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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 06.08.2002
Aktenzeichen: 2 Sa 150/02
Rechtsgebiete: KSchG, BAT, GG


Vorschriften:

KSchG § 1
BAT § 8 Abs. 1
GG Art. 1
GG Art. 5
Bezeichnet ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in einer außerdienstlich verfassten und - u.a. im Internet - verbreiteten Pressemitteilung die Anschläge des 11.9.2001 u.a. als "längst überfällige Befreiungsaktion", so billigt er damit die Terroranschläge.

Ein derartiges Verhalten ist als ein Angriff auf die Menschenwürde der Opfer und ihrer Hinterbliebenen zu bewerten und nicht mehr vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt. Der Arbeitgeber ist daher berechtigt, das Arbeitsverhältnis ohne vorherige Abmahnung wegen des hierdurch entstandenen Vertrauensverlustes zu kündigen.


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 150/02

Verkündet am 6.8.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 6.8.2002 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts Willikonsky als Vorsitzende und die ehrenamtliche Richterin Helga Schulte sowie den ehrenamtlichen Richter Reimer Lucht als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19. Februar 2002 - 3 Ca 2968 b/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlosen Kündigungen vom 1. Oktober 2001 und 11. Oktober 2001 und auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 1. Oktober 2001 beendet worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 11.10.2001.

Der Kläger ist 47 Jahre alt. Von Beruf ist er Umweltschutztechniker. Bei der Beklagten ist er seit dem 1.9.1989 als Sachbearbeiter im Bereich Umweltschutz beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT Anwendung.

Der Kläger ist Mitglied des "Bündnis Rechts" und dessen ............... in L.......... Am 12.9.2001, am Tag nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York, gab er für das "Bündnis Rechts" eine Pressemitteilung heraus, die er an die Presse in Schleswig-Holstein verteilte und ins Internet stellte. Diese Pressemitteilung lautet - auszugsweise - wie folgt:

,,Wie lange kann man weltweit gegen Völker Terror ausüben, Terror schüren, Bürgerkriege inszenieren, Völker mit Sanktionen überziehen usw., wie Amerika es schon seit Jahrzehnten mit seiner "One World - Idiotie" betreibt, um diese dermaßen in die Knie für die Interessen einer zionistischen Oligarchie zu zwingen, dass es zu einer längst überfälligen Befreiungsaktion gegen die USA kommen musste und sich Menschen in ihrem Befreiungskampf selbst bedingungslos opfern?

Jetzt, wo Amerika feststellen musste, dass man als Weltmacht und großer Kriegstreiber doch nicht unangreifbar ist, ist das Gejammer und Gejaule groß und verurteilt in gewohnter Weise vor der Untersuchung, anstatt auch mal Fehler einzugestehen, denn der Gewaltakt galt mit Sicherheit nicht in erster Linie den Zivilisten, sondern der politischen Führung, die bei genauer Prüfung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen hat. Feinde hat man nicht rein zufällig, sondern die schafft man sich und Amerika hat dahingehend schon viel geschafft.

...

Jubel ist angesichts der Geschehnisse ebenso fehl am Platze wie das Heraufbeschwören der Solidarität mit dem Staat USA als "Hüterin der westlichen Wertegemeinschaft". Vielmehr sollten die Anschläge Amerika eine Warnung sein, sich vielleicht nicht mehr in allen Erdteilen als Weltpolizist aufzuspielen und endlich dafür zu sorgen, dass gewissen Machtkonstellationen innerhalb Amerikas weniger Verfügungsgewalt zugestanden wird!

Das Bündnis RECHTS verurteilt grundsätzlich alle Terroranschläge, egal von wem aufs Schärfste und spricht allen unschuldigen, zivilen Opfern von Anschlägen sein aufrichtiges Beileid aus. Terrorakte, gegen wen auch immer sie gerichtet sein mögen, sind grundsätzlich nicht zu akzeptieren und zu tolerieren.

...

