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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 27.07.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 13/04
Rechtsgebiete: ArbGG, MBG SH, BAT


Vorschriften:

ArbGG § 72 a
MBG SH § 51
BAT § 53
BAT § 53 Abs. 3
BAT § 55
BAT § 55 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 13/04

Verkündet am 27.07.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 27.07.2004 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 29.10.2003 - 4 Ca 1115 e/03 - abgeändert: Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23.04.2003 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 31.12.2003 hinaus fortbesteht.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

Der Kläger ist am ...1952 geboren. Bei der Beklagten wurde er gemäß dem Arbeitsvertrag vom 24.08.1987 (Bl. 5 d. A.) mit Wirkung vom 01.09.1987 als technischer Angestellter eingestellt. Er ist als Umweltschutzbeauftragter im Fachbereich Stadtentwicklung und Bauen tätig und dem Fachbereichsleiter direkt zugeordnet. Ihm selbst waren Mitarbeiter nicht unterstellt. Ab dem Jahr 1999 hatte der Kläger Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen jährlich, und zwar im Jahr 1999 33 Arbeitstage, im Jahr 2000 31 Arbeitstage, im Jahr 2001 39 Arbeitstage und im Jahr 2002 bis zum 20.06.2002 82 Arbeitstage. Ab dem 26.06.2002 war er fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Der von der Beklagten angeforderte Untersuchungsbericht des Amtsarztes vom 05.09.2002 (Bl. 44 d. A.) lautet wie folgt:

"Herr S. wurde am 22.08.2002 im Gesundheitsamt L. von mir ärztlich untersucht.

Herr S. weist, wie in Ihrem Bericht ausgeführt, häufige Fehlzeiten von jeweils kurzer Dauer auf. Es handelt sich hierbei um eine Vielzahl psychosomatisch erklärbare gesundheitlicher Beeinträchtigungen, wie migräneartiger Kopfschmerz, nervöse Erschöpfungszustände, Magen-Darm-Beschwerden und gesteigerte Infektneigung.

Er hat diesbezüglich bereits fachärztliche Hilfe sowie eine stationäre Heilbehandlung in Anspruch genommen. Beschwerden traten erstmals vor 5-6 Jahren auf in zuletzt zunehmender Intensität und sind nach Auffassung von Herrn S. in Zusammenhang zu bringen mit seiner Arbeitsplatzsituation. Er ist im technischen Umweltschutz tätig und gerät seit vielen Jahren, so stellt er die Situation dar, in Konflikt mit seinem Fachvorgesetzten im Fachbereich Stadtentwicklung und Bauen. Dies habe in der jüngsten Vergangenheit für ihn "nicht mehr erträgliche" Formen angenommen, die zu einer Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Verfassung geführt habe. Er selbst trägt hier eine große Arbeitsmotivation für den Aufgabenbereich des technischen Umweltschutzes vor. Die Verwaltungsstrukturen seines Arbeitsbereiches seien für ihn inzwischen nicht mehr hinnehmbar geworden, so dass er Vorschläge machte, den Umweltschutz neu zu organisieren.

Nach dem ärztlichen Untersuchungsbefund bestehen deutliche psychosomatische Symptome, die zu einer länger anhaltenden Arbeitsunfähigkeit führen. Zur Reduzierung der psychischen Belastungssituation ist auch aus meiner Sicht eine fachliche Umstrukturierung in Erwägung zu ziehen.

Auch Ihre Fragen möchte ich wie folgt beantworten:

1. Unter den gegebenen Umständen ist mit einer anhaltenden Genesung nicht zu rechnen.

2. Mit hineichender Wahrscheinlichkeit wird er auch weiterhin derartige häufige (kurzzeitige) Fehlzeiten haben.

3. Aus ärztlicher Sicht ist er gesundheitlich in der Lage, die Tätigkeit eines technischen Angestellten im Bereich des Umweltschutzes zu erfüllen. Gründe an seiner Berufsfähigkeit zu zweifeln, habe ich nicht. Eine Versetzung in den anderen Arbeitsbereich scheint mir unrealistisch."

