Urlaubsgeldes für das Jahr 2004. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

1. Der Anspruch des Klägers ergibt sich - wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat - unmittelbar aus dem "Memorandum" vom 21.12.1995. Die Auslegung der Vereinbarung ergibt, dass die Parteien einzelvertraglich die Anwendung der tariflichen Bedingungen, gemeint waren die tariflichen Bedingungen der Metallindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein, vereinbart und nicht nur deklaratorisch auf die Tarifverträge hingewiesen haben. Der Wortlaut der Vereinbarung ist eindeutig. Die Formulierung, dass die tariflichen Bestimmungen "gelten", entspricht der üblichen Formulierung in sog. Bezugnahmeklauseln und spricht nicht gegen diese Auslegung. Sinn der einzelvertraglichen Vereinbarung war es, den Kläger nunmehr als Tarifangestellten zu behandeln. Es sollten zukünftig "die tariflichen Bedingungen gelten". Die "Handhabung" der Vereinbarung sollte "nach den jeweils gültigen Tarifverträgen" erfolgen. Außerdem ist der Kläger tariflich eingruppiert worden. Dass die Firma ... Werkzeugbau GmbH diese Vereinbarung unter dem Vorbehalt ihrer Tarifbindung abgeschlossen hat, ergibt sich aus der Vereinbarung nicht.

2. Die Beklagte kann sich aufgrund des eindeutigen Inhalts des "Memorandums" auch nicht auf einen entsprechenden Vorbehalt berufen. Nach den Grundsätzen des Empfängerhorizontes hätte dieser Vorbehalt für den Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung erkennbar oder ihm bekannt gewesen sein müssen; andernfalls handelte sich lediglich um einen rechtlich unbeachtlichen Motivirrtum der Firma ... Werkzeugbau GmbH. Für die Kenntnis bzw. Erkennbarkeit des Vorbehalts im Zeitpunkt der Vereinbarung des "Memorandums" trägt die dafür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte keine ausreichenden Tatsachen vor.

a) Die Beklagte behauptet nicht, dass der Vorbehalt der eigenen Tarifbindung dem Kläger gegenüber bei Vereinbarung des "Memorandums" am 21.12.1995 erklärt oder anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist.

b) Auch die von der Beklagten vorgetragenen Umstände bzw. Hilfstatsachen rechtfertigen auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) den Schluss, dass dem Kläger dieser Vorbehalt bekannt war. Alle von der Beklagten aufgeführten Sachverhalte ("diverse Schreiben") liegen erheblich nach dem Zeitpunkt der Vereinbarung, nämlich im Zeitraum vom 03.12.1997 bis zum Jahr 2001. Im Übrigen ergäben sich daraus allenfalls schwache Indiztatsachen, die nicht geeignet sind, den Beweis zu führen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Vereinbarung des Memorandums der Vorbehalt der Firma ... Werkzeugbau GmbH kannte oder kennen musste.

Die Berufung war aus diesen Gründen mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt.

Ende der Entscheidung

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