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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 271/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, BetrVG, SGB IX


Vorschriften:

ArbGG § 72a
BGB § 626 Abs. 1
BetrVG § 102 c
SGB IX § 90 Abs. 2a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 3 Sa 271/07

Verkündet am 28.11.2007

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24.05.2007 - 4 Ca 180 b/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit fristloser, vorsorglich fristgemäßer Kündigungen mit dem Vorwurf der Bedrohung von Kollegen.

Der Kläger ist am ...1976 geboren, verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Er ist seit dem 05.03.2001 als Kraftfahrer bei der Beklagten mit einer monatlichen Vergütung von 2.608,01 EUR brutto beschäftigt. Er hat einen Grad der Behinderung von 30 und ist aufgrund eines entsprechenden Antrages vom 31.01.2007 mit Bescheid vom 23.02.2007 ab Antragstellung einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Das Arbeitsverhältnis ist bereits durch eine Abmahnung vom 09.03.2004 sowie seit 2002 aufgetretene erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten belastet.

Die Kündigung beruht auf folgendem, anders gelagertem Vorfall: Am 22.01.2007 begann der Kläger seinen Dienst gegen 12.00 Uhr. Ca. um 17.30 Uhr erhielt er den Auftrag, einen Sattelauflieger aufzunehmen und nach A... zu bringen. Der Kläger war hierüber ungehalten, weil er noch nicht vorzeitig Feierabend machen konnte. Beim Aufsatteln des Aufliegers mit der Sattelzugmaschine verkanteten sich beide miteinander. Der Kläger versuchte, die beiden rabiat voneinander zu befreien, indem er Vollgas gab, so dass die Räder durchdrehten - vergeblich. Der Zeuge K... kam hinzu, gab ihm den Tipp, den Auflieger hochzukurbeln und half ihm erfolgreich dabei, den Sattelzug freizubekommen. Nach der Befreiungsaktion war der Luftschlauch, der die Bremsleitung mit dem Sattelzug verbindet, defekt. Der Kläger teilte dieses dem Disponenten mit, allerdings ohne Darlegung der Hintergründe. Er musste sodann mit einem anderen Sattelzug den Auftrag ausführen.

An dem reparaturbedürftigen Sattelzug funktionierte jedenfalls nach dem vergeblichen Rangiervorgang der dort befindliche Arbeitsscheinwerfer nicht. Ob er vorher schon defekt war, ist streitig. Jedenfalls berichtete der Kläger seinem Disponenten hierüber nichts.

Noch am 22.01.2007 schilderte der Zeuge K... dem Disponenten Herrn M..., wie es zu dem Schaden gekommen war. Daraufhin wurde der Kläger am 23.01.2007 vom Fuhrparkleiter, Herrn V..., zur Rede gestellt. Seine Reaktion ist streitig.

Am 24.01.2007 fuhr der Kläger außerhalb seiner Arbeitszeit mit seinem Privat-Pkw auf das Gelände, hielt direkt neben dem Zeugen K..., der gerade seine Tour beendet hatte und ablud, und machte ihm Vorhaltungen, dass er ihn verpfiffen habe. Der Kläger war sehr erregt und machte dem Zeugen K... heftige Vorwürfe, dieser habe ihn angeschwärzt und schleime. Der weitere Verlauf des Gesprächs ist trotz erstinstanzlicher Beweisaufnahme nach wie vor streitig, vor allen Dingen, ob der Kläger den Zeugen bedroht oder gar geschlagen hat.

Am 25.01.2007 hörte die Beklagte den Kläger in Anwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden zu der Auseinandersetzung mit dem Zeugen K... an. Am 31.01.2007 stellte der Kläger den Gleichstellungsantrag, der mit Bescheid vom 23.02.2007 positiv beschieden wurde. Am 02.02.2007 hörte die Beklagte, die von dem Gleichstellungsantrag noch nichts wusste, den Betriebsrat zur fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 30.04.2007 unter ausführlicher schriftlicher, aber auch mündlicher Erläuterung des Kündigungsvorwurfs an (Anlage 3 - Bl. 20 - 23 d.A.). Der Betriebsrat gab noch am 02.02.2007 eine abschließende Stellungnahme ab. Die Beklagte sprach sodann mit Datum vom 5.2.2007 die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung aus.

