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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 20.02.2005
Aktenzeichen: 1 Ta 230/05
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 17a Abs. 4 Satz 4
ZPO § 286
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ta 230/05

Im Beschwerdeverfahren

pp.

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 20.02.2005 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.08.2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die Arbeitsgerichte für den Rechtsstreit zuständig sind.

Die Klägerin war zunächst als Haushaltshilfe, ab etwa August 2002 auch als Pflegekraft für die am 12.01.2004 verstorbene S... (Erblasserin) tätig. Sie war bei der Pflegekasse als Pflegekraft angemeldet. Frau S erhielt Pflegegeld der Pflegestufe I, das sind 200,00 EUR im Monat, die sie an die Klägerin zahlte.

Im Antrag auf Steuererstattung für das Jahr 2003 sind das Konto der Klägerin und deren Name als Empfängerin einer etwaigen Steuererstattung angegeben. Auch der Steuerbescheid sollte an die Klägerin übersandt werden. Der Steuererstattungsbetrag für das Jahr 2003 beträgt 1.475,00 EUR.

Die Klägerin fordert diesen Betrag und behauptet, ihr sei der Betrag aus der Steuererstattung wegen ihres großen Einsatzes für die Verstorbene von dieser Ende Dezember 2003 als zusätzliches Arbeitsentgelt versprochen worden.

Die Beklagten rügen die Unzuständigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten. Sie meinen, dass von der Erblasserin allenfalls ein Schenkungsversprechen abgegeben worden sei.

Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 25.08.2005 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R... und sodann festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Erstattungsbetrag aus der Einkommenssteuererklärung der Klägerin als Arbeitsentlohnung und nicht als Schenkung zugewandt worden. Im Einzelfall müsse geprüft werden, ob eine nachträgliche Zuwendung als "Entlohnung" (dann Entgelt) oder als "Belohnung" (dann Schenkung) gedacht sei. Die Abgrenzung richte sich nicht nach objektiven Kriterien, sondern nach subjektiven, dem Parteiwillen, insbesondere nach dem Willen des Zuwendenden. Freiwillige Zusatzleistungen des Arbeitgebers seien aber in der Regel Entgelt und nicht Geschenk. Die Aussage des Zeugen R... habe eindeutig ergeben, dass der Betrag aus der Steuererstattung der Klägerin habe als Entgelt zugesagt werden sollen. Die Aussage sei auch glaubhaft.

Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 05.09.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 05.09.2005 beim Arbeitsgericht Lübeck eingegangene sofortige Beschwerde, die von den Beklagten wie folgt begründet wird:

Das Gericht habe den festgestellten Sachverhalt nicht zutreffend subsumiert. Unstreitig sei, dass über die Höhe der zusätzlichen Zuwendung an die Klägerin Einvernehmen zwischen der Erblasserin und der Klägerin nicht hergestellt worden sei. Schon diese Abstraktheit hinsichtlich der Höhe spreche gegen eine Motivationslage dergestalt, dass zusätzliches Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen vereinbart werden sollte. Gegen diese Auslegung spreche auch schon der Geschehensablauf. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass die Erblasserin eine Zuwendungszusage bereits bezüglich des bereits bezüglich des vermeintlichen Erstattungsanspruchs für 2002 geltend gemacht habe, diese aber später wegen anderweitiger Verwendung des Erstattungsbetrages für Umbauzwecke am Pkw revidiert habe. Damit sei unmissverständlich klar gewesen, dass eben gerade nicht eine Änderung des Vertragsverhältnisses beabsichtigt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht führe in den Entscheidungsgründen aus, die Einlassung des Zeugen sei plausibel und plastisch, weil sich die Verstorbene erkundigt habe, was eine Hauspflege regelmäßig koste und sei dabei auf einen Betrag von ca. 1.000,00 EUR im Monat gekommen. Solche Aussage findet sich indessen nicht im Protokoll. Die Angaben des Zeugen in diesem Zusammenhang seien auch wie diejenigen der Klägerin falsch. Die Erblasserin habe zwar Anfang 2002 einen Unfall erlitten, sei jedoch nicht derart schwerstbehindert gewesen wie von den Eheleuten R... suggeriert sei. Insbesondere habe es unter keinen Umständen einer Unterbringung in einem Pflegeheim bedurft. Im Übrigen habe die Erblasserin bis wenige Tage vor ihrem Tode vollschichtig ihren erlernten Beruf als Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte ausgeübt. Die Erblasserin habe in ihren persönlichen Belangen als äußerst pedantisch gegolten. Es sei deswegen nahezu ausgeschlossen, dass die Erblasserin Unterlagen derart unauffindbar weggelegt habe. Woher der Zeuge die Kenntnis darüber nehme, dass die Kosten für eine häusliche Krankenpflege angeblich bei 1.000,00 EUR gelegen hätten und die nun Erblasserin sich dies nicht habe leisten können, bleibe Geheimnis des Zeugen.

