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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 25.07.2008
Aktenzeichen: 2 Ta 106/08
Rechtsgebiete: BAT, ZPO


Vorschriften:

BAT § 70
ZPO § 118 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 106/08

Im Beschwerdeverfahren

betr. Prozesskostenhilfe in dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 25.07.2008 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 29.04.2008 - 5 Ca 2291 b/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe für ein erstinstanzliches Verfahren auf Leistung Schmerzensgeld für Mobbinghandlungen.

Der Kläger ist 51 Jahre alt (geb.1957), verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist zu 60 % schwerbehindert und erhält eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 770,00 Euro monatlich. Er war seit dem 01.04.1992 als Sachbearbeiter im Bereich Arbeitsschutz, zuletzt im Landesamt für Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz tätig. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fand der BAT Anwendung. Im Juni 2003 befand sich der Kläger wegen Mobbings am Arbeitsplatz in ärztlicher Behandlung bei Dr. G.T.in N. Das Arbeitsverhältnis wurde auf den Hilfsantrag des beklagten Landes hin durch das Urteil des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Az. 3 Sa 236/04) fristgemäß zum 31.12.2003 aufgelöst. Das Land wurde verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 20.000,00 Euro zu zahlen. Bereits in dem Vorverfahren hat der Kläger sich darauf berufen, dass er von dem beklagten Land gemobbt werde.

Ausweislich eines ärztlichen Gutachtens für die gesetzliche Rentenversicherung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. H. vom 24.05.2007 hat der Kläger die Situation an seinem damaligen Arbeitsplatz bei dem beklagten Land bis heute nicht adäquat verkraftet. Er leidet unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom, deutlicher Depressivität, einer Somatisierung und Parasuizidalität.

Der Kläger hat behauptet, er sei während seines Arbeitsverhältnisses bei dem beklagten Land massiven Mobbinghandlungen seines Vorgesetzten Dr. F. E. ausgesetzt gewesen. Dies ergebe sich bereits aus der Akte des Vorprozesses und den Ausführungen seiner damaligen Prozessbevollmächtigten. Aufgrund der Mobbinghandlungen sei er seit 3 Jahren erwerbsunfähig. Aufgrund dieses Umstandes sei das beklagte Land dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet. Neben dem Ersatz eines derzeit nicht abschließend bezifferbaren materiellen Schadens stehe ihm, dem Kläger, auch ein Schmerzensgeldanspruch zu. Es werde ein Schmerzensgeldanspruch von mindestens 30.000,00 € für angemessen erachtet.

Die Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt. Die letzte Mobbinghandlung datiere aus 2004, da sich die Mobbinghandlungen bis in den Kündigungsrechtsstreit hinein erstreckten. So seien im Rahmen des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz der Gegenseite vom 27.07.2004 wider besseres Wissen ihm, dem Kläger, Forumbeiträge Dritter zugeschrieben worden. Durch das Kündigungsschutzverfahren, welches erst im Herbst 2004 geendet habe, sei das Arbeitsverhältnis virtuell bis in das Jahr 2004 hinaus fortgeführt worden. Da die mobbingbedingte Schädigung seiner Person durch das beklagte Land erst in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts Kiel vom 27.09.2005 anerkannt worden sei, könne die Verjährung nicht bereits mit Ablauf des Jahres 2006 eingetreten sein.

Mit seiner am 28.12.2007 eingereichten Klage hat der Kläger beantragt,

1. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

2. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, aufgrund des Mobbingverhaltens des Dienstvorgesetzten Dr. F. E. bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 31.12.2003.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land ist der Ansicht, sämtliche Ansprüche des Klägers seien verjährt (Schriftsatz vom 24.01.2008, Bl. 47 d. A.). Der begehrte Schadenersatz betreffe Handlungen bis längstens 31.12.2003. Im Übrigen stelle auch die rechtliche Definition des Begriffs "Mobbing" darauf ab, dass es sich um systematische Ausgrenzungen, Schikanen und Diffamierungen im Arbeitsverhältnis handele. Das liege nicht vor.