Im Hinblick auf die vom Kläger am 31.01.2007 beantragte Gleichstellung als Schwerbehinderter beantragte die Beklagte höchst vorsorglich, die Zustimmung des Integrationsamtes zu einer weiteren hilfsweise auszusprechenden fristlosen ggf. fristgemässen Kündigung. Nach Erhalt der jeweiligen Zustimmung kündigte die Beklagte daraufhin erneut vorsorglich mit Datum vom 02.03.2007 das Arbeitsverhältnis fristlos, mit Datum vom 30.03.2007 hilfsweise fristgemäß zum 31.05.2007.

Der Kläger erhob gegen alle Kündigungen fristgemäß Kündigungsschutzklage. Er hat bereits erstinstanzlich vertreten, es läge weder ein wichtiger Grund für eine fristlose, noch ein Grund für eine fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung vor. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe den Zeugen K... tätlich angegriffen und ihm die Schirmmütze und die Brille aus dem Gesicht geschlagen (Bl. 66 - 67a d.A.). Danach hat es die Klage abgewiesen. Das geschah im Wesentlichen mit der Begründung, der Kläger habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Zeugen K... bedroht und massiv ins Gesicht geschlagen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil vom 24.05.2007 verwiesen. Gegen diese dem Kläger am 11.06.2007 zugestellte Entscheidung legte er form- und fristgerecht Berufung ein, die auch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet wurde.

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für fehlerhaft. Er bestreitet, dass die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß gewesen sei, da die Beklagte dem Betriebsrat nichts über die Abmahnung und die Fehlzeiten im Zusammenhang mit der Kündigungsanhörung geschildert habe. Auch sei der Betriebsrat zu einer Änderungskündigung angehört worden. Im Übrigen wurde bestritten, dass die Sachverhaltsschilderung vollständig war. Der Kläger vertritt darüberhinaus die Ansicht, der Vorfall rechtfertige keine Kündigung. Der Arbeitsscheinwerfer sei bereits vor dem missglückten Rangiermanöver defekt gewesen. Im Übrigen habe er den Zeugen K... nicht bedroht. Er habe ihn weder gezielt aufgesucht, noch geschlagen oder auch nur berührt.

Der Kläger habe den Zeugen nur angebrüllt, sich im Übrigen auch nicht auf der Hebebühne befunden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24.05.2007 abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.02.2007 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 02.03.2007 aufgelöst wurde;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30.03.2007 aufgelöst worden ist;

4. für den Fall des Obsiegens mit den Klaganträgen zu 1) -3) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzververfahrens zu unveränderten Bedingungen als Kraftfahrer weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Die Betriebsanhörung war ihres Erachtens in jeder Hinsicht korrekt. Sie weist zudem darauf hin, dass die Kündigung nicht auf den Vorwurf der Sachbeschädigung gestützt werde, vielmehr auf den Vorwurf der Bedrohung eines Arbeitskollegen. Nach ihrem Vorbringen hat der Kläger den Zeugen K... gezielt abgepasst und ihn massiv ins Gesicht geschlagen, so dass die Brille verbog und die Schirmmütze herunterfiel. Jedenfalls sei er ihm so nahe getreten, dass er jedes notwendige Maß an erforderlicher körperlicher Distanz missachtet und dadurch sowie durch seine Gestik den Zeugen K... massiv bedroht habe.

Das Gericht hat den Zeugen K... erneut zu dem Geschehnis am 24.09.2007 vernommen. Hinsichtlich des konkreten Beweisthemas sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Berufungsverhandlung verwiesen.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle erster Instanz.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird bezüglich der Ausführungen zur Betriebsratsanhörung sowie zum Fehlen eines Sonderkündigungsschutzes auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Im Übrigen wird, auch auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, folgendes ausgeführt:

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Hinsichtlich des Vorliegens eines Kündigungsgrundes ist grundsätzlich der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.

