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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: 1 Ta 165/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 121 Abs. 2 2. Alt.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ta 165/08

19.01.2009

In dem Verfahren

über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe

in dem Rechtstreit

hat die 1. Kammer des Landes Schleswig-Holstein durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... am 19.01.2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 09.07.2008 aufgehoben:

Dem Kläger wird mit Wirkung ab 29. April 2008 im ersten Rechtszug für den Antrag aus der Klageschrift sowie zur Abwehr der Widerklage gem. § 121 Abs. 2 2. Alt. ZPO Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt H. als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. Eine Ratenzahlung findet nicht statt.

Gründe:

I.

Der Kläger hat mit seiner am 29.04.2008 beim Arbeitsgericht Lübeck eingegangenen Zahlungsklage - gerichtet auf Überstundenvergütung - gleichzeitig Prozesskostenhilfe beantragt. Seinem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beigefügt. Diese Erklärung hat der Kläger am 22.04.2008 unterschrieben. In ihr hat er angegeben, dass seine Ehefrau über keine Einkünfte verfügt. Ebenso gab er an, 2 Kraftfahrzeuge zu besitzen. Die Frage nach Bank-, Spar- und Girokontoguthaben beantwortete er mit "nein". Ausweislich eines zur Akte gereichten Kontoauszuges befand sich jedoch auf seinem Girokonto per 06.05.2008 ein Guthaben von 1.437,14 EUR. Sein Arbeitslosengeld beläuft sich auf 1.320,90 EUR und wird am Monatsanfang gezahlt, ebenso das Kindergeld. Den zur Akte gereichten Kontoauszügen sowie anschließenden Erläuterungen des Klägers ist zu entnehmen, dass alle für den Hauskauf aufgenommenen Kredite sowie Versicherungen ab dem 7. eines jeden Monats bedient werden.

Inhaltlich hat sich der Kläger zum Beweis für die Entstehung der geltend gemachten Überstunden darauf berufen, er habe am 22. oder 23.12.2005 mit der Geschäftsführerin der Beklagten vereinbart, dass seine schriftlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden mit Wirkung ab 01.01.2006 auf 42 Stunden reduziert werde. Zu den näheren Umständen hat er ihm Einzelnen mit Schriftsatz vom 26.06.2008 vorgetragen. Über das Bestehen des widerklagend geltend gemachten Anspruchs der Beklagten hätte eine Beweisaufnahme durchgeführt werden müssen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.07.2008 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Das geschah mit der Begründung, der Klage fehlten teilweise die erforderlichen Erfolgsaussichten, da der Kläger das genaue Datum der behaupteten Stundenreduzierung nicht hinreichend substantiiert habe. Er habe sich auf einen exakten Tag festlegen müssen. Darüber hinaus sei der Antrag zurückzuweisen, da der Kläger in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht habe. Er habe verschwiegen, dass seine Ehefrau am 02.05.2008 eine geringfügige Beschäftigung antreten werde, die sie seit 4 Jahren mit unterschiedlichen Anfangszeiten regelmäßig in den warmen Monaten des Jahres ausübt, was sich auf die Nachfrage des Gerichtes über den Hintergrund des Besitzes 2 Kraftfahrzeuge herausgestellt habe. Außerdem habe er mit seinem "nein" falsche Angaben zu seinem Guthaben auf dem Girokonto gemacht.

Gegen diesen dem Kläger am 12.07.2008 zugestellten Beschluss legte er am 25.07.2008 sofortige Beschwerde ein (Bl. 51 f. d. Beiakte). Dieser hat das Arbeitsgericht ausweislich des Beschlusses vom 08.08.2008 nicht abgeholfen (Bl. 53 f. d. Beiakte) und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger ist zu Unrecht die beantragte Prozesskostenhilfe versagt worden.

1. Seinem Zahlungsbegehren fehlt nicht die gem. § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht. Das Vorbringen zur einvernehmlichen Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden auf 42 Stunden ist hinreichend substantiiert, um für eine Beweisaufnahme zugänglich zu sein, ohne einen Ausforschungsbeweis durchzuführen. Die vom Arbeitsgericht insoweit an das Vorliegen einer substantiierten Darlegung gestellten Anforderungen sind überzogen.

Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 26.06.2008 auf knapp 2 Seiten die näheren Umstände dargelegt, unter denen die Vereinbarung getroffen wurde. Er hat vorgetragen, dass das Gespräch unmittelbar vor Weihnachten war, das zeitgleich mehrere Mitarbeitergespräche geführt worden sind und warum und mit welchem Inhalt gerade bei ihm die Arbeitszeitreduzierung vereinbart worden sein soll. Das Einzige, was er insoweit nicht genau angeben konnte, war das exakte Datum der Vereinbarung - auf das es aber letztendlich gar nicht ankommt. Insoweit konnte er sich nicht mehr genau erinnern, ob es der 22. oder 23.12.2005 war. Sein Vorbringen war so detailliert, dass die Beklagte sich konkret darauf einlassen konnte und auch die in Betracht kommende Zeugin inhaltlich punktgenau hätte befragt werden können. Bei einer derartigen Fallkonstellation bedurfte es keiner konkreten Festlegung des exakten Gesprächstages durch den Kläger. Hätte er sich auf den 22.12. festgelegt, die Zeugin aber ausgesagt, dass die behauptete Arbeitszeitreduzierung erst am 23.12. erfolgt ist, wäre dieses nicht entscheidungserheblich gewesen. Abgesehen davon ist es völlig normal, dass man sich nach so langer Zeit u. U. nicht mehr an das exakte Datum erinnert. Dem hat ein Gericht Rechnung zu tragen, wenn die weitergehenden Umstände substantiiert vorgebracht wurden - wie es hier geschehen ist.

