Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 20.12.2005
Aktenzeichen: 1 Ta 200/04
Rechtsgebiete: ArbGG, TVG


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2
TVG § 12a Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ta 200/04

Im Beschwerdeverfahren

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 20.12.2005 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 04.06.2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Gegenstand der Beschwerde ist die Frage, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zulässig ist, insbesondere, ob der Kläger arbeitnehmerähnliche Person ist.

Der Kläger ist Rechtsanwalt. In dem Zeitraum vom 30.Juli bis 14.Oktober 2001 war er für die Beklagte als freier Mitarbeiter bei dem Kunden A... eingesetzt. Grundlage für die Tätigkeit waren ein "Rahmenvertrag" vom 30.Juli 2001 (Abl. Bl. 9 -1 3 d.A), den der Kläger allerdings nicht unterzeichnet hat sowie ein "Projekteinzelvertrag" vom gleichen Tag (Abl. Bl. 5 d.A.). Am 15.Oktober 2001 stellte der Kläger der Beklagten für 30 Arbeitstage 15.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung. Die Beklagte zahlte darauf 7.500,00 DM.

Der Kläger behauptet, 50 Tage bei der A... gearbeitet zu haben. Die Abrechnung von 30 Tagen beruhe auf einer Vereinbarung mit der Beklagten, die die volle Arbeitszeit nicht habe anerkennen wollen. Das sei vor dem Hintergrund der Insolvenz der Firma A... und mit dem Hinweis geschehen, dass er nur im Falle des entsprechenden Verzichts weitere Aufträge erhalte. Tatsächlich habe er jedoch keine neuen weiteren Aufträge erhalten, weshalb er nunmehr die Vergütung für insgesamt 50 Tage begehre.

Der Kläger meint, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei zulässig, weil er eine arbeitnehmerähnliche Person gewesen sei. Er sei wirtschaftlich abhängig und persönlich schutzbedürftig gewesen. Das folge aus dem Rahmenvertrag (Anlage K5, Bl. 9 - 13 d. A.) und aus dem Projekteinzelvertrag vom 30.Juli 2001 (Anlage K 1, Bl. 5 d. A.). Er habe keine andere Möglichkeit gehabt, in nennenswertem Umfang Einkünfte zu erzielen und habe mindestens 8 Stunden täglich bei A... arbeiten müssen.

Ausweislich des Einzelvertrages sei das Projekt nur befristet gewesen. Er habe keine Planungssicherheit gehabt. Er habe in 2001 auch keine weiteren Einkünfte erzielt.

Von Dezember bis zum Beginn der Tätigkeit für die Beklagte habe er einen Kompaktlehrgang für den Fachanwaltstitel Steuerrecht und Arbeitsrecht besucht und habe, wie aus dem Zeugnis der A... (Anlage K8, Bl. 51/52 d. A.) ersichtlich, keine originäre rechtsanwaltliche Tätigkeit verrichtet.

Die Beklagte rügt die Zulässigkeit des Rechtswegs und trägt hierzu vor:

Sie habe ihm einen klar definierten und begrenzten Auftrag erteilt. Alle Beteiligten seien in der Vorbesprechung davon ausgegangen, dass diese Aufgabe in etwa 5, maximal jedoch 10 Manntagen erledigt sein solle. Anschließend habe der Kläger weder an die A..., noch an sie, die Beklagte, gebunden werden sollen. Der Kläger sei als Rechtsanwalt aufgetreten und habe auch entsprechend abgerechnet. Der Kläger habe auch seine Leistungen als Rechtsanwalt am Markt anbieten können, da er nur 10 Tage bei der A... durch den Auftrag gebunden gewesen sei. Der Kläger habe, wie sich aus seinem vorgelegten Zeugnis ergebe, bei der A... seinen Tätigkeitsbereich eigenmächtig erweitert. Weil er dort infolge der Insolvenz kein Erfolg gehabt habe, versuche er nunmehr, sie, die Beklagte, für die Vergütung haftbar zu machen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 04.06.2004 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht zulässig erklärt und dies wie folgt begründet:

Es sei nicht festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte arbeitnehmerähnliche Person gewesen sei. Der Kläger sei schon von der Dauer der Tätigkeit her nicht von der Beklagten wirtschaftlich abhängig gewesen. Dabei sei unerheblich, ob er tatsächlich vom 30.Juli bis 14.Oktober 2001 50 volle Tage bei A... gearbeitet habe. Abgesehen davon, dass er rechtsanwaltliche Tätigkeit auch über die bei A... zugebrachten 8 Stunden hinaus habe ausüben können, hätten in dem besagten Zeitraum noch weitere 28 ganze Tage für eine selbstständige Tätigkeit zur Verfügung gestanden. Tatsächlich müsse das Gericht jedoch davon ausgehen, dass die Arbeit des Klägers, die ihm von der Beklagten übertragen worden sei, lediglich maximal 10 Tage in Anspruch genommen habe. Der Kläger habe zu diesem konkreten Vortrag der Beklagten nicht Stellung genommen. Gegen die Annahme von 50 Tagen spreche, dass das Zeugnis zwischen "eigentlicher Tätigkeit" und "weiteren Aufgabenbereichen" differenziere. Unerheblich sei auch, dass der Projekteinzelvertrag vom 30.Juli 2001 "auf unbefristete Zeit" habe laufen sollen. Erheblich sei, dass nach diesem Einzelvertrag die Anzahl der Beratungstage nicht verbindlich durch den Kläger und A..., sondern nur gemeinsam in Absprache auch mit den Geschäftsführern hätten festgelegt werden können. Zu einer entsprechenden Festlegung von insgesamt 50 Beratungstagen habe der Kläger nicht vorgetragen.

Der Kläger habe in der Zeit vom 01.01. bis 29.Juli 2001 als Rechtsanwalt die freie Entscheidung zur Fortbildung getroffen und im Übrigen und insgesamt jedenfalls die Möglichkeit gehabt, Einkünfte zu erzielen.

Der Kläger sei nach seinem eigenen Vortrag insbesondere nicht wie andere Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig. Er sei nicht wie ein Arbeitnehmer abhängig von der Beklagten gewesen. Auch seien die vom Kläger geleisteten Dienst nach ihrer soziologischen Typik nicht denen eines Arbeitnehmers vergleichbar. Das ist grundsätzlich bei Rechtsanwälten nicht der Fall. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, die freie anwaltliche Tätigkeit mit der Arbeit für die Beklagte zu koordinieren. Er habe aufgrund der erforderlichen Zustimmung auch ablehnen können, an bestimmten Tagen zu arbeiten. Einzelheiten zur Entscheidungsfreiheit ergäben sich im Übrigen aus dem Entwurf des Rahmenvertrages, insbesondere aus Ziff. 2..

Gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am 25.06.2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14.Juli 2004 beim Landesarbeitsgericht eingelegte sofortige Beschwerde. Das Landesarbeitsgericht hat, nachdem der Kläger die sofortige Beschwerde nicht begründet hat, die Akte an das Arbeitsgericht wegen der Entscheidung über die Abhilfe zurückgegeben. Am 20.09.2004 hat der Kläger sodann die sofortige Beschwerde wie folgt begründet:

