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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 74/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 620
BGB § 615
BGB § 623
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Urteil

Im Namen des Volkes

Aktenzeichen: 2 Sa 74/08

Verkündet am 05.08.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 05.08.2008 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 11.01.2008 - 4 Ca 2285/07 - teilweise abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 860 EUR brutto abzüglich 416,25 EUR netto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu 71 % und der Beklagte zu 29 %. Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufung nur noch um die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen aus Annahmeverzug gegen den Beklagten hat.

Der Kläger war bei dem Beklagten seit dem 22.06.2007 als Kellner mit einer Vergütung von 600 EUR brutto monatlich bei einer Arbeitszeit von 20 Stunden in der Woche beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsnachweis ist nicht erteilt worden. Am 30.07.2007 kam es zu einem Streitgespräch zwischen den Parteien, dessen Inhalt im Einzelnen strittig ist. Am folgenden Tag fand ein Telefonat zwischen den Parteien statt, dessen Inhalt ebenfalls strittig ist. Der Kläger behauptet, er habe dabei seine Arbeitsleistung angeboten. Seit dem 31.07.2007 ist der Kläger nicht mehr für den Beklagten tätig geworden. Der Steuerberater des Beklagten übersandte der Agentur für Arbeit mit Datum vom 07.08.2007 eine Arbeitsbescheinigung (Bl. 63 d. A.), in der angegeben wird, dass das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber am 31.07.2007 zum 31.07.2007 gekündigt worden sei. Mit Wirkung vom 07.08.2007 bis zum 31.10.2007 hat der Kläger Leistungen nach SGB II von ALG im Gesamtumfang von 878,91 EUR erhalten. Hinsichtlich auf die einzelnen Monate entfallenen Leistungen wird auf den Bescheid vom 01.10.2007 (Bl. 11 d. A.) verwiesen.

Mit der am 06.09.2007 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt festzustellen, dass das zwischen den Parteien mit Wirkung ab 22.06.2007 bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 31.07.2007 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht. Diese Klage ist dem Beklagten am 18.09.2007 (Bl. 4 R d. A.) zugestellt worden. In der Güteverhandlung vom 28.09.2007 ist dem Kläger eine Kündigung zum 31.10.2007 übergeben worden. Am 19.10.2007 hat der Kläger eine Klagerweiterung dahingehend vorgenommen, dass er Vergütung für die Monate August bis Oktober 2007 in Höhe von insgesamt 1.800 EUR brutto abzüglich 878,91 EUR netto fordert. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.01.2008, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Gegen dieses am 31.01.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.02.2008, beschränkt auf die Klagabweisung bezüglich des Verzugslohns, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist am 15.04.2008 begründet.

Der Kläger trägt vor, der Beklagte habe das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt. Der Beklagte habe dies zwar bestritten. Jedoch habe er über seinen Steuerberater der Arbeitsagentur in der Arbeitsbescheinigung angegeben, selbst das Arbeitsverhältnis am 31.07.2007 fristlos gekündigt zu haben. Damit stehe fest, dass der Beklagte seinerseits das Arbeitsverhältnis fristlos beendet habe. Es sei nicht ersichtlich, warum die Arbeitsbescheinigung in diesem Punkt eine falsche Angabe enthalten solle. Es treffe zu, dass er, der Kläger, gegenüber dem Arbeitsgericht zunächst nur die ersten drei Seiten der Arbeitsbescheinigung vorgelegt habe, da er nur diese Seiten zur Verfügung gestellt erhalten habe. Er habe jedoch nicht damit rechnen können, dass der Beklagte erst im gerichtlichen Termin die Urheberschaft dieser Arbeitsbescheinigung ins Blaue hinein bestreiten würde, zumal ihm der entsprechende Schriftsatz vom 10.02.2007 bereits Mitte Dezember 2007 vorgelegen habe. Das Arbeitsgericht hätte ihm, dem Kläger, die Möglichkeit einräumen müssen, die vollständige Arbeitsbescheinigung vorzulegen, was er hiermit tue. Danach stehe fest, dass die Arbeitsbescheinigung vom Steuerberater auf Veranlassung des Beklagten ausgefüllt worden sei. Die fristlose Kündigung des Beklagten stehe damit fest, so dass das Arbeitsangebot des Klägers entbehrlich gewesen sei. Der Zahlungsanspruch sei begründet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck bezüglich der sich auf den Klagantrag zu 2 beziehenden Abweisung abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.800 EUR brutto abzüglich 878,91 EUR netto zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, er habe jetzt erst anhand der vorliegenden vierten Seite erkennen können, dass die Arbeitsbescheinigung tatsächlich von dem Steuerberater des Beklagten stamme. Die Angaben, die dort gemacht seien, seien jedoch falsch bzw. unvollständig. Der Kläger habe nicht als Koch sondern als Kellner gearbeitet. Der Beklagte habe das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt, schon gar nicht schriftlich. Nach dem zweiten Telefonat sei er, der Beklagte, davon ausgegangen, dass der Kläger selbst von einem zum 31.07.2007 beendeten Arbeitsverhältnis ausging, da er sich nicht mehr gemeldet habe. In dem Vier-AugenGespräch am 30.07.2007 habe der Kläger selbst sehr emotional gesagt "Hier will ich nicht mehr arbeiten! Ich komme nie wieder!". Dies habe er, der Beklagte, als Eigenkündigung verstehen dürfen und den Sachverhalt seinem Steuerberater so mitgeteilt. Hätte der Steuerberater bzw. die Sachbearbeiterin die Arbeitsbescheinigung richtig ausgefüllt, hätte eingetragen werden müssen, dass der Arbeitnehmer selbst gekündigt habe.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

Nach § 615 BGB besteht ein Anspruch auf Zahlung der Vergütung auch dann, wenn die Arbeitsleistung nicht erbracht worden ist, sich aber der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug befunden hat. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsplatz vorzuhalten und Arbeitsleistung zuzuweisen, damit der

Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann. Kündigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unberechtigter Weise fristlos, ist ein Arbeitsangebot des Arbeitnehmers nicht mehr erforderlich. Der Arbeitgeber gerät durch den Ausspruch der fristlosen Kündigung in Annahmeverzug (BAG Urteil v. 09.08.1984 - 2 AZR 374/83 - EZA BGB § 615 Nr. 43).

