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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 15.08.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 177/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 148
Ergibt sich aus einem Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts nicht, nach welchen Gesichtspunkten das dem Gericht bei der Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens zustehende Ermessen ausgeübt hat, so ist der Beschluss aufzuheben. Bestehen die Abwägungen des Arbeitsgerichts im Wesentlichen darin, dass Doppelarbeit vermieden werden soll, so ist das Ermessen nicht hinreichend ausgeübt.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 177/06

Im Beschwerdeverfahren

betr. Aussetzung

in den Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichtes Schleswig-Holstein am 15.08.2006 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27.07.2006 - 4 Ca 1745/06 aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten vorliegend um die Frage, ob der Rechtstreit wegen Vorgreiflichkeit auszusetzen ist.

Der Kläger ist bei dem Beklagten in dessen Klinik "..." in T. seit dem 01.06.2004 als Chefarzt beschäftigt. Sein Gehalt betrug zuletzt 8.000 EUR brutto monatlich. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 31.10.2005 zum 31.01.2006 gekündigt. Das Arbeitsgericht Lübeck hat in dem deswegen geführten Rechtstreit (3 Ca 3262/05 bzw. LAG Schleswig-Holstein 5 Sa 299/06) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 31.10.2005 nicht aufgelöst worden ist. Der Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. In dem betreffenden Verfahren ist auf Antrag des Beklagten die Berufungsbegründungsfrist verlängert worden bis zum 28.09.2006.

Mit der vorliegend am 10.07.2006 erhobenen Klage macht der Kläger seine Ansprüche auf Vergütung für die Monate Februar bis April 2006 in Höhe von insgesamt 24.000 EUR brutto geltend. Hierauf lässt er sich gezahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 4.715,10 EUR anrechnen. Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Rechtstreit wegen Vorgreiflichkeit der Bestandsstreitigkeit ausgesetzt. Hiergegen hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.

Die Aussetzung des vorliegenden Rechtstreits bis zur vorliegenden Erledigung der Bestandsstreitigkeit gemäß § 148 ZPO ist hier nicht zulässig, weil sie dem besonderen Beschleunigungsgrundsatz des § 61a ArbGG widerläuft.

Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder dem Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtstreits auszusetzen ist. Dem Gericht ist hier ein Ermessen eingeräumt, das nicht frei, sondern rechtlich gebunden ist. Zum einen ist der Zweck des § 148 ZPO zu berücksichtigen, der die doppelte Prüfung derselben Streitfrage in verschiedenen Prozessen vermeiden will. Andererseits sind die maßgeblichen Prozessrechtsvorschriften zu beachten, für das arbeitsgerichtliche Verfahren insbesondere der besondere Beschleunigungsgrundsatz nach § 9 Abs. 1 S. 1 und 61a Abs. 1 ArbGG.

Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalles. Der Beschleunigungsgrundsatz wiegt dabei umso schwerer, je länger der Prozess durch eine Aussetzung verzögert werden kann (LAG München, Beschluss vom 22.02.1989 - 7 Ta 25/89 - LAGE § 148 ZPO Nr. 20). Die Entscheidung über die Aussetzung hat nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Umständen des Einzelfalles zu erfolgen. Diese sind in der Entscheidung offen zu legen. Zu den Umständen des Einzelfalles gehören (vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 06.04.2004 - 1 Ta 106/05):

- der Stand der beiden Verfahren, vor allem auch der des vorgreiflichen Rechtstreits und dessen voraussichtliche Dauer und damit die voraussichtliche Dauer der Aussetzung,

- die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klagepartei in jedem Rechtstreit, auch, ob bereits ein Urteil zu ihren Gunsten ergangen ist, wie die Aussichten eines Rechtsmittels zu beurteilen sind,

- die wirtschaftliche Situation beider Parteien,

- die Notwendigkeit für die Klagepartei, ihre Ansprüche mithilfe eines gerichtlichen Titels durchsetzen zu müssen,

- das Verhalten der Klagepartei.

Diesen Anforderungen entspricht die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist in erster Linie darauf abgestellt, ob das Gericht zu "überflüssiger Arbeit" angehalten wird. Die Interessen beider Parteien haben nicht Eingang in die Entscheidung gefunden. Zwar hat das Beschwerdegericht den Entscheidungsspielraum des Erstgerichts zu achten und hat deshalb lediglich zu prüfen, ob das Erstgericht die Grenzen des ihm durch § 148 ZPO eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens bei der Anordnung der Aussetzung überschritten hat (LAG Nürnberg, Beschluss vom 27.02.2003 - 7 Ta 13/03 - NZA-RR 2003, 602). Das bedeutet, dass das Beschwerdegericht nicht befugt ist, sein Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen. Ist aber nicht zu erkennen, dass das Erstgericht überhaupt ein Ermessen ausgeübt hat, wie es hier der Fall ist, dann ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Verfahren Fortgang zu geben.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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