Am 18.11.2002 teilte der Kläger per Fax mit, er sei bis auf weiteres arbeitsunfähig erkrankt. Das von der Beklagten angeforderte erneute amtsärztliche Gutachten vom 04.02.2003 (Bl. 42 d. A.) lautet wie folgt:

"Herr S. wurde am 28.01.2003 im Gesundheitszentrum L. von mir erneut amtsärztlich untersucht.

In meinem Untersuchungsergebnis vom 05.09.02 habe ich die Krankengeschichte von Herrn S. detailliert geschildert.

Er ist nun seit dem 26.06.2002 fortlaufend arbeitsunfähig krank. Die zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen liegen unverändert vor. Es handelt sich um psychosomatische Beschwerden mit migräneartigen Schmerzen, Verspannungszuständen im muskulären Bereich, Konzentrationsstörungen und einer psychovegetativen Erschöpfung.

Wie im damaligen Untersuchungsbericht ausgeführt, liegt eine ausgeprägte Streßintoleranz vor, die in der Persönlichkeitsstruktur von Herrn Sch. begründet ist. Ausgelöst wird die Beschwerdekaskade jedoch durch einen ständigen Arbeitsplatzkonflikt. Es sollte unbedingt darauf hingewirkt werden, hier eine Lösung in der Arbeitsplatzstruktur oder im Organisationsbereich zu finden. Sollte dies möglich ein, so ist damit zu rechnen, dass Herr S. seinen dienstlichen Belastungen als techn. Angestellter in gesundheitlicher Hinsicht gerecht werden wird.

Andernfalls ist nicht damit zu rechnen, dass Herr S. vor Ablauf von zwei Jahren wieder arbeitsfähig werden wird. Er setzt die begonnenen Therapiemaßnahmen fort. Insbesondere auch eine Sanatoriumskur in einer psychosomatischen Fachklinik. Die Wahrscheinlichkeit, dass er dann eindeutig wieder in der Lage sein wird, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, halte ich für gering, wenn die strukturellen Veränderungen (z. B. Versetzung an einen gleichwertigen Arbeitsplatz) nicht möglich ist."

Die von der Beklagten aufgrund des in der ärztlichen Stellungnahme angeführten Arbeitsplatzkonfliktes eingeholte Stellungnahme des Vorgesetzten des Klägers vom 10.02.2003 lautet wie folgt:

"Stellungnahme zur Zusammenarbeit mit dem Umweltingenieur, Herrn B. S.

Ihr Schreiben vom 16.01.2003

Der von Herrn S. hergestellte Zusammenhang zwischen seinen gesundheitlichen Beschwerden und Konflikten mit seinem Fachvorgesetzten ist überraschend.

Herr S. hatte in der Regel Probleme, die ihm gestellten Aufgaben ausreichend, vollständig und vor allem termingerecht zu bearbeiten. Aus diesem Grunde waren häufig Korrekturgespräche und Ermahnungen hinsichtlich der Einhaltung von Terminen erforderlich.

Zuletzt bei der Aufgabe "Durchführung der lokalen Agenda 21" in P. war über lange Zeit gar keine Aufgabenerledigung zu erkennen. Dies und die spätere mangelhafte Art der Aufgabenerledigung waren Anlass für den Vorschlag des Unterzeichners für eine Abmahnung an Herrn S. (Siehe dazu Abmahnungstextentwürfe des Unterzeichners vom 04.12.2001).

Herr S. hat entsprechend seinem Aufgabengebiet einen weiten Spielraum im Hinblick auf die Art der Ausführung der ihm gestellten Aufgaben erhalten sowie regelmäßig Fristverlängerungen für die ihm gestellten Aufgaben.

Die Erledigung seiner Aufgaben wurde von Herrn S. allerdings abgefordert. Ein persönlicher Konflikt bestand nicht. Die Korrekturgespräche verliefen jeweils sachlich und ergebnisorientiert. Die Behauptung von "nicht mehr erträglichen" Umgangsformen oder Konflikten kann daher von mir nicht nachvollzogen werden."

