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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 506/04
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 72 a
BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 506/04

Verkündet am 18.01.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2005 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 08.09.2004 - 4 Ca 181 e/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil sittenwidrig und der Beklagte deshalb zur Herausgabe des Titels und Rückzahlung eines bereits vollstreckten Teilbetrages verpflichtet ist.

Der Beklagte ist am ....1971 geboren. Bei dem Kläger wurde er mit Wirkung vom 20.11.2000 als Elektroinstallateur zu einer vereinbarten Vergütung von 3.200,00 DM brutto monatlich eingestellt. Er war der einzige Arbeitnehmer des Klägers. Der Beklagte arbeitete zuletzt am 22.12.2000. An diesem Tag kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien. Nach dem 27.12.2000 war der Beklagte nicht mehr für den Kläger tätig. Am 28.12.2000 wurde sein Kind geboren. Vom 03. bis 10.01.2000 war er arbeitsunfähig erkrankt. Er teilte dem Kläger am 04.01.2000 schriftlich mit, er wolle ab dem 26.02.2001 Erziehungsurlaub nehmen. Der Kläger sprach mit Schreiben vom 10.01.2001, zugegangen am 12.01.2001, eine außerordentliche Kündigung aus, die der Beklagte am 22.01.2001 mit Klage angriff (3 Ca 169 e/01 ArbG Elmshorn). Außerdem forderte er Zahlung seines Lohns für Dezember 2000 in Höhe von 3.201,00 DM brutto sowie Fahrtkostenerstattung. Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom 22.05.2001 fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden sei, sondern bis zum 15.02.2001 fortbestanden habe. Weiter wurde der jetzige Kläger verurteilt, an den jetzigen Beklagten 3.201,00 DM brutto sowie 180,96 DM netto und 137,28 DM netto zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein änderte auf die Berufung des jetzigen Klägers (4 Sa 389/01) am 02.05.2002 das Urteil des Arbeitsgerichtes ab und wies die Klage in Bezug auf die Kündigung ab. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 12.02.2001 zurück.

Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils erhob der jetzige Beklagte vor dem Arbeitsgericht Elmshorn am 18.06.2001 Klage auf Zahlung von 5.700,00 DM brutto. Hierbei handele sich um Lohn für die Zeit vom 01.01. bis 15.02.2001. Gegen den jetzigen Kläger erging am 05.07.2001 ein klagstattgebendes Versäumnisurteil, das am 13.07.2001 durch Niederlegung zugestellt wurde. Der jetzige Kläger holte die niedergelegte Sendung am 19.07.2001 ab, legte am 26.07.2001 Einspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichtes vom 21.08.2001 zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde der Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 20.09.2001 (1 Ca 134 a/01) zurück.

Der jetzige Beklagte hatte am 17.07.2001 eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils erhalten und hiermit die Zwangsvollstreckung betrieben. Hiergegen erhob der jetzige Kläger am 24.05.2002 Klage und wandte sich gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil (4 Ca 1079 c/02). Das Urteil des Arbeitsgerichtes vom 15.01.2003, mit dem die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil für unzulässig erklärt wurde, änderte das Landesarbeitsgericht am 15.01.2004 ab und wies die Klage ab. Dabei führte es aus, eine Vollstreckungsgegenklage komme nicht in Betracht, da der Grund für den Fortfall des titulierten Anspruchs, die außerordentliche Kündigung, nicht nachträglich entfallen sei.

Mit der am 21.01.2004 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage erstrebt der Kläger nunmehr Beseitigung des Versäumnisurteils. Er hat vorgetragen, der Beklagte habe über den 10.01.2001 hinaus keinen Anspruch auf Vergütung, wie das Landesarbeitsgericht im Kündigungsrechtsstreit festgestellt habe. Das Beharren auf dem Versäumnisurteil sei daher sittenwidrig. Der Beklagte sei verpflichtet, die Differenz zwischen dem Vergütungsanspruch für die Zeit vom 01.01. bis 10.01.2001, 555,92 €, und dem im Wege der Zwangsvollstreckung realisierten Betrag in Höhe von 666,08 € zu erstatten.

Der Kläger hat beantragt,

1) den Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil, Az. 3 Ca 1298 e/01, des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 05.07.2001 zu unterlassen,

2) den Beklagten zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils, Az. 3 Ca 1298 e/01, des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 05.07.2001 an den Kläger herauszugeben,

3) den Beklagten zu verurteilen, 107,16 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

4) die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil, Az. 3 Ca 1298 e/01, des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 05.07.2001 einstweilen einzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er habe das Versäumnisurteil weder erschlichen noch sittenwidrig ausgenutzt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.09.2004 die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass das Versäumnisurteil zwar insoweit unrichtig sei, als es dem Beklagten Vergütungsansprüche für einen Zeitraum zuspreche, in dem das Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden habe. Allein darin liege aber noch kein Verstoß gegen die guten Sitten. Es müssten vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Beklagten als sittenwidrig erscheinen lassen. Diese könnten darin liegen, dass eine Partei das Urteil oder seine Rechtskraft durch eine rechts- oder sittenwidrige Handlung im Bewusstsein der Unrichtigkeit herbeigeführt hat oder dass die Ausnutzung des zwar nicht erschlichenen, aber auch nachträglich als unrichtig erkannten Urteils in hohem Maß unbillig und geradezu unerträglich sei. Dies sei hier aber nicht der Fall.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung, mit der der Kläger sein Ziel weiter verfolgt. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und führt weiter aus, das Arbeitsgericht verkenne, dass das Urteil evident unrichtig sei. Evident unrichtige Urteile seien nach der herrschenden Rechtssprechung über § 826 BGB zu korrigieren. Es könne nicht von einer nachlässigen Prozessführung des Klägers die Rede sein. Er sei bei Zustellung der Klageschrift, die zum Erlass des Versäumnisurteils führte, zur Montage auf einem Schiff im Hafen der Hansestadt Bremen gewesen. Die Rechtsmittelbelehrung habe er falsch verstanden. Dies könne ihm nicht erneut zum Vorwurf gemacht werden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 8.9.2004

