Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 03.11.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 159/04
Rechtsgebiete: BGB, TzBfG, KSchG, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 134
BGB § 157
BGB § 242
BGB § 612 a
TzBfG § 16
TzBfG § 16 Satz 1
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 159/04

Verkündet am 03.11.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 03.11.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 14.1.2004 - 4 Ca 3759/03 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 10.10.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten erster Instanz werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer aus Anlass einer Entfristungsklage vorsorglich ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung innerhalb der ersten 6 Monate dieses Beschäftigungsverhältnisses und in diesem Zusammenhang u. a. um die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung.

Der Kläger ist 38 Jahre alt und stand in der Zeit von Juli 2000 bis 07. September 2003 mit größeren zeitlichen Abständen in 5 befristeten Arbeitsverhältnissen für Zeiträume von knapp 2 Monaten bis max. 4 1/2 Monaten. Er war jeweils als Maschinenarbeiter in der Produktion tätig, ausweislich der Arbeitsverträge überwiegend zum Zwecke der Urlaubsvertretung. Er wurde zuletzt nach Endgeltgruppe E 2 vergütet und erhielt durchschnittlich 2.700,00 € brutto monatlich. Der letzte Arbeitsvertrag war befristet für den Zeitraum vom 30.06.2003 bis zum 07.09.2003. Bezüglich dieses Arbeitsverhältnisses erhob der Kläger innerhalb der gesetzlichen Frist eine Entfristungsklage beim Arbeitsgericht Lübeck. Der Kläger obsiegte am 12.5.2004 erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht Lübeck unter dem Az. 4 Ca 3416/03. Das Urteil wurde mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Schleswig-Holstein vom 03.11.2004, Az. 3 Sa 325/04, bestätigt.

Aus Anlass der Entfristungsklage kündigte die Beklagte am 10.10.2003 vorsorglich ein etwa bestehendes Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31.10.2003 (Bl. 10 d. A.). Zuvor hatte sie den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit folgendem Schreiben angehört:

"Wir beabsichtigen Herrn M., geb. .... , verheiratet, 3 Kinder,

.... Eintritt 30.06.2003,

beschäftigt als Urlaubsvertretung SBB-Endfertigung bis zum 07. September 2003

fristgerecht zum nächstmöglichen Termin (14 Tage) zu kündigen.

...

Begründung

Herr M. war als Urlaubsvertretung vom 30.06.2003 bis zum 07.09.2003 beschäftigt.

Es liegt uns eine Klage von Herrn M. auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses vor.

Ohne damit ein Arbeitsverhältnis anzuerkennen, beabsichtigen wir, Herrn M. vorsorglich fristgerecht zu kündigen.

G....., den 02.10.2003

Unterschrift" (Bl. 19 f. d. A.).

Der Betriebsrat widersprach dieser Kündigung am 08.10.2003 u. a. mit der Begründung, er könne den Kündigungsgrund nicht nachvollziehen. Die Kündigung sei umso unverständlicher, als die Beklagte gerade für einen anderen Bereich der Mischerei/Rohstoffbereitstellung 4 befristete Einstellungen beantragt habe. Im Übrigen könne der Kläger auch auf anderen freien Arbeitsplätzen im Unternehmen, u. a. auf 2 (konkret bezeichneten) Arbeitsplätzen als Maschinenführer eingesetzt werden (Bl. 22 d. A.). Die Beklagte sprach die Kündigung mit Schreiben vom 10.10.2003 aus, der Kläger reichte am 27.10.2003 beim Arbeitsgericht Lübeck die vorliegende Kündigungsschutzklage ein.

Das Arbeitsgericht Lübeck hat am 14.01.2004 die Klage mit der Begründung abgewiesen, die 6-monatige Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes sei nicht erfüllt, da die Beschäftigungszeiten nicht zusammengerechnet werden müssten. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß. Die Kündigung sei nur ausgesprochen worden, um das Risiko des Verlustes der Entfristungsklage zu begrenzen. Das sei der auch der Betriebsratsanhörung zu entnehmende Kündigungsgrund. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das angefochtene erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses am 18.03.2004 zugestellte Urteil legte der Kläger am 16.04.2004 Berufung ein, die nach Fristverlängerung innerhalb der gesetzten Frist begründet wurde (Bl. 54 d. A.).

