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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 23.12.2004
Aktenzeichen: 1 Sa 71/04
Rechtsgebiete: KAT-NEK, BGB, SGB X


Vorschriften:

KAT-NEK § 12
KAT-NEK § 70
BGB § 295
BGB § 615
BGB § 615 Satz 1
SGB X § 115
SGB X § 115 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 1 Sa 71/04

Verkündet am 23.12.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 09.09.2004 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 16.01.2004 - ö.D. 1 Ca 1148/03 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.893,28 EUR brutto abzüglich 5.285,42 EUR netto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 63 %, der Beklagte 37 %.

Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 30 %, dem Beklagten zu 70 % auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche aus Annahmeverzug.

Die am ....1942 geborene Klägerin ist durch Dienstvertrag vom 20.03.1975 mit Wirkung ab 01.02.1975 von dem Beklagten als Diplompsychologin eingestellt worden; auf das Arbeitsverhältnis ist der KAT-NEK in seiner jeweils geltenden Fassung kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme anzuwenden.

Nach kurzer Beschäftigung in E... erfolgte eine "Abordnung gem. § 12 KAT" an die vom ... Kirchenkreis ... getragene Erziehungsberatungsstelle in S. . Die Klägerin hat ihren Dienst in S. mittwochs von 14:30 bis 21:30 Uhr und donnerstags von 8:00 bis 13:00 Uhr und von 14:00 bis 18:00 Uhr versehen. Die weiteren 15 Arbeitsstunde arbeitete die Klägerin in ihrem Wohnort ... . Diese Zeit ist als Ausarbeitung vorgesehen.

Unter dem 08.11.1996 erhielt in die Klägerin ein Schreiben des ... Kirchenkreises..., in dem angeordnet wurde, dass sie ab 01.01.1997 ihre volle Arbeitszeit in S. abzuleisten hätte. Zugleich wurde die Klägerin in diesem Schreiben aufgefordert, Vorschläge zu unterbreiten, wie sie ihre Arbeitszeit auf die einzelnen Tage verteilen wolle. Vorschläge hat die Klägerin aufgrund ihrer generellen Ablehnung nicht gemacht.

Die Klägerin wies die Anweisung des ... Kirchenkreises ... mit Schreiben vom 30.12.1996 zurück. Schließlich forderten der ... Kirchenkreis ... mit Schreiben 06.02.1996 und der Beklagte mit Schreiben vom 07.02.1997 die Klägerin ultimativ auf, ihre Arbeit in S. wie folgt zu leisten: Montag und Dienstag von 10:00 bis 16:00 Uhr, Mittwoch von 14:00 bis 22:30 Uhr, Donnerstag von 14:00 bis 20:00 Uhr und Freitag von 08:00 bis 12:00 Uhr.

Die Klägerin hat beim Arbeitsgericht Flensburg am 13.05.1997 Klage erhoben (altes Az.: ö.D. Ca 768/97 - neues Az.: ö.D. 1 Ca 150/99 -). Im Juni 1997 vereinbarten die Klägerin, der Beklagte und der ... Kirchenkreis ... im Rahmen dieses Rechtsstreits, außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zu führen. Es fand hierzu ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien statt, wegen dessen Inhalt auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen wird.

Mit Schriftsatz vom 12.04.1999 beriefen sich die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf, dass ein Vergleich über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zustande gekommen sei und erklärten hilfsweise die Anfechtung des Vergleiches; wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 105/106 d. A. Bezug genommen.

Im Verfahren ö. D. 1 Ca 150/99 wurde durch Urteil vom 13.10.1999 rechtskräftig festgestellt, dass die Klägerin zu den seitens der Beklagten festgelegten Arbeitszeiten tätig sein musste und dass das Arbeitsverhältnis durch die Vergleichsverhandlungen nicht beendet worden ist.