Der Kläger meint, dass er - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - von der Beklagten wirtschaftlich abhängig und einem Arbeitnehmer vergleichbar sozialschutzbedürftig gewesen sei. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass er, der Kläger, zur Verrichtung seiner Tätigkeit bei A... nach A. habe fahren müssen und dass es nicht bei einem 8-Stunden-Tag geblieben sei, so dass eine Arbeit zur Erzielung weiterer Einkünfte darüber hinaus nicht möglich gewesen sei. Eine zeitliche Koordination sei nicht möglich gewesen, da sich ein voraussichtliches Arbeitsende am Abend nicht im Voraus abschätzen ließe. Bei den verbleibenden 28 Tagen, die das Gericht errechnet habe, seien nur drei Werktage enthalten. Auch sei das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass seine, des Klägers, Arbeit lediglich 10 Tage in Anspruch genommen habe. Richtig sei vielmehr, dass er insgesamt 50 Beratungstage bei der A... geleistet habe. Diese Beauftragung sei insbesondere in Abstimmung zwischen der Geschäftsführung der Beklagten und dem Zeugen B... erfolgt. Dass die dem Beschluss zugrunde gelegten 10 Tage nicht richtig seien, ergebe sich auch bereits aus einer Vielzahl von vorgebrachten Zeugnissen und Belegen. Insbesondere dokumentiere die als Anlage K 9 in das Verfahren eingeführte E-Mail vom 15.Oktober 2001 der Beklagten an ihn, den Kläger, dass dieser dort in den Monaten Juli bis Oktober 2001 mehr als 30 Tage gearbeitet habe und sich mit der Berechnung von 30 Tagen nur einverstanden erklärt habe vor dem Hintergrund, dass die Beklagte ihm zugesichert habe, ihn auch zukünftig zu beauftragen. Auch dieses zeige seine wirtschaftliche Abhängigkeit, dies ergebe sich auch aus der Rechnung vom 11.Oktober 2001 an die Beklagte (Anlage K 3). Es seien für August 21 Tage und für September nochmals 20 Tage in Rechnung gestellt. Infolge des in der E-Mail vom 15.Oktober 2001 getroffenen Vergleiches sei diese Rechnung storniert und von der Beklagten an den Kläger zurückgesandt worden.

Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht für die Zeit der Fortbildung vom 01.01. bis 29.Juli 2001 hypothetische Einkunftsmöglichkeiten hinzugedacht. Dies widerspreche nicht nur dem Sinn und Zweck der Rechtsfigur der arbeitnehmerähnlichen Person, sondern auch der Rechtsprechung. Es komme eben nicht auf eventuelle andere Erwerbsmöglichkeiten an.

Auch seine soziale Schutzbedürftigkeit sei zu Unrecht abgelehnt worden. Auch bei Rechtsanwälten gelte etwas anderes dann, wenn die Arbeitskraft des Rechtsanwalts faktisch in vollem Umfang in Anspruch genommen werde. Nach dem zwischen den Parteien vorliegenden Rahmenvertrag habe er, der Kläger, zwar die Möglichkeit entsprechende Projekte abzulehnen, da jedoch ein Einsatz im gesamten Bundesgebiet geplant gewesen sei, sei eine eigene anwaltliche Tätigkeit nur mit erheblichem Aufwand und nur eingeschränkt möglich gewesen.

Das Arbeitsgericht Lübeck hat durch Beschluss vom 29.09.2004 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und dies wie folgt begründet:

Es könne nach wie vor nicht erkennen, dass der Kläger in der fraglichen Zeit als arbeitnehmerähnliche Person für die Beklagte tätig gewesen sei. Der Kläger habe nach wie vor nicht nachvollziehbar und substantiiert dargetan, an welchen 50 Tagen er mit welcher Tätigkeit für die Firma A... beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte habe den Arbeitsaufwand mit etwa 10 Manntagen beschrieben. Aus der Anlage K9 folge lediglich, dass die Parteien sich darauf geeinigt hätten, dass der Kläger 30 Beratertage in Rechnung habe stellen sollen. Diesen Kompromiss habe er mit der Rechnung (Anlage K 3) umgesetzt. Der Kläger bestätige im Übrigen in seiner Beschwerde, dass er entsprechend dem vorliegenden Rahmenvertrag die Möglichkeit gehabt habe, entsprechende Projekte abzulehnen. Das sei ein sehr starkes Indiz gegen das Vorliegen eines arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses. Da die einzelnen Beratungstage für die Firma A... nur im Zusammenwirken mit dem Kläger hätten festgelegt werden können, habe er die Möglichkeit gehabt, seiner anwaltlichen Tätigkeit im Übrigen nachzugehen.

