Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 03.06.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 66/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Urteil

Im Namen des Volkes

Aktenzeichen: 2 Sa 66/08

Verkündet am 03.06.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 03.06.2008 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 09.01.2008 - 3 Ca 1103 d/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Berechtigung einer dem Kläger erteilten Abmahnung.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem Jahr 1997 als Arbeiter in der Produktion beschäftigt und erhält eine Vergütung von derzeit rund 1.800,00 EUR monatlich. Die Beklagte hat dem Kläger gegenüber mit Datum vom 12.04.2007 (Bl. 5, 27 d. A.) und 02.07.2007 (Bl. 6, 31 d. A.) Abmahnungen ausgesprochen. Zu den beiden Abmahnungen kam es wie folgt:

Der Kläger hatte am 10.04.2007 den Auftrag erhalten, zehn Schläuche mit Pitchbar 10 mm zu fertigen, stellte diese aber mit 12 mm her. Ausweislich des Prüfprotokolls vom 11.04.2007 (Bl. 26 d. A.) wurde dies festgestellt. Wegen dieses Vorfalls wurde die Abmahnung vom 12.04.2007 ausgesprochen.

Am 04.06.2007 sollte der Kläger zehn Schläuche mit zwei Gewebelagen anfertigen. Er fertigte diese Schläuche stattdessen mit lediglich einer Lage. Dies wurde gemäß Prüfprotokoll vom 06.06.2007 (Bl. 30 d. A.) festgestellt. Am 02.07.2007 wurde deshalb die zweite Abmahnung ausgesprochen.

Der Kläger hatte im Jahr 2007 für die Zeit vom 3. bis 24.08.2007 Urlaub beantragt gehabt. Dies war ihm mit Schreiben vom 02.07.2007 (Bl. 4 d. A.) verweigert worden. Der Kläger sieht einen Zusammenhang zwischen diesem Vorfall und der ihm mit Datum vom 02.07.2007 erteilten Abmahnung. Außerdem gibt es zwischen den Parteien Streit um die Erteilung eines Zwischenzeugnisses und die Erteilung von Urlaub im Jahr 2008.

Mit Klage vom 30.08.2007 hat sich der Kläger gegen die erteilten Abmahnungen gewandt. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09.01.2008, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der Begründung verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 20.02.2008 Berufung eingelegt und diese am Montag den 07.04.2008 begründet.

Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt unzutreffend erfasst und die Rechtslage falsch beurteilt. Er trägt vor, bei der Tätigkeit handele es sich um eine solche, die einer Massenproduktion entspreche. Die Arbeitsschritte seien gleichsam identisch. Es mache keinen wesentlichen Unterschied, ob bei der Fertigung einmal 10 mm oder einmal 12 mm zu berücksichtigen seien. Die Abmahnungen seien unverhältnismäßig. Es werde nicht berücksichtigt, dass er 10 Jahre unbeanstandet bei der Beklagten gearbeitet habe. Hinzu komme, dass er am 04.06.2007 von seiner Arbeit abgerufen worden sei, um beim Strippen zu helfen. Außerdem habe die Beklagte in anderen vergleichbaren Fällen keine Abmahnung ausgesprochen, so zum Beispiel gegenüber den Mitarbeitern B. und O.. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass kein Schaden eingetreten sei. Die Produktionskosten bewegten sich in einem Bereich von nicht einmal einem Euro pro Schlauch. Ihm sei die Weisung erteilt worden, die Schläuche mit einer Kordel zu fertigen. Bei einer entsprechenden Fertigung hätte die Kordel die Plastikteile des Schlauches beschädigt. Damit wären die Schläuche nicht verwendbar gewesen. Auch deshalb sei ein Schaden auszuschließen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 09.01.2008 - 3 Ca 1103 d/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 12.04.2007 und die Abmahnung vom 02.06.2007 zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es handele sich entgegen der Darstellung des Klägers nicht um Massenproduktion. Vielmehr seien einzelne Aufträge abzuarbeiten. Soweit der Kläger sich darauf berufe, dass Prüfer eingesetzt seien, beruhe dies darauf, dass es sich bei dem Betrieb der Beklagten um einen zertifizierten handele. Sie arbeite zu einem großen Teil für die Luftfahrtindustrie. Eine Qualitätskontrolle der hergestellten Produkte sei unumgänglich. Deshalb werde jedes Produktionsteil von der Qualitätssicherung überprüft. Aus der Tatsache, dass der Kläger jahrelang abmahnungsfrei gearbeitet habe, folge aber nicht, dass eine Abmahnung bei begangenen Fehlern unzulässig sei. Hinzu komme, dass der Kläger vor der ersten hier erteilten Abmahnung bereits aus anderen Gründen mündlich ermahnt beziehungsweise verwarnt worden sei. Unzutreffend sei auch, dass sie sich gegenüber anderen Mitarbeitern durch Nichtausspruch einer Abmahnung selbst gebunden habe.