Mit Beschluss vom 17.01.2008 ist der Kläger aufgefordert worden, im Einzelnen darzulegen, welche Mobbinghandlungen ihm von seinem Vorgesetzten zugefügt worden seien, wann dies geschehen sei und welche Folgen dies für ihn gehabt habe. Dabei sollte er sich auch zum Ursachenzusammenhang äußern. Mit Schriftsatz vom 07.03.2008 hat der Kläger eine tabellarische Aufstellung (Bl. 55 bis 78 d. A.) eingereicht, auf die Bezug genommen wird.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.04.2008 - 5 Ca 2291 b/07 - die Klage abgewiesen und ausgeführt, sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land seien verjährt. Auch habe der Kläger die Ausschlussfrist des § 70 BAT nicht eingehalten.

Mit Beschluss vom 29.04.2008 hat das Arbeitsgericht die beantragte Prozesskostenhilfe versagt und sich zur Begründung auf die Ausführungen des Urteils bezogen. Hiergegen hat der Kläger am 02.06.2008 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, hat aber nicht Erfolg.

Es kann dahingestellt bleiben, ob etwaige Ansprüche des Klägers verjährt sind oder der Ausschlussfrist des § 70 BAT unterfallen. Jedenfalls hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass er durch Mobbinghandlungen seines Vorgesetzten geschädigt worden sei, so dass im Ergebnis zutreffend die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage vom Arbeitsgericht verneint worden ist.

Der Kläger hat erstmals mit Schriftsatz vom 07.03.2008 dargelegt, welche Handlungen von ihm als "Mobbing" angesehen werden. Die Bezeichnung einer Handlung als "Mobbing" alleine ist nicht geeignet, einen Sachverhalt darzustellen, auf den ein Schadenersatzanspruch gestützt werden kann.

Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht umfasst der Begriff Mobbing eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz zwischen Arbeitnehmern oder zwischen ihnen und den Vorgesetzten, bei der jemand systematisch und oft über einen längeren Zeitraum mit dem Ziel oder dem Ergebnis des Ausstoßes aus der Gemeinschaft direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Die zahlreich in Betracht kommenden Handlungen können darin bestehen, dass der Betroffene tätlich angegriffen oder auch nur geringschätzig behandelt, von der Kommunikation ausgeschlossen, beleidigt oder diskriminiert wird (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. 2. 2004 - 2 Ta 12/04 - NZA-RR 2004,232). Mobbing kann nur angenommen werden, wenn systematische und zielgerichtete Anfeindungen gegen den Arbeitnehmer vorliegen. Handelt es sich bei dem vom Arbeitnehmer für das Vorliegen von Mobbing vorgetragenen Handlungen des Arbeitgebers überwiegend um die Auseinandersetzung um unterschiedliche Rechtsansichten, ergibt sich aus der Menge der Auseinandersetzungen noch keine verwerfliche Motivation des Arbeitgebers. Vielmehr handelt es sich bei derartigen rechtlichen Auseinandersetzungen um im Arbeitsleben normale Konflikte, die unter Zuhilfenahme der Arbeitsgerichte geklärt werden (LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 1.4.2004 - 3 Sa 542/03 - NZA-RR 2005 15).

Die vom Kläger zur Begründung seines Begehrens eingereichte tabellarische Aufstellung ist aber nicht geeignet, systematische, in ihrer Gesamtheit als Mobbinghandlungen zu bewertende, Vorfälle darzulegen. Dabei ist vor Allem zu beanstanden, dass die Aufstellung lediglich schlagwortartige Beschreibungen enthält, die aus sich heraus nicht verständlich sind. Es kann vom Gericht nicht verlangt werden, sich die Erläuterungen aus anderen Akten herauszusuchen. Ein substantiierter Vortrag ist die Aufstellung jedenfalls nicht.