Der Kläger ergänzt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er trägt vor, das Kündigungsschutzgesetz sei anwendbar. Die Beschäftigungsdauer sei aus den 5 befristeten Arbeitsverhältnisses zusammenzurechnen. Danach ergebe sich eine Gesamtbeschäftigungszeit von mehr als 12 Monaten. Dem Kläger sei mit Auslaufen der jeweiligen befristeten Arbeitsverhältnisse jeweils in Aussicht gestellt worden, sobald sich eine neue Beschäftigungsmöglichkeit ergebe, werde er erneut eingestellt. Hieraus ergebe sich eine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes und ein Verstoß gegen Treu und Glauben ( § 242 BGB). Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß, da dem Betriebsrat die vorangegangenen Beschäftigungszeiten nicht mitgeteilt wurden - das ist unstreitig - und auch kein Kündigungsgrund genannt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 14.01.2004, Az. 4 Ca 3759/03, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 10.10.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil in jeder Hinsicht für zutreffend. Die Kündigung sei nicht treuwidrig und verstoße auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB. Die Beklagte habe lediglich von ihrer Kündigungsbefugnis gem. § 16 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) Gebrauch gemacht. Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht anwendbar. Allein angesichts des 5 1/2-monatigen Unterbrechungszeitraumes zwischen dem vorletzten und dem letzten befristeten Arbeitsverhältnis komme eine Zusammenrechnung der Beschäftigungszeiten nicht in Betracht. Die Betriebsratsanhörung sei u. a. vor diesem Hintergrund ordnungsgemäß. Bei gebotener Auslegung der Betriebsratsanhörung vom 02.10.2003 ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Determinierungstheorie, dass dem Betriebsrat ein Kündigungsgrund mitgeteilt worden sei. Kündigungsgrund sei es allein gewesen, dass trotz Ablauf der Befristung möglicherweise weiterhin bestehende Arbeitsverhältnis in jedem Fall beenden zu wollen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und auch begründet. Die Kündigung ist unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden ist. Aus diesem Grunde war das erstinstanzliche Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden und nach Fristverlängerung innerhalb der gesetzten Frist begründet worden.

II.

Die Berufung ist begründet. Zwar bedurfte es mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zur Rechtfertigung der Kündigung keines Kündigungsgrundes im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Auch verstößt die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Kündigung ist jedoch wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam.

1)

Die Kündigung ist nicht nach § 1 KSchG unwirksam. Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht anwendbar. Das Arbeitsverhältnis hat bei der Kündigung nicht länger als 6 Monate ohne Unterbrechung bestanden (§ 1 Abs. 1 KSchG).

a)

Das der streitbefangenen Kündigung vom 10.10.2003 unmittelbar vorausgehende Beschäftigungsverhältnis begann am 30.06.2003, hatte mithin bei Ausspruch der Kündigung eine Dauer von nur 3 1/2 Monaten. Zuvor stand der Kläger vom 17.07. bis 15.09.2000; vom 15.05.2001 bis 30.09.2001; vom 10.06.2002 bis 17.08.2002 und vom 25.11.2002 bis 18.01.2003 zur Beklagten in Arbeitsverhältnissen. Diese Zeiten können jedoch nicht mitgerechnet werden, weil die Vertragsbeziehung der Parteien immer wieder über viele Monate, zuletzt für einen Zeitraum von rund 5 1/2 Monaten vom 19.01.2003 bis 29.06.2003 unterbrochen war.

b)

Unterbrechungen bleiben nur ausnahmsweise außer Betracht, wenn nämlich zwischen dem vorangegangenen und dem gekündigten Arbeitsverhältnis ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Dabei kommt es insbesondere auf Anlass und Dauer der Unterbrechung sowie auf die Art der Weiterbeschäftigung an. Eine feste Begrenzung für den Zeitraum, bis zu dem Unterbrechungen außer Betracht bleiben können, besteht nicht. Je länger die zeitliche Unterbrechung gedauert hat, desto gewichtiger müssen die für einen sachlichen Zusammenhang sprechenden Umstände sein (BAG v. 22.05.2003, 2 AZR 426/02; BAG v. 20.08.1998, 2 AZR 76/98 - jeweils zit. nach juris.

c)