Es ist allgemein anerkannt, dass bei Tätlichkeiten von Arbeitnehmern untereinander dem Angreifer regelmäßig gekündigt werden kann. Ausnahmen können gelten, wenn der Arbeitnehmer provoziert wird und in einer Notwehrlage gehandelt hat.

2. Nach dem Ergebnis der erneuten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger am 24.01.2007 den Zeugen K... gezielt abgepasst und sodann massiv durch seine Äußerungen in Verbindung mit seinen Gesten bedroht hat, letztendlich mit dem Ergebnis, dass diesem, ob gewollt oder ungewollt, die getragene Schirmmütze vom Kopf geschlagen und die Brille derart getroffen wurde, dass sie verbog. Während der Kläger auf Befragen der Berufungskammer vorgetragen hat, er habe den Zeugen K... weder geschlagen, noch angefasst, noch berührt, hat der Zeuge nochmals detailliert geschildert und auch demonstriert, dass und wie der Kläger, sich in Rage befindend, innerhalb kürzester Zeit bedrohlich nah an ihn herangetreten ist, ihn verbal beschimpft hat und ihm letztendlich wild gestikulierend die Brille von der Nase und die Schirmmütze vom Kopf geschlagen hat - ob gewollt oder auch ungewollt. Der Kläger bestreitet nach wie vor, überhaupt auf die Arbeitsbühne geklettert zu sein. Auch die Berufungskammer hat jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinerlei Zweifel daran, dass er sich nach vorangegangenen verbalen Attacken gegenüber dem Zeugen zunächst am Boden stehend sodann auf die Arbeitsbühne begeben hat. Es sind auch nicht ansatzweise irgendwelche Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen sich ergeben könnte, dass sich der Zeuge K... die Körpersprache des Klägers auf der Arbeitsbühne mit den entsprechenden Folgen des Verbiegens der Brille einschließlich des erforderlich gewordenen Ganges zum Optiker, um den ordnungsgemäßen Zustand der Brille wieder herzustellen, ausgedacht hat. Der Zeuge hat auf Aufforderung des Klägervertreters, er möge die körperliche Distanz ihm gegenüber demonstrieren, so spontan eine Aufstellung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten eingenommen, dass die Kammer davon überzeugt, dass er das tatsächlich erlebt hat. Der Zeuge hat demonstriert, dass und wie der Kläger im Zusammenhang mit seinen verbalen Beschimpfungen gegenüber dem Zeugen die allgemein gebotene menschliche Distanz zum Körper seines Gegenübers, mit der Respekt, Achtung und fehlende Einschüchterung zum Ausdruck gebracht wird, auch nicht ansatzweise gewahrt hat. Der Kläger hat vielmehr, sich vor dem Zeugen aufbauend, eine Nähe gesucht, die zweifelsfrei schon durch diese Körpersprache bereits einschüchternd wirken musste. So hat der Zeuge denn auch ausgesagt, er habe sich allein durch diese Körpernähe bedroht gefühlt und fühle sich auch nach wie vor insoweit vom Kläger bedroht. Die Kammer hält den Zeugen in jeder Hinsicht für glaubwürdig.

Es ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, ob der Kläger die Schirmmütze des Zeugen sowie seine Brille tatsächlich treffen und herunterschlagen wollte. Anzulasten ist ihm insoweit, dass er in seiner Wut die gebotene körperliche Distanz nicht eingehalten und damit zumindest billigend in Kauf genommen hat, im Zusammenhang mit seinem Herumfuchteln den Zeugen körperlich zu provozieren und zu bedrohen, ihn an irgendwelchen Körperteilen oder seiner Kleidung zu treffen und ggf. Gegenstände zu Fall zu bringen.

