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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss verkündet am 28.12.2005
Aktenzeichen: 2 Ta 241/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, LohnfortzahlungsG


Vorschriften:

ZPO § 114
BGB § 242
BGB § 612a
BGB § 626
LohnfortzahlungsG § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ta 241/05

Im Beschwerdeverfahren

betr. Prozesskostenhilfe

in dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 28.12.2005 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ...als Vorsitzende:

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 30.8.2005 - 5 Ca 1484 d/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit seiner Beschwerde erstrebt der Kläger Bewilligung der Prozesskostenhilfe.

Der Kläger war bei dem Beklagten seit dem 1.5.2005 als Tischler im Bootsbau beschäftigt. Die Vergütung betrug nach seinen Angaben 850 EUR brutto monatlich. Im Betrieb des Beklagten werden regelmäßig weniger als 4 Arbeitnehmer beschäftigt.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 25.7.2005 (Bl. 4 d.A.) das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.8.2005 gekündigt und dies u.a. mit Äußerungen des Klägers gegenüber Kunden begründet, die Firma werde "dicht gemacht". Weiter habe der Kläger gegenüber seinem Arbeitgeber während der Arbeitszeit geäußert: "Du bist der größte Arsch". Diese Kündigung hat der Kläger am 29.7.2005 durch Klage angegriffen und Unwirksamkeit gerügt. Gleichzeitig hat er Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung beantragt.

Der Kläger hat vorgetragen, die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe seien nur vorgeschoben. Tatsächlich habe der Beklagte am 21.7.2005 erfahren, dass der Kläger an Leukämie leide. Der Kläger habe ihm hierzu mitgeteilt, der Arzt sehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen Ursachenzusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen und der Erkrankung. Richtig sei, dass er den Verdacht geäußert habe, der Betrieb werde möglicherweise "dicht gemacht", wenn sich die Gewerbeaufsicht dafür interessiere, jedoch nicht in Gegenwart von Kunden. Die Bezeichnung des Beklagten als "Arsch" sei nicht vorgefallen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30.8.2005 Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt. Hiergegen hat der Kläger am 8.9.2005 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Mit seiner Beschwerde beruft sich der Kläger auf den verfassungsrechtlich verbürgten Mindestschutz von Arbeitnehmern vor willkürlichen Kündigungen und auf das Diskriminierungsverbot.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers hat nicht Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend Prozesskostenhilfe versagt, weil eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht gegeben ist.

Gem. § 114 ZPO erhält eine Partei Prozesskostenhilfe, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage ist nicht ersichtlich. Zwar handelt es sich bei einem nicht dem KSchG unterstehenden Kleinbetrieb nicht um einen "rechtsfreien Raum". Auch in diesen Betrieben ist der Arbeitgeber gehalten, das durch langjährige Beschäftigung entstandene Vertrauen zu berücksichtigen und Kündigungen nicht aus treuwrigen Motiven auszusprechen. Es ist daher erforderlich, dass der Grund für Kündigungen gegenüber langjährig beschäftigten Arbeitnehmern auch angesichts ihrer Betriebszugehörigkeit "einleuchten" muss (BAG Urt. v. 28.8.2003 - 2 AZR 333/02 - NZA 2004,1296). Allerdings ist der Arbeitgeber nicht gehalten, diese Gründe zu beweisen. Vielmehr liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, beim Arbeitnehmer (BAG Urteil vom 22.5.2003 - 2 AZR 426/02 - AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA § 242 BGB 2002 Kündigung Nr. 2). Der Arbeitnehmer muss in einem ersten Schritt einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Sodann muss der Arbeitgeber, um ihn zu entkräften, auf den Vortrag einlassen (BAG Urteil vom 25.4.2001 - 5 AZR 360/99 - DB 2001,2504; BAG Urteil vom 21.2.2001 - 2 AZR 15/00 - NZA 2001,833 = BB 2001,1683). Kommt der Arbeitgeber dieser Behauptungslast nicht nach, gilt der Vortrag des Arbeitnehmers als zugestanden (BAG Urteil vom 16.9.2004 - 2 AZR 447/03 - NZA 2005,1263 EzA BGB 2002 § 242 Nr. 5 Kündigung). Diese Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung aus anderen als einem Auswahlfehler des Arbeitgebers für treuwidrig hält (BAG Urt. v. 28.8.2003 - 2 AZR 333/02 -NZA 2004,1296). Trägt der Arbeitgeber Tatsachen vor, die die Treuwidrigkeit ausschließen, so muss der Arbeitnehmer Gegentatsachen vortragen oder zumindest die vom Arbeitgeber behaupteten Tatsachen substantiiert bestreiten und für die Gegentatsachen und für sein Bestreiten selbst Beweis anbieten. Diese Beweise sind dann zu erheben, nicht aber sind die vom Arbeitgeber benannten Zeugen zu vernehmen (BAG Urt. v. 28.8.2003 - 2 AZR 333/02 - NZA 2004,1296).