Diese Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung sind vorliegend nicht erfüllt. Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den früheren Arbeitsverhältnissen des Klägers sowie dem letzten Arbeitverhältnis ist nicht feststellbar. Anlass für die Vertragsschlüsse mit dem Kläger war Vertretungsbedarf, vorrangig während der Sommerurlaubszeit. Die Dauer der Unterbrechungen war - mit einer Ausnahme - jeweils länger als die tatsächliche Beschäftigungszeit. Zuletzt lag eine Unterbrechung von 5 1/2 Monaten vor. Auch soweit dem Kläger in Aussicht gestellt wurde, man werde bei Bedarf wieder auf ihn zurückgreifen, ergibt sich hieraus kein enger sachlicher Zusammenhang. Der Vertragsschluss beruhte angesichts des urlaubsbedingten Vertretungseinsatzes nicht auf einem durchgehenden Beschäftigungsbedarf, war vielmehr darauf gerichtet, vorübergehende Abwesenheitszeiten von fest angestellten Arbeitnehmern zu überbrücken. Mehr ist dem Kläger auch nicht in Aussicht gestellt worden. Wann die Beklagte mit dem Kläger ein neues Arbeitsverhältnis begründen würde, hing von den künftigen Abwesenheitszeiten von Stammarbeitnehmern u. a. von der Urlaubsplanung des Stammpersonals ab, stand mithin noch nicht fest. Damit fehlt ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang der Arbeitsverhältnisse.

2)

Die Kündigung ist auch nicht treuwidrig nach § 242 BGB. Insoweit ist der Kläger darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt (BAG v. 22.05.2003 - 2 AZR 526/02 m.w.N).

a)

Dieser Darlegungslast genügt der Vorwurf des Klägers, die Beklagte betreibe ein Personalkarussell zur Verhinderung des Kündigungsschutzes, nicht. Es fehlt schon insoweit jeglicher Tatsachenvortrag, woraus sich ein gezieltes, jeweils am Nichterreichen der 6-Monats-Grenze des § 1 Abs. 1 KSchG orientiertes Einstellungs- und Beschäftigungsverhalten der Beklagten ergeben soll. Ein Personalkarussell, ein ergebnisorientierter Wechselrhythmus der Beschäftigungen des Klägers und der Arbeitnehmer, die bei seiner Abwesenheit "seine" Tätigkeit verrichten, ist auch nicht ansatzweise dargetan.

b)

Dass die Beklagte die vorgesehene, aber letztendlich wie im Urteil des Landesarbeitsgerichtes Schleswig-Holstein vom 03.11.2004 - 3 Sa 325/04 - festgestellt, unwirksame Befristung, sprich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchsetzen wollte, stellt an sich kein auf ein sachfremdes Motiv beruhendes rechtsmißbräuchliches Verhalten der Beklagten dar. Vielmehr macht sie nur von ihrer allgemeinen Kündigungsmöglichkeit Gebrauch. Diese kommt auch in § 16 Satz 1 TzBfG zum Ausdruck. Das ist nicht sachfremd (vgl. auch BAG v. 06.11.2003 - 2 AZR 690/02 unter II 3).

3)

Die Kündigung ist auch nicht nach §§ 612 a, 134 BGB unwirksam. Sie verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot.

a)

§ 612 a BGB betrifft einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Beweggrund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG v. 22.05.2003 - 2 AZR 426/02 m.w.N).

b)

Das Vorliegen eines im Bereich der Sittenwidrigkeit einzuordnenden Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit dem Ausspruch der vorsorglichen fristgemäßen Kündigung anlässlich der bestehenden Möglichkeit einer unwirksamen Befristung ist nicht feststellbar. Die Maßnahme der Beklagten ist nicht den Kategorien eines "Racheaktes" für die Entfristungsklage zuzuordnen. Die Beklagte will nur den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit mit dem rechtlich zulässigen Mittel der Kündigung verhindern. Sie hat daher die Entfristungsklage nur zum Anlass für den Ausspruch der vorsorglichen fristgemäßen Kündigung genommen.

4)

Die Kündigung ist jedoch wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung nach §§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, 134 BGB unwirksam, da die Beklagte dem Betriebsrat nur ihren Kündigungsentschluss, jedoch keinen Kündigungsgrund genannt hat.

a)

Nach der ständigen Rechtssprechung des BAG hat ein Arbeitgeber dem Betriebsrat die Kündigungsgründe auch dann im Einzelnen mitzuteilen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt. Auch wenn ein Arbeitgeber bei einer ordentlichen Kündigung in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich Kündigungsfreiheit genießt und im Prozess nicht - jedenfalls nicht primär - gehalten ist, seine Kündigung näher zu begründen, wird hierdurch eine kollektivrechtliche Pflicht zur Angabe der Kündigungsgründe gegenüber dem Betriebsrat nicht ausgeschlossen. Der Betriebsrat soll auch in diesen Fällen in die Lage versetzt werden, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um ihn ggf. mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubringen. Hierfür muss der Betriebsrat aber die Gründe kennen, die den Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen (BAG v. 06.11.2003 - 2 AZR 690/02 unter II 5a). Die Betriebsratsanhörung ist "subjektiv determiniert". Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe und Umstände mitteilen, die ihn subjektiv zur Kündigung veranlassen, wozu unter Umständen eine rein subjektive Wertung genügen kann (vgl. a.a.O., mit weiteren Nachweisen).