Die Beklagte unterrichtete den Personalrat mit Schreiben vom 24.03.2003 (Bl. 17 d. A.) zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist bis zum 30.09.2003. Der Personalrat stimmte der beabsichtigten Kündigung am 24.03.2003 zu. Die Kündigung erfolgte mit Anwaltsschreiben vom 23.04.2003, jedoch zum 31.12.2003. Der Kläger befand sich vom 17.04. bis 28.05.2003 zur Kur in einer psychosomatischen Fachklinik, der D. Klinik in B.

Mit der am 12.05.2003 erhobenen Klage hat der Kläger gerügt, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt, er sei nur noch außerordentlich kündbar. Die Kündigung sei sozialwidrig. Die von der Beklagten angegebenen Krankheitszeiten träfen nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.10.2003, auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung, mit der der Kläger sein Ziel weiterverfolgt.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt er vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiss gewesen sei. Dies ergebe sich nicht aus den von der Beklagten angeforderten amtsärztlichen Gutachten. Vielmehr werde hieraus deutlich, dass eine Lösung in der Arbeitsplatzstruktur oder im Organisationsbereich gefunden werden könnte. Der Beklagten sei bereits durch das Gutachten des Gesundheitsamtes bekannt gewesen, dass der Kläger Therapiemaßnahmen durchführte und eine Sanatoriumskur in einer psychosomatischen Fachklinik beantragt hatte. Durch die Kur sei eine Stabilisierung sowohl des körperlichen als auch des psychischen Zustandes eingetreten. Weiter sei eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen nicht aufgetreten. In den Jahren 1999 bis 2001 sei der 6-Wochen-Zeitraum lediglich geringfügig überschritten worden. Die Vergütungsfortzahlungspflicht sei mit dem 16.10.2002 ausgelaufen. Weitere Kosten seien der Beklagten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr entstanden. Es habe die Möglichkeit bestanden, Teilaufgaben wie z. B. Bodenuntersuchungen und Schadstoffsanierungen an Gebäuden von einer bereits beschäftigten Vertretungskraft durchführen zu lassen. Solche Überbrückungsmaßnahmen seien jedoch letztendlich überhaupt nicht notwendig, wenn eine fachliche Umstrukturierung durchgeführt werde, was problemlos möglich sei. Eine Umstrukturierung müsse die Beklagte auch aus ihrer Fürsorgepflicht heraus prüfen. Schließlich sei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien angesichts der langen Dauer der Betriebszugehörigkeit ordentlich nicht kündbar sei. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden. Ihm seien nicht alle wesentlichen Kündigungsgründe mitgeteilt worden. Das amtsärztliche Gutachten vom 04.02.2003 sei unvollständig wiedergegeben worden. Das Gutachten vom 05.09.2002 fehle. Dem Personalrat sei auch nicht die Rehamaßnahme ab 17.04.2002 mitgeteilt worden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn - 4 Ca 1115 e/03 - vom 29.10.2003, zugestellt am 29.12.2003, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23.04.2003 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 31.12.2003 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter vor, grundsätzlich bestehe auch bei einem Arbeitsverhältnis von derart langer Dauer, wie hier vorliegend, die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung. Tatsächlich sei hier von einer negativen Prognose auszugehen. Der Kläger verkenne dabei, dass die Kündigung nicht auf das amtsärztliche Gutachten vom 05.09.2002, sondern das vom 04.02.2003 gestützt werde. Das erste Gutachten sei vor dem Hintergrund angefordert worden, dass damals häufige Kurzerkrankungen aufgetreten seien. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht erkennbar gewesen, dass sich die Erkrankung ab dem 16.06.2002 als Langzeiterkrankung entwickeln würde. Deshalb sei das weitere Gutachten angefordert worden. Anlass hierfür sei gewesen, dass der Kläger mit Fax vom 16.11.2002 mitgeteilt habe, er sei bis auf weiteres krank. Soweit der Kläger ihr vorwerfe, die Kündigung sei während einer Kur ausgesprochen worden, sei zu berücksichtigen, dass sich aus dem Gutachten ergebe, dass der behandelnde Arzt sich hiervon wenig Erfolg versprochen habe. Der von dem Kläger angesprochene Arbeitsplatzkonflikt sei ihr so nicht bekannt. Ihres Wissens habe es lediglich Differenzen auf fachlicher Ebene gegeben. Der Kläger sei auch abgemahnt worden. Darüber hinausgehende Konfliktsituationen lägen aber nicht vor. Dies ergebe sich auch aus der Stellungnahme des Vorgesetzten des Klägers. Sie habe eine Umsetzung bzw. Umorganisation sehr wohl geprüft, sei jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Umorganisation nicht angebracht sei. Durch die Fehlzeiten des Klägers ergebe sich auch eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie habe Entgeltfortzahlung in vier Jahren in Höhe von rund 50.000 EUR geleistet. Auch aufgrund der schlechten Finanzlage habe sie keine Personalreserve. Die Beklagte weise die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Mittelstädte in Schleswig-Holstein auf. Eine Aushilfskraft habe sie nicht einstellen können. Durch die schon im Jahr 2002 erlassene Haushaltssperre hätten weder Mittel für eine Stellenausschreibung noch eine Aushilfskraft zur Verfügung gestanden. Die Arbeitsleistung des Klägers sei durch die häufigen und langen Fehlzeiten unkalkulierbar geworden. In eine einigermaßen vernünftige Planung des Personalbedarfs- und einsatzes habe sie den Kläger nicht mehr einbeziehen können. Die wesentliche Aufgabe, nämlich die Bürgerberatung und die Sonderprojekte im Bereich des Umweltschutzes seien seit der Erkrankung des Klägers nicht mehr weitergeführt worden. Die auf andere Mitarbeiter verlagerten Aufgaben wie Bodenuntersuchung und, soweit erforderlich, Schadstoffsanierung an städtischen Gebäuden hätten zu einer weiteren Belastung der Arbeitskapazität der betroffenen Mitarbeiter geführt. Hierdurch seien andere Projekte verzögert worden. Deshalb habe sie erneut eine Organisationsuntersuchung durchgeführt. Dabei habe sie auch geprüft, ob eine Ausgliederung des Bereichs Umweltschutz als Stabsstelle des Bürgermeisters machbar sei. Dies habe sie aber, unabhängig von der Person des Klägers, als uneffektiv verworfen. Zu beachten sei, dass die Organisationshoheit beim Bürgermeister liege.