Unter dem 09.06.1999 richtete der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die damalige Prozessbevollmächtigte des ... Kirchenkreises... , Rechtsanwältin ..., ein Schreiben, in dem es unter anderem wie folgt heißt (Abl. Bl. 107 d. A.):

"um weitere Missverständnisse über die Tatsache eines angeblichen Vergleichsabschlusses auszuräumen, biete ich namens und in Vollmacht unserer Mandantin hiermit nochmals ausdrücklich die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung an. Wir fordern Sie auf, uns spätestens bis Freitag, den 18. Juni 1999 die Bereitschaft Ihrer Mandantin anzuzeigen, die von unserer Mandantin angebotene Arbeitsleistung anzunehmen. Sollte die Frist ergebnislos verstreichen, gehen wir davon aus, dass Ihre Mandantin bis zum endgültigen Abschluss des schwebenden Verfahrens vor dem Arbeitsgericht Flensburg an der Arbeitsleistung unserer Mandantin nicht interessiert ist. Nach nochmaliger Rücksprache erklärte mir unsere Mandantin, dass sie auch in der Vergangenheit jederzeit mit einem Einsatz in der Beratungsstelle in S. gerechnet hat. Sie hat aufgrund dieser Annahmen eine geplante Reise nach Südamerika abgesagt.

Die von Ihrer Mandantin an die Klägerin ausgekehrten 20.000,00 DM werden in den nächsten Tagen auf eines im Briefkopf der Rechtsanwälte ... pp. angegebenen Konten zurück überwiesen. Ansprüche auf diese Zahlung macht unsere Mandantin nicht geltend."

Die Klägerin hat in der Zeit vom 27.05.1998 bis 30.11.1999 nicht gearbeitet, hat jedoch ihre Gehaltszahlungen bis zum 30.09.1998 in voller Höhe erhalten. Die Klägerin hat ein ärztliches Attest der Dres. ... - praktische Ärzte/Psychotherapie - vom 09.06.1998 vorgelegt, wonach die Klägerin "ihre Berufstätigkeit bei einer geänderten Arbeitszeitregelung ... aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht aufrechterhalten kann" (Abl. B. 50 d. A.)

Das monatliche Gehalt der Klägerin betrug 5.832,00 DM. Die Klägerin hat in der Zeit von Oktober 1998 bis einschließlich November 1999 Arbeitslosengeld in Höhe von 25.745,27 DM bezogen.

Die Klägerin fordert Gehaltszahlung aus Annahmeverzug für die Zeit vom 01.10.1998 bis einschließlich 30.11.1999. Der Beklagte sei bereits ab 01.10.1998 nach Scheitern der Vergleichsbemühungen in Annahmeverzug geraten. Sie habe ihre Vergütungsansprüche auch ordnungsgemäß gem. § 70 KAT-NEK geltend gemacht.

Die Klägerin behauptet, dass sie dadurch, dass sie im streitigen Zeitraum nicht gearbeitet habe, keine Aufwendungen erspart habe. Sie sei im streitigen Zeitraum auch arbeitsfähig gewesen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dem Beklagten auch ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Gehälter bis 30.09.1998 nicht zustehe, da sie von der Arbeitsleistung freigestellt worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die ausstehenden Lohnzahlungen von insgesamt 41.745,96 EUR brutto abzüglich 13.163,35 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 05.10.1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass er sich nicht im Annahmeverzug befunden habe. Das Angebot einer Arbeitsleistung sei frühestens im Schreiben vom 9.06.1999, das bei ihm am 15.06.1999 eingegangen sei, erfolgt.

Der Beklagte hat behauptet, dass die Klägerin zur Erbringung der Arbeitsleistung ausweislich des Attestes (Bl. 50 d. A.) nicht in der Lage gewesen sei. Zudem habe sie ihre Arbeitsleistung nicht so, wie sie zu bewirken gewesen sei, nämlich zu den genannten Arbeitszeiten, angeboten.