Der Kläger hat auf diesen Nichtabhilfebeschluss noch durch Schriftsatz vom 20.Oktober 2004 vorgetragen, die Beklagte hat hierauf erwidert. Insoweit wird auf Bl. 95 - 97 bzw. 98/99 d. A. Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 17a Abs. 4 Satz 2 GVG). In der Sache ist sie jedoch nicht gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu Recht für unzulässig erklärt. Der Kläger ist keine arbeitnehmerähnliche Person.

1. Gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes "sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind". Diese Voraussetzungen liegen auch nach dem Vorbringen des Klägers im Beschwerderechtszug nicht vor.

2. Nach § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG sind arbeitnehmerähnlich solche Personen, die wirtschaftlich abhängig und einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sind. Weitere Voraussetzungen sind, dass sie aufgrund von Dienst - oder Werkverträgen für andere Personen tätig sind, die geschuldeten Leistungen persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeiter von Arbeitnehmern erbringen und entweder überwiegend für eine Person tätig sind oder einen gesetzlich näher bestimmten Anteil ihres Einkommens von einer Person beziehen. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Oktober 2004 - 9 AZR 411/03 -, NZA 2005, 529).

a) Der Kläger war in der Zeit vom 30. Juli bis 14.Oktober 2001 nicht "überwiegend" für die Beklagte tätig. Das Beschwerdegericht unterstellt unter Berücksichtigung der Anlage K 9 zu Gunsten des Klägers, dass er in dieser Zeit 30 Tage bei der Firma A... tätig gewesen ist. Auf den Zeitraum entfallen jedoch insgesamt 55 Arbeitstage und 60 Werktage, so dass dem Kläger mindestens 25 Arbeitstage bzw. 30 Werktage für anderweitige Tätigkeit zur Verfügung gestanden haben.

Nicht gehört werden kann der Kläger damit, dass er für die Beklagte tatsächlich 50 Tage gearbeitet habe. Es mag sein, dass der Kläger - wie er behauptet - bei dem Kunden A... 50 Tage gearbeitet hat. Dass er dies im Auftrage der Beklagten getan hat, hat der Kläger jedoch nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Nach dem "Projekteinzelvertrag" war die Anzahl der Beratungstage gemeinsam in Absprache mit Herrn B... und der Geschäftsführerin der Beklagten festzulegen. Die Beklagte hat ein solches Einvernehmen für 50 Tage bestritten und vorgetragen, dass der Kläger den Auftrag bei dem Kunden selbst ohne Auftrag der Beklagten erweitert habe. Aus diesem Grunde wäre es Sache des Klägers gewesen war, im Einzelnen konkret vorzutragen, dass dieser Arbeitsumfang von der Beklagten mit der Beklagten auch vereinbart oder von dieser angeordnet war. Hierzu hat der Kläger auch im Beschwerdeverfahren nicht ausreichend vorgetragen. Er hat lediglich pauschal behauptet, diese Beauftragung sei "insbesondere in Abstimmung zwischen der Geschäftsführerin der Beklagten und dem Zeugen B..." erfolgt. Die ihm obliegende Darlegungslast hat er damit nicht erfüllt. Hierzu wäre konkret vorzutragen gewesen, wann diese Festlegung erfolgt ist, ggf. ob es dazu ein oder mehrere Gespräche hierzu gegeben hat und wann und wie diese stattgefunden haben.

b) Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich, dass der Kläger auch nicht sozial besonders schutzbedürftig ist. Das Beschwerdegericht bezieht sich insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts und macht sich diese zu Eigen.

Die Beschwerde war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

Zurück