Der Kläger hat zwar den Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Beklagten behauptet, dies jedoch, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht bewiesen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch nicht aus der Arbeitsbescheinigung geschlossen werden, dass der Beklagte fristlos gekündigt hat. Die Arbeitsbescheinigung selbst kann nicht als Kündigung des Beklagten gewertet werden. Es handelt sich dabei lediglich um eine Meldung des Arbeitgebers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit. Selbst wenn der Steuerberater oder ein Mitarbeiter des Steuerberaters dem Arbeitnehmer von dem Inhalt der Arbeitsbescheinigung Mitteilung macht, stellt diese Mitteilung nicht eine Willenserklärung des Arbeitgebers, sondern lediglich die Unterrichtung über eine vom Arbeitgeber erteilte Meldung dar (LAG Köln Urteil v. 05.12.2006 - 9 Sa 937/06 - NZA-RR 2007, 283 = Haufe-Index 1704914).

Die Arbeitsbescheinigung kann auch nicht als Indiz für eine vom Beklagten ausgesprochene Kündigung gewertet werden mit der Folge, dass der Beklagte gehalten wäre, dies zu widerlegen. Ein Indiz stellt eine mittelbare Tatsache dar, die geeignet ist, logische Rückschlüsse auf den unmittelbaren Beweistatbestand zuziehen (Zöller/Greger, Rn. 9a zu § 286 ZPO). Zwar handelt es sich bei dem Steuerberater um einen Erfüllungsgehilfen des Beklagten. Auch kann als wahr unterstellt werden, dass der Steuerberater, wie der Kläger vorträgt, die Eintragungen auf Weisung des Beklagten vorgenommen hat. Jedoch reicht dies nicht aus, um die behauptete fristlose mündliche Kündigungserklärung des Beklagten als bewiesen anzusehen. Aus der Tatsache, dass die Arbeitsbescheinigung vom Steuerberater stammt, folgt nicht, dass der Beklagte selbst gekündigt hat, sondern nur, dass gegenüber der Agentur für Arbeit eine entsprechende Mitteilung gemacht wird. Mehr kann hieraus nicht geschlossen werden.

Der Beklagte ist jedoch mit Zustellung der Klageschrift in Annahmeverzug geraten. Unabhängig davon, was in dem persönlichen Gespräch vom 30.07.2008 und in dem Telefonat vom 31.07.2007 erklärt worden ist, ist jedenfalls von keiner der beiden Seiten eine wirksame Kündigung ausgesprochen worden. Denn hierfür wäre Schriftform erforderlich, § 623 BGB. Es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte, wie sein Prozessbevollmächtigter in der Berufungsverhandlung erklärt hat, nicht wusste, dass eine mündliche Kündigung unwirksam sei. Die Vorschrift des § 623 BGB, die Schriftform für den Ausspruch einer Kündigung fordert, ist durch Gesetz vom 30.03.2000 (BGBl. I S. 333) eingeführt worden und mit dem 01.05.2000 in Kraft getreten. Der Beklagte als Arbeitgeber hätte sich schon längst um derartige Details kümmern müssen. Auf Unkenntnis des Gesetzes kann er sich nicht berufen. Jeder mündige Bürger ist gehalten, sich um die Kenntnis des Gesetzes zu bemühen. Das gilt erst recht für den Beklagten, der als Arbeitgeber Pflichten zu beachten hat, wozu auch die Einhaltung von Formvorschriften für die Begründung und Beendigung der Arbeitsverhältnisse gehört.

Die Zustellung der Klage lässt, selbst wenn der Kläger in dem Streitgespräch vom 30.07.2008 oder dem Telefonat vom 31.07.2007 erklärt haben sollte, er wolle nicht mehr für den Beklagten arbeiten, erkennen, dass der Kläger an dieser Erklärung nicht mehr festhalten wolle. Der Beklagte war mithin ab diesem Zeitpunkt gehalten, dem Kläger eine Arbeit zuzuweisen. Tat er dies nicht, geriet er jedenfalls ab Zustellung der Klage in Annahmeverzug, § 615 BGB.

Der Beklagte befand sich daher in der Zeit vom 18.09.2007 bis 31.10.2007 in Annahmeverzug. Auf diesen Zeitraum entfällt ein anteiliger Lohn von 860 EUR, und zwar für September 260 EUR und Oktober 600 EUR. Hiervon sind die gemäß § 115 SGB X auf die Arge übergegangenen Leistungen abzuziehen. Für September errechnet sich ein Anteil von 150,37 EUR, so dass sich ein insgesamt abzuziehender Betrag von 416,25 EUR ergibt. Der Berufung ist demgemäß insoweit stattzugeben, als der Beklagte zu verurteilen ist, an den Kläger 860 EUR brutto abzüglich 416,25 EUR netto zu zahlen.

Die weitergehende Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt entsprechend dem wechselseitigen Unterliegen aus § 92 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.



Ende der Entscheidung

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