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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 21.12.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 459/04
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 2
BetrVG § 103
Auch wenn der (dreiköpfige) Betriebsrat wegen Rücktritts zweier Mitglieder handlungsunfähig ist, bedarf eine (Änderungs-)Kündigung gegenüber dem verbliebenen Betriebsratsmitglied der Zustimmung des Betriebsrats bzw. der Ersetzung durch das Arbeitsgericht.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 459/04

Verkündet am 21.12.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 21.12.2004 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 14.7.2004 - 1 Ca 120 d/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristgerechten Änderungskündigung.

Der Kläger ist am ....1951 geboren. Von Beruf ist er Dreher. Bei der Beklagten wurde er mit Wirkung vom 1.12.1966 eingestellt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist zwischen den Parteien nicht abgeschlossen. Die Vergütung betrug zuletzt 2300 EUR brutto. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.

Der Kläger ist in der Betriebsratswahl vom 18.4.2002 zum Mitglied des aus drei Personen bestehenden Betriebsrates gewählt worden. Die anderen beiden Betriebsratsmitglieder sind inzwischen zurückgetreten. Ersatzmitglieder sind nicht vorhanden. Eine Betriebsratsneuwahl misslang.

Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 7.1.2004 (Bl. 5 d.A.) eine Änderungskündigung ausgesprochen, die der Kläger unter Vorbehalt angenommen hat (Bl. 6 d.A.). Am 16.1.2004 hat der Kläger die Änderungskündigung durch Klage angegriffen und dabei unter anderem gerügt, der Betriebsrat habe nicht zugestimmt.

Mit Urteil vom 14.7.2004, auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 7.1.2004 unwirksam ist.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, mit der sie vorträgt, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Änderungskündigung hinreichend bestimmt. Dem Kläger sei durch die Beklagte mündlich bekannt gegeben worden, dass er die ihm seinerzeit übertragenen Tätigkeiten mit einem verkürzten Einkommen weiter ausführen solle. Die frühere Tätigkeit des Klägers im Bereich Brenntechnik sei nicht mehr vorhanden. Der Kläger habe daher jetzt einfachere Arbeiten auszuführen, für die eine besondere Qualifikation nicht erforderlich sei. Zwar könne ein Außenstehender aus dem Kündigungsschreiben den Eindruck gewinnen, der Kläger sei auf Vermutungen angewiesen. Dies sei aber nicht der Fall. Der Kläger wisse, welche Tätigkeiten er ausführen solle, da er sie täglich erbringe.

Tatsächlich erstrebt die Beklagte nicht eine Änderungskündigung, sondern eine Umgruppierung. Denn es werde eine tätigkeitsgerechte Vergütung angestrebt.

Der Kläger könne sich nicht auf seine Mitgliedschaft im Betriebsrat berufen. Der Betriebsrat sei aufgelöst.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 14.7.2004 - 1 Ca 120 d/04 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, die Beklagte habe eine Änderungskündigung ausgesprochen und müsse sich hieran fest halten lassen. Wenn Sie jetzt behaupte, das Schreiben stelle lediglich die Mitteilung einer Umgruppierung dar, könne ihn das nur verwundern. Dann möge die Beklagte die Berufung zurücknehmen. Dass der Betriebsrat nicht mehr handlungsfähig sei, sei nicht dem Kläger zuzurechnen. Der Versuch einer Neuwahl sei gescheitert.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zwar zulässig, hat jedoch nicht Erfolg.

1. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Kündigung schon deshalb unwirksam, weil sie nicht hinreichend bestimmt ist. Dem Kündigungsschreiben kann nicht entnommen werden, welches Ziel die Änderungskündigung hat. Aus der Änderungskündigung ergibt sich lediglich, dass die Beklagte der Meinung ist, im bisherigen Tätigkeitsbereich des Klägers sei nicht mehr ausreichend zu tun. Worum es sich bei der nach Darstellung der Beklagten "zu findenden" anders gearteten Arbeit handeln soll, ist nicht ersichtlich. Auch ergibt sich nicht aus der Änderungskündigung, welche Vergütung der Kläger künftig konkret erhalten soll.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte widersprüchlich vorträgt. Schon deshalb bestehen Zweifel, ob die Beklagte selbst eine Vorstellung von der beabsichtigten künftigen Beschäftigung des Klägers hat. In der Berufungsverhandlung hat sie behauptet, sie habe keine Arbeit für den Kläger und wisse nicht, wie sie ihn einsetzen solle. Jedenfalls könne sie ihn nicht entsprechend seiner Qualifikation beschäftigen. Nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens will sie ihn entsprechend seiner Fachkenntnis beschäftigen. Auch fällt auf, dass die von der Beklagten angegebenen Prozentsätze schwanken. Dem Kündigungsschreiben ist angegeben, der Fachbereich Brenntechnik sei nur mit 10 % ausgelastet. In der Berufungsverhandlung hat sie den Auslastungsgrad mit 20 % benannt.

2. Die Änderungskündigung ist auch unwirksam, da sie nicht hinreichend sozial gerechtfertigt ist, §§ 1, 2 KSchG. Die Beklagte hat die von ihr behaupteten betrieblichen Gründe nicht ausreichend substantiiert. Daher verstößt die Änderungskündigung gegen § 1 KSchG.

Soweit die Beklagte in der Berufung ausführt, es handele sich bei der "Änderungskündigung" tatsächlich um eine Rückgruppierung, kann das nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Die Beklagte hat eine Änderungskündigung ausgesprochen und hat damit einen Rechtsschein geschaffen, dessen Beseitigung der Kläger erstrebt. Sollte die Beklagte tatsächlich eine Umgruppierung beabsichtigt haben, wäre dies im Rahmen eines Verfahrens nach § 99 BetrVG durchzuführen. Zudem ist nicht ersichtlich, ob und ggf. welche Vergütungsordnung für die Eingruppierung maßgeblich sein soll. Hinzu kommt, dass die Beklagte die Tätigkeit des Klägers, nach der sich die Eingruppierung richten soll, nicht dargestellt hat.

3. Schließlich ist die Kündigung unwirksam, weil die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats fehlt, § 103 BetrVG.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Betriebsrat noch existent. Er ist lediglich handlungsunfähig. Das BetrVG enthält keine Vorschrift, der zufolge der Betriebsrat insgesamt als Gremium aufgelöst wird, wenn so viel Mitglieder aus ihm ausscheiden, dass er nicht mehr handeln kann. Es haben vielmehr Neuwahlen stattzufinden. Das ändert aber nichts daran, dass nach § 103 BetrVG die Änderungskündigung der Zustimmung des Betriebsrates bedarf. Vorliegend hätte die Beklagte mithin ein Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats einleiten müssen.

4. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass auch Unwirksamkeit der Kündigung nach § 612a BGB in Betracht kommt. Nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ein gestörtes Verhältnis zum BetrVG und den Aufgaben des Betriebsrates. Die mündlichen Ausführungen des Geschäftsführers der Beklagten ließen deutlich werden, dass dieser nicht in der Lage ist, zwischen dem Arbeitsverhältnis der Parteien und dem Amt des Klägers zu unterscheiden. Er wirft dem Kläger vor, das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen. Es lässt sich daher der Verdacht nicht von der Hand weisen, die Änderungskündigung diene einer Maßregelung für die Wahrnehmung des Betriebsratsamtes. Da die Kündigung aber bereits aus anderen Gründen unwirksam ist, kann diese Frage dahingestellt bleiben.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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