Eine differenzierte Sicht ist also angebracht. Emotionen sind verständlich, aber dürfen bei einer sachlichen Betrachtung der Lage keine Rolle spielen."

Die Beklagte unterrichtete den Personalrat am 24.9.2001 von der beabsichtigten Kündigung. Der Personalrat teilte am 27.9.2001 mit, er bedaure, dass die Beklagte bereits die Presse informiert habe und erklärte zur Sache, er sei entsetzt über die Äußerung und nehme die Kündigung zur Kenntnis. Am 1.10.2001 sprach die Beklagte eine außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Kündigung aus. Am 4.10.2001 stellte der Personalrat klar, er habe zustimmen wollen. Die Beklagte kündigte am 11.10.2001 erneut außerordentlich, hilfsweise fristgerecht. Hiergegen richtet sich die am 16.10.2001 mit Fax und 17.10.2001 im Original erhobene Klage, mit der der Kläger das Vorliegen von Gründen bestreitet und außerdem rügt, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Diese Klage hat er am 2.11.2001 wegen der Kündigung vom 11.10.2001 erweitert.

Mit Urteil vom 19.2.2002 hat das Arbeitsgericht den Feststellungsanträgen stattgegeben, die Klage jedoch hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsbegehrens abgewiesen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie des Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil verwiesen, gegen das die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet hat.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts enthalte die Pressemitteilung mit der Überschrift "Terror gegen Amerika" sowohl menschenverachtende als auch rassistische Elemente, die dem Ansehen der Beklagten erheblich geschadet und den Betriebsfrieden erheblich gestört hätten. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes habe der Kläger mit der streitgegenständlichen Presseerklärung das Maß der durch die Meinungsfreiheit gedeckten kritischen Äußerungen im Widerspruch gegen alle Gebote der Menschlichkeit überschritten. Die vom Arbeitsgericht herangezogenen Maßstäbe seien fast schon als realitätsfern zu bezeichnen. Die verfassungsfeindlichen Tendenzen der Äußerung sowie die Mitgliedschaft des Klägers in der als rechtsradikal bekannten Vereinigung ,,Bündnis Rechts" seien nur unzureichend berücksichtigt. Die Äußerungen in der Presseerklärung seien im Zusammenhang mit der Betätigung und tragenden Rolle des Klägers in diesem Bündnis zu sehen. Es verbiete sich daher eine objektive Betrachtung derart, dass sie als unbedachte Äußerungen eines Durchschnittsbürgers gewertet werde. Die Presseerklärung müsse im Kontext mit den übrigen Aussagen und Zielen des Bündnisses gesehen werden und stelle daher eine willentliche und wissentliche Meinungsäußerung der rechtsradikalen Gruppierung dar, die gezielt eine Meinung abgeben und eine Stimmung erzeugen wolle.

Von zentraler Bedeutung seien die Äußerungen ".. um diese dermaßen in die Knie für die Interessen einer zionistischen Oligarchie zu zwingen" und die Bezeichnung des Terroraktes vom 11.09.2001 in New York als "einer längst überfälligen Befreiungsaktion gegen die USA". Hierdurch werde die Grenze der Meinungsäußerungsfreiheit für Angestellte des öffentlichen Dienstes überschritten. Derartige antisemitische und rassistische Äußerungen fielen nicht mehr unter die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG. Weiterhin vermittele der Kläger durch die zweite Äußerung eine positive Grundhaltung zur Lösung von politischen Zielen durch die Massenvernichtung von Menschen, hier insbesondere Zivilisten.

Diese Aussagen könnten auch nicht mehr durch die nachfolgenden Bemerkungen relativiert werden. Zwar sei eine derartige Veröffentlichung als Gesamtbild zu bewerten. Dabei dürfe man sich aber nicht auf die entlastenden Bestandteile beschränken, sondern müsse alle äußeren Umstände berücksichtigen. Alleine durch die Gestaltung werde der Leser zunächst zielgerichtet auf die rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen aufmerksam gemacht, um eine ganz bestimmte Wirkung im Sinne des Verfassers zu erzielen. Diese Wirkung werde auch durch die später im Text enthaltenen Relativierungsversuche nicht beseitigt. Der Kläger habe sein demagogisches Ziel bereits mit den ersten Äußerungen erreicht.

