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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 24.10.2003
Aktenzeichen: 2 Ta 215/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1
ZPO § 115 Abs. 2
Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz für ein arbeitsgerichtliches Verfahren ist ein vermögenswertes Recht, das im Rahmen von § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzen ist. Grundsätzlich ist dieser Arbeitnehmer daher verpflichtet, von dieser Vertretungsmöglichkeit Gebraucht zu machen. Eine Ausnahme kann nur dann gelten, wenn eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zu dem von der Gewerkschaft gestellten Prozessvertreter dazu geführt hat, dass es unzumutbar ist, den Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die Gründe., die für eine Unzumutbarkeit sprechen, sind substantiiert vorzutragen und darzulegen.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 215/03

Im Beschwerdeverfahren

betr. Prozesskostenhilfe

in dem Rechtsstreit

pp.

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 24. Oktober 2003 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts Willikonsky als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 1. August 2003 - 4 Ca 2507 d/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Klägerin Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Mit der am 14. Oktober 2002 vor dem Arbeitsgericht Kiel erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen eine ordentliche Kündigung vom 23. September 2002 zum 31. Januar 2003 gewandt. Diese Klage wurde durch die Gewerkschaft V. eingereicht. Die Klägerin wurde in der Folge durch einen Mitarbeiter der Gewerkschaft V. vertreten. Mit Fax vom 10. März 2003 meldeten sich die Rechtsanwälte W. und K., zeigten die Vertretung der Klägerin an und beantragten Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des unterzeichnenden Rechtsanwalts W.. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ging am 14. März 2003 mit verschiedenen Belegen ein. Zur Frage B "Trägt eine Rechtsschutzversicherung oder andere Stelle / Person (z. B. Gewerkschaft, Arbeitgeber, Mieterverein) die Kosten Ihrer Prozessführung?" kreuzte die Klägerin "Nein" an. Mit Schriftsatz vom 30. April 2003 meldeten sich die Rechtsanwälte K. und Partner für die Klägerin, die mit Schriftsatz vom 8. Juli 2003 beantragten, der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin D. zu bewilligen. Der Rechtsstreit wurde durch Vergleich vom 9. Juli 2003 streitbeendent beigelegt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 1. August 2003, auf den hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, den Antrag der Klägerin auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 8. Juli 2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 26. August 2003 eingelegte sofortige Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Der von den Rechtsanwälten W. und K. gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfe ist mit Schriftsatz vom 18. August 2003 zurückgenommen worden.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Klägerin hat nicht Erfolg.

Gem. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gem. § 115 Abs. 1 ZPO hat die Partei ihr Einkommen einzusetzen. Nach § 115 Abs. 2 ZPO ist außerdem das Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz für ein arbeitsgerichtliches Verfahren ist ein solches vermögenswertes Recht. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer daher verpflichtet, von dieser Vertretungsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Eine Ausnahme kann nur dann gelten, wenn eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zu dem von der Gewerkschaft gestellten Prozessvertreter dazu geführt hat, dass es für den prozessführenden Arbeitnehmer unzumutbar ist, den Rechtschutz in Anspruch zu nehmen (LAG Köln, Beschl. v. 26. Juni 1995 - 5 Ta 118/95 -). Dabei ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die Gründe die für eine Unzumutbarkeit sprechen, substantiiert vorzutragen und darzulegen (LAG Köln, a. a. O.). Das Vorbringen der Klägerin genügt jedoch diesen Anforderungen nicht. Aus der Akte ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, die für eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Klägerin und dem von der Gewerkschaft gestellten Vertreter sprechen. Die Klägerin hatte sich von dem Mitarbeiter der Gewerkschaft jedenfalls bis zum Widerruf des unter dem Datum vom 10. Februar 2003 geschlossenen Vergleichs vertreten lassen, ohne dass irgendwelche Zerwürfnisse deutlich geworden wären. Die sodann für sie auftretenden Rechtsanwälte W. und K. haben hierzu keinerlei Ausführungen gebracht, obwohl sie bereits Prozesskostenhilfe beantragt hatten. Erstmals mit Schriftsatz vom 8. Juli 2003 trägt die Klägerin vor, die Gewerkschaft habe mitgeteilt, sie sei nicht bereit, die Klägerin weiter zu vertreten. Aus dem von ihr hierzu eingereichten Schreiben des Rechtssekretärs Kr. von der V. ergibt sich, dass das Mandat auf Wunsch der Klägerin von der V. niedergelegt worden ist. Es verhält sich mithin nicht dergestalt, dass der Rechtssekretär von sich aus das Mandat aufgekündigt hat. Vielmehr ist er auf Bitten der Klägerin tätig geworden. Hierin sind Anhaltspunkt für eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses der Klägerin zur Gewerkschaft nicht ersichtlich. Die Klägerin kann sich dementsprechend nicht darauf berufen, ihr sei gewerkschaftlicher Rechtschutz verweigert worden. Vielmehr war dieser Rechtschutz ihr zunächst gewährt worden. Sie selbst hatte auf ihn verzichtet.