Soweit der Kläger die Personalratsanhörung für nicht ordnungsgemäß halte, sei dies nicht zutreffend. Dem Personalrat sei das Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens korrekt mitgeteilt worden. Dem Personalrat sei bekannt gewesen, dass die krankheitsbedingte Abwesenheit des Klägers aus dessen subjektiver Sicht mit der angeblichen Benachteiligung durch den Bauamtsleiter in Zusammenhang gestanden habe. Deshalb sei auch die Stellungnahme des Vorgesetzten des Klägers Herrn St. beigefügt worden. Eine Rehamaßnahme habe dem Personalrat nicht mitgeteilt werden können, weil zum Zeitpunkt der Anhörung derartiges nicht bekannt gewesen sei.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt daher zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils. Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist. 1. Die Kündigung ist nicht unwirksam wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrates. Insoweit kann dem Kläger nicht zugestimmt werden.

Der Inhalt der Unterrichtung des Personalrates ergibt sich aus dem Unterrichtungsschreiben vom 10.03.2003 (Bl. 17 d. A.), dem verschiedene in dem Text genannte Anlagen beigefügt waren. Dem Personalrat waren Aufstellungen der gesamten Krankheitszeiten sowie der Vergütungsfortzahlungskosten mitgeteilt worden. Auch lag die Stellungnahme des Fachvorgesetzten Herrn St. bei. Die Beklagte hat ferner dem Personalrat mitgeteilt, dass aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 04.02.2002 (richtig: 2003) festzustellen ist, dass der Kläger in den nächsten zwei Jahren nicht arbeitsfähig sein werde, der Kläger sei seit dem 26.06.2002 auf unbestimmte Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Zudem hat die Beklagte dem Personalrat auch mitgeteilt, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist handeln solle, wobei sie indes eine kürzere als die nachher gewählte Auslauffrist mitgeteilt hat.