Der Kläger hat sich auf der Hebebühne befunden, auch das steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest. Er ist nicht am Boden stehen geblieben. Soweit der Zeuge ein einziges Mal im Rahmen der lang andauernden Beweisaufnahme auf wiederholtes Fragen des Klägervertreters missverständlich geantwortet hat, er habe auf die Äußerungen des noch am Boden stehenden Klägers bereits reagiert und geantwortet, macht dieses die Aussage des Zeugen nicht unglaubwürdig. Die Fragestellung des Klägervertreters war insoweit nicht frei von möglichen Missverständnissen. Die Fragen waren vermischt mit einer Sachverhaltsschilderung des Klägervertreters und Erläuterungen, die Antwort des Zeugen mehrfach unterbrochen. Der Zeuge hat sodann auf Bitten des Gerichtes, nach seiner spontanen - aufgrund der wiederholten Befragungen sichtlich entnervten Antwort - nochmals ruhig und detailliert sowie chronologisch den Zeitablauf des Vorfalles geschildert und bei dieser Gelegenheit jegliche möglichen Widersprüche ausgeräumt. Die Kammer glaubt ihm seine Sachverhaltsschilderung.

3. Nach dem Ergebnis der in der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme steht zwar entgegen den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil gerade nicht fest, dass der Kläger den Zeugen massiv ins Gesicht geschlagen hat. Gleichwohl ist angesichts des festgestellten, vom Kläger an den Tag gelegten Verhaltens vorliegend eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Die Kammer ist, auch wenn der Kläger dieses bestreitet, davon überzeugt, dass er den Zeugen K... am 24.01.2007 gezielt auf dem Betriebsgelände abgepasst hat. Der Zeuge hat auf diesbezügliches Befragen ausdrücklich ausgesagt, ihm sei von Arbeitskollegen bestätigt worden, dass diese vom Kläger befragt wurden, wann der Zeuge abends wieder auf dem Betriebshof erscheine. Der Kläger hat sich dann auch unstreitig, obwohl er keinen Dienst mehr hatte, während seines Feierabends mit seinem Privat-Pkw auf den Hof der Beklagten begeben. Er ist gezielt dorthin gefahren, wo der Zeuge seine Entladungsarbeiten verrichtete. Hieraus ergibt sich bereits nach Ansicht der Kammer ein wohlvorbereitetes, zielgerichtetes Verhalten des Klägers.

Seine Aggressivität gegenüber dem Zeugen ist daher auch nicht mehr einer zufälligen, aktuell entstandenen Situation zuzuordnen, vielmehr einer konkret berechneten und berechenbaren Handlung. Festzustellen war insoweit auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein großes Aggressionspotenzial des Klägers von der ersten Sekunde an. Der Kläger ist so zügig und so abrupt und vehement gegenüber dem Zeugen aufgetreten, dass dieser allein schon aufgrund der Überraschungssituation für sich keinerlei Möglichkeit des Zurückweichens oder ähnliches sah. Der Kläger hat geplant und gezielt gehandelt. Er hat den Arbeitskollegen und Zeugen K... geplant und gezielt beschimpft und durch seine Körpersprache sowie die Nichtwahrung jeglicher allgemein üblicher körperlicher Distanz nachhaltig bedroht und eingeschüchtert.

Diese Vorgehensweise ist durch nichts gerechtfertigt. Sie ist auch nicht mit einem möglicherweise allgemein üblichen raueren Umgangsstil und Umgangston in diesem Arbeitsbereich zu rechtfertigen. Die gezielte Vorgehensweise des Klägers hat das Maß eines etwaigen tolerierbaren raueren Umgangsstils von Männern dieses Berufsbereichs, einer etwa üblichen Burschikosität bei weitem überschritten.