Dass die Gewerkschaft sich "nahezu grundlos" geweigert habe, die Klägerin weiter zu vertreten, wie die Klägerin jetzt behauptet, ist nicht ersichtlich. Der Grund der Mandatsniederlegung lag vielmehr darin, dass die Klägerin die Niederlegung des Mandats selbst gewünscht hatte.

Dass der Klägerin von dem Mitarbeiter der Gewerkschaft seine Einschätzung der Erfolgsaussicht mitgeteilt worden ist, kann eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses nicht begründen. Vielmehr entsprach es der Sorgfaltspflicht des Gewerkschaftsvertreters in der Mandatswahrnehmung, die Klägerin über seine Einschätzung zu informieren, so wie dies von jedem anderen Prozessbevollmächtigten zu fordern ist. Dass diese Einschätzung haltlos gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

Die Vermutung der Klägerin, es habe eine Beeinflussung des Gewerkschaftsvertreters durch den Geschäftsführer der Beklagten stattgefunden, ist durch Tatsachen nicht erhärtet. Eine Ablehnung der weiteren Vertretung der Klägerin durch V. wird u. a. von V. darauf gestützt, dass im Zeitpunkt des Verfassens des Schreibens vom 22. April 2003 keine "nachvollziehbare Stellungnahme zur Klageerwiderung vom 3. April 2003" vorlag, so dass eine Erfüllung der gerichtlichen Auflage nicht möglich war. Das weitere Vorbringen der Klägerin mit der Beschwerde, die Gewerkschaft habe sie "von Anfang an unzulänglich vertreten und ihr immer suggeriert, dass ihre Klage keinerlei Erfolgsaussicht habe" ist ebenfalls nicht durch Tatsachen untermauert. Das Schreiben vom 22. April 2003 gibt nicht her.

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

Entgegen der Auffassung der Klägerin käme ohnehin nicht eine vollständige Bewilligung der Prozesskostenhilfe in Betracht. Die Klägerin verfügt über Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich (201,04 EUR x 13 : 3) 871,17 EUR hiervon gehen ab Betrag gem. § 115 ZPO (PKHB) 364,00 EUR sowie die halbe Miete 359,19 EUR, so dass ein zur Verfügung stehendes Einkommen von 147,98 EUR verbleibt.

Hiernach ergeben sich Raten in Höhe von 45,00 EUR monatlich.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Angaben der Klägerin zum Kontostand, zur Verpflichtung gegenüber der Firma I. und zur tatsächlichen Zahlung der Mietkosten nicht belegt sind. Da die Klägerin die Wohnung gemeinsam mit einer anderen Person bewohnt, ist davon auszugehen, dass sie allenfalls die hälftigen Kosten trägt.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin gemäß dem Vergleich vom 9. Juli 2003 eine Abfindung von 5.000,00 EUR erhalten sollte, wovon ein Betrag von 4.000,00 EUR sogleich und weitere 1.000,00 EUR am 31. Dezember 2003 zu zahlen waren. Auch Abfindungen gehören zum Vermögen und sind von dem Antragsteller einzusetzen. Dabei ist zugunsten des jeweiligen Antragstellers zu berücksichtigen, dass es sich um eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes handelt. Dementsprechend sind Alter, Betriebszugehörigkeit und Verhältnis der Höhe der Abfindung zur Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Insofern kommt es in Betracht, dass auch Teile der gezahlten Abfindung von der Klägerin für ihre Kosten des Rechtsstreits einzusetzen gewesen wären. Auf diese vorstehenden Überlegungen kam es indes nicht an, da der Klägerin Prozesskostenhilfe bereits wegen der Möglichkeit gewerkschaftlicher Vertretung, die sie selbst ohne Grund aufgegeben hat, zu versagen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Streitsache nicht ersichtlich ist.

Ende der Entscheidung

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