Nach dem Inhalt dieser Unterrichtung war der Personalrat über die Erwägungen der Beklagten, die zum Ausspruch der Kündigung führen sollten, unterrichtet. Zweck der Unterrichtung des Personalrates ist es, ihn in die Lage zu versetzen, seine Aufgabe als Mitbestimmungsgremium im Rahmen des § 51 MBG SH ordnungsgemäß zu erfüllen, ggf. bei Unklarheiten nachzufassen und in Konfliktfällen, wenn möglich, zu vermitteln. Eine umfassende Unterrichtung des Personalrates ist schon deshalb geboten und im Interesse beider Parteien, weil nach dem MBG SH die ausdrückliche Zustimmung des Personalrates erforderlich ist.

Die dem Personalrat mitgeteilten Daten waren aber auch ausreichend. Die Beklagte musste dem Personalrat nicht alles mitteilen, was sie jeweils über den Kläger erfahren hatte. Insbesondere war es, wenn sie sich auf die lang andauernde Erkrankung berufen wollte, nicht erforderlich, ein amtsärztliches Gutachten zu Kurzzeiterkrankungen zu zitieren oder gar beizulegen. Auch musste die Beklagte dem Personalrat nicht das gesamte Gutachten vorlegen. Das Ergebnis der Stellungnahme hat die Beklagte wiedergegeben. Auf dieses Ergebnis der Stellungnahme stützt sie ihre Entscheidung.

2. Die Kündigung ist jedoch unwirksam, da sie nicht durch § 55 BAT getragen wird.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß § 53 Abs. 3 BAT nicht mehr ordentlich kündbar. Einem unkündbaren Angestellten kann jedoch nach § 55 Abs. 1 BAT aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden. Hier ist die Kündigung aus Gründen in der Person des Klägers ausgesprochen worden, nämlich wegen der lang andauernden Erkrankung.

Der Beklagten ist zuzustimmen, dass auch bei einem Arbeitsverhältnis, das nicht mehr der ordentlichen Kündigung unterliegt, eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden kann, wenn das Arbeitverhältnis aufgrund der gesamten Situation sinnentleert ist. Auch hier gilt, dass zunächst eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegen muss, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist und schließlich eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billiger Weise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG, Urt. v. 29.04.1999 - 2 AZR 431/98 - NZA 1999, 978 = DB 1999, 1861).

Vorliegend musste die Beklagte aufgrund der ärztlichen Stellungnahme vom 04.02.2003 davon ausgehen, dass der Kläger vor Ablauf von zwei Jahren seine Arbeitsfähigkeit nicht wieder erlangen würde. Diese Stellungnahme ist zwar nicht ganz eindeutig. Denn der Arzt bringt zum Ausdruck, dass eine Änderung der Arbeitsplatzstruktur oder im Organisationsbereich dazu führen könne, dass der Kläger seinen dienstlichen Belastungen als technischer Angestellter in gesundheitlicher Hinsicht gerecht werden wird. Allerdings hat der Amtsarzt auch zum Ausdruck gebracht, dass anderenfalls nicht damit zu rechnen sei, dass der Kläger vor Ablauf von zwei Jahren wieder arbeitsfähig werden werde. Dabei hat der Amtsarzt auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger nach einer Sanatoriumskur wieder in der Lage sein werde, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, für eher gering gehalten, wenn die strukturellen Veränderungen nicht möglich seien. Hieraus wird deutlich, dass der Amtsarzt zwar die Ursache der Fehlzeiten "nach Angaben des Klägers" in einer Arbeitsplatzproblematik sieht und Änderungen befürwortet. Allerdings hat er auch deutlich gemacht, dass bei nicht durchgeführten Änderungen nicht mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers vor Ablauf von zwei Jahren zu rechnen ist. Insofern lag eine definitive Prognose vor, nämlich, dass der Kläger bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiter arbeitsunfähig sein werde. Diese Prognose hat die Beklagte ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Sie war auch berechtigt, dies zu tun.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann von der Beklagten nicht eine Änderung der Arbeitsplatzstruktur verlangt werden. Es kann dahingestellt bleiben, wie weit die Verpflichtung der Beklagten zu einer Organisationsänderung gehen kann, um sicherzustellen, dass ein Arbeitnehmer, der unter der Arbeitsplatzstruktur gesundheitlich leidet, seine Arbeitsfähigkeit erhält. Vorliegend kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass tatsächlich ein Arbeitsplatzkonflikt in der vom Kläger gesehenen Weise vorliegt. Der Kläger ist hierzu in der Berufungsverhandlung befragt worden. Definitive Auskünfte konnte er der Kammer nicht geben. Sein Vorbringen enthielt lediglich eine pauschale Zusammenfassung des von ihm als unerträglich Empfundenen. Es war nicht erkennbar, dass sich die Probleme für den Kläger über die normaler Arbeitsplatzkonflikte hinaus entwickelt hätten. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass persönliche Differenzen zwischen dem Kläger und seinem unmittelbaren Fachvorgesetzten aufgetreten wären. Erst Recht nicht sind Ansätze von sog. Mobbing, d. h. also einem systematischen Verhalten, das auf die Zerstörung der Persönlichkeit des Betroffenen abzielt, erkennbar, auch nicht unter Berücksichtigung des Klägervortrags.