Hinsichtlich der Anhörung der Klägerin habe das Gericht die für die Klägerin sichtlich überraschende Frage nach der sozialversicherungsrechtlichen Besteuerungsverpflichtung des angeblich zusätzlich vereinbarten Entgeltes gestellt. Noch bevor die Klägerin habe antworten können, habe deren Prozessbevollmächtigter erklärt, dass eine solche Besteuerung angesichts der Geringfügigkeit nicht in Betracht komme. Vor diesem Hintergrund überrasche nicht, dass nach der anschließenden Sitzungsunterbrechung der auf dem Flur zwischen der Klägerin, ihrem Prozessbevollmächtigten und dem Zeugen R... geführten Unterredung der Zeuge R... seine abschließende Zeugenaussage spontan und ungefragt mit dem Hinweis eingeleitet habe, dass das Geld im Nachhinein versteuert und bei den Krankenkassen angemeldet werden solle. Auch die Befragung der Klägerin hinsichtlich der Benennung ihres Ehemannes und die Reaktion der Klägerin hierauf zeige, dass der gesamte Sachvortrag aus der Klageschrift wie aus den nachfolgenden Schriftsätzen nicht auf Sachinformationen der Klägerin, sondern ausschließlich auf denen des Zeugen beruhe.

Das Arbeitsgericht Lübeck hat durch Beschluss vom 22.09.2005 der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung zunächst auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen und ausgeführt:

Es sei unerheblich, dass die Höhe des Erstattungsbetrages nicht bekannt und damit auch noch nicht konkret vereinbart worden sei. Es sei im Arbeitsverhältnis nicht unüblich, dass eine Zusatzleistung, deren Höhe noch nicht feststehe - etwa weil sie noch von späteren Feststellungen abhänge. Dass die Verstorbene das Geld 2002 anderweitig verwandt habe, ändere an der Rechtsnatur der Anspruchsgrundlage ebenfalls nichts. Protokolliert sei die Erklärung des Zeugen, Kosten für eine häusliche Pflege der Verstorbenen hätten bei 1.000,00 EUR im Monat gelegen. Das habe aber auf Informationen beruht, die die Verstorbene eingeholt habe. Zu keinem Zeitpunkt sei von einer stationären Unterbringung in einem Pflegeheim die Rede gewesen. Woher der Zeuge die Kenntnis nehme, dass die Verstorbene sich auch eine Pflege für 1.000,00 EUR nicht habe leisten können, spiele für die Rechtsfrage keine Rolle, die Beklagte habe den Zeugen auch in der Beweisaufnahme nicht hiernach gefragt. Schließlich gehe auch das Gericht davon aus, dass der Zeuge mit seiner Ehefrau vermutlich auch mit den Prozessbevollmächtigten vor der Vernehmung die Frage der Sozialversicherung des Betrags erörtert habe. Offensichtlich habe der Zeuge sofort diese Frage ins Spiel gebracht. Bei Würdigung der Aussage sei dies auch berücksichtigt worden. Im Hinblick auf das Beweisthema sei dem jedoch keine ausschlagende Bedeutung beigemessen worden.

Demzufolge habe es wegen der Auslegungsregel, wonach freiwillige Zusatzleistungen des Arbeitsgebers in der Regel Vergütungscharakter hätten, zu verbleiben.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG). In der Sache ist sie jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist. Die Angriffe der Beschwerde rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

1. Das Arbeitsgericht ist auf der Grundlage der von ihr durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen R... zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Steuererstattung der Klägerin als zusätzliche Arbeitsvergütung gewährt werden sollte. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts liegt im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO). Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass freiwillige Zusatzleistungen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Zweifel Entgeltcharakter haben. Das gilt im vorliegenden Fall im Hinblick auf die geringe Höhe der Vergütung in besonderer Weise. Daraus ergibt sich, dass an die Beweisführung für eine Entgeltabrede keine hohen Beweisanforderungen zu stellen sind. Diesen wird die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme gerecht.

2. Die Angriffe der Beschwerde sind nicht geeignet, diese Beweisführung zu erschüttern. Fehler bei der Beweiswürdigung sind nicht hinreichend dargelegt. Die von der Beklagten in der Beschwerde vorgetragenen Umstände rechtfertigen auch keine abweichende Beweiswürdigung. Aus diesem Grunde war die Beweisaufnahme im Beschwerderechtszug nicht zu wiederholen.

Nicht gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts spricht, dass die konkrete Höhe der zusätzlichen Vergütung in Form Lohnsteuererstattung im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht fest gestanden hat. Eine derartige Vertragsgestaltung ist im Hinblick darauf, dass die Klägerin eine Grundvergütung in Höhe von 200 EUR erhalten hat und die weitere Vergütung zusätzlich gewährt werden sollte, nicht ungewöhnlich. Unerheblich ist auch, dass die Aussage des Zeugen nicht protokolliert ist, dass die Beklagten sich erkundigt habe, was eine Hauspflege regelmäßig koste und man dabei auf ca. 1000 EUR im Monat gekommen sei. Hierauf kam es dem Arbeitsgericht bei der Beweiswürdigung erkennbar nicht entscheidend an. Auch die weitere Erwägung der Beklagten, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Erblasserin die Unterlagen verlegt habe, reicht auch im Zusammenhang mit dem sonstigen Vortrag der Beklagten nicht aus, das Beweisergebnis infrage zu stellen.

Aus den dargelegten Gründen war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde lagen keine Gründe vor.

Ende der Entscheidung

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