Durch die Einbeziehung der weiteren Absätze könne nicht eine Heilung eintreten. Zu berücksichtigen sei, dass solche nachträglichen Abschwächungen nur dazu dienten, eine mögliche Strafbarkeit zu umgehen, ohne jedoch den Inhalt oder die Wirkung der Aussagen noch relativieren zu können oder zu wollen. Die Billigung von Terroraktionen aus politischen oder religiösen Motiven, die zur Tötung von mehreren tausend Menschen führten, sei menschenverachtend. Erschwerend komme hinzu, dass diese Billigung im Zusammenhang mit antisemitischen Aussagen erfolgt sei. Es gehe hier um die grundsätzliche Billigung von Terror mit Menschenopfern zur Durchsetzung radikaler Ansichten. Die Schutzrichtung des § 8 Abs.1 BAT, der sich in erster Linie auf die freiheitlich demokratische Grundordnung beziehe, werde berührt.

Dem Ansehen der Beklagten sei dadurch ein erheblicher Schaden entstanden. Sowohl durch die Presseerklärung selbst als auch durch die Berichterstattung über diesen Fall sei sie ins Zwielicht gestellt worden, derartige rechtsextreme Tendenzen in ihren Reihen zu dulden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19. Februar 2002 - ö. D. 3 Ca 2968 b/01 - abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 11. Oktober 2001 beendet worden ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, nach wie vor interpretiere die Beklagte die streitgegenständliche Pressemitteilung des Klägers vom 12.09.2001 in ihrem Sinne. Wenn die Beklagte nunmehr vortragen lasse, "alleine durch die Gestaltung der Presseerklärung werde der Leser zunächst zielgerichtet auf die rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen aufmerksam gemacht" frage sich, ob die Beklagte die deutlich hervorgehobene Überschrift der Pressemitteilung überhaupt zur Kenntnis genommen habe. Allein die Überschrift der Pressemitteilung ,,Terror gegen Amerika" spreche für sich und gegen die Argumentation der Beklagten.

Ebenfalls unhaltbar sei die Auffassung der Beklagten, die Betätigung des Klägers in dem ,,Bündnis Rechts" verbiete eine objektive Betrachtung der Presseerklärung. Selbstverständlich könne der Kläger trotz seiner politischen Betätigung die Rechte eines Durchschnittsbürgers für sich in Anspruch nehmen. Wie für jeden anderen Bürger auch gelte für ihn das Grund recht der freien Meinungsäußerung. Hieran ändere auch § 8 Abs. 1 BAT im Ergebnis wenig, da die Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten - Überprüfung von Kleinkläranlagen - von derart untergeordneter Bedeutung sei, dass eine besondere Zurückhaltung bei politischen Äußerungen nicht verlangt werden könne. Entscheidend sei allein, ob die streitgegenständliche Pressemitteilung - unter Beachtung des § 8 Abs. 1 BAT - die Grenzen der freien Meinungsäußerung überschreite.

Nach wie vor trage die Beklagte noch nicht einmal vor, dass sich das Verhalten des Klägers in irgendeiner Weise im betrieblichen bzw. dienstlichen Bereich negativ ausgewirkt, mithin das Arbeitsverhältnis konkret berührt habe. Statt dessen behaupte die Beklagte, die Pressemitteilung des Klägers habe ihrem Ansehen erheblich geschadet. Dass die Beklagte über die politische Betätigung des Klägers nicht glücklich sei, sei verständlich. Den größten Schaden füge sie sich jedoch selbst durch ihre immer neuen - unwirksamen - Kündigungen zu. Im übrigen könne die Beklagte dem Kläger die negative Prozessberichterstattung in der Öffentlichkeit nicht ernstlich anlasten.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die von der Beklagten ausgesprochene hilfsweise ordentliche Kündigung vom 11.10.2001 hat das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31.3.2002 beendet. Insoweit ist daher die Klage abzuweisen.

Unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung der Beklagten und des Berufungsantrags ist lediglich zu prüfen, ob die ordentliche Kündigung im Hinblick auf die Pressemitteilung vom 12.9.2001 gerechtfertigt ist. Dies ist der Fall. Die Kündigung ist nicht sozialwidrig, § 1 KSchG.

1.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann außerbetriebliches Verhalten eine Kündigung nur rechtfertigen, wenn das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird, sei es im Leistungsbereich im Bereich der betrieblichen bzw. dienststellenbezogene Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im Unternehmensbereich bzw. im behördlichen Aufgabenbereich (BAG Urteil vom 06.06.1984 - 7 AZR 456/82 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 12 = AP Nr.11 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung). Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt demnach voraus, dass durch das außerdienstliche Verhalten eine Vertragsverletzung erfolgt. Eine solche Vertragsverletzung kann auch durch die außerdienstliche politische Betätigung für eine verfassungsfeindliche Partei oder Organisation eintreten.

In § 8 Abs. 1 S. 2 BAT ist festgelegt, dass der Angestellte sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung i.S. des Grundgesetzes bekennen muss. Ferner fordert § 8 Abs. 1 S. 1 BAT, dass der Angestellte sich so zu verhalten hat, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird. Hiermit werden dem Angestellten des öffentlichen Dienstes besondere Verhaltenspflichten auferlegt. Aus diesen Vorschriften ergeben sich Verhaltensanforderungen, die auch in den Privatbereich des Arbeitnehmers hineinreichen. Daher hat der Angestellte des öffentlichen Dienstes bei Meinungsäußerungen im privaten Bereich die durch § 8 Abs. 1 gesteckten Grenzen zu beachten.

Die Verhaltensregelungen in § 8 Abs. 1 BAT sind, soweit Äußerungen des Mitarbeiters betroffen sind, im Licht des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Art. 5 GG, zu sehen, wonach jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Er erstreckt sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form einer Äußerung. Eine allein polemische oder verletzende Formulierung entzieht eine Äußerung noch nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG Beschluss vom 16.10.1998 - 1 BvR 1685/92 - EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 40).

Das Recht auf freie Meinungsäußerung findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre, Art. 5 Abs. 2 GG. Unter dem Begriff des "allgemeinen" Gesetzes sind alle Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern die dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat. Allerdings müssen derartige grundrechtsbeschränkende allgemeine Gesetze ihrerseits in der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit in der freiheitlichen Demokratie ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung wieder eingeschränkt werden. Die Grundrechtseinschränkung muss im Hinblick auf das zu schützende Rechtsgut geeignet und erforderlich sein und der angestrebte Erfolg muss in einem angemessenen Verhältnis zu der Einbuße stehen, die die Grundrechtsbeschränkung für den Grundrechtsträger bedeutet (BAG Urteil vom 21.10.1982 - 2 AZR 591/80 - EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb Nr. 12). Wird durch eine Äußerung die Menschenwürde eines anderen angetastet, die als Wurzel aller Grundrechte mit keinem Grundrecht abwägungsfähig ist, muss die Meinungsfreiheit stets zurücktreten (BAG Urteil vom 14.2.1996 - 2 AZR 274/95 - EzA § 626 BGB n.F. Nr. 160 unter Hinweis auf BVerfG vom 25.8.1994 - 1 BvR 1423/92 - NJW 1994,2943 und vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 - NJW 1995,3303).

Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 BAT ist eine das Grundrecht der freien Meinungsäußerung beschränkende allgemeine Norm i. S. des Artikel 5 Abs. 2 GG (BVerfG Beschluss vom 16.10.1998 - 1 BvR 1685/92 - EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 40; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, § 8 BAT, 2.3.3.). Sie entspricht den beamtenrechtlichen Vorschriften, z.B. § 52 Abs. 2 BBG, § 35 Abs. 2 BRRG.