b)

Diesen Maßstäben wird die Unterrichtung des Betriebsrates vom 02.10.2003 nicht gerecht. Die Beklagte hat dem Betriebsrat lediglich mitgeteilt, angesichts der Entfristungsklage beabsichtige sie, dem Kläger vorsorglich fristgerecht zu kündigen. Diese Begründung stellt lediglich die Kundgabe eines Kündigungsentschlusses dar, nicht jedoch die Angabe eines Kündigungsgrundes für diesen Kündigungsentschluss. Da auch im ersten Beschäftigungshalbjahr zur Unterrichtung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG die Angabe eines Kündigungsgrundes erforderlich ist, reicht es nicht aus, dass diesem nur mitgeteilt wird, "das" der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen will. Der Arbeitgeber ist darüber hinaus, - wenn auch subjektiv determiniert - verpflichtet, dem Betriebsrat auch mitzuteilen, "warum" er das Arbeitsverhältnis kündigen will. Letzteres ist vorliegend jedoch nicht geschehen.

c)

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann das Anhörungsschreiben vom 02.10.2003 in Anwendung der §§ 133, 157 BGB auch nicht dahingehend ausgelegt werden, Kündigungsgrund sei vorliegend der in der Anhörung zum Ausdruck gekommene Wille der Beklagten, die ursprünglich mit der Befristung gewollte, aber nunmehr rechtlich in Frage gestellte Beendigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Falle durchsetzen zu wollen.

Das wollte die Beklagte zweifelsfrei. Das ist jedoch nicht der im Rahmen des § 102 Abs. 1 BetrVG zu benennende Kündigungsgrund, sondern nur die Mitteilung der Entscheidung an sich, die Kündigung aussprechen zu wollen. Das reicht nicht. Die Betriebsratsanhörung beinhaltet vorliegend nur eine Konfrontation des Betriebsrates mit der Entscheidung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis in jedem Fall beenden zu wollen. Mangels Angabe jeglicher - subjektiv determinierter- , auf die Person des Klägers bezogener Gründe wird der Betriebrat gerade nicht in die Lage versetzt, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um ihn ggf. mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubringen. Die Beklagte hat kein Argument für den Kündigungsentschluss vorgebracht. Sie hat nur den Anlass genannt, nämlich die Existenz einer Entfristungsklage und damit zwangsläufig verbunden, das Bestehen der Möglichkeit, dass die Befristung nicht wirksam ist und das Arbeitsverhältnis noch fortbesteht.

Voraussetzung für das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist jedoch auch innerhalb des ersten Beschäftigungshalbjahres, dass der Arbeitgeber zusätzlich zum Kündigungsentschluss an sich einen, wenn auch subjektiv determinierten, Argumenten zugänglichen Kündigungsgrund für seinen Kündigungsentschluss angibt. Der rein formale Anlass/ Auslöser für den Kündigungsentschluss - die Existenz eines Prozesses mit noch ungewissem Ausgang - ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einem dem Betriebsrat in der Anhörung zu benennenden Kündigungsgrund. Er ist keinen Argumenten zugänglich. Fehlen eigenständige, vom Kündigungsentschluss an sich losgelöste Angaben zum Kündigungsgrund, ist die Betriebsratsanhörung auch im ersten Beschäftigungshalbjahr unvollständig und damit nach §§ 102 Abs. 1 BetrVG, 134 BGB unwirksam.

Letzteres ist vorliegend der Fall.

5)

Aufgrund der Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung war der Kündigungsschutzklage stattzugeben. Daher war das angefochtene, klagabweisende Urteil auf die Berufung des Klägers abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG erfüllt sind. Der Rechtsstreit ist von grundsätzlicher Bedeutung. Über das Differenzierungserfordernis zwischen formalem Kündigungsauslöser und Kündigungsgrund bei der Unterrichtung des Betriebsrates vor einer Kündigung im ersten Beschäftigungshalbjahr ist bisher nicht entschieden worden.

Ende der Entscheidung

Zurück