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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: 1 Ta 182/08
Rechtsgebiete: ZPO, GKG, KSchG


Vorschriften:

ZPO § 5
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 278 Abs. 6
GKG § 39 Abs. 1
GKG § 42 Abs. 4 S. 1
KSchG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ta 182/08

19.01.2009

In dem Beschwerdeverfahren

betr. Wertfestsetzung

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 19.01.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 03.09.2008 - 4 Ca 760 c/08 - abgeändert.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren im Allgemeinen auf 18.250,-- € festgesetzt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Klägerinvertreter gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts.

Die Klägerin war seit dem 01.05.2007 bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug 3.000,-- €. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 31.05.2008 fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächst zulässigen Termin.

Hiergegen erhob die Klägerin am 18.06.2008 beim Arbeitsgericht Neumünster Kündigungsschutzklage mit den Anträgen:

"1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose außerordentliche Kündigung vom 31.05.2008 noch durch die ordentliche Kündigung vom 31.05.2008 beendet wurde.

2.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet.

3.

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen, welches sich auf Leistung und Führung bezieht, mit den Formulierungen "sie erbrachte ihre Arbeitsleistung stets zu unserer vollen Zufriedenheit" und "ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kunden und Kollegen war stets einwandfrei".

4.

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bei erstinstanzlichem Obsiegen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Künddigungsschutzverfahrens als Assistentin des Generalbevollmächtigten U. W. und als kaufmännische Angestellte in der Administration / Sachbearbeitung / Sekretariat zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

5.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen."

Mit Schriftsatz vom 24.06.2008 erweiterte die Klägerin ihre Klage um den Antrag

"6.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die fristlose Kündigung vom 16.06.2008 noch durch die hilfsweise ordentliche fristgemäße Kündigung vom 16.06. 2008 beendet wurde."

Der Rechtsstreit endete durch Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 02.07.2008 in der Fassung des Beschlusses vom 12.08.2008. Wegen des Wortlauts des Vergleichs wird Bezug genommen auf Bl. 33 f. d. A. Auf Antrag des Beschwerdeführers setzte das Arbeitsgericht den für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Wert des Verfahrens auf 15.250,-- € fest und für den Vergleichsmehrwert auf 3.750,-- €. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts sei den Anträgen zu 2. (allgemeiner Feststellungsantrag) und 5. (Gehalt für Juni 2008) kein eigenständiger Wert beizumessen.

Gegen diesen Beschluss vom 03.09.2008 hat der Beschwerdeführer am 17.09.2008 Beschwerde eingelegt, mit der er Festsetzung eines höheren Verfahrens- und Vergleichswerts anstrebt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nur insoweit abgeholfen, als es einen höheren Vergleichswert festgesetzt hat. Soweit sich die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts richtet, hat das Arbeitsgericht ihr nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 33 Abs. 3 u. 4 RVG) und teilweise begründet.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts war dahingehend abzuändern, dass der Gegenstandswert für den Klageantrag zu 5. dem Verfahrenswert hinzuzurechnen ist. Der Gegenstandswert für das Verfahren ist daher um 3.000,-- € höher als vom Arbeitsgericht festgesetzt und beläuft sich auf insgesamt 18.250,-- €.

Der allgemeine Feststellungsantrag (Antrag zu 2.) wirkt sich hingegen nicht streitwerterhöhend aus.

1. Ob im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits geltend gemachte Verzugslohnansprüche für die Zeit nach Ausspruch der Kündigung bei der Bemessung des Gesamtstreitwerts zu berücksichtigen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer älteren Entscheidung beide Ansprüche als wirtschaftlich identisch angesehen und eine Addition abgelehnt. Der Feststellungsanspruch bilde gerade die Grundlage für die Vergütungsforderung (BAG 16.01.1968 - 2 AZR 156/66 - AP Nr. 17 zu § 12 ArbGG 1953). Dieser Ansicht sind Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums gefolgt (LAG Nürnberg 27.11.2003 - 9 Ta 190/03 - zitiert nach JURIS; LAG Rheinland-Pfalz 31.08.2006 - 11 Ta 134/06 - zitiert nach JURIS; LAG Bremen 01.11.1982 - 3 Ta 63/82 - MDR 1983, 170; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge § 12 Rz. 114).

Einige Landesarbeitsgerichte wollen Verzugslohnansprüche, deren Begründetheit allein vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängt, zumindest im gewissen Umfang berücksichtigen (LAG Hamburg 11.01.2008 - 8 Ta 13/08 - zitiert nach JURIS: 20 % des eingeklagten Betrags; LAG Rheinland-Pfalz 04.12.2005 - 4 Ta 279/05 -zitiert nach JURIS: bis zur Höhe von 3 Monatsgehältern).

