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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 23.03.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 530/03
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, TVG


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 615
KSchG § 1
TVG § 4
Der Beginn der 2. Stufe einer zweistufigen Verfallfrist kann nicht vom Schuldner dadurch in Gang gesetzt werden, dass er - noch vor Fälligkeit - die Leistung endgültig ablehnt. Hierdurch ergäbe sich eine unzulässige Verkürzung der dem Gläubiger zustehenden Überlegungsfrist.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 2 Sa 530/03

Verkündet am 23.03.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 23.03.2004 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts Willikonsky als Vorsitzende und die ehrenamtliche Richterin Mädel als Beisitzerin und den ehrenamtlichen Richter Klapszus als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 15.10.2003 - 4 Ca 1770 c/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Vergütung für die Monate Januar und Februar 2003 hat oder ob hier Verfall eingetreten ist.

Der Kläger ist am ...1970 geboren. Bei der Beklagten wurde er am 25.12.1997 als Koch eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie anwendbar. Dieser enthält folgende Regelung:

§ 14 Ausschluss von Ansprüchen

1. Geltendmachung

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen. Diese Regelung gilt beiderseitig.

2. Gerichtliche Geltendmachung

Wird der rechtzeitig geltend gemachte Anspruch endgültig schriftlich abgelehnt, so ist der Anspruch innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen. Diese Regelung gilt beiderseitig.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.12.2002, zugegangen am 28.12.2002, fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28.02.2003 und verhängte für alle Restaurants der Marken M. und C. Coffee ein bundesweit geltendes Hausverbot. Sie warf dem Kläger vor, er habe am 22.12.2003 eine Mitarbeiterin angebrüllt und ihr gedroht, sie nach Feierabend zu verprügeln. Gegen die Kündigung wehrte sich der Kläger durch Klage vor dem Arbeitsgericht Kiel (4 Ca 34 c/03). In diesem Rechtsstreit teilte die Beklagte mit dem auf den 13.03.2003 datierten, am 15.01.2003 bei Gericht eingegangenen, Schriftsatz mit:

Wir bestätigen den Erhalt der Ladung und Klage in der o. a. Angelegenheit.

Bereits hiermit beantragen wir die Abweisung der Klage. Zudem teilen wir mit, dass wir zu keinerlei Entgeltzahlung bereit sind."

In der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2003 verglichen sich die Parteien wie folgt:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund fristgemäßer Kündigung der Beklagten aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 28.02.2003 seine Beendigung gefunden hat.

2. Die Beklagte erhebt nicht den Vorwurf arbeitsvertraglicher Pflichtverletzung.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, die Arbeitsbescheinigung für den Kläger nach Maßgabe der Ziffern 1. und 2. dieses Vergleiches neu auszustellen.

4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass etwaige Überstunden und Urlaubsansprüche des Klägers bereits in Natura erfüllt worden sind.

5. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt.

Mit Schreiben vom 26.05.2003 forderte der Kläger von der Beklagten Zahlung der Vergütung für Januar und Februar 2003 (Bl. 24 d. A.). Nachdem die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, erhob er am 27.06.2003 Klage.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.10.2003, auf das hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrages sowie der Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.047,30 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vor, die Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate Januar und Februar 2003 seien nach dem Tarifvertrag verfallen. Sie habe bereits mit dem Schriftsatz vom 13.01.2003 Ansprüche des Klägers abgelehnt. Durch den Abschluss des Vergleichs vom 30.04.2003 sei eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten. Die Ausschlussfrist sei bereits durch das Ablehnungsschreiben vom 13.01.2003 in Gang gesetzt worden. Sie, die Beklagte, habe in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass sie von ihrer Ablehnung abrücken werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 15.10.2003 - 4 Ca 1770 c/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen und Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger Vergütung für die Monate Januar und Februar 2003 zu zahlen, § 615 BGB. Die Ansprüche sind nicht verfallen.

Die Beklagte hat, entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts, den Lauf der Ausschlussfrist nicht mit Schriftsatz vom 13.01.2003 in Gang gesetzt. Die Beklagte hat zwar in diesem Schriftsatz ausgeführt, sie sei zu weiteren Zahlungen nicht bereit. Dies hat sie auch in der Kündigung vom 27.12.2002 geschrieben. Dass damit eine endgültige Leistungsverweigerung für sämtliche später entstehenden Ansprüche gemeint ist, wird hieraus nicht deutlich.