Auch begegnet die Auffassung des Klägers, die Beklagte sei zu einer organisatorischen Änderung verpflichtet, erheblichen Bedenken. Selbst unterstellt, die Auffassung des Klägers, er sei einem unsachlichen Arbeitsplatzkonflikt ausgesetzt, träfe zu, wäre es immer noch Aufgabe des Arbeitgebers, den Betrieb, d. h. hier die Verwaltung, zu organisieren. Dabei darf nicht übersehen werden, dass zwar bestimmte Organisationsformen diskutiert werden können, die Entscheidung über eine bestimmte Organisationsform aber letztlich immer noch der Beklagten bzw. ihrem Bürgermeister obliegt.

Anhand des unstreitigen Vorbringens kann auch davon ausgegangen werden, dass es vorliegend zu Störungen des Betriebsablaufes gekommen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen ist (BAG, Urt. v. 29.04.1999, a.a.O.).

In der letzten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist jedoch festzustellen, dass eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist noch nicht zulässig erscheint. Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Beklagte keine Personalreserve vorhalten kann. Wenn der Kläger ausfällt, müssen die Aufgaben von anderen Mitarbeitern, die bereits ausreichend ausgelastet sind, wahrgenommen werden oder schlicht unerledigt bleiben. Solange die Beklagte sich dafür entscheidet, einen Umweltingenieur zu beschäftigen, hat sie auch ein Interesse daran, dessen Aufgaben erfüllen zu lassen. Andererseits ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger nach § 53 BAT nicht mehr ordentlich kündbar ist, sondern hier nur noch eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden kann. In einem solchen Fall ist grundsätzlich eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG, Urt. v. 18.10.2000 - 2 AZR 627/99 - BB 2001, 418 = NZA 2001, 219 = DB 2001, 338). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger in den Jahren 1999 - 2001 regelmäßig mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt war, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten jedoch den 6-Wochen-Zeitraum nur geringfügig überschritten und er erst ab Juni 2002 fortlaufend erkrankte. Bei dieser Situation kann angesichts der Dauer des Arbeitsverhältnisses und der gesamten Entwicklung noch nicht von einer Sinnentleerung des Arbeitsverhältnisses gesprochen werden (vgl. zur Sinnentleerung: LAG Köln, Urt. v. 04.09.2002 - 7 Sa 415/02 - NZA-RR 2002, 360).

Die Kammer möchte indes darauf hinweisen, dass nach dem Eindruck der Schilderungen des Klägers in der Berufungsverhandlung damit zu rechnen ist, dass der Kläger, wenn er nicht seine Einstellung zu Arbeitsplatzkonflikten generell ändert und versucht, hieran zu arbeiten oder die aus seiner Sicht bestehenden Konflikte zu lösen, erneut und wiederholt ausfallen wird. Bei weiteren Ausfallzeiten wird, sei es wegen wiederholter Fehlzeiten oder lang andauernder Erkrankungen, auf Dauer eine Sinnentleerung des Arbeitsverhältnisses eintreten und eine Kündigung berechtigt sein. Lediglich momentan kann Derartiges noch nicht festgestellt werden.

Der Klage ist daher stattzugeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Bedeutung der Streitsache nicht über den Einzelfall hinausgeht.

Ende der Entscheidung

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