Wiederum andere gehen davon aus, dass der gesamte Streitwert durch die geltend gemachten Lohnansprüche erhöht wird, weil insofern nichts anderes gelten könne als wenn diese in einem getrennten Verfahren geltend gemacht würden (LAG Hamburg 05.03.2002 - 5 Ta 2/02 - JurBüro 2002, 479; LAG Baden-Württemberg 27.11.1981 - 1 Ta 151/81 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 15; Sächsisches Landesarbeitsgericht 21.06.2007 - 4 Ta 10/07 - zitiert nach JURIS; Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG 2. Aufl., § 12 Rz. 177 f.). Auch die erkennende Kammer hat sich in Abkehr von ihrer bisherigen Auffassung mit Beschluss vom 28.11.2008 (1 Ta 109/08) dieser Meinung angeschlossen.

Dieser Auffassung wird aus prozessualen Erwägungen gefolgt. Bei objektiver Klagehäufung erfolgt grundsätzlich eine Streitwertaddition (§ 39 Abs. 1 GKG).

Weder der soziale Schutzzweck des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG noch der Gedanke der wirtschaftlichen Identität vermag die Beschränkung des Streitwerts auf das 1/4-Jahresentgelt des Arbeitnehmers zu begründen. Der Streitwert einer Klage richtet sich nach dem Streitgegenstand. Dieser wird durch den Klageantrag bestimmt. Es ist Sache des Klägers, zu entscheiden, ob er sich auf eine Feststellungsklage beschränkt, ob er (daneben) eine reine Lohnzahlungsklage erhebt oder beide Streitgegenstände verbindet. Nur bei dem für arbeitsgerichtliche Bestandsstreitigkeiten maßgebenden Wert gemäß § 42 Abs. 4 S. 1 GKG handelt es sich um einen aus sozialpolitischen Gründen besonders niedrig festgelegten fiktiven Wert. Eine Verrechnung mit Anträgen, die an seiner Stelle oder daneben gestellt werden, scheidet in Ansehung des Grundsatzes, dass mehrere geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden (§ 5 ZPO, § 22 Abs. 1 RVG, § 39 Abs. 1 GKG) aus. Unter einem Streitgegenstand im Sinne des § 5 ZPO ist der einzelne prozessuale Anspruch zu verstehen, mit dem ein konkretes Ziel erreicht werden soll. Die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis durch eine konkrete Kündigung nicht beendet worden ist, ist nur eine Voraussetzung dafür, dass ein Vergütungszahlungsanspruch besteht. Gegen eine auf den sozialen Schutzzweck des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG oder die wirtschaftliche Identität gestützte Verrechnung spricht ferner, dass es dem Arbeitnehmer offen steht, eine Kündigungsschutzklage zu erheben und daneben, also in einem gesonderten Prozess, die kündigungsabhängigen Entgeltansprüche zu verfolgen. Vollstädt (in Schwab/Weth a. a. O. § 12 Rnr. 177) weist zu Recht darauf hin, dass es eine andere Frage ist, ob ein Rechtsanwalt seinen Mandanten zur Stellung eines solchen Leistungsantrags raten darf, oder ob er sich dadurch regresspflichtig macht, weil er gehalten ist, die für den Mandanten kostengünstigste Vorgehensweise zu wählen.

2. Die mit dem Antrag nach § 4 KSchG verbundene allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) hat das Arbeitsgericht zu Recht nicht streitwerterhöhend berücksichtigt.

Der Feststellungsantrag musste neben dem punktuellen Kündigungsschutzantrag nicht gesondert bewertet werden. Beide Anträge verfolgen dasselbe Ziel, nämlich den Fortbestand des Vertragsverhältnisses. Deshalb sind diese Werte nicht nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren. Wo trotz prozessualer Anspruchsmehrheit keine wirtschaftliche Werthäufung entsteht, darf auch keine Zusammenrechnung erfolgen (vgl. BGH 29.01.1987 - V ZR 136/86 - NJW RR 1987, 1148). Das Additionsverbot bei Anträgen, die wirtschaftlich nicht zur Werterhöhung führen, ist ein allgemeines Prinzip im Regelungsbereich des § 5 ZPO und § 39 Abs. 1 GKG. Das führt dazu, dass bei Zusammentreffen eines Antrags nach § 4 KSchG mit einem solchen nach § 256 Abs. 1 ZPO grundsätzlich keine Streitwertaddition stattfindet (BAG 06.12.1984 - 2 AZR 754/7 - AP ArbGG 1979 § 12 Nr. 8; LAG Hamm 03.12.2003 - 9 Ta 520/02 - NZA RR 2003, 321). Die Notwendigkeit, den Antrag nach § 4 KSchG als eigenen Antrag neben dem allgemeinen Feststellungsantrag stellen zu müssen, rechtfertigt es nicht, hierfür entgegen Wortlaut und Zweck des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG einen besonderen Wert festzusetzen. Der vorliegende Fall belegt die Richtigkeit dieser Ansicht. Die weiteren Beendigungstatbestände, die Kündigungen vom 16.06.2008, hat die Klägerin ebenfalls gesondert mit dem Antrag nach § 4 KSchG angegriffen. Weitere Beendigungstatbestände sind nicht ersichtlich. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte die von der Klägerin erbetene Bestätigung, weitere Beendigungstatbestände lägen nicht vor, nicht abgegeben hat.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein ergehen (§ 568 S. 1 ZPO i. V. m. §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 S. 1 ArbGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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