Der Kläger ist in der Berufungsverhandlung persönlich angehört worden und hat zum Vorfall vom 10.4.2007 angegeben, er habe mehrere Auftragszettel gehabt, die er nebeneinander gelegt habe. Versehentlich habe er die Daten aus einem der beiden anderen Aufträge verwendet. Am 4.6.2007 sei er von seiner Arbeit fortgerufen worden, um beim Strippen zu helfen. Als er zurück gekommen sei, habe er anhand der bereits gefertigten Schlauchstücke gemeint, es handele sich um einlagige. Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger in beiden Fällen fehlerhaft gearbeitet und ist deshalb zu Recht abgemahnt worden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die persönliche Anhörung des Klägers in der Berufungsverhandlung gezeigt hat, dass der Kläger fehlerhaft gearbeitet hat, dass es sich dabei um Fehler handelte, die er hätte vermeiden können und dass deshalb die Abmahnung gerechtfertigt ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat er in beiden Fällen fehlerhaft gearbeitet. Denn er hat die Aufträge, wie sich aus seiner eigenen Darstellung in der Berufungsverhandlung ergibt, nicht so ausgeführt, wie es sich aus den Auftragszetteln ergab. Er hat damit ein anderes als das in Auftrag gegebene Produkt gefertigt. Ob die Werkstücke so, wie sie von der Beklagten in Auftrag gegeben worden waren, verwendbar gewesen wären, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Sollte die Behauptung des Klägers zutreffen, hätte er nämlich die Pflicht gehabt, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass der Auftrag nicht zu einem ordnungsgemäßen Produkt führen werde. Da er dies nicht getan hat, spricht alles dafür, dass dieser Vortrag nicht zutrifft.

In beiden Fällen hat der Kläger, wie seine persönliche Anhörung ergeben hat, nicht ausreichende Sorgfalt walten lassen. Bei dem Auftrag der zum Ausspruch der Abmahnung vom 12.04.2007 geführt hat, hatte der Kläger mehrere Aufträge nebeneinander gelegt und hat dann Informationen aus dem einen noch nicht zu bearbeitenden Auftrag verwertet und sich danach gerichtet. Das wäre vermeidbar gewesen, da der Kläger nicht mehrere Aufträge gleichzeitig abarbeiten sollte, sondern nur immer einen nach dem anderen.

Bei dem Auftrag, der zum Ausspruch der Abmahnung vom 02.07.2007 geführt hat, ist ihm vorzuhalten, dass er sich nicht vor Wiederaufnahme der Arbeit vergewissert hat, ob der Schlauch einlagig oder zweilagig zu fertigen war. Dies hätte anhand des Auftragszettels ohne große Mühe geschehen können.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Fertigung um Massenfertigung oder um Einzelaufträge handelte. Auch bei Massenfertigung besteht die Verpflichtung des Arbeitnehmers, jedes einzelne Stück sorgfältig herzustellen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesem Punkt war daher überflüssig.

Auch kann der Kläger sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte einen Prüfer einsetzt, der hinterher die Qualität des gefertigten Werkstücks prüft. Dieser Prüfer hat den Auftrag, etwa vorhandene Fehler festzustellen. Dies ist zwingend im Rahmen der Produktion in einem zertifizierten Betrieb durchzuführen. Das Vorhandensein eines Prüfers führt aber nicht dazu, dass der Mitarbeiter der vorher das zu prüfende Produkt gefertigt hat, deshalb unsorgfältiger vorgehen darf. Die Verpflichtung eines Arbeitnehmers ist es, im Rahmen der erteilten Weisungen ein ordnungsgemäßes Produkt herzustellen.

Soweit der Kläger sich auf den Standpunkt stellt, die Beklagte habe sich insoweit gebunden als sie den Fehler bei anderen Mitarbeitern nicht abgemahnt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Der Kläger hat zum einen nicht detailliert angegeben, welche Fehler den von ihm genannten Mitarbeitern vorgeworfen worden sind und wann dies geschehen ist. Dass es sich nach seiner Meinung um gleichartige Vorgänge handelte, reicht nicht aus, um die Vorfälle zu präzisieren. Der Vorschlag des Klägers, die Prüfprotokolle der Beklagten durchzusehen dürfte zu einem nicht vertretbaren Aufwand führen und verstieße gegen den Beibringungsgrundsatz. Es ist Sache des Klägers, die Details selbst vorzutragen.

Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber in jedem Fall das Fehlverhalten des Mitarbeiters einzeln zu prüfen hat. Jeder einzelne Fall ist zu untersuchen auf seine Ursachen und ggf. Entschuldigungsgründe hin zu prüfen. Danach ist vom Arbeitgeber im Rahmen des ihm zustehenden Ermessensspielraums zu entscheiden, ob er den Vorfall abmahnen will oder nicht.

Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, kann auch dem nicht zugestimmt werden. Der Ausspruch einer Abmahnung ist bereits Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Das Erfordernis einer berechtigten Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung stellt bereits einen Ausfluss des Billigkeitsprinzips und der Interessenabwägung, die auch im Kündigungsschutzgesetz ihren Niederschlag gefunden hat, dar. Daher ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen der gerichtlichen Abmahnungskontrolle nur insoweit von Bedeutung, als Form und Umstände der Abmahnung gemeint sind, nicht die Frage, ob die Abmahnung als solche eine Überreaktion darstellt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.11.2005 - 2 Sa 350/05 - NZA-RR 2006, 180). Schließlich ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen die Beklagte durch den Ausspruch der Abmahnung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt haben sollte. Dies gilt auch, soweit der Kläger einen Zusammenhang mit seinem Urlaubsbegehren für August 2007 sieht. Wieso die Beklagte bereits bei Ausspruch der Abmahnung vom 12.04.2007 gewusst haben soll, dass sie dem Kläger am 02.07.2007 Urlaub verweigern wollte, erschließt sich nicht. Auch ist außer dem rein zeitlichen Zusammenfall zwischen dem Ausspruch der Abmahnung vom 02.07.2007 und dem Schreiben vom selben Tag kein weiterer Anhaltspunkt ersichtlich, der die Vermutung des Klägers begründen könnte.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.



Ende der Entscheidung

Zurück