Da die Forderung des Klägers vom offenen Ergebnis der Beweisaufnahme abhing, hätte ihm Prozesskostenhilfe wegen hinreichender Erfolgsaussichten gewährt werden müssen.

3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Angaben des Klägers in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes und der ergänzenden Angaben des Klägers kann ihm nicht unterstellt werden, dass er gegenüber dem Gericht falsche Angaben gemacht hat und machen wollte und dem Gericht insoweit etwas verschweigen wollte.

a) Dass Angaben zweideutig sind und Formulare unvollständig ausgefüllt werden, ist normal. Ergänzende Nachfragen gehören zur Natur der sachbearbeitenden Arbeit, die ein Gericht zu machen hat. Sind Nachfragen erforderlich, kann nicht per se unterstellt werden, dass etwas gezielt verschwiegen werden sollte, um Vorteile davon zu haben.

b) Ausgehend vom Gesamtzusammenhang des Geschehens und den Erklärungen des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger "falsche" Angaben gemacht hat und falsche Angaben machen wollte. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger die "Erklärung" nicht am 29.April 2008 abgegeben hat. Er hat sie vielmehr am 22.April unterschrieben, wie Blatt 2 der Beiakte zu entnehmen ist. Es geht also nicht um "nur 4 Tage Unterschied" (Bl. 53 d. A.). Am 22. April 2008 hatte die Ehefrau des Klägers kein Einkommen. Es wird auch nicht in dem Vordruck gefragt, ob der Ehegatte in absehbarer Zeit Einkommen erzielt. Also hat der Kläger am 22. April 2008 keine falschen Angaben gemacht. Außerdem hat er schon am 16.06.2008 erklärt, dass der Beginn der Arbeitsaufnahme der Ehefrau witterungsabhängig war. Die ersten Einkünfte sind im Übrigen wohl auch erst - üblicherweise - am Monatsende des Monats Mai geflossen. Hierauf wird auch bei der Gewährung von Sozialleistungen abgestellt, so dass keinerlei naher zeitlicher Zusammenhang zwischen den Einkünften der Ehefrau des Klägers und seinen verneinenden Angaben besteht.

c) Auch die Angaben zum Guthaben auf dem Girokonto waren weder falsch noch darauf gerichtet, sich unberechtigt in den Genuss von Prozesskostenhilfe zu bringen.

Es steht schon nicht fest, wie viel Guthaben auf dem Girokonto war, als der Kläger am 22.04.2008 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unterschrieben hat. Den zur Akte gereichten Kontoauszügen lässt sich zudem unschwer entnehmen, dass tatsächlich die maßgeblichen Belastungen gerade nach dem 5. eines jeden Monats erfolgen. Dass sich hierfür ein Guthaben auf dem Konto befinden muss, damit sie bedient werden, ist Voraussetzung. Dadurch wird das zufällige Guthaben nicht zum relevanten Vermögenswert im Sinne des Prozesskostenhilferechts.

4. Eine Berechnung der Einkommensverhältnisse des Klägers ergibt unter Berücksichtigung der belegten Angaben dessen Bedürftigkeit im Sinne des § 114 ZPO. Das gilt sogar bei Außerachtlassung der Ehefrau als Unterhaltsberechtigte angesichts eigener Einkünfte. Die Aufwendungen für die Unterkunft bzw. die Kreditbelastungen und deren Tilgung sind hinreichend belegt.

5. Aus den genannten Gründen war dem Kläger auf seine sofortige Beschwerde hin unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 09.07.2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Anwaltes zu bewilligen.

Der Bewilligungsanspruch war auch auf die Widerklage zu erstrecken. Erstinstanzlich sind in den beiden Kammerterminen keine Anträge aufgenommen worden. Gleichzeitig ist einvernehmlich auf Vorschlag des Gerichtes die Entscheidung über die sofortige Beschwerde bis zum Abschluss der Hauptsache zurückgestellt worden. Bei dieser Fallkonstellation ist davon auszugehen, dass der Klägervertreter, wäre ihm Prozesskostenhilfe für sein Klagbegehren nicht versagt und das Beschwerdeverfahren nicht ausgesetzt worden, seinen PKH-Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch auf die Abwehr der Widerklage erweitert hätte und dieses nur angesichts der Aussetzung des Beschwerdeverfahrens unterblieben ist.

6. Eine Kostenentscheidung entfällt mangels Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten im PKH-Beschwerdeverfahren (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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