Dabei gilt, dass ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes sich zu allgemeinpolitischen Fragen in der Öffentlichkeit nur so zurückhaltend äußern darf, dass das öffentliche Vertrauen in seine unparteiische, gerechte und gemeinwohlorientierte Amtsführung keinen Schaden nimmt. Seine politischen Meinungsäußerungen dürfen nicht Formen annehmen, die den Eindruck entstehen lassen könnten, er werde bei seiner Amtsführung nicht loyal gegenüber seinem Dienstherrn und nicht neutral gegenüber jedermann sein (BVerfG Beschluss der 3. Ka. des 2. Sen. vom 6.6.1988 - 2 BvR 111/88 - EzA Art. 5 GG Nr. 20). Ist z.B. ein Angestellter des öffentlichen Dienstes für die Verbreitung ausländerfeindlicher Flugblätter verantwortlich, ist dies an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen (BAG Urteil vom 14.2.1996 - 2 AZR 274/95 - EzA § 626 BGB n.F. Nr. 160). Denn ein derartiges Verhalten ist nicht mehr vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt.

2.

Durch die Presseerklärung vom 12.9.2001 hat der Kläger, auch bei Betrachtung des gesamten Textes, die vorgezeichneten Grenzen überschritten.

Kernaussage des 1. Absatzes ist, die USA übten Terror und verfolgten eine "zionistische Oligarchie". Das ergibt sich aus der Formulierung ,,um diese dermaßen in die Knie für die Interessen einer zionistischer Oligarchie zu zwingen". Dabei ist die Aussage "zionistische Oligarchie" zu beanstanden. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der Begriff des "Zionismus" nicht per se negativ besetzt ist. Zionismus war ursprünglich der "Begriff für eine jüdische Bewegung zur Herstellung eines selbständigen jüdischen Staates Israel" und bedeutet heute eine "politische Bewegung in Israel, die die Heimatrechte der benachbarten arabischen Völker nicht akzeptiert" (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Neuausgabe 2000, Stichwort "Zionismus"). "Oligarchie" ist die "Herrschaft der Wenigen". Es wird im Allgemeinen im negativen Sinn gebraucht, um eine Unterdrückung durch Wenige zu kennzeichnen. Das sollte auch hier der Fall sein, wie die Formulierung "zionistische Oligarchie" zeigt. In der Kombination "zionistische Oligarchie" erlangen beide Einzelbegriffe eine negative Bedeutung, die nur als antisemitisch rassistisch verstanden werden kann. Dies gilt um so mehr, als diese Formulierung im Zusammenhang mit den USA und nicht etwa mit dem Staat Israel gebraucht wird. Der Gebrauch ist so zu verstehen, dass eine Beherrschung der Welt durch das "Weltjudentum" in den USA behauptet wird.

Weiter werden die Anschläge durch die Formulierung, der Terrorakt stelle eine ,,längst überfällige Befreiungsaktion gegen die USA" dar, gut geheißen. Die Billigung ergibt sich zum einen daraus, dass die Anschläge als "Befreiungsaktion" bezeichnet werden, zum anderen daraus, dass sie als "längst überfällig" bewertet werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann der 1. Absatz nicht als Frage verstanden werden, auch wenn er mit einem Fragezeichen endet. Hier handelt es sich lediglich um eine rhetorische Frage, nämlich eine solche, auf die eine Antwort nicht erwartet wird. Vielmehr enthält dieser Absatz ganz deutlich - im Stil einer Frage - eine Anklage gegen die USA in dem vorstehend geschilderten Sinn.

Der 2. Absatz behauptet weiter, die Gewaltakte hätten "nicht in erster Linie den Zivilisten" gegolten, während unberücksichtigt bleibt, dass Opfer der Terroranschläge fast überwiegend Zivilisten, aber auch Soldaten, namentlich im Pentagon, waren. Hier werden die Anschläge heruntergespielt.