Abgesehen davon, dass von einer "langjährigen" Betriebszugehörigkeit bei dem Arbeitsverhältnis der Parteien nicht die Rede sein kann, ist das Vorbringen des Klägers nicht ausreichend, die Treuwidrigkeit der Kündigung zu begründen.

Der Vortrag des Klägers ist, für sich allein betrachtet, zwar geeignet, die Treuwidrigkeit der Kündigung darzulegen. Denn der Ausspruch einer Kündigung als Reaktion auf die - intern im Betrieb kundgetane - Meinungsäußerung, die schwere Erkrankung des Mitarbeiters sei auf eine Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften zurückzuführen, verstößt gegen das Verbot der Maßregelung, § 612a BGB. Nach dieser Vorschrift ist die Benachteiligung eines Arbeitnehmers, der seine Rechte in zulässiger Weise ausübt, verboten. Dazu gehört auch das Recht des Arbeitnehmers, von dem Arbeitgeber Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften zu verlangen, insbesondere dann, wenn er Anlass zu der Vermutung haben kann, dass durch die - pflichtwidrigen - Zustände am Arbeitsplatz eine schwere Erkrankung ausgelöst worden ist.

Allerdings ist der Beklagte diesem Vorbringen des Klägers mit qualifiziertem Vortrag und unter Beweisantritt entgegengetreten. Der Beklagte hat den Hergang des Gesprächs anders als der Kläger geschildert und auch dargestellt, dass die behaupteten Äußerungen des Klägers nicht betriebsintern, sondern auf der benachbarten Werft gefallen sind. Es oblag nunmehr dem Kläger, dieses Vorbringen des Beklagten qualifiziert zu bestreiten und seinerseits Beweis anzutreten. Dies hat der Kläger nicht getan.

Die Vermutungen des Klägers, die Kündigung sei wegen der Mitteilung, er habe Leukämie, ausgesprochen worden, sind sachlich nicht begründet. Sollte der Kläger lange Zeit ausfallen, ergäbe sich dadurch nicht zwangsläufig eine hohe Belastung des Beklagten. Da der Beklagte weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt, steht ihm ein Erstattungsanspruch für die Kosten der Entgeltfortzahlung gem. § 10 LohnfortzahlungsG zu. Zum anderen wäre auch bei Geltung des KSchG bei langer Erkrankung eine Kündigung nicht unzulässig. Diese Vermutung des Klägers ist also ohne weitere Indizien zum Motiv nicht stichhaltig.

Soweit der Kläger meint, der Beklagte verhalte sich widersprüchlich, da er angesichts des Gewichts der Vorwürfe nicht eine außerordentliche, sondern eine ordentliche Kündigung ausgesprochen habe, kann auch dies nicht die Treuwidrigkeit begründen. Dem Kläger ist zwar zuzustimmen, dass die vom Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers "an sich" geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung, § 626 BGB, zu rechtfertigen. Das führt aber nicht dazu, dass dies die einzig zulässige Kündigungsmöglichkeit in einem solchen Fall ist. Denn gerade angesichts der kurzen Dauer der Kündigungsfrist kann die nach § 626 BGB durchzuführende Interessenabwägung ergeben, dass die Einhaltung der Kündigungsfrist noch zumutbar ist. Einem Arbeitgeber, der daher statt eine außerordentliche fristlose Kündigung auszusprechen, die ordentliche Kündigung wählt, auch, um dem Arbeitnehmer eine mögliche Sperrfrist zu ersparen, kann dies nicht als treuwidrig ausgelegt werden.

Da eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage nicht gegeben ist, kommt eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht in Betracht.

Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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