Der Beklagte meint, ihm stehe aus ungerechtfertigter Bereicherung ein Anspruch auf Rückzahlung der Lohnkosten für die Zeit vom 26.05. bis 30.09.1998 zu. Hilfsweise hat er die Aufrechnung hiermit erklärt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Annahmeverzugslohnes für die Zeit vom 16.04.1999 bis einschließlich 30.11.1999 abzüglich der für diesen Zeitraum auf das Arbeitsamt übergegangenen Beträge stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen.

Der Beklagte habe sich seit 16.04.1999 in Annahmeverzug befunden. Der Beklagte sei durch Zustellung des Schriftsatzes vom 12.04.1999, der beim Beklagten spätestens am 16.04.1999 eingegangen sei, in Annahmeverzug geraten. Vorher habe der Beklagte, insbesondere durch Schreiben vom 09.10.1998 zu erkennen gegeben, dass er die Annahme der Arbeitsleistung ablehne. Die Klägerin sei auch zur Erbringung der Arbeitsleistung im streitigen Zeitraum imstande gewesen. Das Attest sage lediglich aus, dass die Klägerin "auf Dauer" den Belastungen einer Tätigkeit zu den geänderten Arbeitszeiten in S. nicht gewachsen sei. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass die Klägerin diese auch nicht übergangsweise habe ausführen können. Dass dies möglich sei, ergebe sich auch daraus, dass die Klägerin die Tätigkeit nach dem 01.12.1999 zu den geforderten Arbeitszeiten erbracht habe. Es sei auch nicht zu erkennen, dass die Klägerin nicht gewillt gewesen sei, die Arbeitsleistung zu den seitens des Beklagten geänderten Arbeitszeiten zu erbringen.

Der Annahmeverzug sei nicht bereits ab 01.10.1998 eingetreten. Die Klägerin habe selbst durch ihr Verhalten gegenüber dem Beklagten zu erkennen gegeben, dass sie ebenfalls von der Rechtswirksamkeit eines Aufhebungsvertrages ausgegangen sei. Sie habe ausschließlich Erklärungen abgegeben, die den Schluss zuließen, sie werde ihre Arbeitsleistung nicht erbringen.

Der Anspruch der Klägerin sei nicht gem. § 70 KAT-NEK verfallen. Die Geltendmachung durch die Klägerin für die Zeit bis einschließlich September 1999 sei mit Schreiben vom 20.09.1999 und für Oktober und November 1999 mit Schreiben vom 08.12.1999 erfolgt.

Aus alledem ergebe sich der ausgeurteilte Zahlungsanspruch abzüglich 14.507,26 DM netto. Die Klägerin habe in der Zeit vom 16.04.1999 bis 30.11.1999 14.507,26 DM = 7.417,44 EUR Leistungen seitens des Arbeitsamtes erhalten, die abzuziehen seien. Ein Abzug für ersparte Aufwendungen sei nicht veranlasst.

Die seitens des Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung greife nicht durch, da die Rückzahlungsansprüche gem. § 70 KAT-NEK verfallen seien. Der Beklagte habe Ansprüche auf Rückzahlung von Gehältern erstmals mit Schriftsatz vom 27.04.2000 geltend gemacht.

Da die Klägerin ihre zunächst eingelegte Berufung zurückgenommen hat, ist die Klage für den Zeitraum 01.10.1998 - 15.04.1999 rechtskräftig abgewiesen.

Gegen das ihm am 19.02.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 26.02.2004 Berufung eingelegt und die Berufung - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.04.2004 - am 18.04.2004 durch Telekopie und am 19.05.2004 durch Originalschriftsatz begründet.

Der Beklagte trägt vor:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts lägen die Voraussetzungen des Annahmeverzuges (auch) nicht für die Zeit ab dem 16.04.1999 vor. Dies gelte sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Es fehle bereits an den Tatbestandsmerkmalen des § 615 Satz 1 BGB. Ein tatsächliches Angebot habe es nicht gegeben. Ein wörtliches Angebot enthalte frühestens das Schreiben der früheren anwaltlichen Vertreterin vom 09.06.1999, in dem unter Benennung des Datums 18.06.1999 um Zuweisung eines Arbeitsplatzes gebeten werde. Frühestens zu diesem Zeitpunkt habe ein deutliches Angebot vorgelegen. Dem gegenüber enthalte der Schriftsatz vom 12.04.1999 kein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung.

Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass ab dem 16.04.1999 ein Angebot der Klägerin zur Erbringung der Arbeitsleistung entbehrlich gewesen sei, weil sich aus den Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 12.04.1999 ergebe, dass die Klägerin die Wirksamkeit des geschlossenen Aufhebungsvergleichs bestreiten werde. Es werde zunächst bestritten, dass der Schriftsatz der Klägerin vom 12.04.1999 bei ihr am 16.04.1999 oder irgendwann vor dem 09.06.1999 eingegangen sei. Das sei nicht vorgetragen. Hierauf komme es letztlich aber nicht an, weil die Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Auflösungsvergleiches mit der arbeitgeberseitigen Kündigung und anschließender Erhebung der Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer nicht gleichgestellt werden könne. Es liege nicht bloß ein Fall der bloßen Förmelei vor, wenn die Parteien zunächst einvernehmlich davon ausgingen, einen Aufhebungsvertrag geschlossen zu haben, durch den das Arbeitsverhältnis habe beendet werden sollen. Erscheine ein Arbeitnehmer in einem solchen Fall nicht zur Arbeit, so erfolge dies aufgrund der vermeintlich abgeschlossenen Aufhebungsvereinbarung. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Arbeitnehmer irgendwann dazu übergehe, die Wirksamkeit der Vergleichsvereinbarung zu bestreiten. Das gelte insbesondere, wenn mit dem Bestreiten der Wirksamkeit der Vereinbarung lediglich bezüglich der Abfindungshöhe oder sonstiger Leistungen aus dem Vergleich habe "nachverhandelt" werden sollen.

Ein Angebot habe die Klägerin erst mit Schreiben vom 09.06.1999 zum 18.06.1999 erklärt. Letztlich komme es hierauf nicht an, weil die Klägerin während der gesamten Dauer des angeblichen Annahmeverzugs nicht in der Lage gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Vielmehr habe sie das ärztliche Attest vom 09.06.1998 vorgelegt (Anlage B1), in dem bestätigt werde, dass die Klägerin die von ihr geschuldete Arbeitsleistung auf Dauer nicht erbringen könne. Daraus ergebe sich - entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts - die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Tatsächlich sei die Klägerin während des gesamten Zeitraums vom 01.10.1998 bis 30.11.1998 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, die von ihr geschuldete Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen (Beweis: Sachverständigengutachten).

Auch der Höhe nach stehe der Klägerin der zugesprochene Anspruch nicht zu. Zu Unrecht gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass gegen diesen Betrag nur der Nettobetrag von 7.417,44 EUR wegen der Leistung des Arbeitsamtes gegen zu rechnen sei. Tatsächlich habe der Beklagte an das Arbeitsamt für den Zeitraum vom 20.10.1998 bis 30.11.1999 Arbeitslosengeld in Höhe von 13.163,35 EUR als übergeleiteten Anspruch abzuführen (Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 29.03.2004 - Anlage B4 - Abl. Bl. 223 d. A.). Diesen Anspruch habe er, der Beklagte, in voller Höhe zu erfüllen. Dementsprechend sei von der Klageforderung der Klägerin auch der Betrag von 13.163,35 EUR in Abzug zu bringen (§ 115 SGB IX). Dass nur diese Lösung richtig sein könne, ergebe sich auch daraus, dass der Klägerin tatsächlich für die Zeit vom 20.10.1998 bis 30.11.1999 kein Arbeitslosengeldanspruch zugestanden habe, weil sie nicht arbeitslos gewesen sei. Rechne man nur einen Teilbetrag des Arbeitslosengeldes auf den Vergütungsanspruch an, würde dies faktisch dazu führen, dass die Klägerin für den Zeitraum Arbeitslosengeld behalte, für den sich der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug befunden habe, in dem die Klägerin aber nicht arbeitslos gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts Flensburg vom 16.01.2004 - ö. D. 1 Ca 1148/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und trägt vor:

Zu Recht habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Beklagte sich seit dem 16.04.1999 in Annahmeverzug befunden habe. Soweit der Beklagte nunmehr bestreite, dass ihr Schriftsatz vom 12.04.1999 bei dem Beklagten nicht eingegangen sei, werde als Anlage BB1 (Bl. 239 d. A.) das Schreiben des ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 24.03.1999 vorgelegt, mit dem sie sich an ihre, der Klägerin, vormaligen Prozessbevollmächtigten gewandt hätten. Dem Beklagten sei demnach klar gewesen, dass der Rechtsstreit wieder aufgelebt sei. Weiter werde das Schreiben des damaligen Prozessbevollmächtigten des ...Kirchenkreises ... vom 19.04.1999 als Anlage BB2 (Bl. 240-241 d. A.) zur Akte gereicht. Der damalige Prozessbevollmächtigte habe offensichtlich nach dem 16.04.1999 zügig reagiert. Da die Prozessbevollmächtigten des ... Kirchenkreises ... den angeblichen Vergleich nicht geschlossen hätten, sei davon auszugehen, dass sie anlässlich der Abfassung des Schriftsatzes der Anlage BB2 Kontakt mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten aufgenommen hätten.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Beweisantritte der Parteien im Berufungsrechtszuge wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist dem Wert der Beschwer nach statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist sie zum Teil gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin zu Unrecht einen Anspruch auf Vergütungszahlung aus Annahmeverzug bereits mit Wirkung ab 16.04.1999 zuerkannt (1.). Der Klägerin steht lediglich Anspruch aus Annahmeverzug für die Zeit ab 21.6.1999 bis 30.11.1999 zu; die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist unbegründet (2.). Ungeachtet der Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit ... - vom 29.03.2004 (Anlage B 4 -Bl. 223 d. A.) und im Einklang mit dem Urteil des Arbeitsgerichts ist das Arbeitslosengeld hiervon nur für den Zeitraum des Annahmeverzuges abzuziehen (3.).

1. Die Berufung ist begründet, soweit das Arbeitsgericht angenommen hat, dass Annahmeverzug des Beklagten bereits am 16.04.2004 eingetreten ist. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts hat die Klägerin den Beklagten nicht bereits durch den Schriftsatz vom 12.04.1999 in Annahmeverzug gesetzt. Es kann aus diesem Grunde dahingestellt bleiben, ob dieser Schriftsatz dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugegangen ist.

Gem. §§ 615, 295 BGB war zur Herbeiführung des Annahmeverzugs zumindest ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung durch die Klägerin erforderlich. Ein solches Angebot enthält das Schreiben vom 12.04.1999 nicht. Ein wörtliches Arbeitsangebot war entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht entbehrlich. Die bloße Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Aufhebungsvereinbarung bzw. des Nichtzustandekommens einer Aufhebungsvereinbarung reicht hierfür nicht aus. Dieser Fall ist mit dem Fall, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt, nicht vergleichbar. Nur in letzterem Fall ist hinreichend deutlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus beschäftigen will und dass der Arbeitnehmer über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus aus beschäftigt werden will. Nur deswegen wäre es bloße Förmelei, zusätzlich ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung zu fordern.

2. Die Klägerin hat den Beklagten jedoch durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.06.1999 zum 21.06.2004 (dem auf den Freitag folgenden Montag) in Annahmeverzug gesetzt.

a) Aus der Formulierung im Schriftsatz, die Klägerin "habe auch in der Vergangenheit mit einem Einsatz in der Beratungsstelle in S. gerechnet", ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Klägerin auch ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung, nämlich Arbeit mit voller Arbeitszeit in S., anbietet.

b) Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin im Annahmeverzugszeitraum nicht arbeitsfähig und damit nicht leistungsfähig gewesen ist. Aus dem ärztlichen Attest der Dres. ... vom 06.08.1998 ergibt sich lediglich, dass die Klägerin ihre Berufstätigkeit bei geänderter Arbeitszeitverteilung auf Dauer nicht aufrechterhalten kann. Eine Arbeitsunfähigkeit für den Annahmeverzugszeitraum vom 21.06.1999 bis 30.11.1999 kann hieraus nicht gefolgert werden. Hiergegen spricht auch die Tatsache, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung noch im Dezember 1999 in S. aufgenommen hat. Das vom Beklagten beantragte Sachverständigengutachten über die Frage, ob die Klägerin im Annahmeverzugszeitraum arbeitsunfähig war, war deswegen nach den Grundsätzen des unzulässigen Ausforschungsbeweises nicht zu erheben.

3. Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass von der Annahmeverzugsvergütung der Klägerin nur der auf den Zeitraum des Annahmeverzuges fallende Anteil des Arbeitslosengeldes in Abzug zu bringen ist. Das ergibt sich aus § 115 Abs. 1 SGB X. Danach geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Danach setzt der Anspruchsübergang einen entsprechenden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt voraus. Fehlt es an einem Anspruch, kommt es nicht zum Übergang gemäß § 115 SGB X, auch wenn der Arbeitgeber eine entsprechende Pflicht annimmt und an den Sozialleistungsträger leistet (GK-SGB X/3 § 115 Rz. 6; KassKomm-Kater § 115 SGB X Rz. 20; s. auch BAG, Urt. v. 19.02.2003 - 4 AZR 168/02 -, EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 164: Erlöschen des Gehaltsanspruchs wegen Nichteinhaltung einer tariflichen Ausschlussfrist). Anspruch hat die Klägerin jedoch - wie dargelegt - nur für den Zeitraum vom 21.06.1999 bis 30.11.1999. Nur in diesem Umfang erfolgt der Anspruchsübergang. Die weitergehende Anzeige des Anspruchsübergangs durch die Bundesagentur für Arbeit geht damit ins Leere. Für den Fall, dass die Bundesagentur für Arbeit außerhalb des Annahmeverzugszeitraums (möglicherweise ohne Rechtsgrundlage) gezahlt hat, weil die Klägerin nicht arbeitslos gewesen ist, da sie in einem Beschäftigungsverhältnis (wenn auch ohne Vergütungsanspruch) gestanden hat (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) hat der Ausgleich ggf. zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der Klägerin zu erfolgen.

4. Die Klägerin hat nach alledem Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug für den Zeitraum vom 21.06.1999 bis 30.11.1999, d. h. für 5 1/3 Monate. Das ergibt nach der damaligen Vergütung einen Anspruch in Höhe von 31.084, 56 DM = 15.893, 28 EUR. Nach der Aufrechnungsbescheinigung der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit ... - vom 12.12.2000 ist im Annahmverzugszeitraum Arbeitslosengeld in Höhe von 10.337,38 DM = 5.285,42 EUR an die Klägerin gezahlt worden. Dieses ist in Abzug zu bringen. Zinsen waren nicht auszuurteilen, weil das Urteil des Arbeitsgerichts, das der Klägerin keine Zinsen zuerkannt hat, insoweit rechtskräftig ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92,97 ZPO. Da sich der Gegenstandswert im Berufungsrechtszug geändert hat, war die Kostenteilung gesondert für den ersten Rechtszug und den zweiten Rechtszug vorzunehmen.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da das Bundesarbeitsgericht bislang noch nicht entschieden hat, ob im Falle des Scheiterns von Vergleichsverhandlungen über eine Beendigung ein wörtliches Angebot der Arbeitsleitung erforderlich ist, um den Annahmeverzug herbeizuführen und ob das gezahlte Arbeitslosengeld auch für Zeiträume, in denen ein Entgeltanspruch mangels Annahmeverzug nicht bestanden hat, von dem Annahmeverzugslohn abzuziehen ist.

Ende der Entscheidung

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