1. den Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil Az. 3 Ca 98 e/04 des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 05.07.2001 zu unterlassen.

2. den Beklagten zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils Az. 3 Ca 198 e/04 des Arbeitgerichtes Elmshorn vom 05.07.2004 an den Kläger herauszugeben.

3. den Beklagten zu verurteilen, 107,16 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit an den Beklagten zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, er halte das Versäumnisurteil nach wie vor für materiell richtig. Inzwischen seien noch in erheblichem Umfang Zinsen zur Hauptforderung hinzugekommen. Weiter seien Kosten entstanden, die der Kläger ebenfalls erstatten müsse.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg.

Der Kläger kann nicht Beseitigung des Versäumnisurteils gem. § 826 BGB verlangen. Auch hat er nicht Anspruch auf Rückgabe des durch die Zwangsvollstreckung Erlangten oder Herausgabe des Versäumnisurteils. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sorgfältigen Ausführungen des Arbeitsgerichtes in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Ausführungen in der Berufung, die im Wesentlichen eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens darstellen, nicht Anlass zu einer anderen Beurteilung geben. Es ist dem Kläger zuzugestehen, dass es für ihn persönlich eine Härte darstellen mag, dass er dem Beklagten für einen Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Vergütung zahlen muss. Diese persönliche Härte ergibt sich vor allem in Ansehung der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Art der Beendigung. Entgegen der Auffassung des Klägers kann dies aber nicht dazu führen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil zu einem für die Allgemeinheit unerträglichen Ergebnis führt. Die Rechtskraft eines Urteils dient der Befriedung und endgültigen Beilegung eines Streites. Die Durchbrechung der Rechtskraft soll nur in ganz engen Ausnahmefällen vorkommen. Dies kann u. a. dann geschehen, wenn eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung vorliegt, § 826 BGB. Dies ist hier aber nicht der Fall.

Dem Beklagten kann weder vorgeworfen werden, dass er seine Lohnansprüche durch Klage geltend gemacht, noch dass er ein Versäumnisurteil erwirkt hat. Er hat die Klage auf Lohnzahlung zu einem Zeitpunkt erhoben, als das Arbeitsgericht erstinstanzlich festgestellt hatte, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch fristlose Kündigung, sondern fristgerecht geendet hatte. Ihm ist zuzugestehen, dass er in dem Zeitpunkt guten Glaubens an die Berechtigung seiner Forderung war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass er mit der Klage auch Lohnansprüche für die Zeit verlangt hat, als das Arbeitsverhältnis noch unangefochten bestanden hat. Der Kläger hat es nicht einmal für nötig gehalten, diesen Lohnbetrag von sich aus zu zahlen, ebenso, wie er im Kündigungsrechtsstreit auch verurteilt werden musste, den Lohn für Dezember 2000 zu zahlen.

Das Versäumnisurteil ist nicht erschlichen worden. Der jetzige Kläger war seinerzeitig rechtzeitig geladen worden durch Niederlegung und erschien nicht zum Gütetermin. Das Arbeitsgericht hat dementsprechend nach Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung antragsgemäß Versäumnisurteil erlassen. Der Kläger hat sodann versäumt, rechtzeitig Einspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen. Auch hier ist eine Erschleichungshandlung des Beklagten nicht ersichtlich. Der jetzige Kläger hat es selbst verschuldet, dass der Einspruch nicht rechtzeitig eingelegt wurde, wie das Landesarbeitsgericht auf seine Beschwerde hin festgestellt hat (1 Ca 134 a/01).

Auch das Gebrauchmachen von dem Versäumnisurteil ist hier nicht sittenwidrig. Insoweit wird ebenfalls auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

Letzten Endes führt auch der Hinweis des Klägers auf eine evidente Unrichtigkeit des Versäumnisurteils nicht zu seiner Beseitigung. Auch insoweit wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen. Der Kläger hat selbst zu vertreten, dass das Versäumnisurteil rechtskräftig geworden ist. Er hatte das Versäumnisurteil noch innerhalb der Einspruchsfrist abgeholt, war dann aber ohne sich weiter darum zu kümmern, zunächst auf Montage gefahren. Er hatte es nicht einmal für notwenig gehalten, seinen Prozessbevollmächtigten, der ihn im Kündigungsrechtsstreit vertreten hatte, von dem Versäumnisurteil zu unterrichten oder ihn gar zu fragen, was er unternehmen solle. Dementsprechend hat der Kläger selbst verschuldet, dass das Versäumnisurteil rechtskräftig wurde, und zwar durch seine eigene nachlässige Prozessführung.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung nicht bejaht werden.

Ende der Entscheidung

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