Auch aus dem 6. Absatz ergibt sich eine Billigung der Terroranschläge, nämlich dergestalt, dass ausgesagt wird, die Anschläge sollten "Amerika eine Warnung sein, sich .. nicht ... als Weltpolizist aufzuspielen". Das muss so verstanden werden, dass die USA sich die Anschläge "eine Lehre sein lassen sollen" im Sinne von "geschieht dir recht".

Der hierdurch hervorgerufene Eindruck kann auch durch eine Betrachtung der letzten drei Absätze nicht mehr relativiert oder gar aufgehoben werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Leser einer Pressemitteilung diese tatsächlich bis zum Ende liest, was der Berufungskammer zweifelhaft erscheint, kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger tatsächlich Terrorakte und damit auch die des 11.9.2001 schlechthin verurteilt hat. Denn er beschränkt sein Beileid auf die "unschuldigen, zivilen Opfer" von Anschlägen und lässt die nicht unbeträchtliche Zahl von Opfern z.B. im Pentagon, die militärische Opfer sein dürften, unberücksichtigt, obwohl diese mit Sicherheit im Zusammenhang mit den Terroranschlägen als "unschuldig" anzusehen sind. Die letzten Absätze können daher nicht ernsthaft als Relativierung oder Widerruf der vorhergehenden Ausführungen verstanden werden.

Insgesamt ist bei Betrachtung der Pressemitteilung festzustellen, dass der Kläger, auch wenn er die Geschehnisse vom 11.09.2001 als Terroranschläge bezeichnet und ferner ausgesprochen hat, dass Terroranschläge nicht zu tolerieren sind, die Anschläge gebilligt hat. Dass der Kläger seine antiamerikanische Haltung zum Ausdruck bringen wollte, ist ihm nicht anzulasten. Darin liegt kein illoyales Verhalten gegenüber einem politisch andersdenkenden Arbeitgeber. Jedoch ergibt sich deutlich, dass der Kläger die Anschläge des 11.9.2001 gebilligt hat, indem er zum Ausdruck bringt, die Terroranschläge stellten eine "längst überfällige Befreiungsaktion" dar sowie, die USA sollten sich dies als Warnung dienen lassen. Dieser Hinweis auf die "Warnung" kann nur als zynisch und menschenverachtend verstanden werden.

Durch die Billigung der Anschläge, die zu einer Vielzahl von Todesopfern geführt haben, hat der Kläger eine Missachtung der durch Art. 1 GG geschützten Menschenwürde dieser Opfer kundgetan. Damit hat er gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen. Denn, wie auch das Arbeitsgericht ausgeführt hat, auch die Toten und deren Angehörige sind Träger dieser Menschenwürde.

Eine Abwägung der wechselseitigen Interessen ergab, dass hier die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eindeutig überwogen. Dabei waren einerseits das Interesse des Klägers am Erhalt des Arbeitsplatzes zu berücksichtigen, andererseits das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger wird angesichts seines Alters von 47 Jahren Schwierigkeiten haben, eine andere geeignete Stelle zu finden. Aufgrund der aus einer früheren selbständigen Tätigkeit herrührenden Schulden wird es ihm auch nur schwer möglich sein, sich selbständig als Umwelttechniker zu betätigen. Hinzu kommt eine Betriebszugehörigkeit von 12 Jahren. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass durch das Verhalten des Klägers der Vertrauensbereich des Arbeitsverhältnisses der Parteien berührt ist. Die Beklagte kann nicht davon ausgehen, dass der Kläger künftig die Vorgaben des § 8 Abs. 1 BAT beachten wird. Der Beklagten kann es nicht zugemutet werden, ein derart belastetes Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen. Eine vorherige Abmahnung war angesichts des Verstoßes nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, wobei die in den beiden Instanzen unterschiedlichen Streitgegenstände zu berücksichtigen waren.

Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, da eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Streitsache nicht ersichtlich ist.

Ende der Entscheidung

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