Insoweit kann auch nicht zur Entlastung des Klägers angeführt werden, der Zeuge K. habe ihn letztendlich dadurch provoziert, dass er ihn bei dem Disponenten hinsichtlich des Verlaufs des Rangiervorganges "verpetzt" hat. Insoweit ist noch nicht einmal ersichtlich, dass der Zeuge den Kläger mit seinen Äußerungen gegenüber dem Disponenten tatsächlich verpetzen wollte. Er wollte nach seinem Vorbringen lediglich für eine ordnungsgemäße Schadensmeldung Sorge tragen, ohne zu wissen, dass und in welchem Umfang der Kläger diese Schadensmeldung bereits selbst vorgenommen hatte. Der Kläger hat ja nun immerhin unstreitig keinerlei Hintergründe bezüglich des aufgetretenen Schadens gegenüber dem Disponenten offenbart. Es ist jedoch nicht nur das gute Recht, sondern auch die Pflicht jeden Arbeitnehmers, Schäden zu melden, die er festgestellt oder wahrgenommen hat. Dass das für den Schadensverursacher nachteilige Auswirkungen haben kann, macht die Schadensmeldung nicht verwerflich. Vor allen Dingen rechtfertigt sie weder eine Selbstjustiz, noch eine Bedrohung des Arbeitskollegen, sei es verbal, sei es durch Körpersprache, sei es gar durch gezielte Tätlichkeiten.

Nach Ansicht der Kammer ist eine außerordentliche Kündigung bei einer derartigen Fallkonstellation nicht erst dann gerechtfertigt, wenn ein Arbeitnehmer seinem Arbeitskollegen im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen gezielt ins Gesicht geschlagen, eine gezielte Körperverletzung begangen hat. Vielmehr liegt bereits dann ein zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigendes Verhalten vor, wenn ein gezieltes Handeln mit großem Aggressionspotenzial festzustellen ist, das bewusst und gesteuert eingesetzt wurde und als Bedrohung des Gegenübers eingeordnet werden kann. Das ist vorliegend der Fall.

4. Auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ergibt sich weder eine Unwirksamkeit der fristlosen, noch der hilfsweise fristgemäß ausgesprochenen Kündigung. Das Verhalten eines Arbeitnehmers gegenüber einem Arbeitskollegen, wie es der Kläger an den Tag gelegt hat, muss von einem Arbeitgeber nicht geduldet werden. Da die Bedrohungssituation auch jederzeit innerhalb einer ggf. einzuhaltenden Kündigungsfrist wieder auftreten könnte, möglicherweise nunmehr auch als Reaktion auf die erhaltene Kündigung, ist auch eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Auch das langjährige Arbeitsverhältnis des Klägers ändert hieran nichts. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es in Anwendung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bei derartigen Sachverhalten nicht.

5. Die Betriebsratsanhörung war ordnungsgemäß im Sinne des § 102 BetrVG. Sie richtet sich nach der subjektiven Determinierungstheorie. Insoweit ist unbeachtlich, dass die Beklagte dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der Anhörung vom 02.02.2007 nichts zum Vorliegen der Abmahnung sowie der Arbeitsunfähigkeitszeiten mitgeteilt hat. Sie hat die Kündigung hierauf nicht gestützt. Die subjektive Determinierungstheorie hat nur zur Folge, dass alles das, was dem Betriebsrat nicht mitgeteilt wurde, im anschließenden Kündigungsschutzprozess nicht zur Rechtfertigung der Kündigung angeführt werden kann.

Soweit der Kläger pauschal bestritten hat, dass der Betriebsrat voll umfänglich und ordnungsgemäß informiert wurde, ist dieses Bestreiten unbeachtlich. Die Beklagte hat substantiiert unter Vorlage von Urkunden dargelegt, was dem Betriebsrat, der immerhin auch zusätzlich noch am Anhörungsgespräch beteiligt war, mitgeteilt wurde. Der Kläger hätte nunmehr detailliert vortragen müssen, warum was vor welchem tatsächlichen Hintergrund bezüglich dieser Ausführungen der Beklagten unzutreffend sein soll. Das ist nicht geschehen. Insoweit ist sein pauschales Bestreiten unbeachtlich.

Sein Vorbringen zur Anhörung bezüglich einer Änderungskündigung ist unzutreffend. Ausweislich des Anhörungsformulars wurde die Rubrik "Änderungskündigung" ausdrücklich durchgestrichen.

6. Dem Schwerbehindertenschutz obliegt der Kläger gem. § 90 Abs. 2a SGB IX nicht, da er den Gleichstellungsantrag zu spät gestellt hat. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen

7. Nach alledem war der Kündigungsschutzantrag unbegründet. Die Klage ist daher zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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