Sollte dies jedoch beabsichtigt gewesen sein, so ist es unbeachtlich. Zu berücksichtigen ist, dass der anzuwendende Tarifvertrag eine zweistufige Ausschlussfrist enthält. Nach § 14 MTV sind zunächst Ansprüche innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Sodann ist eine gerichtliche Geltendmachung vorgeschrieben. Wird der rechtzeitig geltend gemachte Anspruch endgültig schriftlich abgelehnt, so ist der Anspruch innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen. Hieraus wird deutlich, dass zunächst eine Geltendmachung durch denjenigen, der den Anspruch zu haben meint, erforderlich ist. Erst wenn dieser Anspruch geltend gemacht ist, und zwar rechtzeitig, kommt eine endgültige schriftliche Ablehnung in Betracht. Erst danach setzt die Klagefrist (zweite Stufe) ein.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte, wie sie es sieht, bereits vor Fälligkeit der Vergütungsansprüche für Januar und Februar 2003 jegliche Leistung abgelehnt. Diese Erklärung stellt, wie oben ausgeführt, nicht die endgültige Leistungsverweigerung i.S. des § 14 MTV dar. Hinzu kommt, dass sie im System der Ausschlussfristen nicht als eine endgültige Leistungsverweigerung anerkannt werden kann, die bereits die Klagefrist als zweite Stufe in Gang setzt. Es ergäbe sich hierdurch eine unzulässige Verkürzung der dem Kläger als Anspruchsteller zustehenden Überlegungsfrist. Zweck der Ausschlussfristen in einem Tarifvertrag ist, dass die beiden Parteien nach angemessener Zeit wissen, ob sie noch mit Forderungen aus dem Vertragsverhältnis in Anspruch genommen werden. Dies ist gerade bei einem lang andauernden Schuldverhältnis eine sinnvolle Regelung. Diese darf aber in keinem Fall dazu führen, dass die eine oder die andere Seite unangemessen benachteiligt wird. Gestattet man dem Schuldner, bereits durch eine endgültige Leistungsverweigerung die zweite Stufe der Verfallfrist in Gang zu setzen, bevor sich der Gläubiger überhaupt darüber klar geworden ist, ob er den Anspruch geltend machen will, so führt dies zu einer Verkürzung der ihm zustehenden Geltendmachungsfrist und zwar hier sogar zum Fortfall der ersten Stufe (BAG Urteil vom 7.12.1983 - 5 AZR 425/90 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 57). Anders verhält es sich, wenn ein Gläubiger einen Anspruch selbst vor Fälligkeit schriftlich geltend macht. Dann verzichtet er selbst auf die ihm zustehende Überlegungsfrist. Geschieht diese Geltendmachung vor Fälligkeit, so beginnt bei einer zweistufigen Ausschlussfrist die Frist für die gerichtliche Geltendmachung nicht vor Fälligkeit des Anspruches (BAG Urteil v. 26.09.2001 - 5 AZR 699/00 - NZA 2002, 1218).

Im vorliegenden Fall führte die von der Beklagten zum Fristbeginn für die 2. Stufe vertretene Auffassung auch zu einem unzumutbaren Ergebnis. Da im Zeitpunkt der "endgültigen Ablehnung" noch nicht feststand, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis endet, hätte der Kläger nach ihrer Auffassung innerhalb von drei Monaten nach Zugang des genannten Schriftsatzes Klage auf Zahlung von Vergütung für einen Zeitraum, im Extremfall bis zum Beginn des Renteneintritts, erheben müssen, um sämtliche Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Dass dies unsinnig ist, liegt auf der Hand.

Dem Verfall des Anspruchs steht ferner, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Einigung der Parteien im Vergleich vom 30.4.2003, dass das Arbeitsverhältnis erst am 28.02.2003 geendet hat, entgegen. In dem Vergleich haben die Parteien zwar nicht ausdrücklich klargestellt, ob damit auch eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Vergütung für die beiden Monate Januar und Februar 2003 einhergehen sollte. Da ein entsprechender Ausschluss aber nicht vereinbart worden ist, folgt aus dem Vergleich, dass die Beklagte zur Zahlung verpflichtet ist. Mit dem Vergleich haben die Parteien den Streit um die Kündigung beigelegt und zwar dergestalt, dass das Arbeitsverhältnis für diese beiden Monate weiterbestand. Solange aber das Arbeitsverhältnis Bestand hatte, war der Kläger verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu erbringen und die Beklagte die Vergütung zu zahlen. Da die Beklagte auf die Arbeitsleistung des Klägers durch Ausspruch der fristlosen Kündigung verzichtet hatte, geriet sie in Annahmeverzug, § 615 BGB, so dass dem Kläger nicht entgegen gehalten werden kann, dass er nicht gearbeitet hatte. Der Vergütungsanspruch des Klägers folgt daher unmittelbar aus der Tatsache, dass die Parteien sich verglichen haben.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen. Die Revision ist nicht zuzulassen, da nicht ersichtlich ist, dass die Bedeutung des Rechtsstreits über den der einzelnen Sache hinausgeht.



Ende der Entscheidung

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