Dass die Beklagte sich zur Untermauerung ihres Auflösungsantrages u. a. auf Internetveröffentlichungen bezogen hat, für die sie selbst den Kläger als mitverantwortlich sah, kann nicht als Mobbinghandlung bewertet werden. Wie die 3. Kammer in dem Urteil vom 29.09.2004 (3 Sa 236/04) ausgeführt hat, können die in den Internetveröffentlichungen über das beklagte Land sowie die erstinstanzlich zuständige Richterin getätigten Äußerungen dem Kläger nicht zweifelsfrei zugerechnet werden, zumal sich andere Personen als Urheber benennen. Es kann aber umgekehrt nicht festgestellt werden, dass Urheber der vom beklagten Land schriftsätzlich geäußerten Vermutung, der Kläger sei Informant der Internetäußerungen, der Vorgesetzte des Klägers war. Hierbei kann es sich um nachvollziehbarer Schlussfolgerungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagtenseite handeln. Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine derartige Vermutung in der Absicht geäußert worden ist, den Kläger als Person gering zu schätzen. Ebenso wie dem Kläger gestattet werden muss, in Wahrnehmung berechtigter Eigeninteressen ggf. Schritte zu unternehmen, die bei seinem Vorgesetzten persönliche Betroffenheit auslösen können (III 2 b des Urteils vom 29.09.2004), muss es auch dem beklagten Land gestattet sein, in einem Konfliktfall seine Sichtweise und dazu gehörende Vermutungen darzustellen.

Der Kläger kann sich zur auch nicht darauf berufen, sein Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe sei bereits vor Erhebung der Verjährungseinrede entscheidungsreif gewesen. Ein Prozesskostenhilfegesuch ist, sofern die Klage überhaupt schlüssig ist, erst entscheidungsreif, wenn der Gegner Gelegenheit hatte, auf die Klage zu erwidern, § 118 Abs. 1 ZPO. Es genügt also nicht, dass ein schlüssiger Sachverhalt behauptet wird. Dem Prozessgegner muss Gelegenheit gegeben werden, etwaige Einreden - hier die der Verjährung - vorzubringen. Denn diese beeinträchtigen die Erfolgsaussicht. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der anderen Seite zu würdigen. Denn erst dann lässt sich feststellen, ob der Sachverhalt unstreitig ist und ob Beweismittel zur Verfügung stehen.

Letztlich konnte das Arbeitsgericht erst nach Vorliegen des Schriftsatzes des Klägers vom 07.03.2008 beurteilen, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger noch nicht detailliert dargelegt, auf welchen konkreten Sachverhalt er seine Forderung stützt. Die Behauptung, es liege "Mobbing" vor, stellt nicht per se einen ausreichenden Sachvortrag dar. Vielmehr muss von der Partei, sie hieraus Forderungen herleitet, verlangt werden, dass sie die beanstandeten Verhaltensweisen, die zu einer Schädigung geführt haben sollen, darlegt und ggf. beweist (LAG Berlin Urteil vom 15.7.2004 - 16 Sa 2280/03 - NZA-RR 2005,13). Dementsprechend hat das Arbeitsgericht dem Kläger mit Beschluss vom 17.01.2008 aufgegeben, im einzelnen darzulegen, welche Mobbing-Handlungen im Einzelnen ihm zugefügt worden sind, wann dies geschehen ist und welche Folgen dies für ihn gehabt hat. Ferner sollte er sich zu dem Ursachenzusammenhang äußern. Das ist erst mit dem am 07.03.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz erfolgt. Erst danach könnte allenfalls von einem schlüssigen Vortrag des Klägers ausgegangen werden. Dass das Vorbringen des Klägers jedoch nicht ausreicht, sein Begehren zu stützen, ist bereits oben dargelegt.

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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